Oh je, beim Lesen der neuen Entwicklung habe ich gesehen, dass ich hier noch Antworten schuldig bin. Bitte nicht persönlich nehmen, wenn ich manchmal etwas sprunghaft bin und einen Faden nicht mehr aufnehme.
Ist nicht böse oder nachlässig gemeint, mich beschäftigt nur oft so viel und die Aufmerksamkeit schweift dann ab. Und zugleich will ich mich immer nicht so stark an einen Gedankenstrang "binden", sondern ihn lieber erstmal diffus wirken lassen.
Gut, aber jedenfalls möchte ich hierauf noch antworten, auch wenn stark verspätet. Es führt auch von der Faszination der Lüge wieder etwas mehr zum eigentlichen Threadthema zurück:
ToWCypress81 hat geschrieben:Sybillina hat geschrieben:Wie, "auf sich bezogen"? Das kann ich einfach nicht verstehen, wie ich es auch drehe. Heißt das, andere Leute "beziehen die Welt auf sich"? Was heißt das?
Den Satz habe ich zuerst auch nicht verstanden bzw konnte mit diesem auch nichts anfangen.
Nun denke ich aber:
"Die Welt" heißt nichts anderes als "
die Menschen".
Übersetzt würde das heißen:
"Weil sie (die Autisten) die
Menschen (deren Verhalten) nicht auf sich beziehen".
Zumindest ist das das einzige was ich nachempfinden kann bzw bei mir auch so sehe, und so als Satz mit diesem gesamten sinngemäßen Absatz/Textblock meiner Meinung nach auch stimmig ist.
Darüber habe ich lange nachgedacht. Zunächst meinte ich - ähnlich wie tiffi im Beitrag darunter - dass die Welt doch mehr sei als nur die Menschen um einen herum. Gerade wohl auch, weil für Menschen mit nicht so starken sozialen Bedürfnissen eben die Um-Welt (nicht-menschlich) einen Ruhepol darstellen kann, der positiv besetzt ist.
Okay, aber so richtig in Bezug tritt man wohl nur mit Menschen, weil nur da gleiche (= sehr ähnliche) kognitive Voraussetzungen. Wenn ich z. B. die Rabenliaison im anderen Thread betrachte, so ist das sicher ebenfalls eine Art Bindung und Kommunikation - aber eben doch anders und vielleicht einfacher, weil der Rabe nichts von uns erwartet (außer vielleicht Futter oder interessantes Verhalten), wir ihm aber etwas geben und uns daran freuen können. Zugleich erweitert er unseren Horizont um Einblicke in Verhalten und ggf. Erleben einer anderen Lebensform und definiert uns dadurch im Unterschied zu sich. ("Was macht er, was ich nicht tue?")
Oh - vielleicht ist natürlich gerade das die im Artikel postulierte "Beziehung" ("auf sich beziehen") - dass man Verhaltens- und Denkweisen mit sich vergleicht und daraus Erkenntnisse gewinnt? Der Gedanke kam mir gerade.
Dann wäre das mit dem "auf sich bzeogen" vielleicht eher von "Bezug" abzuleiten statt von "Beziehung", wie ich erst dachte.
tiffi hat geschrieben:So könnte es schon sein, dass man bei Menschen eher etwas auf sich beziehen oder auch gestalten könnte.
(Als Spiegel). Wobei ich dann eher an Narzissten denke oder Leute mit Wahnvorstellungen, die übermäßig
viel in anderen sehen von sich selbst oder denken, die anderen sind "nutzbare Fläche".
Keine so gute Assoziation.
Ja, entweder so (diese beiden Möglichkeiten als Extreme), oder als Mittelweg: Man selbst als Individuum vergleicht sich stetig mit anderen Menschen, um sich einschätzen zu können - zunächst vielleicht ganz wertfrei. Kein Messwert ist was wert ohne Bezugsgrößen. Was würde uns eine Außentemperatur von 39 Grad sagen, wenn wir nicht wüssten, dass der Mensch ca. 37 Grad Körpertemperatur hat und die Außentemperaturen in Deutschland im Winter auch mal unter -10 Grad fallen können? Nichts.
In diesem Sinne wäre das "die Welt auf sich Beziehen" erstmal nur ein Ermitteln von Umgebungswerten, verknüpft mit einer Einschätzung der eigenen Person, aber noch ganz ohne Handlungs-/Reaktionserfordernis.
Erst wenn man in soziale Kontexte eintreten und sich dort positionieren WILL, entsteht aus dem "auf sich Beziehen" auch Leistungsdruck.
Das führt direkt weiter zu tiffis Gedanken:
tiffi hat geschrieben:Sybillina hat geschrieben:Braucht man das, ist das hilfreich? Ich kann mich nicht anders sehen als eine Beobachterin. Da wo ich "auf die Bühne gehe" und mitmache (= Alltagsleben), betrachte ich mich dennoch jederzeit ebenfalls von außen. Gleichzeitig zum Handeln.
Vielleicht so im Sinne Selbstwirksamkeit?
Wenn es um das Thema Selbstbewusstsein geht, gehts eigentlich ja immer um das Thema-
"ich bin wertvoll
im Vergleich zu anderen, ich bin nicht minderwertig, ich kann mich zeigen und mitmachen".
Keiner würde vergleichen "ich bin selbstbewusst im Vergleich zu einem Stein der da liegt und ich fühle mich
zu minderwertig,den aufzuheben".
Irgendwie finde ich das total merkwürdig, dass man sich im "Menschenraum" solche Macken angewöhnt.
Und doch der Raum in der Gesellschaft, das Dazugehören oder nicht, Interagieren oder außen vor sein,
ziemlich wesentlich zu sein scheint und auch auf das Wohlbefinden wirkt.
Dieses Beobachten wird von manchen Meditationsschulen trainiert. Es ist eine Art von Dissoziation
(vielleicht von diesen gesellschaftlichen Rollen?)
Ich denke, wenn man die Möglichkeit hat, in sich selbst zu ruhen (was ja Kontakt zur Außenwelt nicht ausschließt), kann man diese "Macke" gut nutzen. Schwierig wird es erst, wenn man sich in eine Art Strudel hineinziehen lässt und dann tatsächlich den "Bezug" zu den Mitmenschen automatisch und immer zu einer "Beziehung" macht.
Den Gedanken mit dem Stein fand ich toll. Mir ist es tatsächlich schon passiert, dass ich mich beim Sitzen an einem See mit der Wasserfläche verglichen habe, und ich fand es sehr hilfreich, weil es eben aufzeigte, dass man als Mensch noch mehr Handlungsraum hat als z. B. ein See, der ja auch schon einiges kann (durch Oberflächenspannung langbeinige Insekten tragen, Tropfen bilden, Wellen schlagen, unterschiedliche Temperaturschichten und Gaskonzentrationen aufweisen in Schichtung von oben nach unten, Dinge an seinem Grund verstecken, durchsichtig oder farblich schillernd sein, gefrieren und dann schwere Sachen tragen, ...).
Eigentlich sollte man sich viel öfter mit einem Stein (als Prototyp des Unbewegten) vergleichen, um zu sehen, wie viele Handlungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten man selbst doch hat. Attraktiv finde ich z. B. die Vorstellung, dass ein Stein rein durch die Umgebung eiskalt sein kann und sich dann auch besonders hart anfühlt, während derselbe Stein sonnendurchwärmt glatt und weich erscheint.
Gut, jedenfalls ist die schizoide Distanz, innerlich und äußerlich, ja ein möglicher Ausweg daraus, sich zu sehr ein-beziehen zu lassen. Doch kann es dann auch schnell wieder zu wenig werden, das man abbekommt. Ich denke, da ja gerade sehr introvertierte Personen, wie sie sich z. B. hier im Forum finden, gewöhnt sind, viel nachzudenken und zu bewerten, ist man da besonders gefährdet.
Das war ja auch das ursprüngliche Threadthema, inwieweit Empathie (was immer das ist, wie schon diskutiert wurde) benötigt wird und ob Autisten (nur) deshalb nicht angemessen sozial funktionieren können, weil sie ihnen fehlt.
Frage: Geht "Bezug" ohne (zu tiefe, zu enge, zu beängstigende) "Beziehung"?
Ich meine hier nicht Partner- oder Freundschaftsbeziehungen, nicht mal Kollegenbeziehungen, sondern die ganz schlichten Formen des "die Welt auf sich Beziehens" oder "auf die Welt bezogen Seins", des in der Welt Da-Seins.
Vielleicht wird man aber auch als Mensch, gewollt oder nicht gewollt, automatisch und immer "hineingezogen", worunter dann eben Autisten besonders leiden. Vielleicht gibt es keinen Mittelweg?
Das dissoziierte Beobachten, das tiffi aus Meditationsschulen erwähnt, kenne ich, finde es aber auch problematisch. Das ist ja gerade das schizoide Denken und dadurch fehlende Fühlen, das man sich von jung auf angewöhnt hat als Reaktion auf eine wenig vertrauenerweckende Umwelt. Ich würde es gerne ablegen bzw. bin froh, mittlerweile (durch eine Therapie) auch andere Register zur Verfügung zu haben und dazwischen wechseln zu können.
So als tertiär erlernte Haltung im Sinne einer Entspannungs-/DissoziationsTECHNIK mag es ja ganz hilfreich sein.
Traumafrau hat geschrieben:Dieses "selbst helikoptern", also sich aus der 2.Person Perspektive beaobachten (Beäugen? Belauern? Protokollieren? Evtl sogar Kommentieren?) Wird das als Ich-Fremd oder Ich-Zugehörig von euch @Sybilina @ToWCypess81 betrachtet? Ist das wie ein Modus der jederzeit, selbstbestimmt ein- und ausgeschaltet oder eine Brille, die auf- und abgesetzt werden kann? Oder läuft das in Dauerschleife? Oder gibt es einen Auslöser/Trigger für diesen Modus?
Bei mir ist es entweder ein sehr früh erlerntes Verhalten oder eine Standardfunktion meines Gehirns, jedenfalls DAS Standardverhalten bzw. -funktionieren.
Wie eine Brille auf- und abgesetzt werden: Teils ja. Dann wechsele ich in einen dritten Modus, der sowohl mich als Beobachterin als auch mich als Handelnde (in einer Situation) von noch weiter außen in den Fokus nimmt. Komischerweise hat dieser "dritte Modus" mehr Bezug (
) zu mir als die beiden anderen, wie mir gerade auffällt. Vielleicht, weil er noch weiter weg und daher ungefährlicher, neutraler ist?
In diesem kann ich auch Gefühle zur aktuellen Situation spüren, die sich aber in der handelnden Person (mir) nicht direkt umsetzen lassen.
Als Dissoziation empfinde ich es aber nicht, sondern es sind halt verschiende Funktionsmodi meiner Person, die hilfreich zusammenwirken, da und wenn sie gleichzeitig auftreten können. Das wiederum geht nicht immer, der dritte Modus steht nicht immer zur Verfügung.
Ich-fremd/-zugehörig: Ich empfinde alle genannten Elemente als zugehörig und Teil meines Ichs. So wie verschiedene Spiegelflächen, die nicht immer alle gleichzeitig oder überhaupt genutzt werden, sondern bedarfsgerecht.
Das macht sich automatisch, "abrufen" lassen sich die verschiedenen Funktionen nicht gezielt.
ToWCypress81 hat geschrieben:Dieses Beobachten das nicht emotional besetzt ist, daher auch kein "belauern" usw darstellt, findet entweder sachlich oder zusätzlich mit der Angst falsch rüberzukommen statt - welches sich automatisch "von aussen" vollzieht, inklusive mir und den Personen die in dem Moment mit mir zu tun haben.
Dieses "Beobachten von aussen" aus der Sicht eines "Gefühle erdenkenden Zuschauers" heraus geschieht.
(...)
Dieses "Beobachten" findet bei mir nur statt, wenn ich unter Menschen bin bzw mich nicht alleine fühle.
Es geschieht zeitgleich mit dem "mitschwingenden Durchdenken" jeglicher menschlicher Situationen.
Anstatt wie es mit dem normal-neurotypischen (NTs) "Emotionalen mitschwingen" wahrscheinlich sonst üblich wäre - welches bei NT's eher/zumeist "instinktiv", also somit eher/zumeist von "innen-heraus" ohne Selbstschau geschieht.
Da ich nicht weiß, wie ich ansonsten die meisten Situationen mit Menschen verstehen kann - ist das meistens mein einziger Weg und Art unter Menschen zu "funktionieren".
Da das "Beobachten von aussen" keinen emotionalen Kern hat, sondern nur auf einer sachlichen Abwägung basiert, wie es richtig oder falsch ist Situationen einzuschätzen - ist somit dieses "Beobachten" für mich auch nicht emotional "negativ" geprägt, wie es stattdessen bei der Vorstellung dieses "emotionalen Beobachtens von aussen" für NT's wahrscheinlich der Fall wäre/ist, und deswegen so schlimm erscheint.
Diese Ausführungen fand ich sehr interessant und vielschichtig, danke dafür. Ich denke noch darüber nach.
Es ist wohl wirklich die zentrale Frage, inwieweit man wahrgenommene Dinge/Emotionen/Bedingungen anderer dann selbst emotional besetzt. Ob man dies muss, nur kann oder gar nicht kann.
Bei mir würde ich sagen, ist die Auswertung auch eher neutral und erzeugt keine emotionalen Reaktionen. Das liegt aber vielleicht wiederum daran, dass ich so wenig "Bezug"/"Beziehung" (???, siehe oben) zur sozialen Umgebung herstelle bzw. auch nicht herstellen möchte.