Hallo Schattentanz.
Die Sache mit dem subjektiven Universum verstehe ich natürlich und ich kann dem eigentlich auch zustimmen. Aber: Dass man in dieser seiner Welt so verfahren kann, wie es einem beliebt, dass die Gedanken frei sind, dass sich diese Welt in dem Besitz des Subjekts befindet, dass sie diesem gehört und von ihm kontrolliert wird usw. - oder beherrscht, wie du es oben formuliert hast, muss ich zurückweisen.
Für gewöhnlich kann man genauso wenig bestimmen, was man träumt, wie das, was man denkt. Bei uns rattert permanent ein innerer Dialog, in dem sich unser Bewusstsein immer wieder vergegenwärtigt, wo, wer, was und wann wir sind. Achte nur einmal fünf Minuten auf dieses innere Wirrwarr von Gedanken und Stimmen. Wenn es einem gerade nicht gelingt, seine Gedanken auf etwas Konkretes zu fokussieren, gehen sie wahllos in alle Richtungen. Wenn du darüber Kontrolle hast, dann probiere mal für dreißig Sekunden gar nichts zu denken.
Wenn wir unsere Innenwelt wirklich beherrschen könnten, dürfte es uns ja psychisch nie schlecht gehen. Unsere Gedanken werden von Emotionen beherrscht, die im weitesten Sinne von Erlebnissen und Erfahrungen beeinflusst sind, wie ja auch lauf weiter oben in etwa beschrieben hat. Aber was haben wir da unter Kontrolle? Wenn du gern an ein schönes Erlebnis zurückdenkst, dann tust du das nicht, weil du das möchtest. Das kann man sich zwar einreden, aber genauso würdest du dir immer wieder das Bild eines Menschen ins Gedächtnis rufen, der vor deinen Augen von einem Lkw oder Bus zerschmettert worden ist.
Ich formuliere mal etwas drastisch: Wir Menschen spielen seit Jahrtausenden immer wieder dieselben Spiele und halten uns dabei für einzigartig und individuell. Wir sind gekränkt, wenn man uns unsere Einzigartigkeit und Individualität abspricht. So spielen wir immer wieder das alt bekannte "Sie mögen mich, sie mögen mich nicht", in welchem es darum geht, anderen zu gefallen und von ihnen akzeptiert zu werden. Akteure sind auch immer dieselben: Der schon weiter oben erwähnte innere Kritiker, das innere Kind, das Ego und eben die ominösen Anderen, auf die wir irgendwelche Wünsche projizieren. Wer hier allerdings glaubt, eine Form von Herrschaft ausüben zu können, lebt in einer Illusion. Ich kenne Leute mit schwersten Depressionen, Traumata und Wahnvorstellungen, die so sehr unter ihrer inneren Welt leiden, dass sie sich am liebsten ein Loch durch den Kopf schießen würden. Kontrolle? Fehlanzeige!
Der Glaube an Kontrolle und Ratio entspricht unserer abendländischen Kultur. Der Europäer wähnt sich gern in Sicherheit, in dem er mit seinem Verstand gegen alles Mögliche vorgeht und es intellektualisiert. Ich liebe und schätze meinen klaren Verstand natürlich auch sehr, nur hat er mittlerweile einen bestimmten Platz eingenommen, da ich mir darüber im Klaren bin, dass der Großteil von mir (und euch) vollkommen irrational und chaotisch ist.
Möglichweise ist diese Korrektur der Prämisse auch der Grund dafür, weshalb ich mich nicht als Teil der Welt fühlen kann, um mal wieder den Bogen zum Ausgangspunkt zu schlagen. Ich erkenne meine immer wieder gleichen Mechanismen, die im Umgang mit Menschen auch stets an Kraft gewinnen. Wie ich meine Mechanismen erkenne und mir ihrer bewusst bin und auch unter ihnen leide, weil ich sie eben nicht beherrschen kann, erkenne ich ebenso die Mechanismen der anderen, habe das Gefühl, die Leute zu durchschauen, aber nicht zu kennen. Mit diesem Bewusstsein in die Welt geworfen, sind in mir zwei entgegengesetzte Idealbilder herangewachsen. In dem einen lebe ich als Eremit im Wald, in etwa so wie in Thoreaus „Walden“, nur mit Tieren und Pflanzen zusammen, asketisch und mich vollkommen den Anstrengungen der Selbsttransformation hingebend; in dem anderen Bild bin ich Teil einer Gemeinschaft von Gleich- und Ähnlichgesinnten, einer Gruppe, in denen echte, tiefsinnige Beziehungen geführt werden usw. Zwischen diesen beiden Extremen zirkuliere ich.
lauf hat geschrieben:Ich stelle es mir sehr schwierig vor, diese Welt zu verlassen, und in einer anderen Welt zu leben?
Im Prinzip glaube ich schon, dass man seine menschliche Form aufbrechen kann, nur verlangt dies enorme Selbstopfer. Es gibt verschiedene Techniken, welche die Wahrnehmung verändern und das Bewusstsein verschieben (das Anhalten des inneren Dialogs in der Meditation bildet hierzu übrigens immer die Grundlage), nur, wen wundert es, europäische Traditionen sind dazu nicht überliefert. Weil ich hier jedoch echte Freiheit wittere, suche ich fleißig im indischen Yoga und anderen schamanischen Traditionen. Ob ich mich allerdings damit beschäftige oder lieber Computerspiele zocke, am Ende ist das eine so bedeutungslos wie das andere.
In diesem Sinne
noch eine schöne Nacht!