Trennung von Gefühl und Verstand

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Iwan
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Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon Iwan » 19. September 2017, 00:51

Man liest ja immer wieder: "Trennung von Gefühl und Verstand". Aber erläutert fand ich das nie. Ich versuche zu verstehen, wie das gemeint ist. Ich glaube zwar, dass ich es bereits verstehe, würde mich zur Sicherheit aber freuen, würde der eine oder andere, der das zu kennen glaubt, versuchen, das in Worte zu fassen.

Vielen Dank für die Mühe.

Rapante007
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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon Rapante007 » 19. September 2017, 09:38

Hallo Iwan. :winken:
Ich erlebe mich immer wieder in diesem "Zustand" das meine Gefühle oftmals von meinem Verstand "getrennt" sind. Ich würde das für mich (--> also NICHT allgemeingültig, sonder mein subjektives, persönliches Erleben) mit zwei möglichen Varianten beschreiben.

Zum einen handel ich oftmals so, wie mir mein Verstand aufzeigt es richtig, gut, passend, ect aufzeigt, obwohl mein Gefühl diese meine verstandesmäßigen Erklärungen nicht gut heißt. Ich merke durchaus manchesmal...ok...mein Gefühl sagt jetzt genau das Gegenteil, von dem was mein Verstand sagt...aber ich bin dann gezwungenermaßen nur Handlungsfähig, wenn ich mich an meinem Verstand orientiere.....mein Gefühl würde mich eher lahm legen.......Ich bin eher selten im Einklang mit meinem Verstand und Gefühl.



Die zweite Variante ist : Wenn mir ein Ziel existentiell wichtig ist, dann strebe ich ausschließlich nur noch das an, was mir mein Verstand rät....Gefühle merke ich erstmal nicht mehr. Bedürfnisse wie zb. schlafen, essen, trinken rücken soweit in den Hintergrund....das ich selbst diese Bedürfnisse, meinem vermeintlichen existentiell Ziel (vermeintlich deshalb, weil ich es ganz persönlich als existentiell einstufe, nicht weil andere das so täten oder sehen würden) hinten anstelle und nicht mehr deutlich wahrnehme......und das alles über mehrere Wochen........In dieser Phase erlebe ich mich nicht mehr mit Gefühlen, sondern funktioniere wie ein Computer.....auf "meine persönliche" Logik aufgebaut ( die bei jedem anders funktioniert und allein schon deshalb kein echte Logik sein kann ;-) deshalb nenn ich diesen Zustand meine persönliche Logik...oder auch "Betriebsmodus").

In diesem Zustand bestehe ich m. E. nach nur noch aus Verstand...Gefühle fühle ich und erlebe ich in so einer Phase nicht (so zumindest wie ich es betrachte) Insgesamt kann ein solcher Zustand bei mir ca. 3 Monate andauern, wobei ich so nach ca. 10 Wochen beginne die ersten Defizite wahrzunehmen......ich "bemerke" dann eine Art von Verwirrtheit und bin dann regelmäßig erstaunt, wie viele Fehler ich zb. während meiner Arbeit fabriziert habe...empfinde das dann aber leider noch nicht als ein schon ausgeprägtes Warn - oder Folgesignal.....durchaus merke ich (das aber auch erst nach mindest. 8 bis 10 Wochen in diesem Zustand) das i-etwas nicht stimmig ist...kann es dann aber i.d.R. noch nicht zuordnen.....raus komme ich aus diesem Zustand über die weiteren Folgeerscheinungen......ich werde dann körperlich krank....massive Magenprobleme bis hin zur Unfähigkeit noch wirklich sinnvolle Entscheidungen mit Verstand zu treffen...ich werde dann massiv depressiv......habe dann massive Schlafprobleme .... Panikanfälle....Angstzustände und fühle mich dann nicht mehr in der Lage irgend eine Form von Alltag leben oder gar gestalten zu können. Es passiert dann eigentlich genau das Gegenteil....ich fühle dann fast nur noch...ohne mit dem Verstand in irgend einer Form aktiv beteiligt zu sein.......dieser Zustand ist dann mindestens genauso Verstand/Gefühlsgetrennt...nur das da dann der Verstand aussen vor ist. Auch das beruhigt sich zwar wieder....nach ca. 4 Wochen....aber dann geht es wieder in die andere Richtung los......wie eine gezeichnete Kurve von Wechselstrom.......einen langfristigen Mittelweg kenne ich nicht......sondern es geht stetig und ständig stufenweise bis zum obersten bzw. untersten Wert, immer abwechselnd..............

Ich hoffe ich konnte dir ein Bild vermitteln, wie es persönlich erlebe......solltest du noch weitere Fragen haben....melde dich :-)

nevermore
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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon nevermore » 19. September 2017, 16:12

Hallo Iwan,

ich habe mich eingehend mit dem Thema beschäftigt, da es mich auch betrifft. Die für mich schlüssigste Variante ist die, dass durch im Leben sehr früh, evtl. schon im Kindesalter auftretende Traumata (schwere seelische Verletzungen) ein körpereigenes Selbstschutzprogramm in Kraft tritt. Das sieht so aus, dass Teile der vollkommenen kindlichen Gefühlswelt, zu der man vor der "Verletzung" noch vollen Zugang hatte, abgespaltet werden, sodass man diese Situation(en) überhaupt ertragen konnte.
Das Dumme ist, dass dieser Zustand auch im Erwachsenenalter anhält und schmerzhaft als Trennung von Gefühl und Verstand wahrgenommen wird, was man auch als schizoid bezeichnen könnte. Die Frage ist, ob und wie dieser Vorgang der Dissoziation rückgängig gemacht werden kann. Es gibt schamatische Praktiken, Körper und Gefühle wieder zusammenzuführen, das nennt sich Seelenrückholung. Es gibt auch diverse kognitive Ansätze, wo das Problem über den Verstand zu lösen gesucht wird, (z.B.Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, Psychoanalyse), woran ich persönlich nicht glaube, da die Traumata oft tiefer liegen, und zu lange bestehen, als dass sie mit dem Verstand zu erreichen wären
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tiffi

Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon tiffi » 20. September 2017, 05:57

Hallo Iwan

ich kenne diese Trennung oft innerlich, also dass innerlich mehr so ein
Funktionsmodus ist, und keine Wahrnehmung für Gefühl ist oder es auch gar nicht
akut da ist.
Und dann natürlich auch in Richtung nach außen im Kontakt, gehen nur bestimmte Dinge,
sachbezogen oder abstrakt rumalbern, aber weniger Gefühlsaustausch.

@Rapante007
diese zwei Phasen kenne ich auch ganz gut.
erst funktionieren, dabei weniger Kontakt zu körperlichen Bedürfnissen;
dann Hyperanspannung, Depression, Ängste, Überforderung, ja und auch bei
mir ist da in Phase 2 weniger Verstandeszugang, ich finde das immer sehr unangenehm.

Mir war gar nicht so bewusst, dass das erste ein "Zielzustand" ist, also dass man da ein
Ziel verfolgt, weil ich mich als recht ziellos empfinde.
Aber ja, es geht darum den Alltag / Arbeit / sonstige Aufgaben zu erfüllen.

Und eine Erinnerung "Achtsamkeitsübungen einbauen", "Trinkpausen" usw
sind in dieser Phase mehr als mechanisch und unterbrechen den Zustand
im Grunde nicht.

@nevermore
Verbindung wiederherstellen, tieferliegend.
Ja, mag sein, dass oberflächliche kognitive Therapie oder Versuche "sich zusammenzureißen"
da gar nicht an die Wurzel können.

Vor 10 Jahren war ich mal in so ner Klinik "ganzheitlich", da gab es so Eutoniegruppen,
das hat eine Asiatin angeleitet, die hatte auch so Ansätze, dass "die Seele verletzt
und raus aus dem Körper" ist.
Ich tue mich etwas schwer mit solchen Ansätzen, wobei ich sie vielleicht
auch schwurbeliger verstehe (über den Verstand), als sie sind.

nevermore
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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon nevermore » 20. September 2017, 20:05

@ triffi

ich möchte unbedingt noch anmerken, dass ich schon fortgeschrittenen Alters bin und auf keinen Fall von herkömmlichen Therapiemaßnahmen abraten wollte. Bei jungen Betroffenen mag eine Therapie helfen, was ich natürlich auf keinen Fall in Frage stellen wollte, da ich das überhaupt nicht beurteilen kann. Nur für mich persönlich sehe ich da wenig Erfolgsaussichten. Was die schamanische Angehensweise betrifft, habe ich eine gute Erfahrung gemacht, nichts weltbewegendes zwar, aber für mich überraschend. Ich glaube einfach, dass das, an was man glaubt, helfen kann. Philosophie.... :)
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tiffi

Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon tiffi » 20. September 2017, 22:39

Hallo nevermore,

ja, es kam auch nicht so abratend oder zuratend rüber, sondern
als eigene Erfahrung und eine Option.

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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon XanderGross » 21. September 2017, 11:36

Wenn mich zun Beispiel jemand fragt wie es mir geht, kann ich keine ehrliche antwort darauf geben.

Weil ich mir erst Gedanken darüber machen wie es mir gehen müsste, aber authentische Emotionen sind in der regel nicht da.
Oder wenn in die Richtung unwohl bis ok.
Wenn Ich in einer gruppe bin und alle jubeln weil was tolles passiert ist schwinge ich nicht mit, weil mein Verstand wo anders ist oder ich mit der Entsprechenden Situation nichts anfangen kann.

Es kann auch passieren das Gefühl einen übermannen (kann auch an meinem ADS Liegen) und man es nicht zu ordnen kann was jetzt grad los ist mit einem.

Je früher man sich behandelt lässt desto besser bevor man sich selbt tiefgreifende mechanismen zulegt um Situation längerfristig zu überspielen und dann alles wie nichts gewesen wäre über board wirft.

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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon Shaw » 22. September 2017, 20:52

@XanderGross:

"Wenn mich zun Beispiel jemand fragt wie es mir geht, kann ich keine ehrliche antwort darauf geben."

Jaaa!! :D Dem kann ich nur zustimmen. Ich mag diese Frage überhaupt nicht, da ich auch ungern einfach irgendwas sage, nur um den Smalltalk am Laufen zu halten. Grausam. Ich stelle die Frage auch ungern. Wahrscheinlich weil bei der Antwort darauf oft Mitgefühl 'verlangt' ist. Bzw Anteilnahme. Ich KANN das, aber wirklich was fühlen zu ich dabei nicht. Ich müsste erst über das Gesagte nachdenken und mich gedanklich in dir Situation hineinversetzen und sie auf mich beiziehen um evtl von meinen Gefühlen dazu eine "Rückmeldung" zu bekommen.

@Iwan:

Ich denke, man kann es so beschreiben, dass Verstand und Gefühl i.d.R. unterschiedlicher "Meinung" sind. Mir geht es ähnlich wie den anderen Postern. Es gibt Zeiten, da kann ich mich gefühlsmäßig aus allem gut raushalten, was für mich sehr angenehm ist, da dann auch die Ängste nicht da sind. Aber es gibt dann auch wieder Phasen, in denen ich fast ständig Angst und Stress spüre.

Ansonsten geht emotional mittlerweile fast alles an mir vorbei. Ich kann aber nach außen hin emotional-angepasst reagieren, sprich, wenn zB jemand was Lustiges erzählt bzw von dem ich annehme, dass es lustig gemeint ist, lache ich. Das macht mir mittlerweile auch keine Mühe mehr. Aber kann halt auch vorkommen, dass ich mal lache, wenns unpassend ist *lol* (ups;)

Das Getrennt sein von Gefühl und Verstand resultiert oft daraus, wenn man als Baby oder/und Kind mit seinen Gefühlen selbst klarkommen musste, weil die Eltern damit überfordert waren. Und wie soll ein Kind das lernen, wenn nicht von den Eltern? Aus seiner eigenen Überforderung heraus lernt es, zu dissoziieren, also sich in bestimmten Situationen von den als bedrohlich empfundenen Gefühlen abzuspalten. Irgendwann - während der Jugend oder des jungen Erwachsenenalters - formt sich daraus dann u.U. eine schizoide PS. Dann spaltet man sich automatisch von allen Gefühlen ab und nicht nur mehr von denen, die als Kind bedrohlich erschienen (Angst, Wut, übermäßige Freude...) weil sie die Eltern überforderten.

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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon Indigocat » 22. September 2017, 21:53

Shaw hat geschrieben:Das Getrennt sein von Gefühl und Verstand resultiert oft daraus, wenn man als Baby oder/und Kind mit seinen Gefühlen selbst klarkommen musste, weil die Eltern damit überfordert waren. Und wie soll ein Kind das lernen, wenn nicht von den Eltern? Aus seiner eigenen Überforderung heraus lernt es, zu dissoziieren, also sich in bestimmten Situationen von den als bedrohlich empfundenen Gefühlen abzuspalten. Irgendwann - während der Jugend oder des jungen Erwachsenenalters - formt sich daraus dann u.U. eine schizoide PS. Dann spaltet man sich automatisch von allen Gefühlen ab und nicht nur mehr von denen, die als Kind bedrohlich erschienen (Angst, Wut, übermäßige Freude...) weil sie die Eltern überforderten.


Ich hatte dazu schon mal in einem anderen Beitrag was geschrieben, falls es wen interessiert:
Indigocat hat geschrieben:Also ich geh jetzt von mir aus - kann sein, dass es unterschiedliche Ursachen für das Unterdrücken von Gefühlen gibt - Gefühle werden unterdrückt, weil die oftmals narzisstischen Eltern (oder andere ähnlich strukturierte nahe Angehörige) Gefühle (Energie) "absaugen". Die einzige Möglichkeit zu überleben ist das Abspalten der Gefühle oder auch die Flucht in eine Depression (wo die Gefühle auch abgekapselt sind). Es lässt sich also durchaus in Familien, wo Kinder und Jugendliche depressiv sind und/oder Selbstmord verüben, Angehörige (Ehemänner oder -frauen z.B.) sehr früh an einer Krankheit (z.B. Krebs) versterben durchaus an eine Persönlichkeitsstörung Cluster B der Hinterbliebenen denken. Die Betreffenden haben keine andere Möglichkeit gesehen, als sich durch Flucht in den Tod dem permanenten Energieentzug zu entziehen.
Geniale Menschen sind selten ordentlich, Ordentliche selten genial. A. Einstein

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Re: Trennung von Gefühl und Verstand

Beitragvon hinterdemmond » 23. September 2017, 00:12

.
Zuletzt geändert von hinterdemmond am 17. Juli 2019, 02:14, insgesamt 1-mal geändert.
auch im abseits sterben helden. (clickclickdecker)


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