Hallo Schneegeflüster
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich denke, ein wichtiger Faktor dabei ist auch, das man mit dem Alter u.U. den Glauben in die eigene Fähigkeit, etwas verändern zu können, verlieren kann; solche Annahmen bestätigen sich dann natürlich immer selbst, quasi in einer Rückkopplung
Da stimme ich zu. Es schadet sicherlich nicht, sich den Raum zu schaffen, immer wieder neue kleine Erfahrungen
zu machen.Hab ich in den letzten Monaten mit begonnen, und das wird zum Teil ein Selbstläufer.
Genauso merke ich aber manchmal auch den Wechsel in den Zustand des "immergleichen altbekannten",
wo wieder mehr Trägheit und Begrenzung einsetzt. Und die Erinnerung fast aussetzt "was, da gab es mal
eine Erfahrung außerhalb davon?!".
Ist aber dennoch eine Freiheit zu wissen, dass diese Änderung geht, kleiner Wechsel der Blickrichtung und
der Gewohnheiten.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich sympathisiere eher mit der libertären Minarchie, also eines Staates, der nur noch innere, äußere und Rechtssicherheit garantiert, diese Sicherheiten sind nämlich mMn Grundvoraussetzung für eine freie, zivilisierte Gesellschaft, vor Allem, wenn das System stabil bleiben soll. Vollständige Anarchie dagegen nimmt erstens gewisse Freiheiten, weil die Sicherheit als Grundlage dieser Freiheiten fehlt, und zweitens zerfällt sie innerhalb einer Generation in absolutistische, diktatorische oder feudale Systeme, die noch viel weniger Freiheiten bieten.
Musste ich erst mal nachlesen und auffrischen.
Oh, ich hatte schon gehofft, es gäbe noch ein völlig neues System der Minarchie, aber falsch gedacht. Nein, kein auf Fehler rumreiten, sondern ich denke,manchmal helfen auch völlig neue Ansätze... Stabilität, ja, ist mir aufgefallen, dass das für manche Sichtweisen einen großen Pluspunkt liefert. Sicherheit ist ein
großes Bedürfnis im Menschen, gleichzeitig könnte das auch wieder Unfreiheit / Rollen /Starres kreieren.
Schneegeflüster hat geschrieben:Diese Werte waren von mir eher im Kontext zu Unbekannten gemeint, also außerhalb sozialer Beziehungen.
Also da, wo sich Menschen eher noch in der Rolle begegnen? (wie Kassiererin)
Und das bedeutet in Bezug auf Werte wie Freiheit und Selbständigkeit, dass diese Werte durch die Rollen, die
auftauchen könnten, nicht gefährdet werden?
Könnte man ja in Bezug auf Schule oder Arbeitsplatz sehen, dass man da zwar gewisse Rollen ausübt und
nicht mit allen ganz nah und individuell ist, aber eben doch einer keinem auf den Senkel geht oder versucht,
einen unterzuordnen oder unverhältnismäßig zu beschneiden.
Schneegeflüster hat geschrieben:Nicht nur das; in dem Moment, wo jemand eine Gruppenidentität als seine eigene assimiliert, wo er also kein Individuum mehr ist, sondern z.B. Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Gruppe, in dem Moment also, wo jemand sich selbst über die Gruppe definiert anstelle über sich selbst, da gibt er seine eigene Identität auf, ersetzt sie durch eine starre Rolle und ist dann insofern integer, als das er die Rolle über die assimilierte Gruppenidentität ausfüllt, und insofern nicht, als das er nicht er selbst ist
Da muss ich an die Unterhaltung mit einem Zeugen Jehova denken. Der war sehr stolz darauf, dass 7 Millionen
Mitglieder ähnliche Gedankenansätze pflegen, ähnlich geschult werden im Denken und Begreifen und der Haltung,
ähnlich gekleidet zum Gottesdienst gehen; und er war der Meinung, dass Menschen neidisch sind, wenn sie nicht
diese Gruppenzugehörigkeit empfinden. Vielleicht hat er das individuelle eher als Last empfunden.
War auch jemand, der schon bei seinen Eltern so aufgewachsen war, wo soll das individuelle dann herkommen.
(Obwohl es da ja auch den ein oder anderen "Rebellen" gibt, meist aber mit großer Identitätskrise und ausgestoßen
aus der Gruppe).
Schneegeflüster hat geschrieben:Das Gegenüber ist ja im Wesentlichen selbst für seine Erwartungen verantwortlich. Man selbst kann nur so weit für den Konflikt verantwortlich gemacht werden, wie man versucht hat, dem Gegenüber vorzutäuschen, man selbst sei mit der Rolle identisch. Und an sich sind Rollen im Kern ja auch nichts schlechtes, sie halten schließlich die Gesellschaft an sich zusammen, aber je näher man einer anderen Person kommt, desto weniger sollte man sich selbst auf eine Rolle reduzieren lassen und desto mehr sollte man man selbst sein.
Zu Teil 1. Komme eher von der angepassten Richtung und hatte oft das Gefühl, ich bin es dem Gegenüber "schuldig", erwartet zu funktionieren. Wird ja auch oft mit Aggression und Sanktion drauf hingearbeitet (hatte oft sehr dominante Gegenüber, mit wenig Blick links und rechts).
Erst später hab ich gemerkt, dass das nicht richtig ist, mir und der Wahrheit der Situation nicht gerecht wird.
Bekam dann nach und nach auch ein Gespür für offenere Gegenüber.
Das zeigt nur mal wieder, dass sich alte Erfahrungen auch bestätigen können mit wiederholten Mustern, aber
dass es auch ein links und rechts davon gibt. Nur kann ich mit den zuerst gewählten Gegenübern (den dominanten),
keine neue Erfahrung machen, die haben mich nach allen Regeln der Kunst bestraft, bedroht, ausgeschlossen und sonstige Machtdinge angewendet, aber nie akzeptiert oder mich auf andere Art als erwartet sein gelassen.
Teil 2- ja, Rolle ist für oberflächliches Funktionieren gut, aber mehr sollte man darin wohl auch nicht sehen.
Kenne da eigentlich auch viel mehr Vermischung.Dass für mich das in der Rolle sein schon was inneres bedeutet,
oder dass ich andere in der Rolle auch tiefer "erforschen" will.
Und das gab immer viel Verwirrung. Im Grunde ist eine Rolle ja auch erstmal ein Schutz gegenüber Leuten, die
distanziert sind, und wird unbedeutender und flexibler / fällt weg, wenn es mehr Nähe gibt.
So klingt es auf jeden Fall sehr aufgeräumt.
Schneegeflüster hat geschrieben: Das Kind an sich steht ja noch am Anfang seiner Entwicklung, es hat an sich noch kein selbst, mit dem es identisch sein könnte, und deswegen noch keine eigene Identität; die entwickelt sich ja erst noch. Wenn aber das Umfeld in dieser Phase der frühen Individuation schon auf Rollen prägt, dann wird das Kind das natürlich assimilieren und in diese Rollen hineinwachsen, die später problematisch werden (können).
Erinnert jetzt an Alice Miller "Am Anfang war Erziehung".
Aber gibt es denn diese Rollenfreiheit überhaupt? Können Eltern so frei erziehen?
Gut, vielleicht wenn diese Nähe zulassen, offen sein können und sehr akzeptierend sein können. Für mich
eher unvorstellbar, sehr ideal. Gerade in Bezug auf die letzte Generation, die mich halt geprägt hat und
ich ja jetzt auch nicht frei von Ballast bin.
Schneegeflüster hat geschrieben: tiffi hat geschrieben:Einfacher ist es, wenn derjenige, der die Erwartungen hat und eine Rolle wünscht, etwas offener
und reflektierter ist, dann können beide daraus lernen und freier werden.
Meinst du jetzt wieder in einer Beziehung mit einem Partner, der sich Abhängigkeit/Rollen wünscht? Ich verstehe nämlich nicht, wie du davon auf Lernen und Freiheit kommst
Ich denke, dass ich immer wieder in einer Rolle verstrickt sein werde, dafür schleppe ich zuviel Ballast mit
mir rum. Und ich denke, dass andere das auch immer mal sein werden. Möchte daraus aber nichts starres und beharrliches machen, sondern es lieber hinterfragen, aufweichen, andere Möglichkeiten sehen, und dadurch auch dazulernen und freier von der einmal fixen Rolle werden.
Jemand, der grundsätzlich frei und nicht so verstrickt ist, wird das wohl nicht so nötig haben. Kommt ja auf die Startbedingungen an, gerade die ersten Lebensjahre.
Schneegeflüster hat geschrieben: Aber je enger man sich an jemanden bindet, umso wichtiger wird die Wahrung der Integrität des Anderen, würde ich sagen.
Wäre für mich zumindest ein guter Wert oder ein Ideal. So rein erfahrungstechnisch und beobachtungstechnisch
erlebe ich viel mehr Rollenerwartungen, selbst in dem was ich damals Freundschaft nannte (Schulfreundschaften,
Kollegen), und selbst was ich in Familien beobachtet hab, meiner eigenen,aber auch anderen.
Familie könnte ja gerade ein Ort der inneren Freiheit sein. Aber wie oft werden eben dort auch Rollen verteilt,
verschlossen gelebt, Selbstschutz und Erwartungen gelebt.
Was ich lernen musste ist, dass mit manchen Menschen Intimität gar nicht geht, weil die Rolle nicht verlassen wird.
Das war für mich schwer zu begreifen, ich dachte, jeder hätte das Bedürfnis, diese Rolle zu verlassen und sich
einzulassen.Gerade wenn es auch wortwörtlich propagiert wird und eine gewisse "dominante Annäherung"
stattfindet, die man mit Interesse verwechseln könnte.
Wo aber oft nur gemeint ist: ich suche jemand komplementäres für mein Rollenskript.Und dann wars das mit
der Freiheit und der Integrität.
Schneegeflüster hat geschrieben: Romantische oder sexuelle Beziehungen implizieren mehr Nähe, die die Integrität beeinträchtigen kann (aber nicht muss). Das gilt aber, denke ich, für Schizoide in besonderem Maße. Personen, die weniger weit individuiert sind, werden mit dieser Nähe wohl weniger Probleme haben, weil ihre Integrität "pflegeleichter" ist. Wobei romantische und sexuelle Beziehungen aber auch ohne Rollen und Erwartungen funktionieren können, würde ich sagen (oder zumindest diese so lose formuliert werden können, dass die Integrität jeweils gewahrt bleibt)
Das sind für mich sehr gute passende Aussagen. Es ist mehr Individualität zu berücksichtigen und die Integrität
wird schwerer zu wahren. Das bringt auch Konflikte, wenn jemand weniger individuiert ist und mehr
"soziale Standards" erwartet, weil diese dann eher seiner / ihrer Integrität entsprechen würden. Wäre also sinnvoll,
wenn sich Menschen auf recht ähnlichem Stand zusammentun. Sonst fühlt sich der eine eingeschränkt und der
andere bedroht. Eine gewisse Kompromissfähigkeit geht vielleicht noch.
Etwas schwieriger wird es noch, wenn schon eine Person in sich zerrissen ist und sowohl sehr selbständige
individuelle Anteile hat als auch sehr abhängige. Kenn ich sozusagen
Und selbst wenn ich eine
ähnlich angelegte Person dann treffe, heißt es ja nicht, dass die Anteile gerade harmonieren und genau dieselben
gerade im Vordergrund sind.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich hätte es eher als Wachstum betrachtet, also als konstrukiven Vorgang, denn als den (destruktiven) Vorgang, wie ein Flussbett sich eingräbt. Ist aber wohl eine Frage der Perspektive, nehm ich an
Stimmt, das ist eine andere Perspektive, lustig irgendwie
da es mir auch gar nicht so bewusst war,
obwohl ich dann doch diesen alten Bekannten der eher destruktiven Sichtweise wiedererkannt habe.