Ist es SPS?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Nordstern
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Ist es SPS?

Beitragvon Nordstern » 4. Februar 2014, 20:34

Angeregt von Äußerungen von Schattentanz mit nachfolgender Diskussion in der Shoutbox lege ich dieses Thema an.
Mich haben die Worte von Schattentanz zum Überlegen gebracht und ich muss einfach etwas dazu äußern. Ich gehe davon aus, dass einige im Forum (und auch Gäste) sich mit vielen Beschreibungen identifizieren können und dadurch sich selbst als SPS-Betroffener einstufen, ohne es evtl. tatsächlich zu sein. Für mich eine typische Folge leicht zugänglicher Informationen und deren Verarbeitung ohne ausreichende Reflektion.
Ist da nicht eine Abgrenzung erforderlich? Ich versuche mal den Anfang:

Merkmale "abhaken" und daraus Folgerungen ziehen
Ich finde, ein "Abhaken" der ICD-Merkmale durch einen selbst ist nicht tauglich. Das eigene Wesen muss unabhängig von diesen Merkmale durch eigenes Nachdenken beschrieben werden und erst danach kann diese Beschreibung mit den Merkmalen abgeglichen werden. Das Abgleichen sollte mE niemals von einem selbst erfolgen, sondern von einem Dritten. Andernfalls besteht die große Gefahr des Hineininterpretierens.
Hinter den kurz, prägnant formulierten Merkmalen steckt mehr; das mehr erkennt keiner, der sich die Merkmale im Internet durchliest und als "Vorlage" zur Beurteilung der eigenen Persönlichkeit nimmt. Den Schaden, den man sich selbst durch solche Fehlbeurteilung antut, mag ich mir gar nicht vorstellen. Ich habe manchmal den Eindruck, aus den kurz gefassten Merkmalen wird eine persönliche Mathematikaufgabe gemacht, die eben zu einem Ergebnis führen muss - mE falsch.

Isolation, Zurückgezogenheit: aktiver Entschluss oder passives Muss?
Einige Menschen wünschen sich ein zurückgezogenes Leben; entfernt von den Widrigkeiten der Gesellschaft. Diese Vorstellungen gab es immer und gibt es auch heute. Bei SPS geht es nicht darum. Die Betroffenen sind zwangsläufig darin gefangen. Aktives Bemühen, sich heraus zu bewegen, konnte/kann ich bei mir erkennen - verbunden mit dem Ergebnis, dass es nicht geht. Es passt nicht zusammen. Man spricht eine andere Sprache. Ich frage mich, versteht mich keiner? Nein, die Art und Denkweise unterscheidet sich einfach, ohne dass es eine "Adapter" gibt.
Einige Menschen wählen freiwillig den Weg in die Zurückgezogenheit, sprechen aber dennoch (weiterhin) die Sprache der Mehrheit und können so punktuell oder ganz zurückkehren. Diese Menschen wollen (aktiv) die Zurückgezogenheit - die Menschen mit SPS leben (passiv) in der Zurückgezogenheit. Ein gegebener (aktiver) Wunsch, die Zurückgezogenheit zu verlassen, kann nicht realisiert werden.
Ich sehe da einen riesengroßen Unterschied.

Reaktion auf die eigene Persönlichkeit
Ob bewusst oder nicht, Menschen mit SPS richten sich in ihrem Leben ein - mit den ein oder anderen Tricks, z.T. auch mit Selbsttäuschung, aber das alles ist eigentlich ein Selbstschutz der Natur. Das geht bis zu einem gewissen Grad auch gut. Wenn die Grenze aber erreicht/überschritten wird, fangen Probleme an. Ob man selbst die Grenze erreicht, oder durch die Umwelt dahin getrieben wird, ist zweitrangig. Ich glaube, man wird häufig (passiv) an die Grenze geführt. Dann steht man mit dem Rücken zur Wand und muss reagieren, wahrscheinlich auch interagieren - etwas, was einen noch stärker in die Bredouille bringt.
Ich bin der Überzeugung, dass man durch die Reaktionen und Handlungen in derartigen Situationen erkennt, ob die Schwelle zu einer Persönlichkeitsstörung (im Sinne der psychologischen Abgrenzung) vorliegt. In Grenzsituationen zeigt sich die Persönlichkeit, nicht in "Gedankenexperimenten" zu einer Zeit, wo das Leben in ruhigen Bahnen verläuft. Dieser mit SPS wird anders mit der Lage umgehen als jener mit einer ähnlichen, aber frei gewählten Lebensweise.

Erfordernis einer Diagnose?
Ich vertrete weiter die Auffassung, SPS ist keine Krankheit. Selbst mit dem Begriff Störung habe ich meine Probleme. Es ist mE nur eine bestimmte, eher seltene und sich abgrenzende Persönlichkeitsausprägung, bei der eben einige Merkmale verstärkend in eine Richtung ausgebildet sind, die deutlich von der Mehrheit in der Gesellschaft ("Norm") abweichen. Daraus resultiert das gegenseitige Nicht-verstehen-können.
Dadurch wird man anfällig für psychische Erkrankungen (Depressionen, Ängste etc.).
Ich bleibe auch dabei, dass es mir egal ist, ob ich von SPS betroffen bin oder nicht (oder nur dazu neige). Solange sich keine Erkrankungen aus der Persönlichkeit herausbilden, ist für mich eine Diagnose unwichtig. Nur wenn sich Erkrankungen zeigen, sollte man eine Diagnose vornehmen, um richtige Lösungsansätze zu finden und nicht ewig lange an irgendwelchen Symptomen rumdoktern.

Akzeptanz oder Änderung?
Für Menschen mit SPS ist mE Akzeptanz der wichtigste Lösungsansatz. Es ist aus meiner Sicht eine Veränderung im Umgang mit sich selbst und der Umwelt, aber eben nicht so sehr die Veränderung des nach außen gerichteten Verhaltens. Letzteres würde mir außerordentlich schwer fallen; ich würde mich zu sehr von mir selbst fortbewegen. Mir fehlt für eine Änderung meines Verhaltens auch Kraft und Mut.
Ich habe mich im Laufe vergangener Jahre von mir selbst wegbewegt - bis zur Grenze. Nun erkenne ich, dass mir das Zurückgehen, das Wegbewegen von der Grenze, eine Hilfe darstellt. Es geht eben nicht, mich durch Anpassung in der Nähe der Grenze aufzuhalten.
Fällt es den Menschen, die sich mit den Merkmalen nach ICD identifizieren können, ohne SPS-Betroffene zu sein, leichter, aktive Veränderungen, die auch nach außen sichtbar sind, vorzunehmen und diese sogar als "eigen" anzunehmen?

Fazit
Ich weiß es nicht. Vielleicht ist das alles, was ich geschrieben habe, auch Unsinn? Vielleicht kann keiner von uns beurteilen, wie andere denken, fühlen oder was sie zum Handeln bewegt? Vielleicht denke ich nur einfach zu viel über Dinge nach, für die es keine Erklärung gibt? Es ist alles nur Spekulation.
Ich habe lange überlegt, ob ich das Geschriebene so in das Forum stellen soll - aber wieso nicht?

Lieben Gruß
Nordstern. :stern:
Zuletzt geändert von Nordstern am 5. Februar 2014, 07:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist es SPS?

Beitragvon NeBisInIdem » 5. Februar 2014, 01:19

Nordstern hat geschrieben:Einige Menschen wählen freiwillig den Weg in die Zurückgezogenheit, sprechen aber dennoch (weiterhin) die Sprache der Mehrheit und können so punktuell oder ganz zurückkehren. Diese Menschen wollen (aktiv) die Zurückgezogenheit - die Menschen mit SPS leben (passiv) in der Zurückgezogenheit. Ein gegebener (aktiver) Wunsch, die Zurückgezogenheit zu verlassen, kann nicht realisiert werden.
Ich sehe da einen riesengroßen Unterschied

Treffender kann man es nicht beschreiben. Ich selbst bin zB ein sehr introvertierter Mensch, lebe demnach gerne zurückgezogen, kann mich wunderbar und über einen längeren Zeitraum mit mir selbst beschäftigen, ohne dass mir langweilig wird. Auch habe ich seit jeher das Gefühl, irgendwie "anders" zu ticken als die "anderen". Mir ist aber bewusst, dass ich diese selbstgewählte Zurückgezogenheit jeder Zeit verlassen kann - was mir, im Gegensatz zu meinem paranoid-schizoiden Geschwister - auch gelingt. Nur, ich will es halt sehr selten :verwirrt:
Das Abgleichen sollte mE niemals von einem selbst erfolgen, sondern von einem Dritten. Andernfalls besteht die große Gefahr des Hineininterpretierens.

Auch das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Ein Abgleich durch eine Vertrauensperson/Familie/Shrink/meinetwegen auch objektiv-kompetente-Dritte kann sehr hilfreich -im Idealfall ein Augenöffner - sein.
"In menschlicher Gesellschaft kann es einem geschehen, dass man vor lauter Skepsis und Meinungsenthaltsamkeit für dumm gehalten wird, während man doch nur hochmütig und mutlos ist.."
Thomas Mann, Tonio Kröger


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