Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Distanzierte » 29. Juli 2013, 11:05

Hallo,

ich vermute, dass ich eine schizoide PS habe und würde gern mal eure Meinung hören. Mein Psychologe hat mir soziale Phobie und ängstlich-vermeidende PS diagnostiziert. Allerdings denke ich, dass das nicht alles sein kann und eins meiner Hauptprobleme eher ein schizoider Anteil ist.

Ich habe einfach überhaupt keine Lust, mich auf Menschen einzulassen und kann auch kein Interesse an ihnen und ihrem Leben aufbauen. Es ist jedes Mal wie eine schwierige, lästige Aufgabe, mich mit jemandem zu treffen, weil ich diese extreme Lustlosigkeit empfinde und neben meiner Angst, auf den anderen vielleicht langweilig zu wirken, habe ich auch selbst das Gefühl, dass mir das Zusammensein mit dem anderen nicht viel bringt und ich lieber allein wäre. Am liebsten würde ich immer allein sein und vermisse keine Freunde und schon gar nicht einen Freundeskreis.

Ich bin immer sehr emotionslos, ernst und nüchtern, wirke überhaupt nicht authentisch, sondern einfach nur förmlich/neutral/distanziert. Ich kann nicht aus mir rausgehen und mittlerweile komme ich zu dem Schluss, dass ich das auch gar nicht will, weil ich kein Interesse daran habe, mich anderen zu zeigen. Gespräche strengen mich an, weil ich emotional verzögert reagiere. Wenn mir jemand was erzählt, muss ich erst mal überlegen, ob ich z. B. erschrocken oder freudig reagieren „muss“. Denn eigentlich tangiert mich das meiste, was andere erzählen, nicht im Geringsten, und ich muss immer überlegen, wie jemand „Normales“ jetzt angemessen reagieren würde.

Es treffen noch sehr viele andere Dinge auf mich zu, die ich über schizoide PS gelesen habe.
- extrem tief sitzendes Misstrauen gegenüber Menschen und ich habe das Gefühl, dass das nie verschwinden wird
- ich interessiere mich für sehr abstrakte, wissenschaftliche Themen und würde mich am liebsten nur über solche Sachen mit anderen Menschen austauschen, ich hasse Smalltalk
- ich habe anderen nichts zu sagen und will ihnen auch nichts sagen, wenn ich Leute wiederholt sehe (z. B. im Seminar), schaffe ich es einfach nicht, mehr als „hallo“, „tschüss“ oder „danke“ zu sagen, weil mir das Mitteilungsbedürfnis komplett fehlt
- Beziehungen hatte ich bisher, aber nie Freundschaften, auch nie Interesse an den Freunden des Partners, eher direkt Feindseligkeit gegenüber seinen Leuten, es entwickelte sich auch immer schnell eine Abhängigkeit zu dem Partner, weil er der einzige Draht zur Außenwelt für mich war

Ich hatte mich früher schon mal mit der schizoiden PS befasst, aber bin dann davon abgekommen, weil ich dachte, das Desinteresse an Menschen wäre nur eine Folge meiner Ängsten und eigentlich würde ich Kontakte wollen, aber traue mich nur nicht. Mittlerweile denke ich wieder anders. Im Rahmen meiner Therapie habe ich mich innerhalb des letzten Jahres getraut, Kontakte/Freundschaften mit einigen Menschen aufzubauen. Die Leute haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mich mögen, und sich auch um mich bemüht. Ich habe sie schon oft getroffen, viel mit ihnen geschrieben. Trotzdem muss ich sagen, was mich auch schockiert: Es wäre mir gleichgültig oder sogar eine Erleichterung, wenn der Kontakt selbst zu mittlerweile sehr vertrauten Kontakten abbrechen würde. Mir sind alle egal, sie sind in meinen Augen austauschbar und hindern mich vor allem daran, meine Freizeit alleine zu gestalten, wie ich will.

Zu meinem Psychologen kann ich keine persönliche Ebene aufbauen. Nach 20 Sitzungen bin ich immer noch total gehemmt und förmlich.

Was meint ihr? Kann das, was ich aufgezählt habe, wirklich alles nur im Zusammenhang mit sozialen Ängsten stehen, oder sind das schon eindeutig spezifische Merkmale von schizoider PS?

Bin dankbar für jede Meinung :)
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Zuletzt geändert von Distanzierte am 21. August 2013, 13:19, insgesamt 1-mal geändert.

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knallschnute
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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon knallschnute » 29. Juli 2013, 12:18

Hallo Distanzierte,

und einen lieben Willkommensgruß.
Was du von dir schreibst klingt schon nach schizoider PS, aber ob das eher auf dich zutrifft weiß wohl keiner der dich nicht persönlich kennt. Eine Diagnose können wir nicht erstellen, doch du kannst natürlich sagen was dich bewegt und wie du dich "wirklich" siehst.

Es kann ja durchaus sein, dass du schizoide Anteile hast, aber die soziale Phobie und die ängstlich-vermeidende PS die Ursache für deinen jetzigen Zustand sind... oder umgekehrt?
Naja, das hängt ja schon alles nah beisamen und hundert Prozent weiß man es nie. Sogar die Fachleute können sich irren. Viel wesentlicher ist ja, dass du dich verstehst, annehmen und für ein besseres Wohlbefinden dazulernen kannst.
Keine Diagnose wird dich, so wie du in deiner Gesamtheit erscheinst und wandelst, ausreichend beschreiben können.
Wichtig ist vor allem, dass die Probleme, die Belastungen die sich durch eine Störung (egal welcher Art) ergeben, behoben werden können.
Deine Lebensqualität soll letztlich gesteigert werden. Oder warum gehst du zur Therapie? (Sorry, wenn ich etwas zu direkt bin. :verlegen: )

Weißt du, im Grunde mag ich auch nicht das sein, was man mir nach sagt. Und durchschaut werden, das ist das schlimmste was ich mir vorstellen kann. Würde ich doch lieber so vielen ein Rätsel bleiben und damit auch für mich die Möglichkeiten der Wandlung - da nicht wirklich fassbar im Kern - weiterhin nutzen können.

Soweit meine Gedanken zu deinem Text und noch eine schöne Zeit im Forum! :rose:

Lieben Gruß
Knallschnute
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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Distanzierte » 29. Juli 2013, 14:05

Hey knallschnute, danke für deine Antwort. :)

Ich habe vor allem in letzter Zeit gemerkt, dass sich meine Ängste in sozialen Situationen vor allem darauf beziehen, dass entdeckt werden könnte, dass ich kein Interesse an anderen habe. Die Ängste beziehen sich gar nicht mal so sehr darauf, dass mir was Peinliches passieren könnte, sondern eher auf die Aufdeckung meiner Interesselosigkeit und Distanziertheit.

Leidensdruck besteht bei mir insofern, dass überall gefordert wird, gesellig zu sein. Wäre es mir nicht so peinlich, was andere von mir denken, würde ich alles Mögliche allein machen, z. B. ins Kino oder Schwimmbad. Ich gehe schon sehr oft allein ins Café und am liebsten würde ich so gut wie alles allein machen. Aber Café ist schon das Maximum, was ich mich traue, allein zu machen. Bei allem anderen wie Kino oder Schwimmbad käme es einfach total komisch für die anderen Leute rüber, warum eine Frau in meinem Alter allein unterwegs ist und nicht mit ihrer Clique oder Freundinnen. Allein unterwegs sein kennt man sonst eher von älteren Leuten oder Männern. Auch Studieren ist nicht einfach für mich. Zum Glück studiere ich etwas, wo sehr selten Gruppenarbeit gefordert ist und man sich allein durchkämpfen kann. Aber wenn ich dann doch mal gezwungen bin, mit Leuten in einer Gruppe zusammenzuarbeiten, ist es ganz schlimm, und ich würde am liebsten nur über Fachliches reden und keinen Smalltalk halten.

Ich habe mich immer gefragt, warum ich mich in der Uni so gut allein durchkämpfen kann, da ich von vielen Soziophobiker mitgekriegt habe, dass sie ihr Studium abbrechen. Oder warum ich es schaffe, Beziehungen, aber nie Freundschaften zu haben, weil es bei vielen Soziophobikern eher umgekehrt ist. Aber bei der schizoiden PS scheinen ja genau diese Sachen (Einzelkämpfer im beruflichen Bereich + Beziehungen, aber keine Freunde) typisch zu sein?

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Nebeltal » 29. Juli 2013, 15:56

Ja das klingt schon sehr schizoid, finde mich da auch wieder in dem was du geschrieben hast.
Wobei man sagen muss, dass du das lieber deiner Therapeutin mitteilen solltest, denn wir sind hier alle keine Ärzte, zumindest gehe ich davon aus.
Und für sein " so sein" eine Überschrift in form einer Diagnose zu haben, macht einen auch nicht glücklicher. Ich finde es immer eigenartig wenn Menschen ihr Verhalten von sowas abhängig machen oder es sogar rechtfertigen. So nach dem Motto " oh ich habe die Diagnose: pädophiler Massenmörder, na jetzt wo ich dass weiß kann ich ja weiter menschen schänden" Ok, es ist ein extremes Beispiel, was ändert dieses Wort oder diese Wortgruppe die in irgendeinem Medizinbuch ( dsm oder icd) steht ? mann ist der selbe wie vorher und nichts wird davon besser.
Klar ist so eine Diagnose in manchen fällen nötig, um das Arbeitsamt ruhig zu stellen und für Ärzte um eine Behandlung anzusetzen, aber für einen persönlich? Ist es entweder ein Banner welches man vor sich her trägt und sagt " seht her ich bin schizoid, tretet beiseite ihr normalos" oder man fühlt sich stigmatisiert.
Also who cares, ob deine Diagnose "schizoid xy" lautet oder " Eiersalat".

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Distanzierte » 29. Juli 2013, 16:45

Hey Nebeltal, danke für deine Antwort. Du hast sicherlich recht, dass der genaue Begriff an sich nicht relevant sein sollte, sondern was man aus seinen Problemen macht. Ich will mich auch gerade nicht auf irgendeiner Diagnose ausruhen. Mich interessiert es nur sehr, wie sich diese einzelnen Krankheitsbilder voneinander abgrenzen. Und ich denke auch, dass das für mich sehr wohl von Bedeutung sein kann. Bisher bin ich während meiner Therapie davon ausgegangen, dass ich einfach nur ängstlich bin und dass sich das Interesse an Menschen mit der Zeit automatisch einstellen wird, wenn ich mich endlich traue, Kontakte zu knüpfen und Leute regelmäßig zu sehen. Jetzt nach 1 Jahr habe ich Leute bereits mehrfach getroffen, vertraute Kontakte aufgebaut und trotzdem ist es jedes Mal mit Widerwillen verbunden, mich zu einem Treffen oder zum Beantworten einer Mail aufzuraffen und ich würde viel lieber was alleine machen oder mich gar nicht mehr melden. :( Wenn ich weiß, es gibt noch etwas, gegen das ich zusätzlich ankämpfen muss (das Schizoide), kann bei einer Therapie vielleicht stärker an genau diesen Gedanken- und Verhaltensmustern angesetzt werden, die sonst außer acht gelassen wurden. Dann geht es nicht nur darum, dass ich mich einfach nur trauen muss, wie es ein Soziophobiker tun muss, sondern dann müssen vielleicht auch bestimmte schizoide Gedankenmuster aufgespalten werden? Darin sehe ich jedenfalls den Nutzen davon, genau zu wissen, was man hat.

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Schattentanz » 29. Juli 2013, 21:42

Hallo Distanzierte,

herzlich willkommen im Forum. :glück:

Ich kann verstehen, dass es dir wichtig ist, sorgfältig zu untersuchen, inwiefern eher die schizoide Problematik bei dir eine Rolle spielt oder doch eher soziale Ängste bzw. eine Mischung aus beiden Faktoren (oder was auch immer). Mich würde es auch sehr stören, wenn mich mein Therapeut gedanklich in eine - aus meiner Sicht - unpassende Ecke einsortiert bzw. Aspekte, die mir wichtig wären, unter den Tisch fallen. Würde mich dann nicht verstanden fühlen und irgendwie auch übersehen.
Allerdings kann der Therapeut auch immer nur mit dem arbeiten, was man ihm gibt an Informationen (und was er sich aufgrund seiner Ausbildung + Beobachtung selber denken kann). Und wenn er da aus der eigenen Sicht falsche Rückschlüsse zieht bzw. etwas mir Wesentliches nicht erwähnt/berücksichtigt - was immer passieren kann ohne dass der Therapeut deshalb gleich inkompetent ist - , dann ist es im eigenen Interesse wichtig das anzusprechen - auch wenn sowas sicher Überwindung kostet. Interessant dürfte sein, wie der Therapeut dann darauf reagiert und inwiefern auf Einwände eingegangen wird usw..

Und neben diesen subjektiven Gründen, die bei jedem anders ausfallen dürften, macht es mMn im Detail schon einen Unterschied hinsichtlich der Behandlung, ob man sozial isoliert lebt, weil man soziale Ängste hat oder weil man kein Interesse an Kontakt hat. Finde nicht, dass man das einfach so über einen Kamm scheren kann; selbst wenn da gewisse Überschneidungen bzw. Vermischungen im Störrungsbild vorliegen sollten oder es im konkreten Einzellfall auch keinen Unterschied macht vom Behandlungserfolg und der Zufriedenheit des Patienten.

Ich denke deshalb, dass es sehr sinnvoll wäre, wenn du mit deinem Therapeuten darüber sprichst, warum du die alleinige Diagnose ägnstlich-vermeidende PS + soziale Phobie nicht für (komplett?) passend hälst und dich eher (auch) in der schizoiden Ecke wiederfinden kannst. Wenn du deine Zweifel so sachlich und durchdacht wie hier darlegst, müsste ein Gespräch darüber möglich sein, denke ich. Deinen Beitrag hier verstehe ich auch nicht so, als ob du auf Teufel komm raus eine Wunschdiagnose haben möchtest.


Distanzierte hat geschrieben:Aber Café ist schon das Maximum, was ich mich traue, allein zu machen. Bei allem anderen wie Kino oder Schwimmbad käme es einfach total komisch für die anderen Leute rüber, warum eine Frau in meinem Alter allein unterwegs ist und nicht mit ihrer Clique oder Freundinnen.

Bin auch so alt wie du und wohne in einer Studentenstadt, in der die meisten Gleichaltrigen auch meistens zu zweit unterwegs sind bei solchen Veranstaltungen. Die Kunst liegt darin die (tatsächlichen oder nur vermuteten) Blicke der anderen auszublenden und so zu tun, als wenn es das Normalste auf der Welt wäre, dass man Aktivität xy alleine macht. Kennst du den Spruch: Fake it, 'till you make it?

Im Kino werden die wenigsten darauf achten, ob du da alleine rumläufst und woran das wohl liegen könnte. Entscheidend dürfte sein, wie du dort auftrittst: Selbstbewusst oder verlegen/unsicher/gehemmt. Damit steht und fällt vieles bei den anderen. Und zur Not könntest du auf Nachfrage immer noch behaupten, dass deine Bekannte/Freundin leider kurzfristig abgesagt hat, aber du den Film umbedingt sehen wolltest. Wobei ich persönlich lieber direkt sage, dass ich diese Aktivität gerne alleine mache bzw. nichts Seltsames daran finde sowas alleine zu machen. Nur rechtfertigen sollte man sich am besten gar nicht. Ich mache das gerne so, fertig.

Vermutlich wird dich aber eh keiner fragen oder großartig auf dich achten; könntest höchstens häufiger angeflirtet werden, wenn du alleine unterwegs bist. Denke, die Routine gibt dir mit der Zeit dann auch zusätzlich Sicherheit - egal ob Schwimmbad- oder Kinobesuch. Vielleicht solltest du es einfach mal ausprobieren - alleine im Cafe fällst du auch nicht weniger auf als im Kino etc. - und ans Cafe bist du ja bereits gewöhnt ;).

Liebe Grüße
Wer nie vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.

Melancholia

Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Melancholia » 29. Juli 2013, 23:36

Distanzierte, Du schreibst, Du hast an Menschen kein Interesse, hattest aber Beziehungen. Was haben Dir diese Beziehungen gegeben bzw. inwiefern hattest Du das Bedürfnis, mit jemandem zusammen sein zu wollen?

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Distanzierte » 30. Juli 2013, 01:08

Danke auch für die weiteren Antworten. :) :)

@ Schattentanz

Ja, du hast recht, am besten sollte man einfach machen, was man möchte, auch wenn es ungewöhnlich wirken könnte. Ich wirke durch meine Ängste, die ich definitiv auch habe, leider immer so gehemmt und da merkt man mir sicher schnell an, dass ich mich unwohl dabei fühle. Aber an solche Ausreden habe ich auch schon mal gedacht.. also nicht, dass ich die bringen würde, aber dass sich andere hoffentlich denken, die ist nur allein, weil die noch auf jemanden wartet oder ihre Begleitung abgesagt hat.

@ Melancholia

Ich frage mich auch, warum ich bisher Beziehungen führen konnte, aber ansonsten kein Interesse an Bekanntschaften oder Freundschaften habe. Ich konnte bisher nur in meinen Beziehungen aus mir rausgehen, bei einem reinen Freund noch nie. Daher ist die Beziehung für mich der einzige Ort, an dem ich ich selbst sein kann. Da ich immer sehr intensive Beziehungen geführt habe, hatte ich dann erst recht kein Interesse mehr an anderen Menschen, weil mich die Beziehung meist schon so eingespannt und mir an Sozialem absolut gereicht hat. Für mich sind das irgendwie zwei komplett verschiedene Welten.. Partnerschaft und Bekannte/Freunde. Bei dem Partner kann ich mir der Zuneigung schon eher sicher sein als bei anderen Leuten, bei denen ich dauerhaft misstrauisch bin. Ich weiß nicht, ob das jetzt wirklich die richtigen Erklärungen waren.. aber ich habe gelesen, dass das wohl oft vorkommt, dass schizoide Menschen Partnerschaften führen, aber keine Freunde haben? Ich habe dieses Modell auch immer von meinen Eltern vorgelebt bekommen. Die haben beide keine wirklichen Freunde oder Vertrauenspersonen, nur sich selbst. Aber deren Beziehung ist dafür extrem vertraut und sie verbünden sich schnell gegen anderen Menschen, werten sie zusammen ab, lassen einfach niemanden sonst an sich ran.

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Cronn » 2. August 2013, 08:57

Hallo und willkommen, Distanzierte! :)

Ja, was du beschreibst klingt auch für mich sehr nach schizoiden Persönlichkeitszügen, und in vielem davon finde ich mich auch selbst wieder. Mit Smalltalk habe ich ähnliche Probleme wie du, bei solchen Gesprächen geht es mir oft so, dass ich so lange darüber nachdenke, was ich sagen könnte, dass das Gespräch schon zu anderen Themen übergegangen ist und das was ich sagen wollte inzwischen nicht mehr reinpasst. :verwirrt:

Auch ich denke, dass es wichtig ist, zu untersuchen, welche Problematiken noch eine Rolle spielen könnten, auch außerhalb der möglichen Notwendigkeit, eine spezifische Diagnose für die Krankenkassen etc. anzugeben. Es hilft einem sicherlich, die eigene Persönlichkeit besser zu verstehen. Allerdings sollte man dabei immer im Kopf behalten, dass sich Diagnosen von psychischen Problemen nicht vergleichen lassen mit ärztlichen Diagnosen anderer Krankheiten. Bei deinen Beiträgen fiel mir folgender Satz auf:

Distanzierte hat geschrieben:Mich interessiert es nur sehr, wie sich diese einzelnen Krankheitsbilder voneinander abgrenzen.


Zwei Gedanken dazu. Erstens erscheint es mir nicht als sinnvoll, Persönlichkeitsstörungen als Krankheitsbilder zu betrachten. Ein Krankheitsbild ist für mich etwas wie Masern oder Grippe. Bei solchen Erkrankungen hat man ein konkretes Krankheitsbild mit konkreten Auslösern und - meistens - konkreten Behandlungsmöglichkeiten. Bei Persönlichkeitsstörungen hingegen handelt es sich eher um überstark ausgeprägte Persönlichkeitstendenzen. Jeder Mensch bewegt sich in einem Spektrum gegensätzlicher Persönlichkeitseigenschaften. In der Psychologie gibt es beispielsweise das Fünf-Faktoren-Modell oder auch Big Five, das fünf typische menschliche Persönlichkeitsstrukturen als Skalen darstellt und die Persönlichkeit daran bemisst, in welche Richtung und wie stark die eigene Persönlichkeit auf der Skala tendiert. Dazu gehören etwa Gegensätze wie introvertiert und extrovertiert - wir sind nicht "entweder - oder", sondern tendieren mehr oder weniger stark in eine dieser Richtungen.

Das Fünf-Faktoren-Modell (Big Five)

Eine extreme Ausprägung einer dieser Faktoren kann Probleme verursachen und dann als Persönlichkeitsstörung wahrgenommen werden. Das ist meiner Meinung nach ein besserer Weg, sich Persönlichkeitsstörungen vorzustellen als sie als Krankheitsbilder zu betrachten. Ein Mensch, der an einer Persönlichkeitsstörung leidet, ist nicht "krank", er tendiert lediglich übermäßig stark in eine bestimmte Persönlichkeitsrichtung. Und wenn dies Leidensdruck verursacht, ist es sinnvoll, daran zu arbeiten, aber das ist dann keine "Heilung" im medizinischen Sinne, sondern der Versuch, sich mit dieser starken Persönlichkeitstendenz zu arrangieren und sie entweder zu mindern - auf der Skala ein kleines Stück in die entgegengesetzte Richtung zu rutschen - oder Kompensationsstrategien zu entwickeln.

Und zweitens: Warum müssen sich diese beiden Persönlichkeitstendenzen oder "Krankheitsbilder" voneinander abgrenzen? Oftmals liegt ein Zusammenspiel verschiedener Problematiken vor, die zusammengenommen dann die Persönlichkeitsstruktur oder, wenn sie zu stark ausgeprägt sind, die Persönlichkeitsstörung des Betroffenen ausmachen. Bezeichnungen wie "Schizoide Persönlichkeitsstörung" sind abstrakte Klassifizierungen, die dabei helfen, Probleme einzugrenzen und bei einer Behandlung die Grundrichtung vorzugeben, aber letztendlich ist jede Persönlichkeitsstörung ebenso individuell wie die Person, die darunter leidet. Es gibt nicht "Den Schizoiden", lediglich die persönliche Tendenz in diese Richtung, und oftmals halt noch zusätzliche Tendenzen in andere Richtungen. Bei mir scheint das beispielsweise ebenfalls die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung zu sein. Nicht entweder-oder, sondern irgendetwas individuell dazwischenliegendes.

(Nebenbei, bin ich der Einzige, der den Ausdruck "Komorbititäten" für etwas seltsam hält? Irgendwie hat das Wort auf mich einen sehr negativen Klang. :rätseln: )

Und was den Besuch von Kinos etc. angeht kann ich Schattentanz nur zustimmen. Mir ging es früher ähnlich wie dir, ich hatte auch Lust, so etwas zu machen, schreckte aber davor zurück, es alleine zu tun, weil ich mir ebenfalls Gedanken darüber machte, was die anderen von mir denken würden. Aber das ist wohl großenteils eine Projektion, die durch die eigene Unsicherheit verstärkt oder gar erst hervorgerufen wird. Und selbst wenn die anderen sich Gedanken machen kann es dir letztendlich egal sein. Das ist tatsächlich etwas, was man üben kann, wenn man es schafft, sich oft genug zu überwinden. Ich gehe inzwischen gerne ins Kino oder auch mal ins Restaurant oder ähnliches, und das meistens alleine. Mit der Zeit gewinnt man dabei an Selbstsicherheit, und irgendwann erscheint es einem dann ganz normal, so etwas alleine zu machen, und dadurch wird dann auch das Auftreten selbstsicherer, weil man nicht mehr die Blicke der anderen fürchtet oder sich Gedanken darüber macht, was sie denken mögen. :cool:

Liebe Grüße,
Cronn

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Re: Schizoide PS vs. Folgen sozialer Ängste

Beitragvon Ambivalenz » 2. August 2013, 09:27

Cronn hat geschrieben:Nebenbei, bin ich der Einzige, der den Ausdruck "Komorbititäten" für etwas seltsam hält? Irgendwie hat das Wort auf mich einen sehr negativen Klang.

Weil das Wort morbid=krank darin steckt. Eigentlich neutral gemeint. Im allgemeinen Sprachgebrauch allerdings eher negativ, denn der Duden sagt:
Bedeutungen:
1.(vom körperlichen Zustand) nicht sehr widerstandsfähig; kränklich, angekränkelt
2.(vom inneren, sittlichen, moralischen Zustand) im Verfall begriffen, brüchig
Wer leuchten will, der flieht das Licht...
Grey would be the color, if I had a heart.


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