Um mal wieder auf die, nicht ganz uninteressante, Eingangsfrage zurück zu kommen (oder zumindest einen Teil davon):
Ghostvoice hat geschrieben:[...] andere wiederum bleiben das ganze Leben über bestehen, weil sie sich bewährt haben. Um letztere geht es mir.
Wenn man eine Überzeugung gefasst, ein Prinzip entdeckt hat... inwiefern unterscheidet es sich von einer S/W-Sicht der Dinge?
Dazu fiel mir gerade das (mich ansonsten wenig begeistert habende, aber wohl vielfach empfohlene) Buch von Rainer Sachse zu Persönlichkeitsstörungen ein, respektive die darin erwähnten nicht lernfähigen Systeme:
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Ganz kurze, [Nachtrag: oder auch nicht!] (und absolut unprofund laienhaft) zu erklären versucht, gibt es insbesondere bei PSen zwei Handlungsebenen: 1) Die Motivebene und 2) die sogenannte Spielebene: Auf ersterer Ebene kann ein Kind, das immerfort erfährt, das es stört, nicht beachtet wird, nicht ernst genommen wird, usw. schnell zu der Erkenntnis gelangen, es sei z.B. wertlos, ein Versager, woraus ev. das Motiv erwächst als um seiner selbst wertgeschätzt und als wertvoll anerkannt zu werden. Um das zu kompensieren/zu erreichen, kann sich bei Ausprägung einer PS etwa ein [u. U. übertriebenes] Selbstbild manifestieren (das eher einem Wunsch denn dem tatsächlichen Wahrnehmen entspringt), man wäre z. B. großartig, erfolgreich, hoch leistungsfähig usw. Allerdings werden diese Annahmen auf der 2., der Spielebene meist eher nur verneinend bekräftigt.
Auf der Motivebene, der authentischen, gibt es beispielsweise das Bedürfnis wichtig genommen zu werden. Wird das Motiv, durch Eltern und Umfeld im Normalfall bestätigt, sinkt das Bedürfnis danach, sich dieses weiter bestätigen zu lassen. Bei einer PS nun aber Hat ein Patient etwa auf der Motivebene erfahren unwichtig, wertlos und ein Versager zu sein (gleich ob real oder unwahr so nur kommuniziert). Solange das nicht auf der Motivebene bestätigt wird (man sich selbst also immer noch als Versager wahrnimmt) bleibt die Bestätigung des eigenen Wertes auf der Motivebene unerfüllt.
Die Kompensation auf der Spielebene funktioniert nun aber dummerweise, wie gesagt, nicht bestätigend sondern verneint nur negative sonst drohende Konsequenzen: Wenn ich als der Tollste, Beste, Klügste mich, böse gesagt, aufspiele, dann (und nur dann) wird sich niemand von mir abwenden, mich verlachen, runtermachen, etc.
Das den negativen Selbstwert auf der Motivebene also kompensieren sollende (am Beispiel des Narzissten etwa) Hochspielen des eigen Wertes auf der Spielebene, füttert nicht die Erkenntnis, das ich um meiner selbst willen gut und etwas Wert bin (womit diese Frage an Priorität für mich verlöre), sondern zeigt nur: Wenn ich weiter mich so [hier narzisstisch] übberragend präsentiere, werde ich nicht verkannt oder -achtet. Es gibt also eine positive Bestätigung - was das ganze hochgradig ich-synton und vermeintlich erfolgreich macht - auf der Spielebene. Nämlich das ich Negativfolgen vermeiden kann, wenn ich nur immerfort so weiter mache. Es wird aber so nichts mehr auf der Motivebene ankommen! ("Ich bin nicht gut um meiner selbst willen, sonder nur, weil ich mir Tag für Tag den Allerwertesten aufreiße, nicht verachtet, -lacht oder sonstwas zu werden.") Das "Ich bin nichts wert" bleibt im Hintergrund (der Motivebene) bleibt also unbeantwortet und darum weiterhin in der Top-priotity (Ich muss der Beste sein, um...)
Hier hast du also ein System, das einerseits funktioniert, "sich bewährt hat" andererseits, wenn du genauer hinschaust, wiederum dann aber auch nicht.
Ich würde sagen, das auf der Spielebene (mit dem "allertollsten" Narzisst, oder [anderes Beispiel] etwa auch mir, "der ich niemanden brauche") Strategien vorliegen, die sich oberflächlich bewährt haben und augenscheinlich auch so funktionieren (der Narzisst hält sich wirklich für den Tollsten und ich denke wirklich ohne Mitmenschen besser dran zu sein). Hier ist also etwas, dass funktioniert und das der Narzisst ebensowenig wie ich hinterfragen wollen und was somit also als Scharzweißdenken, da nicht wirklich zur Diskussion stehend, m. E. wohl beschrieben werden könnte.
Nun kommt da aber eben plötzlich so ein arroganter Psychologe namens Rainer Sachse daher, schaut tiefer und glaubt doch allen Ernstes MIR erklären zu können, das mir meine Mitmenschen gar nicht wirklich alle auf den S-...enkel gehen und der Narzisst neben mir nicht wirklich der Allertollste überhaupt ist, oder auch nur zu sein wünscht?
Wenn ich schwarzweiss nun denke, erkläre ich ihm, wohin er sich seine fade Rede stecken kann und fühl mich gar noch darin bestätigt, dass Menschen halt einfach bloß doof sind (derweil der Narzisst neben mir erkennt, wie hoch ich ihn wohl schätzen muss, dass ich ungefragt und an seiner Statt den Psycho[logen] für ihn so runter gemacht habe, wie der es, ob des Gesagten, unzweifelhaft doch verdiente).
Wenn ich aber nur überzeugt bin, dass ich halt niemanden brauche (und der Narzisst, z.B. ob dessen hingelegter Karriere vice versa halt doch wer ist) dann höre ich diesen Sachse halt an (oder lese sein Buch), reflektiere seines, reflektiere meines und bilde mir anschließend ob der neuen Erkenntnisse meine Meinung auch neu (selbst wenn ich im Anschluss dann immer noch denke, das der Herr Sachse gut gebrüllt hat, ich Menschen aber dennoch nicht brauche, weil [»Begründung«]!
Solange ich mich also noch [ehrlich] hinterfrage und bereit bin meine Ansichten zu prüfen und ggf. umzustoßen, habe ich m. E. eine Überzeugung (die aber immer noch und nichtsdestotrotz falsch auch sein kann).
Wenn ich jede Kritik, jeden Einwand ungeprüft abschmettere, dann habe ich ein Dogma (was halt schon oft mal schwarzweiß gedacht daher kommt, ohne zur "Gattung" der Zebras darob zu gehören).
2ost