Rollenspiel / Maskerade

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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Bernstein
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Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Bernstein » 17. Juli 2014, 13:41

Ich habe in den letzten Monaten sehr viel über mich nachgedacht und ( auch mit professioneller Unterstützung) mein bisheriges (Er-) Leben und Verhalten analysiert. Eins meiner Problemfelder ist, dass ich mich in den allermeisten Situationen, in denen ich mich im Kontakt mit anderen Menschen befinde, als „Nicht Echt“ empfinde. Ich verstecke mich hinter verschiedenen Masken, die mir Distanz zu den Menschen und dem Geschehen um mich herum schaffen und mir so die Sicherheit bieten, dass Ich ganz persönlich nie unmittelbar von den Dingen um mich herum betroffen bin, sondern dass z.B. Kritik eben nur der gespielten Rolle gilt, aber mein Wesenskern dadurch quasi geschützt ist. An und für sich eigentlich eine gute Sache, wenn daraus nicht doch so viele Folgeprobleme entstehen würden.

Der Ursprung meiner Maskerade liegt wohl auch in einem sehr autoritären, streng gläubigen (viel Moral und Schuld) und auch gewaltsam strafenden Erziehungsstil meiner Großfamilie. Durch das Gefühl, so nicht richtig zu sein, wie ich eben war, schlüpfte ich dann zunehmend in meine Rollen (gehorsame Tochter, gute Schülerin, gläubige Christin usw.) und der „Rest“, also mein für mich wahres Fühlen und Erleben, spielte sich in meinem Kopf ab. Hierbei ging mir nun der geschützte Raum „Familie“ verloren, auch hier war und bin ich nun nicht mehr „Echt“, was auf Dauer eine ziemliche Anstrengung werden kann.

Dies Rollenspiel hat sich irgendwie verselbständigt, so dass ich in allen weiteren Lebensbereichen und in jedem Kontakt immer erst meine Rolle finden muss, quasi einen Skript für mein Verhalten (bzw. für das Verhalten meiner in dem Moment benutzten Maske) brauche. Dadurch brauche ich oft unverhältnismäßig lange um mich irgendwo einzugewöhnen, z.B. früher in Schulklassen, in neuen Lebensabschnitten wie Pubertät und auch im Berufsleben. Wenn ich dann „meine Rolle einstudiert habe“, funktioniere ich eigentlich recht gut, zumindestens was gewohnte Kontakte und Beruf angeht. Schwieriger wird es dann bei unsicheren Themen wie Partnerschaft. Völlig aus der Bahn kann mich werfen, wenn etwas nicht nach Plan verläuft, wie z.B. eine unerwartete Reaktion des Gegenüber, oder Dinge, die einen Kontrollverlust hervorrufen.
Durch meine derzeitige Lebenssituation bin ich gezwungenermaßen in sehr vielen verschiedenen Kontaktpunkten mit Mitmenschen, so dass mir oft schon das einfache Präsent-Sein in den vielen verschiedenen Rollen, sowie das Ertragen des Daseins der Anderen einfach zu viel wird.

Ein weiterer Punkt ist, dass einem durch die unbewusste Distanz, die man aufgebaut hat, auch im Grunde die Möglichkeit genommen ist, dass jemand anderes einen wirklich kennenlernen kann, also nicht erst (und oft auch nur) die vordergründige Maske kennenlernt und man damit immer das Gefühl der Unvollkommenheit und des Sich-erklären-müssens hat. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich durch das unbewusste ständige Perfektionieren meiner Masken langsam aber stetig meinen eigenen Wesenskern, den ich eigentlich erhalten will, trotzdem verliere, wenn das verständlich ist.

Soweit die Erkenntnis, aber was folgt daraus? Öffnet man die Mauern des Selbstschutzes zumindest etwas und zeigt sich im Kontakt authentischer, was bei mir schon im Ansatz extreme Ängste auslöst und eher die Tendenz mich noch mehr zurückzuziehen, so dass ich schon das Gefühl bekomme, selbst kaum noch Zugriff auf meinen wahren Kern zu haben? Aus dem sich authentischer Zeigen, würden dann wieder eine Menge neuer Probleme entstehen, z.B. was meinen sozialen Beruf betrifft, oder auch den Kontakt mit Familienmitgliedern. Oder arrangiert man sich irgendwie mit den notwendigsten Rollen und lebt sich selbst in seinem eigenen geschützten Raum, im Denken, in der Pantasie aus?

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Nachtgängerin » 17. Juli 2014, 13:58

Hallo Bernstein,


also, bei mir ist das Problem, dass ich in Anwesenheit anderer Menschen automatisch den Zugriff zu meinem "Wesenskern" verliere. Ich bin dann nicht. Ich ist dann die Maske.

Wenn das bei dir auch so wäre, wäre es dir dann faktisch überhaupt möglich, deine Maske fallen zu lassen und auf dich zurückzugreifen - in freier Entscheidung des "Maßes"?


Grüße.
Und dann wird die Dunkelheit zur Pforte.

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Nebeltal » 17. Juli 2014, 14:49

Diesen "Wesenskern" gibt es nicht, es gibt kein "Ich" im eigentlichen Sinne, man ist in jeder Situation ein anderer Mensch. Deswegen würde ich mir darum nicht all zu viel Gedanken machen.

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon tournesol » 17. Juli 2014, 16:27

Liebe Bernstein :blumengabe:

Es mag sehr hart klingen, was ich jetzt schreibe!?
Jedoch aus dem , was Du schreibst, nehme ich nur wahr:
Dass Du gerne" darstellen" möchtest, wie und was Du von Dir denken möchtest , was Du bist !
Und noch darüber hinaus willst, dass die anderen Dich auch so kennenzulernen haben ! Sollen !!! ! :rätseln:

Weiter entnehme ich Deinem Schreiben, dass Du mit all dem " was Du dargestellt vorführst, den Faden zu dem verloren hast, was Du darstellen willst !

Dieses bezeinest Du " als das ICH---identisch, autentisch" , was Du, durch Dein Verhalten, zu verlieren befürchtest. ( weil es dir ---gefühlt---nicht gelingt dieses auszudrücken.)
Bitte korrigiere mich, wenn ich da ,was falsch verstanden haben sollte ;)

M.E. mischt Du Dich in die Angelegenheiten anderer, wenn Du bestimmen willst " wie diese Dich kennen zu lernen hätten !
Andere Menschen lernen uns aus dem kennen, wie wir sind ;) Nicht aus dem , wie wir scheinen möchten.
Ebensowenig obliegt es uns, ob andere uns kennenlernen ( wollen)
Bei dem, was Du schreibst, kommt aber ebenso deutlich hervor, dass Du selbst Dich nicht kennst ( oder zu kennen glaubst ) und Dir sogar selbst verweigerst Dich kennen zu lernen. ;)

Du schreibst, dass Du " in so vielen verschiedenen Masken auftrittst", in denen Du Dich jedoch nicht " als Du" fühlst.....hmmm
Tatsache ist jedoch, dass Du diese " Masken" benutzt ( diese daher auch "in Dir hast"...zumindest zum Teil -- m.E. auch :) -Du bist.....) Es lediglich " im GANZ-DU-GEFÜHL von Dir nicht zusammen brigst !?

Hierzu würde ich Dir raten, Dich mal DABEI zu beobachten........ Vorurteilsfrei :) ....und Dich darin wahrzunehmen ( immer wieder " in Deinen diversen Masken" )
Und dazu dann zu versuchen dazu einen unvoreingenommenen Nenner so zu finden :Sonne:
( wenn Du denn meinst "kognitiv" Deine Autentizität feststellen zu müssen. )

Ich bin sehr sicher, dass Du einen Wesenskern hast :Sonne: , der auch nicht " verloren gehen kann :herz:
Doch ich halte es durchaus für möglich, dass dieser völlig anders aussieht, als Du ihn Dir vielleicht vorstellst :)

Ganz lieber Gruß
Tournesol

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Bernstein » 17. Juli 2014, 22:37

Hallo,
Danke für Eure verschiedenen Antworten! Es ist schwierig, solche Dinge mit einem einzigen Wort zu beschreiben. Mit dem Begriff Wesenskern meine ich schon etwas Inneres, sozusagen mein ur-eigenes Empfinden, Fühlen, Erleben und Sicht auf die Dinge. Dies ist natürlich durch individuelle äußere Lebenseinflüsse mitgeprägt, jedoch auch quasi das "Naturell" eines Menschen. Es ist ja nicht so, dass ich die Welt "mit anderen Augen sehe", wenn ich mich in verschiedenen Situationen befinde.
Nachtgängerin hat geschrieben: ..bei mir ist das Problem, dass ich in Anwesenheit anderer Menschen automatisch den Zugriff zu meinem "Wesenskern" verliere...
Wenn das bei dir auch so wäre, wäre es dir dann faktisch überhaupt möglich, deine Maske fallen zu lassen und auf dich zurückzugreifen - in freier Entscheidung des "Maßes"?

Bei mir geschieht dies auch ohne bewusste Steuerung, deshalb bezweifele ich eigentlich, dass es mir wirklich möglich wäre auf mich zurückzugreifen, selbst wenn ich es wollte. Es gibt jedoch einen Menschen, dem gegenüber dieser Automatismus nicht vollends ausgeprägt ist, deshalb habe ich den Gedanken, dass eine Anpassung an dieses Level vielleicht doch erreichbar wäre.
tournesol hat geschrieben: Dass Du gerne" darstellen" möchtest, wie und was Du von Dir denken möchtest , was Du bist !
Und noch darüber hinaus willst, dass die anderen Dich auch so kennenzulernen haben ! Sollen !!! ! :rätseln:

Weiter entnehme ich Deinem Schreiben, dass Du mit all dem " was Du dargestellt vorführst, den Faden zu dem verloren hast, was Du darstellen willst !

Eigentlich ist es nicht mein Wunsch, dass mich irgendwer kennenlernt, im Gegenteil. Ich will dies normalerweise eher verhindern, die Maskerade dient der Abwehr. Es ist dies eine andere Art zu Seins, die sich ohne bewusstes Wollen quasi dazwischen schiebt und ich verliere dabei eigentlich eher mein Empfinden für mich als irgendein gewolltes Erscheinungsbild. Wobei ich mit "Verlieren" auch nicht die Auflösung meines inneren Wesens meine, sondern den Verlust des Zugangs dazu.
Grüße
Gönne dich dir selbst! (v.Clairvaux)

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Muschel » 18. Juli 2014, 00:11

Liebe Bernstein,

zu dem, was Deinem eigentlichen Wesen(skern) passiert ist, fiel mir folgender Vergleich ein: ein Bosai-Baum.
Auf Wikipedia kann man nachlesen: "Der Bonsai-Baum ist ein in einem Pflanzgefäß gezogenes Bäumchen, das durch Kulturmaßnahmen (Formschnitt, Wurzelschnitt, Blattschnitt, Drahtung) klein gehalten wird und in künstlerischer Gestaltung in eine gewünschte Wuchsform gebracht wird".
Ich finde, dies läßt sich mit dem "Aufwachsen" (wenn man das so beschreiben darf) in manchem (gut gemeinten) Elternhaus vergleichen.
Weiter kannst Du bei Wiki unter "Begrenzter Wurzelraum" und "Schädlinge und Krankheiten" nachlesen (und Dir denken), was mit Bonsais (gesundheitlich) lebenslang los ist...
Tatsache ist: Bonsais sind und bleiben echte Bäume. Allerdings sehr klein, insgesamt anfälliger, als die großen Kollegen, denen Wachstum erlaubt wurde.

Du hast bereits gute Arbeit geleistet. Hast erkannt, was bei Dir los ist. Fühlst Dich unwohl in Deiner "Rolle"... Bleiben wir beim Bonsai: Angenommen, man würde diesen Baum befreien wollen, ihm die Möglichkeit des Wachsens geben und ihn "einfach" aussetzen. Es könnte passieren, daß der Bonsai aufgrund seiner extremen Empfindlichkeit eingeht (z.B. bei länger andauernden extremen Witterungen, oder wenn mehrere Schädlinge kämen...).
Das Bäumchen müßte schonend an die (neue) Umgebung, in der es wachsen darf, gewöhnt werden.... (nicht grundlos löst bei Dir der Gedanke, sich anderen zu öffnen extreme Ängste aus).

Wenn man sich öffnen (wachsen) möchte, sucht man (vielleicht zuerst nur einen) Menschen (für den Bonsai wäre es eine Landschaft), wo einen Großteil des Jahres "mildes und wohlwollendes Klima" erahnt wird.

Alles, was langfristig einengt (auch wenn wir das mittlerweile selbst machen), macht anfällig und letzten Endes krank. Innen und außen. - Dauerhaft.

(Daß Bonsais sehr schön sind, habe ich nicht in Frage gestellt, aber ich finde, sie haben ein anderes, artgerechtes Leben verdient).

Hoffe, Du findest die passenden Bedingungen. :blumengabe:

Lieber Gruß, Muschel

tiffi

Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon tiffi » 18. Juli 2014, 05:52

Hallo Bernstein,
du hast ja geschrieben, die Maske ist aus Schutz entstanden, um Dinge zu vermeiden.

vielleicht kannst du bei diesem Schutz anfangen zu beobachten, zu überprüfen.
wenn du in einer Situation bist zu überlegen "was kann hier passieren, womit kann ich
hier daneben liegen?"
"Was wäre eigentlich wenn ich hier nicht zustimmen würde/angepasst wäre, sondern.."
oder was ich auch ab und an geschafft habe ist, die Erwartungen zu erfragen, die Gesetze zu
benennen die gefühlt hier gelten
"Wie, war das jetzt Kritik?" - "wie, ist es nicht ok, wenn man hier..."
da kommen manchmal überraschende Antworten und man ist nicht mehr so ganz
in stillschweigender Übereinkunft hinter seiner Maske.

Bei mir erlebe ich aber auch viele Situationen als Kette von Automatismen mit z T
unklarer Motivation. Ich versuche da soweit es geht, ein Zipfelchen der Situation
zu bekommen und mit einem Detail anzufangen.
und selbst das ist oft dann schon Überwindung oder man denkt man stört
den "schönen Frieden".

VG
tiffi

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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Bernstein » 18. Juli 2014, 11:14

Hallo Muschel,
ich verstehe gut, was Du mit Deinem Beispiel gemeint hast. Das einfache "Aussetzen" von sich selbst verhindert schon automatisch der Schutzreflex, von daher hat der auch was Gutes. Das Sich Öffnen in einem überwiegend als sicher eingestuften Raum ist auch für mich momentan die einzig denkbare Lösung, könnte aber dennoch scheitern oder unvollständig bleiben: Verstandesmäßig kann ich mich erklären, kann trotz bewusster Ängste gegen mein Schutzbestreben angehen (zumindest auf der sachlichen Ebene), aber es gibt da so eine ungreifbare innere Blockade, die einen Teil von mir zurückhält. Als wenn, wie in Deinem Beispiel, ein Teil von mir hohl wäre, keine Verbindung zu den Wurzeln hätte. Ob diese Verbindung wachsen kann, daran arbeite ich.

Hallo tiffi,
so wie ich es verstehe, beschreibst Du die Ausrichtung dessen, wie man sich verhält, an seinen eigenen Wertvorstellungen und damit eine größere gefühlte Ehrlichkeit, was natürlich zu weniger Zerissenheit und damit zu mehr "Seelenfrieden" führt. Das umzusetzen, sein Umfeld mitzugestalten, finde ich sehr wichtig.

Grüße

Muschel
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Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon Muschel » 18. Juli 2014, 12:48

Liebe Bernstein,

überfordere Dich nicht selbst. Zum Wachsen braucht es vor allem Zeit. Es ist genug davon vorhanden.

Muschel

tiffi

Re: Rollenspiel / Maskerade

Beitragvon tiffi » 19. Juli 2014, 09:46

18. Jul 2014, 11:14 » Bernstein hat geschrieben:Hallo tiffi,
so wie ich es verstehe, beschreibst Du die Ausrichtung dessen, wie man sich verhält, an seinen eigenen Wertvorstellungen und damit eine größere gefühlte Ehrlichkeit, was natürlich zu weniger Zerissenheit und damit zu mehr "Seelenfrieden" führt. Das umzusetzen, sein Umfeld mitzugestalten, finde ich sehr wichtig.

Grüße

Hallo Bernstein,
ja jetzt wo du es sagst habe ich wohl das Werte umsetzen/gestalten beschrieben.

ich denke, dir geht es aber mehr noch um etwas emotionales was nicht raus kann,
das scheint irgendwie eine andere Qualität zu haben.

ist es eher etwas emotionales oder kann man es nennen "nichtgeformtes Sein"
wozu du in dem Moment keine Verbindung hast?
VG
tiffi


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