Sozialer Kontakt als Antrieb

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
tiffi

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon tiffi » 11. Dezember 2018, 17:59

Schneegeflüster hat geschrieben: Objektiv betrachtet, sind die Begriffe Freiheit (im sozialen Kontext) und Verlorenheit an sich synonym, nur jeweils die Wertung ist verschieden, die man selbst an diesen Zustand gerade anlegt.
Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Du meinst, weil beides ohne Bindung ist,
und einmal sieht man es als Weite und offene Möglichkeiten, und ein andermal sieht
man es als "kein Hafen, verloren"?

--> Schattenseite des Schizoiden
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe, meinst du den Leidensdruck? Es ist nunmal so, denke ich, dass man als Schizoider letztlich sowohl weniger Bindungen hat, die einem gegen die Verlorenheit helfen, man aber auch gleichzeitig nichts anderes tun kann, um sich von dieser Verlorenheit abzulenken (wie es z.B. die hedonistischen, konsumorientierten Jugend- und Populärkulturen gerade vorleben), weil man als Schizoider da ein Stück weit drüber steht. Man nimmt halt auch gleichzeitig das Problem viel stärker war, weil man mehr darüber nachdenkt, schätze ich.
Ja, Leidensdruck.
Und stimmt, die Dinge, wo andere drin aufgehen und sich erfolgreich ablenken, funktionieren
bei mir z B nicht. Und es treibt mehr ins nachdenken statt ins ablenken.
Vielleicht gibts aber andere Dinge, die ablenken könnten. Sowas wie eine Phantasiewelt
oder eine sehr theoretische Welt oder irgendwelche monotonen Tätigkeiten.
Ggf. was kreatives (hab ich aber eher nicht den Hang zu)

--> Bewusstsein ohne Ende
Schneegeflüster hat geschrieben:Kann ich nur teilweise nachvollziehen. Indem man sich als Schizoider allgemein weniger an seine Umwelt und Mitmenschen bindet, wäre zumindest Verlustangst ja kein Motiv mehr. Vermutlich würde man aber über kurz oder lang an den Punkt kommen, wo man eine Grenze findet in der Möglichkeit der intellektuellen Betätigung, weil entweder die eigenen Kapazitäten überstiegen werden oder aber quasi alle Gedanken gedacht und alle Bücher gelesen sind; wenn die Welt irgendwann bis zum Kern verstanden ist, dann würde es irgendwann langweilig werden. Man bräuchte also noch eine Möglichkeit, endgültig auszusteigen, da hast du recht.
Ich dachte weniger daran, dann irgendwann alles zu wissen und erlebt zu haben.
Es war für mich eher ein beklemmendes schwindlig machendes Gefühl, eine Existenz
ohne Ende zu haben. Nicht nur simuliert nicht zu Ende, sondern wirklich nicht zu Ende. Niemals.
Das machte mir Beklemmungen, je mehr ich mir das versuchte vorzustellen.
Irgendwie beruhigt mich ein Ende.
Schneegeflüster hat geschrieben:
tiffi hat geschrieben:Oder vielleicht kann man das wirklich unter dem Aspekt Regulierung im Gehirn sehen (das was orinoco
hier öfters erläutert). Wenn durch eine gute Bezugsperson in der Kindheit viele Stress- und Angstzustände
gut beantwortet wurden und reguliert wurden, dann ist vielleicht der aktuelle erwachsene Zustand
im Leben eher ausgeglichen und es besteht kein Bedarf, sich mit schwierigen Themen zu beschäftigen,
keine innere Unsicherheit.

Du würdest also das nachhängen nach solchen Themen als Folge von Unsicherheit sehen?
Ich bin mir nicht sicher. Das wäre dann eine defizitäre Sichtweise auf das Schizoide. Dass die anderen gut
reguliert sind und darum wenig nachdenken, und man selber ist nicht gut gebunden und reguliert
und denkt zur Selbstberuhigung / Ausgleich viel nach.

Mir widerstrebt es aber, das so schwarz weiß zu sehen. Krank / gesund; Defizit / Vollkommenheit.
Denn irgendwie kann ich auch nicht behaupten, dass die anderen mir gesund oder gut entwickelt
vorkommen. Nur in bestimmten Aspekten anders.
Schneegeflüster hat geschrieben:An sich bringen Gruppen und Vereine immer eine Gruppenidentität mit sich, die die individulle Identität einschränkt und auch einschränken soll; damit täuschen NTs wohl darüber hinweg, dass sie selbst keine eigene Identität haben (zumindest keine nennenswerte, mit Tiefgang).
Vielleicht gibts ja auch eine "gemeinschaftliche Identität" oder eine "Identität im Austausch".
Wie eine flüssige Beziehungsidentität, wo im Austausch eine Identität da ist. Und bei Distanz
ist auch die Integrität da, bzw bei Nähe eigentlich auch, nur sehr verwischt und sehr im Wandel
durch den Austausch?
Der Gedanke ist mir noch nicht ganz klar, kam mir aber so beim lesen von deinem letzten Text.
Auch beim ersten Absatz. (Elemente einer Beziehung, die die Integrität stören)

--> platonisch oder romantisch
Schneegeflüster hat geschrieben:Das ist halt immer eine Frage der Nähe, gerade der physischen Nähe, zu der man Fähig ist. Ich fühle mich da oft bedrängt oder bedroht (zumindest soweit hat orinoco also recht :rätseln)
Irgendwie geht da ja auch die Trennung verloren und es geht mehr so in dieses austauschen.
Fand da den Satz von Fromm ganz gut, den du angebracht hast "zwei werden eins und bleiben zwei".
Vielleicht müsste man erleben, dass man von diesem Austausch nicht verschlungen wird, sondern
danach immer noch integer ist, vielleicht schon verändert durch den Austausch, aber trotzdem
nicht verschlungen, sodass irgendwas, was einen ausmacht, bleibt?

Schneegeflüster
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Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon Schneegeflüster » 11. Dezember 2018, 19:51

tiffi hat geschrieben:Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Du meinst, weil beides ohne Bindung ist,
und einmal sieht man es als Weite und offene Möglichkeiten, und ein andermal sieht
man es als "kein Hafen, verloren"?

--> Schattenseite des Schizoiden


Ja, genau. Es ist an sich beidesmal ein anderer Gemütszustand, hervorgerufen durch einen objektiv feststellbaren Zustand wie dem Alleinesein; ein bisschen so wie der Unterschied zwischen alleine und einsam (nur das Einsamkeit eher chronisch ist und dieses Gefühl der Verlorenheit eher akut auftritt und wieder verschwindet, hätt ich gesagt)

tiffi hat geschrieben:
Ja, Leidensdruck.
Und stimmt, die Dinge, wo andere drin aufgehen und sich erfolgreich ablenken, funktionieren
bei mir z B nicht. Und es treibt mehr ins nachdenken statt ins ablenken.
Vielleicht gibts aber andere Dinge, die ablenken könnten. Sowas wie eine Phantasiewelt
oder eine sehr theoretische Welt oder irgendwelche monotonen Tätigkeiten.
Ggf. was kreatives (hab ich aber eher nicht den Hang zu)

--> Bewusstsein ohne Ende


Sowohl theoretische als auch Phantasiewelten sind, wenn sie zu Papier gebracht werden, wiederum etwas Kreatives; dementsprechend sind drei deiner vier Ideen gleichbedeutend ;) . Das ist übrigens der Punkt, wo wir auf Freud und die Sublimierung stoßen, nehme ich an.
Ansonsten habe ich sehr gute Erfahrungen mit monotonen Tätigkeiten gemacht, das hat dann meißt auch etwas meditatives. Wandern ist da sehr gut, oder ich nähe auch sehr gern (von Hand).
Ansonsten wird es wohl auf soetwas herauslaufen, das stimmt wohl.

tiffi hat geschrieben:Ich dachte weniger daran, dann irgendwann alles zu wissen und erlebt zu haben.
Es war für mich eher ein beklemmendes schwindlig machendes Gefühl, eine Existenz
ohne Ende zu haben. Nicht nur simuliert nicht zu Ende, sondern wirklich nicht zu Ende. Niemals.
Das machte mir Beklemmungen, je mehr ich mir das versuchte vorzustellen.
Irgendwie beruhigt mich ein Ende.


Die Welt wird manchmal einfach unerträglich, stimmt schon.


tiffi hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher. Das wäre dann eine defizitäre Sichtweise auf das Schizoide. Dass die anderen gut
reguliert sind und darum wenig nachdenken, und man selber ist nicht gut gebunden und reguliert
und denkt zur Selbstberuhigung / Ausgleich viel nach.

Mir widerstrebt es aber, das so schwarz weiß zu sehen. Krank / gesund; Defizit / Vollkommenheit.
Denn irgendwie kann ich auch nicht behaupten, dass die anderen mir gesund oder gut entwickelt
vorkommen. Nur in bestimmten Aspekten anders.


Es war nicht in meiner Absicht, da eine Wertung zu implizieren, zumal der Begriff der psychischen sog. "Gesundheit" nicht rational, sondern demokratisch definiert wird, als das, was die Mehrheit ist. Tatsächlich würde ich dir zustimmen, dass wir in Wahrheit die Gesunden sind. Außerdem impliziert "defizitär," dass da etwas fehlen würde; ich würde eher sagen, dass zwar bestimmte Teile unterentwickelt sind oder fehlen, während dafür andere, wie der Verstand oder die Intelluktualität, verstärkt ausgeprägt sind; es fehlt nichts, es ist nur anders verteilt. Fast, als gäbe es da soetwas wie eine Ressource, die man entweder auf Gefühle oder soziale Kompetenzen oder den Intellekt verteilen kann :rätseln:

tiffi hat geschrieben:Vielleicht gibts ja auch eine "gemeinschaftliche Identität" oder eine "Identität im Austausch".
Wie eine flüssige Beziehungsidentität, wo im Austausch eine Identität da ist. Und bei Distanz
ist auch die Integrität da, bzw bei Nähe eigentlich auch, nur sehr verwischt und sehr im Wandel
durch den Austausch?
Der Gedanke ist mir noch nicht ganz klar, kam mir aber so beim lesen von deinem letzten Text.
Auch beim ersten Absatz. (Elemente einer Beziehung, die die Integrität stören)

--> platonisch oder romantisch


Das Prinzip der Beziehungsidentität ist mir nicht vertraut, kannst du mir das nochmal erklären?
Ansonsten würde ich dir zustimmen, dass Distanz an sich die Integrität wahrt (zumindest bei unsereins, die wir grundsätzlich ein geringeres Bedürfnis nach Nähe haben). Die Nähe könnte vielleicht dahingehend durch mehr Distanz gesichert werden, dass durch vermehrte Distanz die Nähe bzw. dass für Nähe benötigte Vertrauen überhaupt erst möglich wird.

tiffi hat geschrieben:Irgendwie geht da ja auch die Trennung verloren und es geht mehr so in dieses austauschen.
Fand da den Satz von Fromm ganz gut, den du angebracht hast "zwei werden eins und bleiben zwei".
Vielleicht müsste man erleben, dass man von diesem Austausch nicht verschlungen wird, sondern
danach immer noch integer ist, vielleicht schon verändert durch den Austausch, aber trotzdem
nicht verschlungen, sodass irgendwas, was einen ausmacht, bleibt?


Ja genau, oder zumindest wäre es ein erstrebenswertes Ideal. Ich würde noch betonen, dass man sich durch den Austausch tatsächlich ändert, auch unterbewusst, und sich nicht bewusst in eine Rolle pressen muss, die man doch nie ganz ausfüllen kann; darin wird die Intergrität, und damit auch die Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums bewahrt.

Themis

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon Themis » 11. Dezember 2018, 21:21

Also ich habe es bisher nur so erlebt, dass ich mich in symbiotischer Beziehung öffnen kann. Über Jahre, mit immer wieder bestätigtem Vertrauen.
Ohne jegliche äußere oder materielle Bindung allerdings. 100 Prozent innere, maximal 30 Prozent äußere Bindung. Mehr geht wirklich nicht.

Die symbiotische Beziehung, die Weiterentwicklung zum "Menschlichen" erst ermöglichte, im Rückblick aber auch maximale Abhängigkeit. Nicht trennbar. Wohlfühlen nur durch Aufgehen im Anderen.

Da möchte ich nicht mehr hin. Die singuläre Geborgenheit vermisse ich und habe noch keine Ersatzkomponente gefunden; aber so gefesselt in uns beiden (zwei in eins) möchte ich nicht mehr sein. Könnte ich vielleicht auch jetzt nicht mehr.

Es bleibt eine Sehnsucht (nach Symbiose, die ja auch wieder Auflösung, Nichtsein als Individuum ist) - und Leere.

Auf den Threadtitel heruntergebrochen: viel Kontakt -> wenig Antrieb, Aktivität und Lebenstauglichkeit. :kein Plan:

tiffi

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon tiffi » 12. Dezember 2018, 07:19

Hallo Schneegeflüster

die Wörter hinter dem Pfeil waren übrigens eigentlich eher Überschriften (Kontext für das folgende
Zitat) und nicht Unterschriften. Aber so wie du es zitiert hast, sieht es auch irgendwie lustig aus.... :)
Schneegeflüster hat geschrieben:Sowohl theoretische als auch Phantasiewelten sind, wenn sie zu Papier gebracht werden, wiederum etwas Kreatives; dementsprechend sind drei deiner vier Ideen gleichbedeutend ;) . Das ist übrigens der Punkt, wo wir auf Freud und die Sublimierung stoßen, nehme ich an.
Hm. sogesehen ist das eine Form von Kreativität.
Ich glaube, ich fasse Kreativität für mich zu eng. Musik und Malen geht noch so durch.
Muss ich nochmal drüber nachdenken.

Du hast wohl nicht nur ein Interesse für Philosophie, sondern wohl auch für Psychologie.
Leben Psychologen eigentlich auch in Phantasiewelten und sind sehr kreativ? So ganz klar
ist das ja nicht als Wissenschaft anerkannt, denke ich. Ich könnte damit leben, wenn ja
(Psychologie viel Phantasie ist; und manches liest sich ja auch schlüssig und es sieht mit
der erlebten Welt kongruent aus).
Schneegeflüster hat geschrieben:Ansonsten habe ich sehr gute Erfahrungen mit monotonen Tätigkeiten gemacht, das hat dann meißt auch etwas meditatives. Wandern ist da sehr gut, oder ich nähe auch sehr gern (von Hand).
Ansonsten wird es wohl auf soetwas herauslaufen, das stimmt wohl.
geht mir ähnlich. Das laufen hab ich aber erst vor wenigen Monaten wiederentdeckt.
Das monotone schon länger vernachlässigt. War bei mir mehr häkeln und stricken und mir aber vorher was
eigenes ausdenken, was es denn werden soll und verschiedene Elemente kombinieren.

--> lieber enden wollen (Überschrift)
Schneegeflüster hat geschrieben:Die Welt wird manchmal einfach unerträglich, stimmt schon.
Ich weiß nicht genau, ob es das bedeutet für mich.
Hab das vor vielen Jahren mal auf so nem Selbsthilfegruppetreffen jemandem erzählt,
der sich genauso an den Rand verkrümelt hatte wie ich, und der hatte das so gedeutet
als wäre ich irgendwie gequält und lebensmüde.
Das könnte zwar dennoch (stellenweise) zutreffen, aber dieses Gefühl "Endlosigkeit" erzeugt bei
mir eher so ein Gefühl der Unfassbarkeit und Ohnmacht, was ich nicht mag. Ohnmacht des niemals
enden und aussteigen könnens, das trifft es eher.
Schneegeflüster hat geschrieben:Es war nicht in meiner Absicht, da eine Wertung zu implizieren, zumal der Begriff der psychischen sog. "Gesundheit" nicht rational, sondern demokratisch definiert wird, als das, was die Mehrheit ist. Tatsächlich würde ich dir zustimmen, dass wir in Wahrheit die Gesunden sind. Außerdem impliziert "defizitär," dass da etwas fehlen würde; ich würde eher sagen, dass zwar bestimmte Teile unterentwickelt sind oder fehlen, während dafür andere, wie der Verstand oder die Intelluktualität, verstärkt ausgeprägt sind; es fehlt nichts, es ist nur anders verteilt. Fast, als gäbe es da soetwas wie eine Ressource, die man entweder auf Gefühle oder soziale Kompetenzen oder den Intellekt verteilen kann :rätseln:
Denke auch, dass in den Blickwinkeln über Gesundheit, immer eine Bewertung drinsteckt, irgendjemand der bestimmte
Aspekte hervorhebt und etwas definiert, aus welchem Interesse auch immer.
Ich meinte nicht, dass du die Bewertung jetzt extra forciert hast, die Gedanken kamen mir nur selbst
beim drüber nachdenken.

Dass wir die gesunden sind, hmm, nee das hab ich eigentlich nicht gemeint.
Ich sehe bei mir schon einiges was nicht so funktional ist. Also ich würde mich nicht als "besser" sehen.
Anders verteilt, ja dem stimme ich zu.

Ich fände es auch besser, wenn man das mehr integrieren könnte oder beides leben könnte.
Also beide "Lager" das andere mehr integrieren könnten. Scheint schwierig zu sein.
Ich habs ja auch schon probiert. Aber immerhin, eine Annäherung scheint es zu geben.

Du hattest ja auch geschrieben, dass du dich jetzt mehr auf das soziale konzentrierst. War das
auch so ein Gedanke, das beides verbinden zu wollen?
Schneegeflüster hat geschrieben: Das Prinzip der Beziehungsidentität ist mir nicht vertraut, kannst du mir das nochmal erklären?
Ist eher kein Prinzip, sondern so ein noch vager Gedanke, der mir gekommen ist.
Dass man ja auch im Austausch eine Identität haben kann und nicht nur in Isolation und Trennung.
Und durch den Austausch eine erweiterte, fließende Identität erlebt, die das außen mit hineinnimmt.
Ansonsten wirkt ja Identität oft auch so starr, als bräuchte man eine Festung, in der man in
Selbstbezogenheit lebt, und das "reinlassen vom außen" bedrohlich wirkt. (Gerade im Bereich
schizoid wird ja oft dieses Festungsbild genommen als notwendige Abgrenzung, Rückzug)

Meine ich vielleicht so ähnlich wie du es in deinem späteren Gedanken erläuterst. Dass man
sich unbewusst ändert im Austausch, was aber nicht heißt, dass man bewusst eine Rolle einnehmen
muss.

Ich beziehe mich auf diesen Absatz
Schneegeflüster hat geschrieben:Ja genau, oder zumindest wäre es ein erstrebenswertes Ideal. Ich würde noch betonen, dass man sich durch den Austausch tatsächlich ändert, auch unterbewusst, und sich nicht bewusst in eine Rolle pressen muss, die man doch nie ganz ausfüllen kann; darin wird die Intergrität, und damit auch die Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums bewahrt.



Themis hat geschrieben: Ich habe es bisher nur so erlebt, dass ich mich in symbiotischer Beziehung öffnen kann. Über Jahre, mit immer wieder bestätigtem Vertrauen.
Ohne jegliche äußere oder materielle Bindung allerdings. 100 Prozent innere, maximal 30 Prozent äußere Bindung. Mehr geht wirklich nicht.

Die symbiotische Beziehung, die Weiterentwicklung zum "Menschlichen" erst ermöglichte, im Rückblick aber auch maximale Abhängigkeit. Nicht trennbar. Wohlfühlen nur durch Aufgehen im Anderen.

Da möchte ich nicht mehr hin. Die singuläre Geborgenheit vermisse ich und habe noch keine Ersatzkomponente gefunden; aber so gefesselt in uns beiden (zwei in eins) möchte ich nicht mehr sein. Könnte ich vielleicht auch jetzt nicht mehr.

Es bleibt eine Sehnsucht (nach Symbiose, die ja auch wieder Auflösung, Nichtsein als Individuum ist) - und Leere.
Diesen symbiotischen Zustand kenne ich auch, der ist mir aber so außergewöhnlich und mich
auf den Kopf stellend (dieses abtauchen, ungewohnt, eine völlig andere Realität),
dass ich mich davon immer sehr erholen muss.
Es ist zwiespältig, weil auch schön und ein totales Selbstvergessen.

Mit materieller Bindung meinst du zusammen leben / Wohngemeinschaft und sich auch
finanziell zusammentun? Oder in Bezug auf Körperlichkeit?

Vielleicht funktioniert es nur mit viel Distanz und weniger äußerer Beziehung.
Aber das hat mich dann auch sehr verunsichert.

Ich fand dieses "äußerlich weniger" irgendwann zehrend.
Wenn da soviel Emotion verwoben ist und dieses "innere Aufgehen", dann hab ich andererseits
auch nach mehr Beziehung gestrebt, nach mehr Nähe, nach mehr Zugehörigkeit,
was ich dann selber nicht vertragen hab, und dann gabs über kurz oder lang einen Knall.

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Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon Schneegeflüster » 12. Dezember 2018, 21:00

tiffi hat geschrieben:Hallo Schneegeflüster

die Wörter hinter dem Pfeil waren übrigens eigentlich eher Überschriften (Kontext für das folgende
Zitat) und nicht Unterschriften. Aber so wie du es zitiert hast, sieht es auch irgendwie lustig aus.... :)


Und ich denk schon :lachen:
Ich war nur verwirrt, weil deine Pfeile auch immer unter den Zitaten standen, da hab ich das so einfach übernommen

tiffi hat geschrieben:Hm. sogesehen ist das eine Form von Kreativität.
Ich glaube, ich fasse Kreativität für mich zu eng. Musik und Malen geht noch so durch.
Muss ich nochmal drüber nachdenken.


Jede kreative Leistung beginnt mit einer Idee, wieso sollte denn die Idee an sich dann nicht schon kreativ sein?

tiffi hat geschrieben:Du hast wohl nicht nur ein Interesse für Philosophie, sondern wohl auch für Psychologie.
Leben Psychologen eigentlich auch in Phantasiewelten und sind sehr kreativ? So ganz klar
ist das ja nicht als Wissenschaft anerkannt, denke ich. Ich könnte damit leben, wenn ja
(Psychologie viel Phantasie ist; und manches liest sich ja auch schlüssig und es sieht mit
der erlebten Welt kongruent aus).


Es fällt mir schwer, einen direkten Unterschied zwischen Philosophie und Psychologie zu definieren, beides sind schließlich Wissenschaften, die sich mithilfe des Verstandes versuchen, das menschliche Wesen zu verstehen; Psychologie ist dabei aber wohl etwas mehr auf das "kranke" Individuum bezogen, nehme ich an. An sich hatte ich das Fach der Psychologie, im Gegensatz zur Medizin, nicht als Naturwissenschaften mit objektiver, meßbarer Wahrheit verstanden, sondern eher als eine Geisteswissenschaft, die stattdessen auf Definitionen, Überlegungen und Interpretation basiert. Man lernt eher Aspekte, die man nutzen kann, um einen Zustand deuten zu können, als fertige Deutungen, hätte ich gesagt. Es ist dann vermutlich auch sinnvoller, von Plausibilität statt von Wahrheit zu sprechen.

tiffi hat geschrieben:--> lieber enden wollen (Überschrift)


...

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Die Welt wird manchmal einfach unerträglich, stimmt schon.


Ich weiß nicht genau, ob es das bedeutet für mich.
Hab das vor vielen Jahren mal auf so nem Selbsthilfegruppetreffen jemandem erzählt,
der sich genauso an den Rand verkrümelt hatte wie ich, und der hatte das so gedeutet
als wäre ich irgendwie gequält und lebensmüde.
Das könnte zwar dennoch (stellenweise) zutreffen, aber dieses Gefühl "Endlosigkeit" erzeugt bei
mir eher so ein Gefühl der Unfassbarkeit und Ohnmacht, was ich nicht mag. Ohnmacht des niemals
enden und aussteigen könnens, das trifft es eher.


Dazu fällt mir etwas ein, das einer der Philosophen der Stoa, ich glaube Epiktet, einmal gesagt hat.
Sinngemäß: Wo der Mensch gegen seinen Willen ist, da ist für ihn ein Gefängnis.
Wie du hier die Endlosigkeit mit den Attributen "Unfassbarkeit" und vor allem "Ohnmacht" beschreibst, legt nahe, dass du vom Leben, bzw. von einem endlosen Leben, auf eine Weise deine Freiheit bedroht oder zumindest beschränkt siehst, die an ein Gefängnis erinnert. Daraus könnte man nun schließen, dass du grundsätzlich ein Defizit im Lebenswillen hast, wobei das jetzt nur eine sehr wage und unsichere Interpretation ist. Ich hoffe, ich trete dir damit nicht zu nahe.

tiffi hat geschrieben:Dass wir die gesunden sind, hmm, nee das hab ich eigentlich nicht gemeint.
Ich sehe bei mir schon einiges was nicht so funktional ist. Also ich würde mich nicht als "besser" sehen.
Anders verteilt, ja dem stimme ich zu.


Wiederum Definitionssache. Wenn ich mir aber anschaue, wie gewisse Anteile meines Bekanntenkreises (als Schüler kennt man viel zu viele Leute, ich bin froh, wenn das vorbei ist) ihre Zeit verbrennen, um sich von Wahrheiten abzulenken, die sie sich nicht eingestehen können, wie verletzt sie sind, wenn man sie mit diesen Wahrheiten konfrontiert, und wie schnell sie sich das dann wieder verleugnen können, dann wirkt es auf mich doch so, als sei eine milde Form des SPS nach rationalen Entscheidungsmerkmalen gesünder, als das, was der Durchschnitt für "normal" befindet, mMn.

tiffi hat geschrieben:Ich fände es auch besser, wenn man das mehr integrieren könnte oder beides leben könnte.
Also beide "Lager" das andere mehr integrieren könnten. Scheint schwierig zu sein.
Ich habs ja auch schon probiert. Aber immerhin, eine Annäherung scheint es zu geben.


Meinst du auf gesellschaftlicher Ebene, dass man sich gegenseitig mehr respektieren sollte, oder meinst du auf individueller Ebene, dass man selbst sich mehr mit beiden statt nur einem Lager auseinandersetzen sollte?

tiffi hat geschrieben:Du hattest ja auch geschrieben, dass du dich jetzt mehr auf das soziale konzentrierst. War das
auch so ein Gedanke, das beides verbinden zu wollen?


Direkt das Ziel, etwas zu verbinden, hatte ich dabei nicht, ich habe mir nur einen Gewinn an Glück daraus versprochen, meine Persönlichkeit auf dem Spektrum von NT bis SPS etwas mehr richtung NT zu verschieben, was das Soziale anbelangt, und bis jetzt scheint es zu helfen.

tiffi hat geschrieben:Ist eher kein Prinzip, sondern so ein noch vager Gedanke, der mir gekommen ist.
Dass man ja auch im Austausch eine Identität haben kann und nicht nur in Isolation und Trennung.
Und durch den Austausch eine erweiterte, fließende Identität erlebt, die das außen mit hineinnimmt.
Ansonsten wirkt ja Identität oft auch so starr, als bräuchte man eine Festung, in der man in
Selbstbezogenheit lebt, und das "reinlassen vom außen" bedrohlich wirkt. (Gerade im Bereich
schizoid wird ja oft dieses Festungsbild genommen als notwendige Abgrenzung, Rückzug)

Meine ich vielleicht so ähnlich wie du es in deinem späteren Gedanken erläuterst. Dass man
sich unbewusst ändert im Austausch, was aber nicht heißt, dass man bewusst eine Rolle einnehmen
muss.


Diese fließende Identität wäre dann sowas wie ein synergetischer Effekt, in dem sich aus zwei einzelnen Identitäten im Zusammenschluss eine Gesamtheit ergibt, die größer wäre als beide Identitäten für sich allein zusammengenommen? Dass also die Gesamtheit mehr wäre als die Summe der Teile?

Ich denke, das, was du "fließend" oder "starr" nennst, ist an sich nur eine Frage des Vertrauens des Betroffenen in seine Umwelt. Jemand, der in jeder Annäherung einen Angriff auf seine Integrität wahrnimmt, wird sich anderen nicht öffnen können, wird sich verschießen und zurückziehen in eine Form der inneren Festung, um dein Bild aufzugreifen. Wenn man sich in die Selbstbezogenheit zurückziehen muss, um sich vor dem Außen zu schützen, dann ist das ja schon der erste Hinweis, dass man die eigene Integrität gefährdet sieht.


tiffi hat geschrieben:Vielleicht funktioniert es nur mit viel Distanz und weniger äußerer Beziehung.
Aber das hat mich dann auch sehr verunsichert.


Zumindest ist Distanz, gerade für den Schizoiden, ein Garant für Wahrung der Integrität. Äußere Beziehung schafft dahingegen mehr Abhängigkeiten und verringert die Distanz, stellt also eine potentielle Gefährdung der Integrität da. Dahingehend ist. Dazu möchte ich, auch in Bezug auf den letzten Absatz deiner Nachricht, das Stachelschweingleichnis von Schopenhauer erwähnen, auf die Gefahr hin, dass es schon bekannt ist:

An einem kalten Tag entwickelt eine Gruppe Stachelschweine ein Bedürfnis nach Nähe, für dessen Befriedigung sie einander immer näher rutschen. Je mehr sie sich aber aneinander annähern, desto größer sind die Schmerzen der Stacheln der Nachbartiere, die Tiere rutschen also wieder auseinander, wodurch es wieder kälter wird. Sie verändern so lange den Abstand, bis der erträglichste Zustand gefunden ist.

Und das ist eben die Grundproblematik der symbiotischen Bindung: zwar ist die Wärme, Geborgenheit und Sicherheit sehr wohltuend und vielleicht auch nötig, dennoch stellt die Nähe einen sehr schmerzhafen, quälenden eingriff in die Freiheit, Unabhängigkeit und Integrität dar, der langfristig nicht zu ertragen ist. Nur ist es eben so, dass die Wärme in der Praxis irgendwie anfangs stärker wahrgenommen wird als der Schmerz, wobei sich das Verhältnis mit der Zeit umkehrt.

tiffi hat geschrieben:Ich fand dieses "äußerlich weniger" irgendwann zehrend.
Wenn da soviel Emotion verwoben ist und dieses "innere Aufgehen", dann hab ich andererseits
auch nach mehr Beziehung gestrebt, nach mehr Nähe, nach mehr Zugehörigkeit,
was ich dann selber nicht vertragen hab, und dann gabs über kurz oder lang einen Knall.

tiffi

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon tiffi » 13. Dezember 2018, 07:03

Schneegeflüster hat geschrieben:Und ich denk schon  
Ich war nur verwirrt, weil deine Pfeile auch immer unter den Zitaten standen, da hab ich das so einfach übernommen
Ja, wo soll man es auch her wissen :breites grinsen:

Wollte mal eine andere Form probieren statt Zitat im Zitat. 
Schneegeflüster hat geschrieben:Jede kreative Leistung beginnt mit einer Idee, wieso sollte denn die Idee an sich dann nicht schon kreativ sein?
hmm. stimmt auch wieder.

Ich glaube, dann hab ich eher die Begriffe "kreativ" mit "besonderer Fähigkeit" vermischt. 
Es gibt ja kreative Menschen, die mit ihrer besonderen Fähigkeit, bestimmte Dinge auf die Beine
stellen können, die irgendwie Hand und Fuß haben UND dann auch noch damit Kontakt mit 
der Außenwelt haben. Also Künstler, quasi.

Bei mir kommts mir eher so vor, als hätte ich hier und da mal ein paar Luftblasen (Ideen), 
aber es würde nicht so ein ganzes geben, ein "Werk", was auch noch außen vorgestellt werden
könnte, und ich denke auch, ich würde das gar nicht wollen.
Irgendwas widerstrebt mir, meine Ideenwelt einer Außenwelt zugänglich zu machen, und dass das
be- oder verwertet würde, zumindest in systematischem und größerem Ausmaß.
So ein privaterer Austausch ohne messbaren Mehrwert macht mir ja schon Spaß.

Naja, hat aber nur bedingt mit dem Thema zu tun.
Höchstens so im Sinne, steigert es die Kreativität, wenn man aus sozialem Antrieb heraus kreativ ist?
Bei mir wäre so ein Aspekt "ich bin wer in der NT Welt" ja eher lähmend. Da kann ich mich
sogar eher richtig dumm und leer stellen. Außerdem hab ich eh keine "Fähigkeit mit Hand und Fuß" :feiern:
Schneegeflüster hat geschrieben:Es fällt mir schwer, einen direkten Unterschied zwischen Philosophie und Psychologie zu definieren, beides sind schließlich Wissenschaften, die sich mithilfe des Verstandes versuchen, das menschliche Wesen zu verstehen; Psychologie ist dabei aber wohl etwas mehr auf das "kranke" Individuum bezogen, nehme ich an. An sich hatte ich das Fach der Psychologie, im Gegensatz zur Medizin, nicht als Naturwissenschaften mit objektiver, meßbarer Wahrheit verstanden, sondern eher als eine Geisteswissenschaft, die stattdessen auf Definitionen, Überlegungen und Interpretation basiert. Man lernt eher Aspekte, die man nutzen kann, um einen Zustand deuten zu können, als fertige Deutungen, hätte ich gesagt. Es ist dann vermutlich auch sinnvoller, von Plausibilität statt von Wahrheit zu sprechen.
So klingt es nachvollziehbar in der Unterscheidung und dem, was diese Geisteswissenschaften ausmacht.
Und sehr gut ausgedrückt.

Könntest du dir eigentlich vorstellen Psychologie zu studieren und damit zu arbeiten? Scheinst ja ein Händchen
dafür zu haben.
Wobei  ich denke, das wirklich mit Psychologie arbeiten und anwenden, mit Menschen, in einer Organisation
wie Klinik, ist ja doch nochmal eine andere Hausnummer. 
Schneegeflüster hat geschrieben:Dazu fällt mir etwas ein, das einer der Philosophen der Stoa, ich glaube Epiktet, einmal gesagt hat.
Sinngemäß: Wo der Mensch gegen seinen Willen ist, da ist für ihn ein Gefängnis.
Wie du hier die Endlosigkeit mit den Attributen "Unfassbarkeit" und vor allem "Ohnmacht" beschreibst, legt nahe, dass du vom Leben, bzw. von einem endlosen Leben, auf eine Weise deine Freiheit bedroht oder zumindest beschränkt siehst, die an ein Gefängnis erinnert. Daraus könnte man nun schließen, dass du grundsätzlich ein Defizit im Lebenswillen hast, wobei das jetzt nur eine sehr wage und unsichere Interpretation ist. Ich hoffe, ich trete dir damit nicht zu nahe.
Aus dieser Perspektive kann man es schon so sehen.
Hatte tatsächlich auch eher mal eine Phase mit sehr starkem Lebensgefühl, wo ich mir das mit dem
"ewig leben" sehr viel besser hätte vorstellen können.
Schneegeflüster hat geschrieben:Wenn ich mir aber anschaue, wie gewisse Anteile meines Bekanntenkreises (als Schüler kennt man viel zu viele Leute, ich bin froh, wenn das vorbei ist) ihre Zeit verbrennen, um sich von Wahrheiten abzulenken, die sie sich nicht eingestehen können, wie verletzt sie sind, wenn man sie mit diesen Wahrheiten konfrontiert, und wie schnell sie sich das dann wieder verleugnen können, dann wirkt es auf mich doch so, als sei eine milde Form des SPS nach rationalen Entscheidungsmerkmalen gesünder, als das, was der Durchschnitt für "normal" befindet, mMn.
Ich will dich nicht deprimieren, aber es kann sein, dass es später und in anderen Kreisen auch nicht
soviel besser wird.  Mit der Ablenkung und dem nicht auf den Punkt kommen.

Hier hatte vor einigen Wochen mal ein anderer User, der kurz auf Stippvisite war, ein Thema reingegeben
bzgl. Urschmerz. Und wie sich Neurosen aufbauen und körperliche Härte und Symptome, um das nicht zu fühlen
und das System stabil zu halten.
Hab mich noch nicht so weitreichend damit beschäftigt,aber so von der Grundidee finde ich es nicht schlecht...
dass da viele / fast alle diesem Schmerz ausweichen.
Vertreter dieser Richtung ist Arthur Janov mit Büchern rund um "Urschrei", das hat zwar wie ich finde einen
etwas unseriösen Beigeschmack, als käme es aus der Esoterik oder wäre sowas ähnliches wie "Lachtherapie",
aber wo ich jetzt reingelesen hab, hab ich schon gemerkt, dass es auch psychologische Grundlagen hat. 
Und irgendwo muss der Drang im Menschen zum Ausweichen ja herkommen.
Schneegeflüster hat geschrieben:Meinst du auf gesellschaftlicher Ebene, dass man sich gegenseitig mehr respektieren sollte, oder meinst du auf individueller Ebene, dass man selbst sich mehr mit beiden statt nur einem Lager auseinandersetzen sollte?
Beides. Erstmal, dass man individuell mehr nach der "anderen Seite" streben sollte. Auch wenn man vielleicht
nie ganz so "gut" wird wie diejenigen, die sich auf dieser Seite zuhause fühlen.

Genauso könnten ja die Leute auf der "sozialeren Seite" auch etwas mehr nach Introspektion streben
und könnten sich auch in Zeiten alleine etwas wohler fühlen. Da gibts aber eigentlich wohl auch einen
"Psycho- und Selbsthilfemarkt", mit Entschleunigen und Einkehr und alleine sein und Techniken finden,
wie man mit aufsteigenden Problemen umgeht.

Aber gesellschaftlich könnte man sich eigentlich auch gut ergänzen und voneinander profitieren denke ich.
Statt das zu andersartige abzuwehren und abzuwerten. (Gibt ja auch schnell mal Mobbing, wenn Menschen
eher introvertiert oder normabweichend sind).

-> sozialer sein wollen
Schneegeflüster hat geschrieben:Direkt das Ziel, etwas zu verbinden, hatte ich dabei nicht, ich habe mir nur einen Gewinn an Glück daraus versprochen, meine Persönlichkeit auf dem Spektrum von NT bis SPS etwas mehr richtung NT zu verschieben, was das Soziale anbelangt, und bis jetzt scheint es zu helfen.
Ah, okay.

Und wie setzt du das dann um? Sind es mehr andere Aktivitäten die du dann machst (mit anderen)
oder mehr auch Änderung von Einstellung gegenüber anderen oder änderst du dein Verhalten?

Lässt du bewusst Ablenkung, Verdrängung zu, bzw blendest die Introspektion dann eher mal aus?
(Wahrscheinlich gibt es ja eh immer Ablenkung , Verdrängung,also ginge es vielleicht, was zu fokussieren,
was einem auch Spaß macht, außer Denken....(?)...)
Schneegeflüster hat geschrieben:Diese fließende Identität wäre dann sowas wie ein synergetischer Effekt, in dem sich aus zwei einzelnen Identitäten im Zusammenschluss eine Gesamtheit ergibt, die größer wäre als beide Identitäten für sich allein zusammengenommen? Dass also die Gesamtheit mehr wäre als die Summe der Teile?
Hmm, Synergieeffekt könnte einen Teil davon ausmachen, denke ich.

Teilweise denke ich aber auch an einen Vergleich, wie ein Europäer wahrnimmt und Dinge ordnet,
und wie ein Asiate Dinge ordnet. Da hatte ich mal was gelesen zu.
Als würde ein Europäer mehr so die Dinge im Vordergrund sehen, wenn er ein Bild anschaut, die
einzelnen Formen und Abgrenzungen.
Und ein Asiate würde mehr so den Hintergrund sehen, einen Gesamtzusammenhang oder Zwischenräume.

So könnte man sein Ich ja ggf. auch wahrnehmen. Also auf die zweite Art.
Dann wäre Integrität auch weniger, "oh meine feste Form ist gefährdet".
Da könnte ja, wenn man es auf die zweite Art sieht, die Identität eher gefährdet sein, wenn man merkt
"oh, ich werde in eine feste Form gepresst".
Eigentlich ist bei mir sogar beides da. (In Richtung Bindungsangst, zuviel feste Rolle nicht mögen)
Ich denke, das, was du "fließend" oder "starr" nennst, ist an sich nur eine Frage des Vertrauens des Betroffenen in seine Umwelt. Jemand, der in jeder Annäherung einen Angriff auf seine Integrität wahrnimmt, wird sich anderen nicht öffnen können, wird sich verschießen und zurückziehen in eine Form der inneren Festung, um dein Bild aufzugreifen. Wenn man sich in die Selbstbezogenheit zurückziehen muss, um sich vor dem Außen zu schützen, dann ist das ja schon der erste Hinweis, dass man die eigene Integrität gefährdet sieht.
Ich denke ja, gerade die schizoide Ausprägung hat stark mit fehlendem Urvertrauen zu tun.
Ich erlebe es aber auch nicht als unverschiebbar.
Also bei mir denke ich, ich komme ziemlich aus dieser Ecke des Rückzugs und der Abgrenzung
und des Misstrauens, aber es kam auch eine Offenheit dazu und ein eher fließender Zustand. 
Hab ich hier im Forum auch schon an anderer Stelle gelesen. (bis jetzt fast nur bei Frauen, ist das
wirklich eher so ein Frauending? Kann ja eigentlich nicht sein)
Zumindest ist Distanz, gerade für den Schizoiden, ein Garant für Wahrung der Integrität. Äußere Beziehung schafft dahingegen mehr Abhängigkeiten und verringert die Distanz, stellt also eine potentielle Gefährdung der Integrität da. Dahingehend ist. Dazu möchte ich, auch in Bezug auf den letzten Absatz deiner Nachricht, das Stachelschweingleichnis von Schopenhauer erwähnen, auf die Gefahr hin, dass es schon bekannt ist:

An einem kalten Tag entwickelt eine Gruppe Stachelschweine ein Bedürfnis nach Nähe, für dessen Befriedigung sie einander immer näher rutschen. Je mehr sie sich aber aneinander annähern, desto größer sind die Schmerzen der Stacheln der Nachbartiere, die Tiere rutschen also wieder auseinander, wodurch es wieder kälter wird. Sie verändern so lange den Abstand, bis der erträglichste Zustand gefunden ist.

Und das ist eben die Grundproblematik der symbiotischen Bindung: zwar ist die Wärme, Geborgenheit und Sicherheit sehr wohltuend und vielleicht auch nötig, dennoch stellt die Nähe einen sehr schmerzhafen, quälenden eingriff in die Freiheit, Unabhängigkeit und Integrität dar, der langfristig nicht zu ertragen ist. Nur ist es eben so, dass die Wärme in der Praxis irgendwie anfangs stärker wahrgenommen wird als der Schmerz, wobei sich das Verhältnis mit der Zeit umkehrt.
Ja, das Stachelschweingleichnis kenne ich schon, hatte es aber eher im Kontext Gesellschaft mehr gelesen,
weniger als individuellen Konflikt zwischen Wärme suchen / Nähe und Schmerz / Distanz.

Aber ist es nur die eingeschränkte Freiheit, die so schmerzt, oder ist noch ein anderes Gleichgewicht
bedroht?
Wo ich dann eher wieder bei der Idee mit dem Urschmerz wäre, den man verdrängt hält,
und wo man sich ein Gleichgewicht gesucht hat, diesen nicht zu fühlen.
Und bei Nähe gerät das Gleichgewicht durcheinander, was das System labil macht, und den Schmerz
wieder hervorbringt.

Könnte sein, dass NT dann in ihrer Bezugsgruppe ähnliche Ablenkungsmechanismen gefunden haben,
und sich darin eher stabilisieren und gar nicht so "triggern".
Und wenn man selber so tickt, dass einem diese Ablenkungsmechanismen nichts sagen, nicht
gut wirken, ist man da etwas der Spielverderber.
Also mir wurde schon mitgeteilt, ich bin eher jemand, der die Leute runterzieht :verstimmt: .... weil
genau dahin schauend und abzielend, wo man nicht hinsoll.
Und nach nem sozialen Codex her sollte man ja sich ablenken und gemeinsam Spaß haben.
Ist aber auch etwas Übungssache, meiner Neigung nicht allzusehr hinterherzugehen. Bzw. die
Gruppe dann manchmal auch zu vermeiden, auch um dort nicht zuviel "Stimmung" zu verbreiten.

Schneegeflüster
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Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon Schneegeflüster » 13. Dezember 2018, 20:50

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Und ich denk schon  
Ich war nur verwirrt, weil deine Pfeile auch immer unter den Zitaten standen, da hab ich das so einfach übernommen

Ja, wo soll man es auch her wissen :breites grinsen:

Wollte mal eine andere Form probieren statt Zitat im Zitat. 


Auch nicht schlecht, vielleicht probiere ich das auch mal

tiffi hat geschrieben:Ich glaube, dann hab ich eher die Begriffe "kreativ" mit "besonderer Fähigkeit" vermischt. 
Es gibt ja kreative Menschen, die mit ihrer besonderen Fähigkeit, bestimmte Dinge auf die Beine
stellen können, die irgendwie Hand und Fuß haben UND dann auch noch damit Kontakt mit 
der Außenwelt haben. Also Künstler, quasi.


Ich würde ja sagen, dass die Idee der kreative Teil einer künstlerischen Leistung ist, das Denken und Erfinden also, und die Umsetzung dann nur "machen" ist. Künstler, nach deinem Begriff, bekommen es darüber hinaus noch hin, mehrer kreative Ideen in einer sinnvollen Konstellation zusammen zu führen und umzusetzen.

tiffi hat geschrieben:Bei mir kommts mir eher so vor, als hätte ich hier und da mal ein paar Luftblasen (Ideen), 
aber es würde nicht so ein ganzes geben, ein "Werk", was auch noch außen vorgestellt werden
könnte, und ich denke auch, ich würde das gar nicht wollen.
Irgendwas widerstrebt mir, meine Ideenwelt einer Außenwelt zugänglich zu machen, und dass das
be- oder verwertet würde, zumindest in systematischem und größerem Ausmaß.
So ein privaterer Austausch ohne messbaren Mehrwert macht mir ja schon Spaß.


Das kenn ich. Es ist einfach unmöglich, eine Idee verlustfrei auf ein Medium zu bannen, um sie vergleichbar zu machen. Austausch hingegen, über das Medium Sprache, ist da schon einfacher, weil Interaktiver. Und, du hast recht, die Vergleichbarkeit ist nicht zwingend erstrebenswert.

tiffi hat geschrieben:Naja, hat aber nur bedingt mit dem Thema zu tun.
Höchstens so im Sinne, steigert es die Kreativität, wenn man aus sozialem Antrieb heraus kreativ ist?
Bei mir wäre so ein Aspekt "ich bin wer in der NT Welt" ja eher lähmend. Da kann ich mich
sogar eher richtig dumm und leer stellen. Außerdem hab ich eh keine "Fähigkeit mit Hand und Fuß" :feiern:


Kommt natürlich immer auf das Motiv an, das einen zu einer kreativen Leistung bringt. Wenn es intrinsich ist, dann spielt der soziale Antrieb eher keine Rolle. Und als ein Schizoider, der relativ erfolgreich versucht, sich anderen sozial mehr zu nähern, muss ich sagen, dass eine der größten Hürden, die ich nehmen musste, der Abbau von Vorurteilen ggü. NTs war. Es stimmt zwar, dass sie auf eine Weise begrenzt sind, aber das sind wir eben auch, auf andere Weise. Ich habe für mich festgestellt, dass sozialer Kontakt an sich erfüllend oder bereichernd sein kann, wenn man sich darauf einlässt, man muss dafür aber dieses Schubladendenken, dieses Wir-Gefühl ablegen und sich wieder darauf besinnen, dass man an sich kein Schizoider ist, sondern nur ein Individuum mit Eigenschaften der SPS, die man selbst in gewissem Rahmen beeinflussen kann, und das in jedem von uns im Kern ein Mensch steckt, der an sich gut ist (oder zumindest bin ich nach langer Überlegung zu diesem Schluss gekommen, z.T. auch deswegen, weil ich nicht in einer grundsätzlich schlechten, dummen Welt leben will. Ich naiver Idealist :) )

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Es fällt mir schwer, einen direkten Unterschied zwischen Philosophie und Psychologie zu definieren, beides sind schließlich Wissenschaften, die sich mithilfe des Verstandes versuchen, das menschliche Wesen zu verstehen; Psychologie ist dabei aber wohl etwas mehr auf das "kranke" Individuum bezogen, nehme ich an. An sich hatte ich das Fach der Psychologie, im Gegensatz zur Medizin, nicht als Naturwissenschaften mit objektiver, meßbarer Wahrheit verstanden, sondern eher als eine Geisteswissenschaft, die stattdessen auf Definitionen, Überlegungen und Interpretation basiert. Man lernt eher Aspekte, die man nutzen kann, um einen Zustand deuten zu können, als fertige Deutungen, hätte ich gesagt. Es ist dann vermutlich auch sinnvoller, von Plausibilität statt von Wahrheit zu sprechen.


So klingt es nachvollziehbar in der Unterscheidung und dem, was diese Geisteswissenschaften ausmacht.
Und sehr gut ausgedrückt.

Könntest du dir eigentlich vorstellen Psychologie zu studieren und damit zu arbeiten? Scheinst ja ein Händchen
dafür zu haben.
Wobei  ich denke, das wirklich mit Psychologie arbeiten und anwenden, mit Menschen, in einer Organisation
wie Klinik, ist ja doch nochmal eine andere Hausnummer. 


Dankeschön :)
An sich zwar eine interessante Idee, aber eher nicht. Mit Menschen zu arbeiten, wäre nichts für mich


tiffi hat geschrieben:Ich will dich nicht deprimieren, aber es kann sein, dass es später und in anderen Kreisen auch nicht
soviel besser wird.  Mit der Ablenkung und dem nicht auf den Punkt kommen.


Damit hab ich mich bereits abgefunden, ist ja nicht mein Problem, wie andere ihr Leben leben. Ich tue einfach trotzdem das, von dem ich hoffe, dass es ein erfüllendes, oder zumindest ein erträgliches Leben sein könnte. Ich nehme an, dass sowohl sozial-emotional Elemente als auch rational-intellektuelle dafür nötig sind, wie so oft liegt die Wahrheit also irgendwo in der Mitte.

tiffi hat geschrieben:Hier hatte vor einigen Wochen mal ein anderer User, der kurz auf Stippvisite war, ein Thema reingegeben
bzgl. Urschmerz. Und wie sich Neurosen aufbauen und körperliche Härte und Symptome, um das nicht zu fühlen
und das System stabil zu halten.
Hab mich noch nicht so weitreichend damit beschäftigt,aber so von der Grundidee finde ich es nicht schlecht...
dass da viele / fast alle diesem Schmerz ausweichen.
Vertreter dieser Richtung ist Arthur Janov mit Büchern rund um "Urschrei", das hat zwar wie ich finde einen
etwas unseriösen Beigeschmack, als käme es aus der Esoterik oder wäre sowas ähnliches wie "Lachtherapie",
aber wo ich jetzt reingelesen hab, hab ich schon gemerkt, dass es auch psychologische Grundlagen hat. 
Und irgendwo muss der Drang im Menschen zum Ausweichen ja herkommen.


Dann schau ich mir das mal an, danke. Ich kann nur den bereits zitierten Erich Fromm empfehlen, sein "Wege aus einer kranken Gesellschaft" ist meiner Erfahrung nach ein guter Einstieg, da geht er in der ersten Hälfte sehr detailliert auf diese Thematik ein

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Meinst du auf gesellschaftlicher Ebene, dass man sich gegenseitig mehr respektieren sollte, oder meinst du auf individueller Ebene, dass man selbst sich mehr mit beiden statt nur einem Lager auseinandersetzen sollte?


Beides. Erstmal, dass man individuell mehr nach der "anderen Seite" streben sollte. Auch wenn man vielleicht
nie ganz so "gut" wird wie diejenigen, die sich auf dieser Seite zuhause fühlen.


Wie bereits gesagt, die Wahrheit des gesunden, erfüllten Lebens wird wohl irgendwo in der Mitte liegen, vermutlich mit individuell bestimmten Anteilen jeweils. Mir hat es jedenfalls gut getan, meiner Entwicklung da einen Drall in die NT-Richtung zu geben.

tiffi hat geschrieben:Genauso könnten ja die Leute auf der "sozialeren Seite" auch etwas mehr nach Introspektion streben
und könnten sich auch in Zeiten alleine etwas wohler fühlen. Da gibts aber eigentlich wohl auch einen
"Psycho- und Selbsthilfemarkt", mit Entschleunigen und Einkehr und alleine sein und Techniken finden,
wie man mit aufsteigenden Problemen umgeht.


Das stimmt zwar, aber man kann sie ja dazu nicht zwingen. Wenn jemand sich entscheidet, so leben zu wollen, dann ist das sein Problem, muss ich sagen.

tiffi hat geschrieben:Aber gesellschaftlich könnte man sich eigentlich auch gut ergänzen und voneinander profitieren denke ich.
Statt das zu andersartige abzuwehren und abzuwerten. (Gibt ja auch schnell mal Mobbing, wenn Menschen
eher introvertiert oder normabweichend sind).


Das finde ich schwierig. Gesellschaftliche Zusammenarbeit setzt gesellschaftliche Repräsentation der jeweiligen Gruppen voraus, und dafür müsste man die Gesellschaft überhaupt erst in Gruppen einteilen - was ich, wie bereits erwähnt, problematisch finde



-> sozialer sein wollen

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Direkt das Ziel, etwas zu verbinden, hatte ich dabei nicht, ich habe mir nur einen Gewinn an Glück daraus versprochen, meine Persönlichkeit auf dem Spektrum von NT bis SPS etwas mehr richtung NT zu verschieben, was das Soziale anbelangt, und bis jetzt scheint es zu helfen.


Ah, okay.

Und wie setzt du das dann um? Sind es mehr andere Aktivitäten die du dann machst (mit anderen)
oder mehr auch Änderung von Einstellung gegenüber anderen oder änderst du dein Verhalten?


Schwer zu sagen, wirklich bewusst habe ich mein Verhalten nicht geändert, sondern nur meine Einstellung, die Verhaltensänderungen kommen irgendwie von selbst (ich weiß zwar nicht genau, wie das funktionieren soll, aber für mich funktioniert es nunmal, da will ich auch gar nicht nachfragen). Aber konkret äußert es sich vor allem darin, dass ich mehr Zeit mit anderen verbringe, und auch verbringen will. Es fühlt sich einfach gut an, so ein bisschen wie Alkohol: man weiß zwar, dass es keine Lösung ist, aber es hilft trotzdem.

tiffi hat geschrieben:Lässt du bewusst Ablenkung, Verdrängung zu, bzw blendest die Introspektion dann eher mal aus?
(Wahrscheinlich gibt es ja eh immer Ablenkung , Verdrängung,also ginge es vielleicht, was zu fokussieren,
was einem auch Spaß macht, außer Denken....(?)...)


Wenn ich sozial interagiere, versuche ich, dabei nicht mit meinen Gedanken abzuschweifen, sondern bei der Sache zu bleiben und mich so ein bisschen "fallen zu lassen" bzw. mich mehr zu öffnen. In diesen Momenten findet dann natürlich keine Introspektion statt. An sich habe ich meine Introspektion hauptsächlich auf Selbstgespräche während langen Nachtspaziergängen verlegt, ist einfach effizienter, die Probleme einmal konzentriert und strukturiert durchzuarbeiten als immer wieder zu ihnen abzuschweifen

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Diese fließende Identität wäre dann sowas wie ein synergetischer Effekt, in dem sich aus zwei einzelnen Identitäten im Zusammenschluss eine Gesamtheit ergibt, die größer wäre als beide Identitäten für sich allein zusammengenommen? Dass also die Gesamtheit mehr wäre als die Summe der Teile?


Hmm, Synergieeffekt könnte einen Teil davon ausmachen, denke ich.

Teilweise denke ich aber auch an einen Vergleich, wie ein Europäer wahrnimmt und Dinge ordnet,
und wie ein Asiate Dinge ordnet. Da hatte ich mal was gelesen zu.
Als würde ein Europäer mehr so die Dinge im Vordergrund sehen, wenn er ein Bild anschaut, die
einzelnen Formen und Abgrenzungen.
Und ein Asiate würde mehr so den Hintergrund sehen, einen Gesamtzusammenhang oder Zwischenräume.

So könnte man sein Ich ja ggf. auch wahrnehmen. Also auf die zweite Art.
Dann wäre Integrität auch weniger, "oh meine feste Form ist gefährdet".
Da könnte ja, wenn man es auf die zweite Art sieht, die Identität eher gefährdet sein, wenn man merkt
"oh, ich werde in eine feste Form gepresst".
Eigentlich ist bei mir sogar beides da. (In Richtung Bindungsangst, zuviel feste Rolle nicht mögen)


Hätte ich jetzt auch so ähnlich dargestellt. An sich ist eine Persönlichkeit ja immer eine dynamische Sache, ich würde also sagen, dass feste Strukturen an sich schlecht sind (wenn ich das werten darf), weil sie die Entwicklung beschränken, und was ist Leben schon ohne Entwicklung, ohne Wachstum? Ob die festen Formen von Innen oder von Außen kommen, würde ich aber für irrelevant halten.
An sich muss eine Form der Liebe, die die Integrität wahren soll, den anderen erstmal vollständig so akzeptieren und respektieren, wie er ist, denn ansonsten ist eine vertrauensvolle Bindung, die dennoch die Integrität wahrt, nicht möglich, würde ich sagen.

tiffi hat geschrieben:
Ich denke, das, was du "fließend" oder "starr" nennst, ist an sich nur eine Frage des Vertrauens des Betroffenen in seine Umwelt. Jemand, der in jeder Annäherung einen Angriff auf seine Integrität wahrnimmt, wird sich anderen nicht öffnen können, wird sich verschießen und zurückziehen in eine Form der inneren Festung, um dein Bild aufzugreifen. Wenn man sich in die Selbstbezogenheit zurückziehen muss, um sich vor dem Außen zu schützen, dann ist das ja schon der erste Hinweis, dass man die eigene Integrität gefährdet sieht.


Ich denke ja, gerade die schizoide Ausprägung hat stark mit fehlendem Urvertrauen zu tun.
Ich erlebe es aber auch nicht als unverschiebbar.
Also bei mir denke ich, ich komme ziemlich aus dieser Ecke des Rückzugs und der Abgrenzung
und des Misstrauens, aber es kam auch eine Offenheit dazu und ein eher fließender Zustand. 
Hab ich hier im Forum auch schon an anderer Stelle gelesen. (bis jetzt fast nur bei Frauen, ist das
wirklich eher so ein Frauending? Kann ja eigentlich nicht sein)


Vielleicht lässt sich Vertrauen bzw. die Abwesenheit von Vertrauen ja jeweils als Rückkopplung darstellen, dass also Vertrauen zu mehr Vertrauen und Mangel an Vertrauen zu mehr Mangel an Vertrauen führt, weil damit jeweils eine Weltansicht einhergeht, die dafür sorgt, dass man die Dinge so wahrnimmt, dass sie die eigene Weltanschauung bestätigen. Für mich konnte ich feststellen, dass ich meinen Mitmenschen (also hauptsächlich NTs) mehr Vertrauen kann, seit ich ihnen mehr Vertraue, weil das irgendwie von selbst kommt. Ist vermutlich eine Sache der Prägung und der enttäuschten oder erfüllten Erwartungen, nehm ich an. Und ob es ein Frauending ist, kann ich nicht sagen, ich bin ein Kerl ;)

tiffi hat geschrieben:
Zumindest ist Distanz, gerade für den Schizoiden, ein Garant für Wahrung der Integrität. Äußere Beziehung schafft dahingegen mehr Abhängigkeiten und verringert die Distanz, stellt also eine potentielle Gefährdung der Integrität da. Dahingehend ist. Dazu möchte ich, auch in Bezug auf den letzten Absatz deiner Nachricht, das Stachelschweingleichnis von Schopenhauer erwähnen, auf die Gefahr hin, dass es schon bekannt ist:

An einem kalten Tag entwickelt eine Gruppe Stachelschweine ein Bedürfnis nach Nähe, für dessen Befriedigung sie einander immer näher rutschen. Je mehr sie sich aber aneinander annähern, desto größer sind die Schmerzen der Stacheln der Nachbartiere, die Tiere rutschen also wieder auseinander, wodurch es wieder kälter wird. Sie verändern so lange den Abstand, bis der erträglichste Zustand gefunden ist.

Und das ist eben die Grundproblematik der symbiotischen Bindung: zwar ist die Wärme, Geborgenheit und Sicherheit sehr wohltuend und vielleicht auch nötig, dennoch stellt die Nähe einen sehr schmerzhafen, quälenden eingriff in die Freiheit, Unabhängigkeit und Integrität dar, der langfristig nicht zu ertragen ist. Nur ist es eben so, dass die Wärme in der Praxis irgendwie anfangs stärker wahrgenommen wird als der Schmerz, wobei sich das Verhältnis mit der Zeit umkehrt.


Ja, das Stachelschweingleichnis kenne ich schon, hatte es aber eher im Kontext Gesellschaft mehr gelesen,
weniger als individuellen Konflikt zwischen Wärme suchen / Nähe und Schmerz / Distanz.

Aber ist es nur die eingeschränkte Freiheit, die so schmerzt, oder ist noch ein anderes Gleichgewicht
bedroht?
Wo ich dann eher wieder bei der Idee mit dem Urschmerz wäre, den man verdrängt hält,
und wo man sich ein Gleichgewicht gesucht hat, diesen nicht zu fühlen.
Und bei Nähe gerät das Gleichgewicht durcheinander, was das System labil macht, und den Schmerz
wieder hervorbringt.


Naja, was heißt denn schon Freiheit? Es fängt ja schon damit an, dass es Freiheit zu und Freiheit von gibt, dann kann man Freiheit als bloße Abwesenheit von Regeln bzw. Beschränkungen betrachten oder aber ein Mindestmaß an Regeln, und damit Sicherheit, voraussetzen, um mehr Freiheit garantieren zu können. Freiheit an sich ist deshalb erstmal ein schwieriger Begriff.
Ich würde im Allgemeinen sagen, dass der Mensch eigentlich keine Freiheit braucht, sondern nur die Möglichkeit, mit sich selbst identisch zu sein, er selbst zu sein (also auf allen Ebenen, ich meine nicht dieses "Lebe-deinen-Traum-du-bist-einzigartig-sei-einfach-du-selbst-geschwafel). Das Würde ich an sich als Integrität bezeichnen: ein Mensch ist in dem Maß integer, wie er er selbst sein kann; dabei gibt es natürlich äußere und innere Faktoren, die das eingrenzen können. Der Prozess wiederum, in dem der Mensch von Innen heraus Integer wird, würde ich als Indiviuation definieren; mir wäre dabei wichig, zwischen Indiviualität und Einzigartigkeit zu trennen:
Ein Mensch, der das ist, was er ist, der sich also an keinerlei fremde Rollen anpasst, ist integer und individuell. Ein Mensch, der einzigartig ist, ist nur anders als alle anderen, ganz gleich, was er eigentlich sein will oder ist. An sich würde ich betonen, dass ich der Idee Fromms, dass wir alle und wesentlich ähnlicher sind, und uns auch viel ähnlicher sein wollen, als wir uns eigentlich eingestehen wollen, zustimmen.
Urschmerz ist dabei von der Bedeutung her, denke ich, mit Fromms Idee der Existenzangst identisch, jeweils eine Form des tief verankerten Schmerzes und der Verlorenheit, ich sehe da gerade keinen Unterschied.
Dieses Gleichgewicht, das du beschreibst, ist eben das, was ich mit Integrität meine. Ich würde sagen, dass es in der menschlichen Persönlichkeit verschiedene Parameter gibt, die sich auf einem Spektrum verschiedenen Polen zwischenordnen können, und das es für jeden ein Gleichgewicht gibt, in dem diese Parameter in einer natürlichen Lage sind, die für dieses Individuum gut, gesund und frei von Leid ist; dabei verändern sich die Parameter unablässig, mit jeder Erfahrung und Emotion, die man erfährt.
Nähe kann nun bei manchen Individuen (die Gesamtheit dieser Indiviuen wäre eine mögliche, wenngleich vage Definition der SPS) diese Parameter aus dem Gleichgewicht bringen und dadurch die Integrität stören, womit wir bei der Labilität und dem Schmerz wären. Gerade Abhängigkeit in einer symbiotischen Beziehung ist dabei ein Faktor.

tiffi hat geschrieben:Könnte sein, dass NT dann in ihrer Bezugsgruppe ähnliche Ablenkungsmechanismen gefunden haben,
und sich darin eher stabilisieren und gar nicht so "triggern".
Und wenn man selber so tickt, dass einem diese Ablenkungsmechanismen nichts sagen, nicht
gut wirken, ist man da etwas der Spielverderber.
Also mir wurde schon mitgeteilt, ich bin eher jemand, der die Leute runterzieht :verstimmt: .... weil
genau dahin schauend und abzielend, wo man nicht hinsoll.
Und nach nem sozialen Codex her sollte man ja sich ablenken und gemeinsam Spaß haben.
Ist aber auch etwas Übungssache, meiner Neigung nicht allzusehr hinterherzugehen. Bzw. die
Gruppe dann manchmal auch zu vermeiden, auch um dort nicht zuviel "Stimmung" zu verbreiten.


Ich würde eher sagen, das NTs sich nicht ablenken müssen, sondern ihr Verhalten im wesentlichen mit ihren Parametern übereinstimmt, wobei das vermutlich eine Frage der Anpassung ist, sonst wären sie ja nicht so verletzlich. Vermutlich liegt das Problem irgendwo zwischen mangelnder Individuation und damit Integrität in einer Rückkopplung durch die daraus resultierende Angst vor dem Alleinesein und damit wieder verstärkte Abhängigkeit und Konformität. So ganz habe ich das aber auch noch nicht verstanden.
Vermutlich wirkt zu weit gehende Individualität dann abschreckend, weil es den NTs eben zeigt und beweißt, dass sie frei und integer sein könnten, weil es sie überhaupt erst mit der Alternative konfrontiert. Es scheint erträglicher zu sein, wenn man die Alternative nicht kennt. Konfrontation mit der Realität / Alternative ist schließlich immernoch Konfrontation.

tiffi

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon tiffi » 14. Dezember 2018, 11:59

Hallo Schneegeflüster,
gehts noch mit dem Umfang des Austauschs hier?
Mir fällt immer soviel und schnell zu allem was ein, und dann wird es soviel Text mit immer mehr Nebengedanken.
Hab zur Zeit das Gefühl, es wäre besser etwas langsamer zu machen und zu fokussieren. Bisschen Luft lassen.

So im nachhinein nach dem Schreiben betrachtet, hmm, denke ich, es ist immer noch viel, aber das ist schon die
fokussiertere Version. :Sonne:
Schneegeflüster hat geschrieben:Austausch hingegen, über das Medium Sprache, ist da schon einfacher, weil Interaktiver.
Hatte jetzt so den Eindruck bekommen, je unmittelbarer ein Austausch, umso kleiner und schneller die Dinge,
die hin und hergehen. Hat beides was für sich, mittelbar und unmittelbar, finde ich.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich habe für mich festgestellt, dass sozialer Kontakt an sich erfüllend oder bereichernd sein kann, wenn man sich darauf einlässt, man muss dafür aber dieses Schubladendenken, dieses Wir-Gefühl ablegen und sich wieder darauf besinnen, dass man an sich kein Schizoider ist, sondern nur ein Individuum mit Eigenschaften der SPS, die man selbst in gewissem Rahmen beeinflussen kann, und das in jedem von uns im Kern ein Mensch steckt, der an sich gut ist (oder zumindest bin ich nach langer Überlegung zu diesem Schluss gekommen, z.T. auch deswegen, weil ich nicht in einer grundsätzlich schlechten, dummen Welt leben will. Ich naiver Idealist :) )
Ist doch eine interessante Perspektive, wie es mit dem Kontakt gehen kann, und auch gut gehen kann, also
nicht verbogen und ohne unwohl fühlen, sondern immer noch echt.
Ich finde, hier in diesem Absatz stecken viele Ansätze drin, und es beantwortet auch meine spätere Frage zum
großen Teil, "wie" du das gemacht hast, dich mehr Richtung NT zu bewegen.
Schneegeflüster hat geschrieben:Damit hab ich mich bereits abgefunden, ist ja nicht mein Problem, wie andere ihr Leben leben. Ich tue einfach trotzdem das, von dem ich hoffe, dass es ein erfüllendes, oder zumindest ein erträgliches Leben sein könnte. Ich nehme an, dass sowohl sozial-emotional Elemente als auch rational-intellektuelle dafür nötig sind, wie so oft liegt die Wahrheit also irgendwo in der Mitte.
Klingt auf jeden Fall sehr ausgewogen. Andere so lassen, sich auf das eigene konzentrieren, was änderbar ist.

Wurde glaub ich schon an anderer Stelle am Anfang hier gesagt, aber ich finde es wirklich beeindruckend, diese
Fähigkeit sich so stark zu reflektieren und zu steuern, und ich denke, in diesem jungen Alter steht noch viel offen,
um da gute Weichen zu stellen. Wie z B jetzt die Korrektur in Richtung "angenehme soziale Erfahrungen" zu machen.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich kann nur den bereits zitierten Erich Fromm empfehlen, sein "Wege aus einer kranken Gesellschaft" ist meiner Erfahrung nach ein guter Einstieg, da geht er in der ersten Hälfte sehr detailliert auf diese Thematik ein
klingt auch interessant, ich schau da auch mal rein.
Kenne bisher nur "Anatomie der menschlichen Destruktivität" von ihm (mit kaum noch Erinnerung daran). Und
"Die Kunst des Liebens". Auf jeden Fall mochte ich seine Art des Denkens und Dinge einordnens, auch wenn
inhaltlich einiges ins Vergessen gerutscht ist :rätseln: :verlegen:
Schneegeflüster hat geschrieben:Das stimmt zwar, aber man kann sie ja dazu nicht zwingen. Wenn jemand sich entscheidet, so leben zu wollen, dann ist das sein Problem, muss ich sagen.
In deinen Aussagen stecken die Werte drin finde ich "jeder entscheidet selbst", "leben und leben lassen",
Individualität und Toleranz (wenn nicht Akzeptanz, weil einem die Wirkungen von anderen Entscheidungen nicht
gefallen). Diese Werte teile ich schon auch, muss ich mir nur manchmal bewusster machen, wenn ich mich doch eher
über was ärgere oder was nicht verstehe oder es lieber anders hätte (bei anderen). Dann kommt auch wieder mehr
Gelassenheit und eher das in den Fokus, was man selber ändern kann.
Schneegeflüster hat geschrieben:Das finde ich schwierig. Gesellschaftliche Zusammenarbeit setzt gesellschaftliche Repräsentation der jeweiligen Gruppen voraus, und dafür müsste man die Gesellschaft überhaupt erst in Gruppen einteilen - was ich, wie bereits erwähnt, problematisch finde
Durch diese Aufteilung käme zumindest schneller ein Feindbild auf und Grenzen und eher Kampfhaltung statt
Verbindendes. Nicht so clever, das stimmt schon.
Schneegeflüster hat geschrieben:Wenn ich sozial interagiere, versuche ich, dabei nicht mit meinen Gedanken abzuschweifen, sondern bei der Sache zu bleiben und mich so ein bisschen "fallen zu lassen" bzw. mich mehr zu öffnen. In diesen Momenten findet dann natürlich keine Introspektion statt. An sich habe ich meine Introspektion hauptsächlich auf Selbstgespräche während langen Nachtspaziergängen verlegt, ist einfach effizienter, die Probleme einmal konzentriert und strukturiert durchzuarbeiten als immer wieder zu ihnen abzuschweifen
Ah, das hab ich auch mal als Empfehlung gelesen bei zuviel Gedankenkreisen - lieber einmal kurz
konzentriert nachdenken am Tag , und die restliche Zeit offener und gegenwärtiger bleiben. Klingt deutlich effektiver.
Schneegeflüster hat geschrieben:An sich ist eine Persönlichkeit ja immer eine dynamische Sache, ich würde also sagen, dass feste Strukturen an sich schlecht sind (wenn ich das werten darf), weil sie die Entwicklung beschränken, und was ist Leben schon ohne Entwicklung, ohne Wachstum? Ob die festen Formen von Innen oder von Außen kommen, würde ich aber für irrelevant halten.
An sich muss eine Form der Liebe, die die Integrität wahren soll, den anderen erstmal vollständig so akzeptieren und respektieren, wie er ist, denn ansonsten ist eine vertrauensvolle Bindung, die dennoch die Integrität wahrt, nicht möglich, würde ich sagen.
Stimme ich auch zu, so vom Wert her.
Von der Praxis her...sind manche nicht so begeistert wenn man nicht so fix zu fassen ist und den Erwartungen nicht
entspricht. Aber da muss man (und sie) mit leben.

Das eigene Starre und die Überzeugungen, wo dieses nötig sei, sind da vermutlich noch interessanter zu beleuchten,
weil hier auch eher wieder eine Möglichkeit ist, da selber dran zu gehen und es zu ändern. Und je flexibler man ist,
umso mehr schafft man auch anderen gegenüber Tatsachen oder wird auch so fühlbar, ohne dass man sich jetzt
offen gegen rigide Erwartungen abgrenzen müsste, denke ich.

Besser als explizite Kämpfe und Vorwürfe oder Ankündigungen ist es wohl, einfach so zu SEIN. Und SO bedrohlich
ist es für die anderen dann ggf. auch nicht. Vielleicht nur hier und da mal irritierend.
Schneegeflüster hat geschrieben:Naja, was heißt denn schon Freiheit? Es fängt ja schon damit an, dass es Freiheit zu und Freiheit von gibt, dann kann man Freiheit als bloße Abwesenheit von Regeln bzw. Beschränkungen betrachten oder aber ein Mindestmaß an Regeln, und damit Sicherheit, voraussetzen, um mehr Freiheit garantieren zu können. Freiheit an sich ist deshalb erstmal ein schwieriger Begriff.
Ich würde im Allgemeinen sagen, dass der Mensch eigentlich keine Freiheit braucht, sondern nur die Möglichkeit, mit sich selbst identisch zu sein, er selbst zu sein (also auf allen Ebenen, ich meine nicht dieses "Lebe-deinen-Traum-du-bist-einzigartig-sei-einfach-du-selbst-geschwafel). Das Würde ich an sich als Integrität bezeichnen: ein Mensch ist in dem Maß integer, wie er er selbst sein kann; dabei gibt es natürlich äußere und innere Faktoren, die das eingrenzen können. Der Prozess wiederum, in dem der Mensch von Innen heraus Integer wird, würde ich als Indiviuation definieren; mir wäre dabei wichig, zwischen Indiviualität und Einzigartigkeit zu trennen:
Sehr interessante Gedanken, wo ich im Grunde das Gefühl habe, das ähnlich zu sehen, aber in den Feinheiten
noch was zum nachdenken habe. :cool:
Schneegeflüster hat geschrieben:An sich würde ich betonen, dass ich der Idee Fromms, dass wir alle und wesentlich ähnlicher sind, und uns auch viel ähnlicher sein wollen, als wir uns eigentlich eingestehen wollen, zustimmen.
Vielleicht ist hier der Punkt das Wort "wesentlich". Dass man diesen gemeinsamen Grund erstmal sehen
müsste und nicht Oberflächlichkeiten und Gräben.
Schneegeflüster hat geschrieben:Dieses Gleichgewicht, das du beschreibst, ist eben das, was ich mit Integrität meine. Ich würde sagen, dass es in der menschlichen Persönlichkeit verschiedene Parameter gibt, die sich auf einem Spektrum verschiedenen Polen zwischenordnen können, und das es für jeden ein Gleichgewicht gibt, in dem diese Parameter in einer natürlichen Lage sind, die für dieses Individuum gut, gesund und frei von Leid ist; dabei verändern sich die Parameter unablässig, mit jeder Erfahrung und Emotion, die man erfährt.
Nähe kann nun bei manchen Individuen (die Gesamtheit dieser Indiviuen wäre eine mögliche, wenngleich vage Definition der SPS) diese Parameter aus dem Gleichgewicht bringen und dadurch die Integrität stören, womit wir bei der Labilität und dem Schmerz wären. Gerade Abhängigkeit in einer symbiotischen Beziehung ist dabei ein Faktor.
Hmm, was mir dazu noch einfällt ist, dass man ja manchmal gerade im "destruktiven" sein Gleichgewicht suchen
könnte oder eben in einer Starrheit. Und darin sich dann erstmal leidfrei erfährt.
Bzw diese Modelle haben ihren Preis, also mal fühlt man sich leidfrei und dann wieder eskalierend. Da gäbe es sicher
noch eine reifere Integrität.

Und trotzdem muss man ja den Menschen, der so wählt und sich so positioniert, so auch respektieren. Kenne so
halbwegs die Arbeit von Frauenhäusern und gegen den Willen einer Frau bekommt man die aus einer destruktiven
Beziehung nicht raus, weil das ganze eben doch innerlich so aufgebaut ist, dass es so nötig ist.

Und Therapeuten arbeiten ja auch häufig damit, die alten "Überlebensstrategien" die kindlich interpretiert wurden
aus damaligen wenigen Möglichkeiten zusammengestellt, mehr zu hinterfragen, sodass derjenige heute ein
neueres funktionaleres Gleichgewicht finden kann mit heutigen Optionen.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich würde eher sagen, das NTs sich nicht ablenken müssen, sondern ihr Verhalten im wesentlichen mit ihren Parametern übereinstimmt, wobei das vermutlich eine Frage der Anpassung ist, sonst wären sie ja nicht so verletzlich. Vermutlich liegt das Problem irgendwo zwischen mangelnder Individuation und damit Integrität in einer Rückkopplung durch die daraus resultierende Angst vor dem Alleinesein und damit wieder verstärkte Abhängigkeit und Konformität. So ganz habe ich das aber auch noch nicht verstanden.
Ich auch nicht. Hab nur gemerkt, es ist stressfreier, wenn ich das ganze so toleriere, und sehe, dass
es für die anderen stimmig ist, und nicht als zu änderndes Mangelmodell, was eine Befreiung sucht. Wobei ich schon
oft den Leidensdruck auch wahrnehme, aber das darf nicht als Auftrag missverstanden werden, eine Alternative zu
zeigen. Das nur bei SEHR expliziter Aufforderung oder Nachfrage. (kommt so gut wie nie vor)

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Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon Schneegeflüster » 14. Dezember 2018, 14:18

tiffi hat geschrieben:Hallo Schneegeflüster,
gehts noch mit dem Umfang des Austauschs hier?
Mir fällt immer soviel und schnell zu allem was ein, und dann wird es soviel Text mit immer mehr Nebengedanken.
Hab zur Zeit das Gefühl, es wäre besser etwas langsamer zu machen und zu fokussieren. Bisschen Luft lassen.


Hallo tiffi,
alles in Ordnung. Ich genieße das gerade richtiggehend, mit jemandem diskutieren zu können, der Ideen einbringen kann, die tatsächlich neu, relevant und interessant sind. Erleb ich sonst eher selten.
Die Menge an Text ist an sich kein Problem, nur wird es hier im Forum doch relativ schnell sehr unübersichtlich. Es wird mit zunehmender Länge der Beiträge schwieriger, eine Struktur zu wahren.
Wenn du aber der Meinung bist, es lieber etwas zu verlangsamen, dann wäre das natürlich auch vollkommen in Ordnung, will ja deine Integrität nicht gefährden ;)

tiffi hat geschrieben:So im nachhinein nach dem Schreiben betrachtet, hmm, denke ich, es ist immer noch viel, aber das ist schon die
fokussiertere Version. :Sonne:


Lieb von dir, aber ich hab auch kein Problem damit, wenn du abschweifst, solange es interessant bleibt (und das war es bis jetzt)

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Damit hab ich mich bereits abgefunden, ist ja nicht mein Problem, wie andere ihr Leben leben. Ich tue einfach trotzdem das, von dem ich hoffe, dass es ein erfüllendes, oder zumindest ein erträgliches Leben sein könnte. Ich nehme an, dass sowohl sozial-emotional Elemente als auch rational-intellektuelle dafür nötig sind, wie so oft liegt die Wahrheit also irgendwo in der Mitte.


Klingt auf jeden Fall sehr ausgewogen. Andere so lassen, sich auf das eigene konzentrieren, was änderbar ist.

Wurde glaub ich schon an anderer Stelle am Anfang hier gesagt, aber ich finde es wirklich beeindruckend, diese
Fähigkeit sich so stark zu reflektieren und zu steuern, und ich denke, in diesem jungen Alter steht noch viel offen,
um da gute Weichen zu stellen. Wie z B jetzt die Korrektur in Richtung "angenehme soziale Erfahrungen" zu machen.


Ich weiß nicht, ob Alter da wirklich so ein großer Faktor ist. Ich würde es eher so formulieren, dass es eine Frage von Offenheit, Flexibilität und Zuversicht ist, etwas ändern zu können, Eigenschaften, die mit dem Alter oft abnehmen. Also eher eine Korrelation, kein Kausalzusammenhang

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Das stimmt zwar, aber man kann sie ja dazu nicht zwingen. Wenn jemand sich entscheidet, so leben zu wollen, dann ist das sein Problem, muss ich sagen.


In deinen Aussagen stecken die Werte drin finde ich "jeder entscheidet selbst", "leben und leben lassen",
Individualität und Toleranz (wenn nicht Akzeptanz, weil einem die Wirkungen von anderen Entscheidungen nicht
gefallen). Diese Werte teile ich schon auch, muss ich mir nur manchmal bewusster machen, wenn ich mich doch eher
über was ärgere oder was nicht verstehe oder es lieber anders hätte (bei anderen). Dann kommt auch wieder mehr
Gelassenheit und eher das in den Fokus, was man selber ändern kann.


Das stimmt, diese Werte sind mir ziemlich wichtig, wobei ich mehr von Toleranz sprechen würde; im Akzeptanzbegriff sehe ich nämlich noch den Aspekt der Einwilligung bzw. eine positive Bewertung impliziert, wo ich eher denke, dass die Anderen selbst dann das Recht haben (sollten), etwas zu tun, wenn ich das schlecht finde, solange es nicht meine eigenen fundamentalen Rechte und Freiheiten gefährdet.
An sich sind das einfach die Werte, nach denen ich behandelt werden möchte (mir sind, wie im SPS-Spektrum üblich, meine Freiheit und Selbstständigkeit sehr wichtig), ich finde es nur logisch, sie dann auch auf Andere anzuwenden. Außerdem macht es das einfach leichter, weil man sich nicht mehr Gedanken machen muss um jedes kleine Problem seiner Mitmenschen.

tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:Das finde ich schwierig. Gesellschaftliche Zusammenarbeit setzt gesellschaftliche Repräsentation der jeweiligen Gruppen voraus, und dafür müsste man die Gesellschaft überhaupt erst in Gruppen einteilen - was ich, wie bereits erwähnt, problematisch finde


Durch diese Aufteilung käme zumindest schneller ein Feindbild auf und Grenzen und eher Kampfhaltung statt
Verbindendes. Nicht so clever, das stimmt schon.


Mir war jetzt eher der Aspekt wichtiger, dass die Bildung von Gruppenidentitäten den individuellen Individuationsprozess einschränkt bzw. verhindern kann; außerdem schaffen Gruppen Rollen, die die Mitglieder ausfüllen müssen, die relativ starr fixiert sind


tiffi hat geschrieben:
Schneegeflüster hat geschrieben:An sich ist eine Persönlichkeit ja immer eine dynamische Sache, ich würde also sagen, dass feste Strukturen an sich schlecht sind (wenn ich das werten darf), weil sie die Entwicklung beschränken, und was ist Leben schon ohne Entwicklung, ohne Wachstum? Ob die festen Formen von Innen oder von Außen kommen, würde ich aber für irrelevant halten.
An sich muss eine Form der Liebe, die die Integrität wahren soll, den anderen erstmal vollständig so akzeptieren und respektieren, wie er ist, denn ansonsten ist eine vertrauensvolle Bindung, die dennoch die Integrität wahrt, nicht möglich, würde ich sagen.


Stimme ich auch zu, so vom Wert her.
Von der Praxis her...sind manche nicht so begeistert wenn man nicht so fix zu fassen ist und den Erwartungen nicht
entspricht. Aber da muss man (und sie) mit leben.


Erwartungen ist ein gutes Stichwort, damit sind wir dann nämlich wieder bei den Rollen und der Integrität; an sich ist eine Rolle ja nur Repräsentation einer Kumulation von Aspekten einer Persönlichkeit, bei der aber auch andere Aspekte, die meisten, fehlen. Es wäre vielleicht besser, in einer solchen Beziehung den Anderen in seiner Gesamtheit zu akzeptieren - vorausgesetzt natürlich, der Andere ist bereit, sich so weitgehend zu öffnen - anstatt eine Rolle für den Anderen zu definieren, in die er zwar auch hineinpasst, die aber nicht alle Teile seiner Selbst abdeckt, sodass er sich selbst begrenzen muss.

tiffi hat geschrieben:Das eigene Starre und die Überzeugungen, wo dieses nötig sei, sind da vermutlich noch interessanter zu beleuchten,
weil hier auch eher wieder eine Möglichkeit ist, da selber dran zu gehen und es zu ändern. Und je flexibler man ist,
umso mehr schafft man auch anderen gegenüber Tatsachen oder wird auch so fühlbar, ohne dass man sich jetzt
offen gegen rigide Erwartungen abgrenzen müsste, denke ich.


Würde ich so auch sagen

tiffi hat geschrieben:Hmm, was mir dazu noch einfällt ist, dass man ja manchmal gerade im "destruktiven" sein Gleichgewicht suchen
könnte oder eben in einer Starrheit. Und darin sich dann erstmal leidfrei erfährt.
Bzw diese Modelle haben ihren Preis, also mal fühlt man sich leidfrei und dann wieder eskalierend. Da gäbe es sicher
noch eine reifere Integrität.


Ich würde es mehr so darstellen, dass man in der Starrheit versucht, einen Zustand, der als gut angenommen wird, zu bewahren, in der Erwartung, dass man diesen Zustand des Gut-seins dann erhalten kann, während man aber nicht verhindern kann, dass man sich selbst eben trotzdem ändert, wodurch ja gerade ein starrer Zustand mit der Zeit schwer bis nicht erträglich wird.

tiffi hat geschrieben:Und trotzdem muss man ja den Menschen, der so wählt und sich so positioniert, so auch respektieren. Kenne so
halbwegs die Arbeit von Frauenhäusern und gegen den Willen einer Frau bekommt man die aus einer destruktiven
Beziehung nicht raus, weil das ganze eben doch innerlich so aufgebaut ist, dass es so nötig ist.


Man muss nicht respektieren, was oder wie die Menschen machen, sondern nur ihr Recht darauf, selbst für sich entscheiden zu können und zu dürfen, was gut für sie ist, würde ich sagen. Wobei das natürlich bei Abhängigkeitsverhältnissen schwierig werden kann, stimmt schon

tiffi

Re: Sozialer Kontakt als Antrieb

Beitragvon tiffi » 15. Dezember 2018, 07:06

Schneegeflüster hat geschrieben:alles in Ordnung. Ich genieße das gerade richtiggehend, mit jemandem diskutieren zu können, der Ideen einbringen kann, die tatsächlich neu, relevant und interessant sind. Erleb ich sonst eher selten.
Die Menge an Text ist an sich kein Problem, nur wird es hier im Forum doch relativ schnell sehr unübersichtlich. Es wird mit zunehmender Länge der Beiträge schwieriger, eine Struktur zu wahren.
Wenn du aber der Meinung bist, es lieber etwas zu verlangsamen, dann wäre das natürlich auch vollkommen in Ordnung, will ja deine Integrität nicht gefährden 
Ok, dann bin ich ja beruhigt und dann ist zumindest die Seite „dich überfordern / vereinnahmen“ z ZT nicht
gegeben, sondern nur noch die Menge an Text und Gedanken + Seitengedanken.
Plus der Gedanke, dass ein bisschen Luft lassen dazu führen kann, dasss ich andere auch eher mal äußern, was
ja auch gut ist. Mehrere Perspektiven zu haben.
Ansonsten erlebe ich unseren Austausch für mich ebenso als bereichernd, diese etwas anderen Gedanken und
Einordnungen, die aber doch sehr nachvollziehbar wirken. Und Psychologie / Philosophie mochte ich schon immer.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob Alter da wirklich so ein großer Faktor ist. Ich würde es eher so formulieren, dass es eine Frage von Offenheit, Flexibilität und Zuversicht ist, etwas ändern zu können, Eigenschaften, die mit dem Alter oft abnehmen. Also eher eine Korrelation, kein Kausalzusammenhang
Genauer betrachtet würde ich das auch so sehen, dass es um die Flexibiltät geht,die Tatkraft (Zuversicht) und
dass das nicht unbedingt altersabhängig ist. Vorteil im jüngeren Alter ist, dass man noch nicht so
"verstellt" ist und sich noch nicht soviel aufgebaut hat an starren Macken je nachdem.
Schneegeflüster hat geschrieben:wobei ich mehr von Toleranz sprechen würde; im Akzeptanzbegriff sehe ich nämlich noch den Aspekt der Einwilligung bzw. eine positive Bewertung impliziert, wo ich eher denke, dass die Anderen selbst dann das Recht haben (sollten), etwas zu tun, wenn ich das schlecht finde, solange es nicht meine eigenen fundamentalen Rechte und Freiheiten gefährdet.
Hätte ich jetzt auch vermutet, dass der Begriff Toleranz näher liegt, und habe deswegen den Begriff der
Akzeptanz schon eher eingeschränkt im letzten Beitrag.

Hast du dich zufällig schonmal mit „moderner Anarchie“ beschäftigt? Weiß gar nicht, ob der Begriff so richtig ist.
Mir sind zumindest unter diesem Oberbegriff so Haltungen begegnet, von individueller Freiheit, Toleranz, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit (jedem das Seine, nicht jedem das Gleiche, verhandeln statt Autorität
und Regeln). Ist halt auch ein ideales Modell.
Schneegeflüster hat geschrieben:An sich sind das einfach die Werte, nach denen ich behandelt werden möchte (mir sind, wie im SPS-Spektrum üblich, meine Freiheit und Selbstständigkeit sehr wichtig), ich finde es nur logisch, sie dann auch auf Andere anzuwenden. Außerdem macht es das einfach leichter, weil man sich nicht mehr Gedanken machen muss um jedes kleine Problem seiner Mitmenschen.
Könnte dann nur zum Interessenkonflikt kommen, wenn man auf ein abhängiges Gegenüber stößt.
Was mehr Einmischung wünscht und auch mehr davon „bietet“.
Da fällt mir gerade ein, dass wir hier im Forum einige eher depressiv abhängige Charaktere hatten als Angehörige /
ehemalige Partner von SPS und die empfanden diese Freiheit, die bei einem SPS zu spüren ist, eher als gleichgültig /
grausam / beziehungsunfähig und empfanden die verwickelte einmischende Anteilnahme als "normaler".
Aber nicht alle Konstellationen waren so, manche haben auch gute Kompromisse gefunden.
Schneegeflüster hat geschrieben:Mir war jetzt eher der Aspekt wichtiger, dass die Bildung von Gruppenidentitäten den individuellen Individuationsprozess einschränkt bzw. verhindern kann; außerdem schaffen Gruppen Rollen, die die Mitglieder ausfüllen müssen, die relativ starr fixiert sind
Achso, das hatte ich in eine andere Richtung gedeutet.
Diese Seite finde ich aber auch nachvollziehbar, dass die Gruppe aber auch „organisierte Meinung“ das Individuum
eher einschränkt.
Schneegeflüster hat geschrieben:Erwartungen ist ein gutes Stichwort, damit sind wir dann nämlich wieder bei den Rollen und der Integrität; an sich ist eine Rolle ja nur Repräsentation einer Kumulation von Aspekten einer Persönlichkeit, bei der aber auch andere Aspekte, die meisten, fehlen. Es wäre vielleicht besser, in einer solchen Beziehung den Anderen in seiner Gesamtheit zu akzeptieren - vorausgesetzt natürlich, der Andere ist bereit, sich so weitgehend zu öffnen - anstatt eine Rolle für den Anderen zu definieren, in die er zwar auch hineinpasst, die aber nicht alle Teile seiner Selbst abdeckt, sodass er sich selbst begrenzen muss.
Interessant finde ich den Aspekt „Kumulation“ hier, was zu einer Rolle führt. Dass bestimmte Dinge
fokussiert sind und andere nicht vorkommen (ignoriert, unerwünscht, tabu sind) und dadurch die Gesamtheit fehlt.

Und den Aspekt „fehlende Offenheit“ finde ich in bezug auf Rolle auch interessant.

Das ist auch in der Realität spürbar, wie ich finde.
Die Fokussierung einerseits auf etwas Erwartetes, das Tabu andererseits, nicht gewünschte Dinge zu zeigen;
und dass man, wenn man sich frei von der Rolle verhält, sehr irritiert bis ablehnend behandelt wird.
Meist aber nur irritiert.
(Gegenüber stürzt in ein sogenanntes "Rollenloch", muss vielleicht selber noch eine Antwort finden, wenn es mit
unerwartetem konfrontiert wird).

Findet derjenige jedoch in sich keine Antwort nach unerwarteter Konfrontation, kann es ja auch eher
zur Ablehnung kommen, dass ein Gegenüber nicht in der Rolle reagiert.
Mit diesem Hintergrund kann man es dann auch sehen, dass die Ablehnung meist doch mehr mit der
ablehnenden Person zu tun hat, die mit dem ganzen Bild und einer freien Reaktion nichts anfangen kann.

Leider bezieht man erfahrene Ablehnung und die Überforderung und Aggression des Gegenübers ja auch
schnell auf sich, gerade in so einer kindlichen Position der Abhängigkeit.
Und folgert dann ggf. man muss diese Reaktionen des Gegenübers vermeiden und muss die Rolle erfüllen.
Strickt sich Regeln und Ge- und Verbote. Und fängt an nicht gewünschte Merkmale als schlecht zu
etikettieren. Die aber in einer offenen Haltung eigentlich alle da sein könnten und dürften.

Einfacher ist es, wenn derjenige, der die Erwartungen hat und eine Rolle wünscht, etwas offener
und reflektierter ist, dann können beide daraus lernen und freier werden.

Da muss ich mir manchmal aber auch an die eigene Nase packen, wenn es Zustände gibt, wo ich
emotional etwas mehr unter Strom stehe oder eine fixe Idee hab, was genau passieren könnte
oder selber noch in meiner alten Rolle gefangen bin (die, die aus kindlichem Verständnis übrig geblieben
bin und teilweise noch so weiterwirkt).Dann fängt man an, sein Gegenüber auch eingrenzend zu behandeln.
Distanz und Überblick und gelassen mehrere Möglichkeiten betrachten, ist schon immer besser aus meiner Sicht.

Richtig blöd wird es halt bei romantischem Interesse, wo dann sowas wie Eifersucht oder Verlustangst
mit reinspielt, und einen die Emotionalität oft in sowas regressives reinschmeißt. Das ist für mein Empfinden
wirklich so der Endboss im sozialen Miteinander, sehr anfällig für alte Erwartungen und Irritationen.

Wurde diese Aspekt nicht auch schon am Anfang des Austauschs erwähnt, dass so eine platonische
Verbindung bei weitem lockerer und offener ist, und dass dieses Modell Romantik und Sex sogar eher
einem gesellschaftlichen Hype entsprechen könnte? (und zumindest etwas Reflektion, Offenheit und
Menschlichkeit hier nicht schaden kann, statt sturer und blinder Erwartungshaltung)
Dieses Hinterfragen des Romantikfilms hat mir auf jeden Fall gefallen, weil es ent-stresst.
Schneegeflüster hat geschrieben:Ich würde es mehr so darstellen, dass man in der Starrheit versucht, einen Zustand, der als gut angenommen wird, zu bewahren, in der Erwartung, dass man diesen Zustand des Gut-seins dann erhalten kann, während man aber nicht verhindern kann, dass man sich selbst eben trotzdem ändert, wodurch ja gerade ein starrer Zustand mit der Zeit schwer bis nicht erträglich wird.
Klingt plausibel. Das festhalten wollen an dem, was einmal gut funktioniert hat und gleichzeitig innere
und äußere Veränderung erfahren, sodass diese eine Lösung aus der Vergangenheit gar nicht mehr passt.

Und wenn man sich so ein Flussbett anschaut, sieht man auch, dass so ein beharrliches stetiges fließen
ganz schön viel Kraft hat über die Zeit, und so feste Strukturen, selbst Stein, auflöst.
Wirkt so leicht esoterisch der Gedanke...die Kraft der fließenden Veränderung....aber irgendwie gefällt er mir
auch . Davon ausgehend, dass die Basis eben doch eher Veränderung ist und Entwicklung.
Schneegeflüster hat geschrieben:Man muss nicht respektieren, was oder wie die Menschen machen, sondern nur ihr Recht darauf, selbst für sich entscheiden zu können und zu dürfen, was gut für sie ist, würde ich sagen. Wobei das natürlich bei Abhängigkeitsverhältnissen schwierig werden kann, stimmt schon
Ich denke dennoch, die Initiative für Veränderung kann immer nur der (jetzt erwachsene) Abhängige
treffen.Außer da wäre geistige Behinderung.
Was vielleicht da sein müsste, ist das Wissen um Alternativen,das Wissen um Umsetzbarkeit an Alternativen, und
den Glauben an die eigene Wirksamkeit wiederzugewinnen.


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