Letzte Lebenstage?

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Letzte Lebenstage?

Beitragvon Insuffizienz » 11. April 2016, 16:41

Eine klassische philosophische (?) Frage:
Was würdet ihr tun, wenn ihr wüsstet, dass ihr nur noch wenige Tage bis Monate leben würdet?
Wie würdet ihr eure letzten Lebenstage verbringen bzw. wie tut ihr es, falls die besagte Gewissheit bei euch vorliegt?

Durch (oberflächliche) Einflüsse aus dem Buddhismus und ähnliche Ideen denke ich vielmehr daran, dass man schon morgen sterben könnte. Das verändert meine Weltanschauung enorm und wird meine Lebensweise in Zukunft deutlich beeinflussen.

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Kalliope » 11. April 2016, 17:42

Es wird Dir bewusst, was Dir wirklich wichtig ist. Du fokussierst, sortierst aus.

Du schaust, was Du noch umsetzen kannst und willst.
Du wirst (deswegen) unter Umständen kompromissloser, weil Du weißt, dass die Zeit eben knapp ist.

Du fängst an loszulassen.
Oder Du beginnst, Dich mit dem Loslassen auseinanderzusetzen.

(Auch "Warnschüsse" genügen übrigens bereits. Oder z.B. eine Erkrankung, die potentiell lebensverkürzend ist. Oder gleich mehrere davon.)

Deine Wahrnehmung verändert sich und der Blick auf Deine Umwelt und Mitmenschen. Und auf das, was sie tun. Mit sich, ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt.
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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon MirrorMirror » 11. April 2016, 18:24

Ich würde mein Geld dem Tierschutz spenden und nach Schottland in den Urlaub gehen. Wandern in den Bergen, sitzen an der Küste, ins Meer blicken und denken. Ich war nirgends so glücklich wie in Schottland.
Ich bin Minimalist und so will ich das auch ausklingen lassen. Aufs nötigste reduziert in Stille.

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon hinterdemmond » 11. April 2016, 21:31

.
Zuletzt geändert von hinterdemmond am 21. Juli 2019, 00:41, insgesamt 1-mal geändert.
auch im abseits sterben helden. (clickclickdecker)

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Aion » 11. April 2016, 23:04

11. Apr 2016, 17:42 » Kalliope hat geschrieben:
(Auch "Warnschüsse" genügen übrigens bereits. Oder z.B. eine Erkrankung, die potentiell lebensverkürzend ist. Oder gleich mehrere davon.)


Ich wollte, dem wäre so -bei mir ist es das aber leider nicht. Irgend eine Idee, was mich da hellhöriger machen könnte?
LG
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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon sdsdsdsv » 12. April 2016, 06:24

[align=justify]
11. Apr 2016, 23:04 » Aion hat geschrieben:Ich wollte, dem wäre so -bei mir ist es das aber leider nicht. Irgend eine Idee, was mich da hellhöriger machen könnte?
Beim Konzept der mindfulness, oder Achtsamkeit wird der Blick auf das Jetzt und die Gegenwart gelenkt. Er stammt wohl ursprünglich aus der buddhistischen Praxis der Meditation. Es gibt da mittlerweile einige dt. Bücher zu. Vielleicht hilft das.[/align]

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Kalliope » 12. April 2016, 10:45

@Aion: hmm, Du bist also (auch) betroffen?

Den Hinweis auf die Achtsamkeit finde ich sehr gut. Spüren.

Vielleicht ist es von bestimmten Faktoren abhängig, wie man darauf reagiert, wenn man es denn tut.

Zum Beispiel, ob es sich um eine "diffuse", erhöhte Gefahr und Wahrscheinlichkeit handelt, die aber nicht genau vorherzusagen ist. Dann kann das halt im Modus "jeder kann jeder Minute vom Laster überfahren werden" stecken bleiben, d.h., der Realismus der Endlichkeit dringt schlicht nicht intensiv ins Bewusstsein.

Man muss es ja halt auch auf sehr tiefer Ebene begreifen, dass man die Existenz in dieser Form auf diesem Planeten nunmehr verlassen wird. Das ist ja nicht sehr leicht in der Vorstellung und die allermeisten verdrängen es und solcherlei Gedanken halt wohl auch eher.

Letztlich hängt es dann ja auch davon ab, ob Du überhaupt noch etwas hast, was Du noch erleben oder erledigen möchtest oder etwas, an den oder das Du Dich irgendwie gebunden fühlst und wovon Du dann loslassen musst. Für Viele sind das durchaus schmerzhafte Prozesse, immerhin ist das ja erstmal ziemlich endgültig, wenn man nun nicht irgendeinen Glauben hat, der einem die Illusion lässt, dass da noch was folgt.
Vielleicht gibt es auch einfach nichts Wichtiges mehr, keinerlei Bindung. Dann fällt das Gehen leichter.

Manch einer WILL ja auch explizit gehen und ist letztlich ganz froh, der als eher Quälerei empfundenen irdischen Existenz entfliehen zu können ("wrong planet") oder die Lebensbilanz ist halt eher negativ, so dass das Gehen auch eher gleichmütig hingenommen wird/werden kann.
Ich finde es aber auch nicht wirklich "schlimm", wenn da nichts kommt. Nicht "verhaftet" zu sein ans Irdische muss ja nicht die schlechteste Basis fürs Gehen sein.

Auch das schlichte Alter, fortschreitender "Verfall" inklusive der begleitenden Einschränkungen können das Bewusstsein schärfen. In meinem Falle auch hilfreich, sich das bewusst zu machen, dass Teile des Körpers vor dem Rest "gestorben" sind (Nekrosen/Infarkte) und im Grunde eben schon nicht mehr der lebendigen Welt angehören.

Wie knapp davor (Exitus) warst oder bist Du denn /schon gewesen)? Wie hat es sich angefühlt, konntest, kannst DU was fühlen?

Mir kommt da pers. auch keine Panik, bin da auch eher gleichmütig. Dennoch gibt es natürlich Aspekte der irdischen Existent, die ich schätze und schätzen gelernt habe. Das geht Dir vielleicht genauso? Das können Kleinigkeiten sein, wie ein schönes Licht, eine Stimmung, etwas aus Flora und Fauna, vielleicht etwas, das einem ans Herz gewachsen ist. Etwas, dass man gerne "noch mal gesehen" hätte oder erleben würde. Eine Landschaft vielleicht, ein schöner Ort der Kindheit, ein Tier, ein Menschen, an dem einen lag, eine Aktivität, die man "immer schon mal machen wollte", ein Lebensziel, welches man immer im "Hinterkopf" hatte, aber nie zu leben wagte (welches vielleicht noch erreichbar wäre, vielleicht auch nur in Anteilen), eine Sehnsucht halt. Vielleicht kommt Dir da was?

Das Bewusstsein über verbliebene, überschaubare Restzeit lässt einen vielleicht Ängste und innere Hürden überwinden. Das kann/könnte ein schöner Nebeneffekt sein.
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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Sophie2 » 12. April 2016, 21:43

Es gibt einen sehr schönen Film zu dem Thema: "Mi vida sin mi (Mein Leben ohne mich)". Die junge Protagonistin bekommt die Diagnose Krebs mit einer wahrscheinlichen Überlebenszeit von 2 Monaten. Sie erzählt niemanden davon und macht sich eine 10-Punkte-Liste von Dingen, die sie in der Zeit noch machen will. Es sind ein paar total banale Dinge dabei, und ein paar essentielle Dinge. U.a. nimmt sie für ihre zwei kleinen Töchter Geburtstagsnachrichten für die Jahre bis zu ihrem 18. Geburtstag auf, sucht eine neue Frau für ihren Mann aus und bringt sie ihm näher, so dass die Mädchen nach ihrem Tod wieder eine Mama haben, hat eine Affäre mit einem anderen Mann, lässt sich künstliche Nägel machen, etc.).
Ich habe auch manchmal nachgedacht, welches meine 10 Punkte wären, insbesondere während eines langen Wochenendes, als man kurz vorher im Röntgenbild einen Flecken in meiner Lunge entdeckt hatte, der auf Lungenkrebs, Tuberkulose oder ähnlich Übles hinzuweisen schien (löste sich dann aber alles in Nichts auf). Eine schlüssige 10-Punkte-Liste habe ich noch nicht gefunden, aber unter den banaleren Dingen wären einmal in die Oper zu gehen, eine Vespa zu fahren,Tango tanzen zu lernen, evtl. die erste Freundin meines Lebens aus dem Sandkasten wiederzutreffen, vielleicht ein paar andere wichtige Personen aus meinem Leben noch einmal wiederzusehen, an einen oder mehrere Orte zurückzukehren, an denen ich gelebt habe bzw. an denen ich mich auf Reisen besonders wohlgefühlt habe.
Aber vielleicht will man letztendlich in so einem Fall nur seine Ruhe und macht gar nichts. Oder man ist zu krank oder schwach zu allem. Trotz ein paar brenzliger Momente in meinem Leben scheint der Tod doch irreal und weit weg und ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie man sich dann fühlt, wenn das Ende tatsächlich nahe ist. Habe vor kurzem ein ganz gutes Buch zum Thema, wie man die letzte Lebenszeit einigermassen gut gestalten kann, gelesen : 'Being Mortal' von Atul Gawande. In den USA ist der wohl ziemlich bekannt. Das 'Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben' steht auch in meinem Regal, wartet aber noch darauf, gelesen zu werden. Gawande verweist auch auf 'Der Tod des Iwan Illjitsch' von Tolstoi als sehr aufschlussreich zum Thema.

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Aion » 13. April 2016, 07:08

Sehr schöner Beitrag, Kalliope.
Negative Lebensbilanz trifft es bei mir ganz gut. Zugleich gibt es leider nur wenig wohltuende Aspekte der irdischen Existenz, die ich nicht mehr missen möchte. In der Hinsicht hat sich mein Leben leider im Laufe der Zeit verarmt: Mit 18 dachte ich noch: "Wenn du 40 bist und 'es geschafft' hast, kannst Du ja Klavier spielen lernen." Mit 40 hatte ich dann andere Sorgen. Mit 26 nächtigte ich am Rand des Grand Canyon und verstand plötzlich, warum das Sternenbukett am Himmel Milchstraße genannt wird. "Hierhin möchte ich zurück kehren", dachte ich - doch auch der Wunsch ist mir vergangen.
Was bleibt, ist das Sichverausgaben im Beruf,auf Kosten meiner Gesundheit.Da erfahre ich zwar auch drastische Einschränkungen und Rückschläge, aber im Kontakt mit meinen Mitarbeitern noch am Ehesten sowas wie Selbstwirksamkeit.
Ist aber natürlich kein nachhaltiges Konzept.
Ob es hilft, dem Tod ins Auge zu sehen? Mein Vater hatte mit 56 einen Schlaganfall - danach hat er sich recht positiv entwickelt. Aufgrund einer Vorschädigung darf ich darauf indes nicht hoffen,
Meditation hilft in der Tat - allerdings bedarf ich dafür eines stützenden Rahmens. Im Kloster zu sein tut mir da immer gut. Kein Jobstress, kein Internet, kein Alkohol - damit sind die meisten schädigenden Einflüsse gebannt.
Im Alltag kriege ich das leider nicht hin..
LG
Aion

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Re: Letzte Lebenstage?

Beitragvon Themis » 22. April 2017, 17:23

Auch ich würde sagen, speziell zu erledigen hätte ich dann nichts mehr.

Es ist nicht so, dass ich mein Leben besonders schlecht finde - mir wäre es nur einfach lieber, wenn ich dem Zieleinlauf schon näher wäre.
Solange ich aber da bin, versuche ich, für mich jeden Tag das Beste draus zu machen. So empfinde ich etwa sehr oft eine extreme Dankbarkeit (gegenüber der Natur, dem Schöpfer oder wem auch immer - darauf kommt es gar nicht an)
für schöne Situationen oder Eindrücke, die ich gerade erlebe. Ich schätze den Augenblick und muss daher nicht auf letzte Lebenstage warten, um noch etwas Besonderes auszukosten.

Mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung hatte ich noch keinen eigenen Kontakt, wohl aber mit einem sehr gefährlichen Beinahe-Unfall. In der Situation erkannte ich die Todesnähe sofort und ganz klar; in Bruchteilen einer Sekunde spürte ich einen mächtigen Drang, "mich dem hinzugeben", wie eine Chance, die man nicht verpassen darf. Ich ließ die Muskeln schon locker, um das zu forcieren - als mir einfiel, dass ich ja auch nicht tot, sondern schwer behindert sein könnte. Mit ebenso großer Klarheit steuerte ich dann gegen und es passierte nichts.
Aber das Ereignis ist mir stets sehr deutlich in Erinnerung.

Für mich ist das Leben immer schon wie eine Party, wo ich nicht hinwollte und nicht hinpasse. So schön auch die Deko wird, lieber möchte ich möglichst bald unauffällig wieder gehen können - ohne den "Gastgeber" zu verärgern (etwa durch vorzeitigen Aufbruch), da mein Bauchgefühl ist, dass man es sonst vielleicht nochmal machen muss. Nee, danke.

Wie gesagt, heißt das nicht, dass man Beeindruckendes im Leben nicht bewundern und "genießen" kann, und das können auch ganz kleine Dinge und Begegnungen sein.
Ich wundere mich manchmal, wie gedankenlos und gierig Andere solches als selbstverständlich und ihnen zustehend wahrnehmen.

Da scheint mir bei all meiner Distanz zum und Fremdheit im Leben doch meine Wertschätzung ihm gegenüber viel größer zu sein. Irgendwie sogar viel mehr "Bezug" zum Leben da zu sein als bei vielen Anderen, die an ihm angeblich so hängen.

Bei mir gilt immer eine Mischung aus "Carpe diem" und "Ich bereue nichts". :-) Mache das auch eigentlich nicht bewusst, sondern BIN offenbar so ... Im Ganzen erzeugt das eine recht hohe Zufriedenheit mit dem Alltag (auch wenn der seit Jahren oft sehr schwierig und kaum schaffbar ist) bei gleichzeitigem permanentem Sehnen nach kurzer Wegstrecke. Eigentlich recht ausgewogen ... passt so.


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