Misstrauen

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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moalix
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Misstrauen

Beitragvon moalix » 2. Februar 2019, 16:46

Hallo Menschen und alle andern,

Was fällt euch zum Thema Misstrauen ein?

Es ist nämlich was, was ich selbst gerade nicht richtig greifen kann. Ich bin teilweise stark misstrauisch, aber weiß nicht genau woher das rührt, ich bin auf der anderen Seite auch ein Mensch, der quasi ein Urvertrauen hat in vielen Bereichen (Ich trampe seit meinem 13. Lebenjahr alle größeren strecken, habe keinerlei Angst nachts in Stadt und Wald...)

Aber wenn ich bei Menschen über den ersten Kontakt hinaus bin oder beispielsweise auch bei meinem Mitbewohner (den ich objektiv als den vertrauenswürdigsten und liebsten Menschen einstufen würde, den ich so kenne) habe ich so ein tiefes diffuses Misstrauen.
So in der Art "die sagen nicht was sie meinen" "steckt garantiert was böses dahinter" oder so. deshalb gehe ich auf Distanz und Kapsel mich ab, versuche niemanden wirklich an mich ranzulassen. Kann mir vorstellen das das was eher typisch schizoides sein könnte, aber es interessiert mich noch mehr und ich würde das Thema gerne differenzierter betrachten, vielleicht ist ja ja schon jemand weiter als ich.


Nachtrag: ich glaube bei mir hat das Gefühl des Misstrauens auch viel damit zu tun, weil ich mich so anders fühle bzw. die anderen so weit weg und in einer anderen Welt lebend

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Re: Misstrauen

Beitragvon orinoco » 2. Februar 2019, 17:46

Misstrauen ist einfach "nur" die Angst, dass andere Menschen einem nichts Gutes wollen. Dazu muss unsereins nicht mal besonders viel schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen (Lügen, Enttäuschung, Betrug) gemacht haben. Weil unsereins deutlich sensibler (aufgrund der Ur-Traumatisierung) auf Angst und Stress reagiert bzw. das nicht reguliert bekommt, wird als Kompensationsstrategie das Misstrauen geschärft.
Ich hab das besonders krass im Vergleich zu neurotypischen Menschen erlebt, die sich vollkommen naiv von einem Telefonbetrüger haben übers Ohr hauen lassen, ja dem sogar ihre ganze Lebensgeschichte erzählt haben. Als ich das mitgekriegt habe, war ich innerlich sofort auf voller Abwehrbereitschaft. Aber der betroffenen Person hat dieser klare Betrugsversuch überhaupt nichts ausgemacht und hat auch keinen Anlass gesehen in Zukunft vorsichtiger und weniger naiv zu sein.
Da merke ich immer wieviel mehr Misstrauen ich gegenüber den Menschen habe.
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Re: Misstrauen

Beitragvon Themis » 2. Februar 2019, 18:06

Ich frage mich, ob eher misstrauen als vertrauen Können nicht oft ein Vorteil ist - zwecks realistischer Einschätzung. Die einem zwar ohne größere reale Gefahren (wie die Trickbetrüger) manchmal hinderlich ist (man knüpft weniger leicht Kontakte, weil man viele Leute schnell aussortiert), aber eben doch einen klaren Blick sichert.

Z. B. habe ich den Ruf, still zu beobachten, Menschen aber immer sehr treffend einschätzen zu können. Andere sind da viel naiver und werden öfter enttäuscht.

Was orinoco schreibt, ist mir auch schon aufgefallen: Passiert Menschen etwas greifbar Negatives (die Trickbetrüger), sind viele schnell bereit, das als Ausnahme abzutun.
Die Schablone für Gutes ist bei ihnen deutlich ausgeprägter. :rätseln:

Wobei ich z. B. auch nicht schwarz sehe und nichts Schlechtes erwarte, aber eben auch nichts Gutes. Eher neutral.
moalix hat geschrieben:ich bin auf der anderen Seite auch ein Mensch, der quasi ein Urvertrauen hat in vielen Bereichen (Ich trampe seit meinem 13. Lebenjahr alle größeren strecken, habe keinerlei Angst nachts in Stadt und Wald...)
[...]
Nachtrag: ich glaube bei mir hat das Gefühl des Misstrauens auch viel damit zu tun, weil ich mich so anders fühle bzw. die anderen so weit weg und in einer anderen Welt lebend
Evtl. gehört auch dies beides zusammen?

Gedanke 1:
Wer sich fremd fühlt, glaubt sich vielleicht (unbewusst) unberührbar von dem, was andere treffen kann. :rätseln:

Gedanke 2:
Die Fremdheit könnte auch ein sich selbst nicht so wichtig Nehmen erzeugen; in der Form, dass man sich selbst nicht als besonders schützenswert oder auch verletzenswert ansieht.

Beides kenne ich von mir. Kann bei Dir natürlich ganz anders sein.

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Re: Misstrauen

Beitragvon moalix » 2. Februar 2019, 21:29

Das klingt so, als erlebt ihr euer Misstrauen (zumindest zum Teil) wirklich als Vorteil bzw. habt es in berechtigten Situationen. oder?

Ich würde mich teilweise schon als naiv bezeichnen, dafür an anderen völlig unpassenden Stellen des zwischenmenschlichen zusammenlebens als sehr misstrauend. Mir fällt ein, dass ich derartige Gefühle auch oft habe, wenn ich die Lebensfreude anderer Menschen (v.A. von Kindern, die diese ja teilweise völlig zelebrieren) mitkriege.
Also steht mein Misstrauen wahrscheinlich im Zusammenhang mit meiner Lebensmüdigkeit und weil sich der Lebenswille und die Lebensfreude der anderen so weit weg von mir anfühlt, eine riesige Kluft und ich sehe mein gegenüber nur verschwommen und in schwarz weiß

Themsis, dein Gedanke 1 + 2 spielen sicher auch ihre Rolle...

vielleicht ist es auch eine unterbewusste Strategie damit ich mich besser Kapseln kann?
jedenfalls gefällt es mir nicht gut da das Misstrauen an Stellen auftritt wo es einfach nicht weiterhilft.

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Re: Misstrauen

Beitragvon MeinNameIstHase » 2. Februar 2019, 22:06

Für mich ist das eher hinderlich.
Genau wie Angstphasen im Übermaß auch eher einschränkend sind, gilt dies halt auch für Misstrauen bei mir. Das fühlt sich an als halte ich mich selbst zurück.

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Re: Misstrauen

Beitragvon Indigocat » 3. Februar 2019, 08:43

Hab mich gestern wieder bei einer paranoiden Befürchtung gegen einen lieben Verwandten erwischt, die sich bei genauem Nachdenken (die Person hat mich noch nie übers Ohr gehauen) und auch und auch in der sofortigen Handlung der Person als völlig haltlos erwies. Generell traue ich wohl auch niemanden und muss meine Gefühle mit Willensanstrengung aufgrund meines Vorwissens richtig stellen. Meine frühere Therapeutin hatte mir geraten, sympathischen Personen generell einen kleinen Vertrauensvorschuss zu geben. Diejenigen, die das nicht missbrauchen, haben das Potential, zu echten Freunden zu werden.
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Re: Misstrauen

Beitragvon tiffi » 3. Februar 2019, 11:21

moalix hat geschrieben:Nachtrag: ich glaube bei mir hat das Gefühl des Misstrauens auch viel damit zu tun, weil ich mich so anders fühle bzw. die anderen so weit weg und in einer anderen Welt lebend
Dieses Gefühl kommt mir auch bekannt vor.

Misstrauen - bei Gruppen hab ich eher in der Richtung: Wieviel Konformität wird erwartet, wie homogen ist
die Gruppe, gibt es "Sanktionen", Lästereien.
Das beobachte ich erst mal. Das ist ja nicht nur Paranoia sondern oft auch gegeben, welche Werte hat die
Gruppe.
Leider erlebe ich selten, dass ich mich fraglos identifizieren kann und zugehören kann und mich ganz
selbstverständlich in einer Gruppe bewegen kann.
Z B im beruflichen Kontext, wo man ja auch vieles zurückhält / zurückhalten sollte und nur auf einer Ebene
kommuniziert, damit es locker und reibungslos bleibt. Das verunsichert mich.

Misstrauen - bei Einzelnen hab ich eher in der Richtung: Wie dominant ist die Person? Für was will sie mich
einspannen? Soll ich ein Defizit bedienen? Soll ich eine bestimmte Rolle spielen / Lücke füllen?
Kann sie mich wahrnehmen und tolerieren und gibt es eine Wechselseitigkeit - und Freiraum?

Die ersten Checks finde ich erst mal nicht falsch oder hinderlich. Aber es kann natürlich sein, dass Angst,
Skepsis, negatives Denken neurotische Züge annehmen.
Angst und Zurückhaltung hat für mich eine Warnfunktion, aber sollte mich auch nicht total dominieren
und beherrschen. NUR Rückzug und immer engeres Lebensgefühl / Denken gäbe mir halt auch zu denken.

Grundsätzlich steuere ich mich in den letzten Monaten eher in die Richtung, mich wieder mehr zu
öffnen. Gemeinsam mit Angst und Misstrauen, denn ich kann das ja nicht aus-switchen und Programm
"Vertrauen" an-switchen und mich sorglos verbunden fühlen einfach so.
So ein Appell "vertrau doch mal", den ich an mich selbst hätte, wäre sowas wie eine Double-Bind-
Botschaft.

Alighieri

Re: Misstrauen

Beitragvon Alighieri » 3. Februar 2019, 17:13

@moalix
Ich nehme mich selbst als Fremdkörper unter Fremdkörpern wahr, nehme keine oder nur eine gering ausgeprägte Verbundenheit gegenüber sehr wenigen Menschen wahr. Mittlerweile verstehe ich, dass die prädisponierenden Faktoren, also die lebensgeschichtlichen Erfahrungen in der Herkunftsfamilie, aber auch alle weiteren Erfahrungen im interpersonellen Bereich, darüber hinaus den Grundstein dafür legten, dass dieses Urvertrauen massiv untergraben wurde. Daraus resultiert dann eine Vielzahl unterschiedlicher negativer Grundannahmen wie zum Beispiel: "Vertraue nur dir selbst","Andere Menschen sind potentiell immer gefährlich" usw. Diese dienen ihrerseits u.a. als aufrechterhaltende Faktoren.

Ich stimme orinoco zu, dass Misstrauen letztlich nur ein Gewand ist, welches Angst umhüllt. Angst davor verletzt zu werden, Angst davor die Kontrolle zu verlieren. Auch hier lässt sich diese Aufzählung individuell sehr differenziert ausgestalten.

Ich versuche so gut es geht anderen Menschen gegenüber eine neutrale Haltung einzunehmen. Ich gebe ihnen, sofern sich ein Umgang nicht vermeiden lässt, quasi die Möglichkeit mich davon zu überzeugen, dass sie vertrauenswürdig sind ohne dabei naiv und blind irgendwelche Vorschüsse zu verteilen. Gleichwohl bleibt immer ein kleiner Rest Misstrauen vorhanden, verschwindend gering, aber er ist da. So auch bei den einzigen beiden Menschen in meinem Leben, welche überhaupt eine Rolle spielen. Bei ihnen öffne ich mich gänzlich, darf ich so sein wie ich bin ohne deswegen negativ bewertet zu werden. Sollte aber wider erwarten ein Szenario eintreten das diesen, ich nenne es einmal Bund auflöst, so wäre ich nicht überrascht, fiele nicht aus allen Wolken, da ja unmerklich im Hintergrund das Misstrauen dennoch sein Unwesen treibt.

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Re: Misstrauen

Beitragvon Indigocat » 4. Februar 2019, 11:06

Themis hat geschrieben:Die Fremdheit könnte auch ein sich selbst nicht so wichtig Nehmen erzeugen; in der Form, dass man sich selbst nicht als besonders schützenswert oder auch verletzenswert ansieht.
Besondere Angst im Dunkeln habe ich auch nicht, meide aber bewusst gefährliche Situationen und riskantes Verhalten, seit ich Kinder habe. Erstens wird man ja über die Kindheit hinaus gebraucht, zweitens möchte ich meinen Kindern so ein weiteres Trauma ersparen und im Alter nicht mehr als unbedingt notwendig zur Last fallen.
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Re: Misstrauen

Beitragvon Ambivalenz » 27. Februar 2019, 09:53

moalix hat geschrieben:Hallo Menschen und alle andern,

Was fällt euch zum Thema Misstrauen ein?


Ist wohl eine Definitionsfrage.
Die meisten Menschen verstehen unter Misstrauen das:
orinoco hat geschrieben:Misstrauen ist einfach "nur" die Angst, dass andere Menschen einem nichts Gutes wollen.

Insofern bin ich nicht misstrauisch.
Es ist bei mir dann wohl eher "fehlendes Vertrauen"; sowohl in Bezug auf Personen (inklusive mir), Situationen usw.
Platt formuliert:
Nichts und niemand ist perfekt; Fehler, Missverständnisse, Fehleinschätzungen usw sind die Regel; was schiefgehen kann (also so ziemlich alles), geht oft auch schief etc pp...
Wer leuchten will, der flieht das Licht...
Grey would be the color, if I had a heart.


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