Gesellschaftliche Anlässe vermeide ich meistens. Eigentlich möchte ich schon dabei sein, nur mehr als 3 gute Bekannte gleichzeitig sind mir schon too much. Wenn dann noch Unbekannte oder ungute Bekannte dabei sind, überfordert mich das total.
Am Samstag hatte ich mich auf den Weg zur Geburtstagsfeier (50) eines guten Bekannten gemacht. Erst gegen 18:00 Uhr schwang ich mich auf meinen Drahtesel. Früher wollte ich nicht los, da ich hoffte: Je später, je weniger Leute. Nach den ersten 15km und somit der Hälfte der Strecke fuhr ich durch eine Kleinstadt und vor mir radelte ein blondes Mädel ohne Beleuchtung, was mir schon mal recht sympatisch war
. Bei mir selbst ging nur das Vorderlicht nicht und ich hatte die Hoffnung, das bei meinem Bekannten wieder in Ordnung zu bringen. Als ich nach weiteren 15km in der nächsten Kleinstadt und somit am Ziel angelangt war, erbeutete ich erstmal 'nen Döner. Dann fuhr ich aufs Gehöfft meines Bekannten.
Holy Cow
, da waren haufenweise Bänke, Tische und Leute. War total erschlagen von den ganzen Unbekannten und dem raunenden Gebrabbel, dass von überall herzukommen schien. Da war mehr los, als auf so mancher Dorffeier. Also schrie ich ersmal 'Nabend'
und verkroch mich sogleich ins ruhige Haus, um den Döner zu vertilgen. Dann ging ich wieder hinaus und fummelte in einem kleinen Stall nahe des Partygeschehens an meinem Fahrradlicht herum. Naja, handwerklich begabt wie ich bin, gelang es mir, dass Vorder- und Rücklicht gleichmäßig gar nicht mehr funktionierten
. Ein Bekannter schenkte mir ein Bier ein und dann stellte ich mich vor die Feuerschale.
Im ersten Gespräch, welches meine Aufmerksamkeit erregte, ging es um die faulen Arbeitslosen. Na toll
, lieber woanders Mitlauschen. Ein ca. 15-jähriges Mädel stand mir gegenüber auf der anderen Seite der Feuerschale und unterhielt sich mit ein paar Gleichaltrigen und sie fragte gehässig ob die Hexe im Hause sei
. Die einzige Frau die in diesem Haus wohnt, ist meine Mutter. Da war ich baff. Meinte sie ... hat sie etwa ... kann es sein? Und falls ja, warum spricht sie so hinter dem Rücken meiner Mutter über meine Mutter. Mein Bekannter, das Geburtstagskind, machte das Mädel darauf aufmerksam, dass es unklug sei, soetwas von sich zu lassen, wenn der Sohn der soeben beleidigten Frau anwesend sei. Daraufhin fragte sie irritiert, wen er denn meine. "Ich bin der Sohn der 'Hexe'"
, meldete ich mich, ruhig und nun etwas verkrampft lächelnd, zu Wort. Ohne sich zu entschuldigen -bin ich auch nicht scharf drauf, wenn es nicht erst gemeint ist-, laberte sie noch mit ihren gleichaltrigen Freunden über ihr zukünfitges Studium
und trollte sich dann auf eine der vielen Bänke.
Naja, lange wollte ich eh nicht bleiben und es auch nur bei einem Bier belassen. Der olle Suff macht mich zwar gesellschaftstauglicher, aber aus schmerzhafter Erfahrung ziemlich narzisstisch, machmal auch aggressiv oder ich zerfliesse in Selbstmitleid. Das will ich anderen und mir nicht mehr antun
. Mein Bekannter sprach mit mir über seinen PC
und dass er da mal bei Gelegentheit Unterstützung bräuchte und ärgerte sich wieder darüber, dass ich kein Handy und Telefon mehr habe
, weil ich nur über die Klingel und den Briefkasten erreichbar sein will.
Dann unterhielt er sich mit einem Kameraden von der Feuerwehr. Immer wieder waren stecken gebliebene Fahrstühle und hydraulische Spreizer das Thema. Den Begriff "hydraulischer Spreizer" hatte ich da zum ersten Mal gehört und mir gingen eher obszöne Assoziationen durch den Kopf. Einmal versprach sich der Feuerwehrmann auch versehentlich und hatte, statt Fahrstuhl, Frau, gesagt
. Dann sprachen sie über Gehirne, die man nach Autounfällen von den Bäumen spritzen muss
usw. Tjoah, diese Gesprächsthemen waren zumindest nicht langweilig.
Mein Bier war alle und ich wollte mich gerade vom Geburtstagskind verabschieden
, da sprach mich einer der unguten flüchtigen Bekannten an. Der Typ ist ca 2 Jahre älter als ich und positiv formuliert recht gesellig. Da ich wenig Positives an ihm finde, ist er für mich eher ein aufdringlicher Maulheld, der aber bei den Mädels, insbesondere der 15-jährigen an diesem Abend, ganz gut ankommt. Er sprach mich leicht verärgert und fordernd an: "Man stellt sich gefälligst vor!"
. "Höm wat'n nu los?"
, dacht ich mir. Es müsste sich doch bereits rumgesprochen haben, dass ich der Sohn der Hexe bin, ausserdem wollt ich doch gerade wieder los. Was genau wollte er denn jetzt von mir? Ich schenkte ihm nur wenig aber dafür kurze Beachtung und sagte ihm kurz angebunden, er solle mir nicht auf den Keks gehen
, schüttelte fast im selben Atemzug die Hände des Geburtstagskindes zum Abschied und machte mich ohne Licht auf den Heimweg. Da die ersten 15km ohne Beleuchtung zu heikel zum Fahren waren (blendene Fernlichter, eventuell Polizei), schob ich mein Fahrrad also die erste Hälfte der Strecke und lief mir die Füsse blasig.
Betrachte ich den Abend negativ, so fielen folgende Ereignisse in diese Kategorie:
-zu viele Leute (Reizüberflutung)
-Licht kaputt und später Totalausfall
-Mutter bleidigt worden
-Hetze über Arbeitslose
-mindestens 1x angepöbelt worden
Positiv war auf jeden Fall:
-einigen Leuten begegnet, die ich wirklich gern mag
-das Gefühl gebraucht zu werden (PC-Probleme des Bekannten)
-amüsantes/obszönes Kopfkino durch interassante Gespräche
-gaaaaanz viel Bewegung
-mein Limit von einem Bier eingehalten
Insgesamt ein durchwachsener aber ereignisreicher Abend. Bin froh mich dazu überwunden zu haben.