Der x-te "Schizoid oder nicht"-Thread
Verfasst: 10. April 2017, 02:34
Hallo,
ich bin neu hier. Ich habe dieses Forum aufgrund meiner derzeitigen Situation gesucht und gefunden und mich extra angemeldet, um ein paar brennende Fragen los zu werden. Die Hauptfrage ist dabei natürlich: bin ich wirklich schizoid?
Dazu meine gegenwärtige Situation: Ich bin seit September 2015 krankgeschrieben, nachdem mich ein Fallmanagaer im Jobcenter nach 2,5 Jahren so heftig unter Druck gesetzt hatte, dass ich danach 3-4 Tage unter starken Angstzuständen litt und danach einfach nur noch fertig war. Ich werde demnächst in 1,5 Jahren zum 4. Mal in eine offene Psychiatrie gehen wegen meinen Depressionen und Angstzuständen. Meine Diagnosen sind: - Schizoide Persönlichkeitsstörung - Rezidivierende Depression (ohne psychotische Symptome) - Generalisierte Angststörung
Das Schizoide ist etwas Altes, was mir mein Psychologe 2005 schon sagte. Er war sich nur nicht sicher, ob ich schizoid oder schizotyp bin (schizotyp fällt aber komplett flach, die Symptome sind zwar näher als bei anderen PS, nur eben nicht zutreffend). Ich habe in der Klinik Tests gemacht, auch SCL-90-S und SKID II. Dabei kam raus, dass ich keine deutlichen Hinweise auf Persönlichkeitsstörungen habe (habe dabei ein Interview geführt und konnte dank Konzentrationsstörungen nicht auf Anhieb sofort konkrete Beispiele für aufkommende Fragen geben - das wissen die auch). Die Diagnose wurde also über Familienanamnese gemacht (ist das genauso viel wert wie ein Testfragebogen?). Meine Schwester kennt mich und mein Leiden gut, sie hat selbst rezidivierende Depression, die sie aber im Zaum halten kann. Sie schilderte meine Art viel schlimmer als ich es gemacht hätte, weil ich ungerne übertreibe. Sie hatte aber irgendwie recht dabei.
Jedenfalls gab es in den nachfolgenden Klinikaufenthalten mehrfach Zweifel an der Diagnose, weil ich nicht auffällig bin. Auf den ersten und zweiten Blick merkt man mir höchstens meine Depression an. Und trotzdem bin ich mittlerweile bei einer Depression, in der ich alles nur noch als leer empfinde und mich tot fühle, die Angststörung stresst mich nur sehr, besonders meine Existenzangst treibt die Schübe in die Höhe. Bei mir helfen keine Antidepressiva mehr, sie wirken entweder gar nicht oder mein Körper glüht (Gefühl von Sauna mit Schweiß) oder brennt (ich fühle ganze Nervenstrangbündel brennen). Mich haben die seit Jahresbeginn auf Lithium gesetzt, um die Suizidalität unten zu halten. Es bleiben mir nur noch MAO-Hemmer.
Jedenfalls habe ich durch meine Unsicherheit durch die zweifelnden Reaktionen anderer Therapeuten (die sich nie wirklich lang mit mir befassten) selbst Zweifel an der Diagnose. Diese beschreibt aber so viele Probleme, die bis in die Kindheit zurückreichen. Am Anfang war ich etwas überwältigt, z.B. mein Problem auf belebten Plätzen oder die Sehnsucht nach einsamen Plätzen (nachts) als ein Problem mit Menschen direkt zu verstehen. Es stimmt einfach. Auch auf Arbeit, in Teamarbeit, im Studium... Menschen treiben bei mir das Adrenalin hoch. Ich bin nie dahinter gekommen, obwohl ich ein Studium in 95% Hausarbeit absolvieren konnte (es ansonsten nicht geschafft hätte) und jahrelang Heimarbeit machte, weil es so am "angenehmsten" war. In Teamarbeit kann ich fast schon nicht mehr produktiv arbeiten, vor allem, wenn es um Konzeption von Problemlösungen zusammen geht. Ich kann mich weder konzentrieren, noch kann ich kreativ denken. Ich denke, es liegt an meiner Erziehung, bei der man mir einbleute, dass es egal ist, welche Befindlichkeiten ich habe - entweder, ich passe mich an, oder ich werde kein normaler Mensch.
Nun mal zu meiner Erläuterung (Tut mir leid für so viel Text):
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Ich war immer anders. Die meisten Menschen, die mich länger kennen, halten mich für seltsam - auch meine Familie. Deswegen war ich in der Schule meistens ein Außenseiter von Anfang an. Ich verstand das Gruppenverhalten nicht und versuchte mich auch nie, in die Gruppe einzufinden. Gruppendynamik war mir immer zuwider. In der Grundschule wurde auf Verdacht hin ein Schulpsychologe eingeschaltet, der mich auf ADHS prüfen sollte. Das Ergebnis war negativ.
Die meisten Situationen in der Kindheit und Jugend überforderten mich, ich konnte nicht adäquat reagieren. Zur Kompensation verbrachte ich Jahre mit dem Analysieren von bestimmten Situationen und Entwicklung von Standpunkten zur Fassadenbildung.
Rationalismus und Logik ist das einzige Basiskonstrukt, das mir Kontrolle über mich und meine Umwelt verschafft
Gefühle stören mich, auch wenn ich nicht ganz ohne Gefühle bin. Gefühllosigkeit ist besser. Gefühlvolle Menschen sind belastend und ich kann sie bei emotional verfärbten Meinungsäußerungen nicht respektieren (verstecke ich). Gefühl ist Schwäche und Verblendung. Ärger zeige ich durch Worte, alles andere ist meiner Meinung nach weder förderlich noch sinnvoll. Geschenke stören mich auch. Sie sind mir egal, aber ich fühle mich dann verpflichtet, im Gegenzug ebenfalls etwas zu schenken.
Ich verstehe Gefühle/Verhaltensweisen von Menschen nicht. Hass z.B. verstehe ich vom Konstrukt her, jedoch kenne ich Hass nicht. Bei mir ist Ablehnung die für derlei Situationen adäquate Reaktion. Ich beendete (auch bei einem falschen Wort) von jetzt auf gleich Bekanntschaften, Freundschaften und Beziehungen. Menschen beschreiben mich seit jeher als kalt, ohne Mimik/Gestik bzw. starr und meist negativ (alles kritisierend). Ich spiegele auch nicht Gefühle meines gegenübers z.B. Trauer oder Freude, da ich keinen Sinn darin sehe. Ich gleiche das dann aus, indem ich mit dem Menschen darüber rede, da ich weiß, dass es sonst negativ auffällt. Bei all meiner Vorsicht des Nichtauffallens verhalte ich mich manchmal leichtsinnig und werde beleidigend zu anderen oder stoße ihnen vor den Kopf, ohne zu verstehen wieso.
Ich habe manchmal auftretende Reizbarkeitsphasen nach zu viel unangenehmen zwischenmenschlichen Kontakten oder zufällig, in denen ich allein sein muss, um mich wieder zu erden. Das habe ich erst seit meinem 18. Lebensjahr, kenne das Verhalten aber von meinem Vater fast 1:1.
Ich bin am liebsten in meiner inneren Welt (z.b.intensive romantische Vorstellungen aber auch Wissenschaften). Im realen Vergleich sagten andere, ich sei unromantisch und kalt. Die meiste Zeit verbringe ich in meinen Vorstellungen und meinen Analysen, die ich auch zur Ablenkung nutze.
Ich rede gerne mit Menschen, um sie kennenzulernen, sie zu lesen, sie zu studieren. Irgendwann wird mir das Gespräch zu viel und ich mache unpassende (meist schwarzhumorige) Witze und führe zur negativen Verwunderung auf der anderen Seite. Manche kritisierten meine Art, sie kennen zu lernen, als Versuchsexperiment.
Ich halte Smalltalk nicht aus. Ich rede über Dinge, die mich interessieren. Floskeln sind mir zu wider. Ich schaffe es mittlerweile, nicht mehr „schlecht, weil...“ zu antworten, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht (um nicht aufzufallen), weil ich sonst eine Frage mit der richtigen Antwort beantworten möchte.
Ich bin in meinem Verhalten sehr unsicher, weil ich die Reaktionen nicht immer vorhersehen kann. Wenn ich dann etwas falsch mache, werde ich fast panisch bei dem Versuch, es wieder gerade zu biegen. Mich plagt diese Unsicherheit bei ungelösten Konflikten oft noch Tage oder Wochen.
Es gibt immer mal wieder Momente bei unbekannten oder unvertrauten Menschen, in denen ich irgendwas Unpassendes sage und es später merke. Ich meinte es in dem Moment aber so, versuche es trotzdem "zu reparieren". Meistens werde ich sehr beleidigend, weil ich sauer werde. Das ist mein Pendant zum Schreien.
Ich fühle mich immer einsam und lern(t)e immer Menschen deswegen kennen. Die Kontakte waren nie sehr lange und auf Distanz. Ich führte meist sehr intime Gespräche mit den Menschen, was diese irgendwann u.a. als gute Freundschaft verstanden. Das half mir beim Weiterformen meiner Fassade und dem Berechnen von verschiedenen Menschen. Mir ging es darum, zu verstehen, wie verschiedene Menschen denken. Im Endeffekt entwickelte ich simulierte Meinungen. Zu jedem Thema konnte ich simulieren, wie Mensch X, Y oder Z darauf reagieren würden. So habe ich immer genug (simuliertes) Feedback für Entscheidungen, die ich sonst nur schwer treffen kann.
Ich hatte über 80 Sexualpartner auf der Suche nach Nähe, die ich nicht bekam. Da ich durch meine Art zuzuhören und viel fragen eine bestimmte vertrauliche Art entwickelt habe, denke ich, dass einige Frauen das anziehend fanden. Sex machte mir mal Spaß, ist mittlerweile nicht mehr so (bin 35, die Kernzeit dabei war zw. 26-30). ich hatte 3 richtige Beziehungen, die alle ungefähr ein Jahr anhielten und von Distanz geprägt waren, aber sonst sehr liebevoll waren. Nach jeder brach eine Welt für mich zusammen, weil ich mich in diesen Menschen total hineingesteigert habe, obwohl ich schon in den ersten Wochen darüber nachdachte, wie ich mich trennen kann. Die derzeitige läuft seit 2,5 Jahren und nur deswegen, weil meine Freundin mir sehr ähnlich ist und Distanz braucht, Sex gibt es fast keinen mehr. Außer meiner ersten Beziehung habe ich alle außnahmslos über das Netz kennengelernt und es dauerte lange, bis man sich mal traf. Bei einer davon sogar 6 Monate (und viele intensive Gespräche). Obwohl ich mich 1-2 Mal sehr auf die Beziehungen konzentriert hatte, konnte ich mir eine viel längere Beziehung gar nicht richtig vorstellen. Es fehlte dauernd irgendwas.
Das Analysieren von Menschen gibt mir die scheinbare Sicherheit, dass ich Menschen sofort berechnen kann, was nicht der Fall ist. Dennoch beruhigt es mich im Umgang mit Unbekannten.
Ich habe nahezu kein Privatleben. Ich lebe einfach in den Tag hinein, sofern keine Aufgaben anstehen. Wenn welche anstehen, tendiere ich dazu, mich nur noch auf das wichtigste zu konzentrieren.
Ich gehe ungerne nach draußen. Je mehr Menschen um mich herum sind, desto angespannter empfinde ich Unternehmungen draußen. Da das bei mir seit der Kindheit so ist, ist es so intuitiv, dass ich Zeit brauchte, das wirklich als solches noch erkennen zu können. Nachts ging ich gern spazieren, weil die Straßen menschenleer waren. Dabei bemerkte ich, dass ich die Umgebung erst dann richtig wahrnehmen konnte.
Ich meide Menschen am liebsten. Zwar habe ich ein paar distanzierte Kontakte zu anderen, meist aber über das Netz und daher mit großen Pausen zwischen kurzen Gesprächen, bin aber am liebsten alleine. Menschen setzen mich unter Druck, bestimmte Verhaltensweisen aufrecht zu erhalten und nicht aufzufallen. Ich versuche, alle Menschen auf Distanz zu halten, sonst wird es belastend und ich flüchte. Wenn man mich festhält, werde ich sogar panisch. Im Studium wurde der Druck so hoch, dass ich nur mit Kopfhörern in die Uni gegangen bin. Einerseits konnte ich die Menschen dadurch ausblenden, sie andererseits von mir weghalten („Der hört mich nicht, ich grüße ihn nicht.“). Einkaufsstraßen, Busse/Bahnen, alles erzeugt Stress, je mehr Menschen in meiner Umgebung sind. Nach dem Studium behielt ich das Verhalten bei.
Ich kann all meine Probleme sehr gut kaschieren, weil ich Pausen zwischen intensiveren menschlichen Kontakten suche. So habe ich auch mit 16 alleine angefangen zu rauchen (was andere seltsam fanden, man würde ja eher in der Gruppe dazu gebracht). Dann konnte ich immer ab und an mal wo hin und niemand war überrascht. Ich kann Gespräche führen (nach alten Schemas) und kann auch mimisch unauffällig sein. Meine Unsicherheit ist dabei sehr hoch, weswegen der Stresspegel dabei hoch ist. Ich konnte jederzeit irgendetwas falsch machen. Es wurde von Jahr zu Jahr schwerer und ging Ende September 2015 gar nicht mehr.
Ich vertraue keinem, ich muss bei allen eine Rolle einnehmen und mich selbst zensieren - dauernd und unauffällig. Trotz gutem Verhältnis zu Geschwistern und Eltern nur sporadischer Kontakt. Um sie nicht zu verlieren, versuche ich sie zu schonen.
Meine erste Therapie mit 22 bestand zur Hälfte daraus, dass ich die therapiestrategischen Versuche meines Psychologen erkannt und im Dialog auseinandergenommen habe. Dabei habe ich auch vermeintlich falsche Vorgehensweisen kritisiert. Oft war der Psychotherapeut nach eigenen Worten von meinen springenden und schnellen Gedankengängen überfordert. Schon damals ging mein Therapeut davon aus, dass ich schizoide Züge aufweise. Mittlerweile sind die Zwangsgedanken von damals durch Konzentrationsstörung anders geworden, aber noch da. Meist drehen sich meine Gedanken um Angst und Sorge.
Studium, Einkaufen, Arbeit streng(t)en sehr an - allein wegen den Menschen war meine Aufregung jedes Mal sehr hoch.
Ich arbeite am besten allein mit freier Arbeitszeiteinteilung zwecks Einteilung in kleine Arbeitsphasen (Konzentrationsprobleme). Menschen in der Nähe beeinflussen die Qualität meiner Arbeit negativ. Ich fühle mich von ihnen überfordert und von ihnen beobachtet. Bei Stress/Druck im Arbeitsbetrieb kann ich fast gar nicht mehr produktiv sein. In einem offenen Büro fühle ich mich quasi die ganze Zeit beobachtet und mich erdrücken die anderen irgendwie.
Seit dem 18. Lebensjahr verbringe ich die meiste Zeit eines Tages in meinem verdunkelten (Schlaf-)Zimmer. Am Anfang noch mit Pausen, wurde es mit dem Studium stärker und wuchs daraufhin bis zur heutigen Stärke an. Andere Zimmer der Wohnung sind zwar für Außenstende bei Besuchen möbliert (nichts anmerken lassen), werden jedoch nicht beheizt und dienen meist als Abstellräume. Außenaktivitäten werden nur unternommen, wenn es nicht vermeidbar und abends ist.
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Wenn Ihr bis hier gelesen habt, bedanke ich mich für eure Geduld und würde mich über eine Antwort von euch freuen. Nebenbei gesagt bin ich froh, dieses Forum gefunden zu haben, denn ich habe endlich das Gefühl, irgendwo mal nicht als "anders" gesehen zu werden und herauszufallen.
Vielen Dank im voraus!
Gruß,
deep
ich bin neu hier. Ich habe dieses Forum aufgrund meiner derzeitigen Situation gesucht und gefunden und mich extra angemeldet, um ein paar brennende Fragen los zu werden. Die Hauptfrage ist dabei natürlich: bin ich wirklich schizoid?
Dazu meine gegenwärtige Situation: Ich bin seit September 2015 krankgeschrieben, nachdem mich ein Fallmanagaer im Jobcenter nach 2,5 Jahren so heftig unter Druck gesetzt hatte, dass ich danach 3-4 Tage unter starken Angstzuständen litt und danach einfach nur noch fertig war. Ich werde demnächst in 1,5 Jahren zum 4. Mal in eine offene Psychiatrie gehen wegen meinen Depressionen und Angstzuständen. Meine Diagnosen sind: - Schizoide Persönlichkeitsstörung - Rezidivierende Depression (ohne psychotische Symptome) - Generalisierte Angststörung
Das Schizoide ist etwas Altes, was mir mein Psychologe 2005 schon sagte. Er war sich nur nicht sicher, ob ich schizoid oder schizotyp bin (schizotyp fällt aber komplett flach, die Symptome sind zwar näher als bei anderen PS, nur eben nicht zutreffend). Ich habe in der Klinik Tests gemacht, auch SCL-90-S und SKID II. Dabei kam raus, dass ich keine deutlichen Hinweise auf Persönlichkeitsstörungen habe (habe dabei ein Interview geführt und konnte dank Konzentrationsstörungen nicht auf Anhieb sofort konkrete Beispiele für aufkommende Fragen geben - das wissen die auch). Die Diagnose wurde also über Familienanamnese gemacht (ist das genauso viel wert wie ein Testfragebogen?). Meine Schwester kennt mich und mein Leiden gut, sie hat selbst rezidivierende Depression, die sie aber im Zaum halten kann. Sie schilderte meine Art viel schlimmer als ich es gemacht hätte, weil ich ungerne übertreibe. Sie hatte aber irgendwie recht dabei.
Jedenfalls gab es in den nachfolgenden Klinikaufenthalten mehrfach Zweifel an der Diagnose, weil ich nicht auffällig bin. Auf den ersten und zweiten Blick merkt man mir höchstens meine Depression an. Und trotzdem bin ich mittlerweile bei einer Depression, in der ich alles nur noch als leer empfinde und mich tot fühle, die Angststörung stresst mich nur sehr, besonders meine Existenzangst treibt die Schübe in die Höhe. Bei mir helfen keine Antidepressiva mehr, sie wirken entweder gar nicht oder mein Körper glüht (Gefühl von Sauna mit Schweiß) oder brennt (ich fühle ganze Nervenstrangbündel brennen). Mich haben die seit Jahresbeginn auf Lithium gesetzt, um die Suizidalität unten zu halten. Es bleiben mir nur noch MAO-Hemmer.
Jedenfalls habe ich durch meine Unsicherheit durch die zweifelnden Reaktionen anderer Therapeuten (die sich nie wirklich lang mit mir befassten) selbst Zweifel an der Diagnose. Diese beschreibt aber so viele Probleme, die bis in die Kindheit zurückreichen. Am Anfang war ich etwas überwältigt, z.B. mein Problem auf belebten Plätzen oder die Sehnsucht nach einsamen Plätzen (nachts) als ein Problem mit Menschen direkt zu verstehen. Es stimmt einfach. Auch auf Arbeit, in Teamarbeit, im Studium... Menschen treiben bei mir das Adrenalin hoch. Ich bin nie dahinter gekommen, obwohl ich ein Studium in 95% Hausarbeit absolvieren konnte (es ansonsten nicht geschafft hätte) und jahrelang Heimarbeit machte, weil es so am "angenehmsten" war. In Teamarbeit kann ich fast schon nicht mehr produktiv arbeiten, vor allem, wenn es um Konzeption von Problemlösungen zusammen geht. Ich kann mich weder konzentrieren, noch kann ich kreativ denken. Ich denke, es liegt an meiner Erziehung, bei der man mir einbleute, dass es egal ist, welche Befindlichkeiten ich habe - entweder, ich passe mich an, oder ich werde kein normaler Mensch.
Nun mal zu meiner Erläuterung (Tut mir leid für so viel Text):
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Ich war immer anders. Die meisten Menschen, die mich länger kennen, halten mich für seltsam - auch meine Familie. Deswegen war ich in der Schule meistens ein Außenseiter von Anfang an. Ich verstand das Gruppenverhalten nicht und versuchte mich auch nie, in die Gruppe einzufinden. Gruppendynamik war mir immer zuwider. In der Grundschule wurde auf Verdacht hin ein Schulpsychologe eingeschaltet, der mich auf ADHS prüfen sollte. Das Ergebnis war negativ.
Die meisten Situationen in der Kindheit und Jugend überforderten mich, ich konnte nicht adäquat reagieren. Zur Kompensation verbrachte ich Jahre mit dem Analysieren von bestimmten Situationen und Entwicklung von Standpunkten zur Fassadenbildung.
Rationalismus und Logik ist das einzige Basiskonstrukt, das mir Kontrolle über mich und meine Umwelt verschafft
Gefühle stören mich, auch wenn ich nicht ganz ohne Gefühle bin. Gefühllosigkeit ist besser. Gefühlvolle Menschen sind belastend und ich kann sie bei emotional verfärbten Meinungsäußerungen nicht respektieren (verstecke ich). Gefühl ist Schwäche und Verblendung. Ärger zeige ich durch Worte, alles andere ist meiner Meinung nach weder förderlich noch sinnvoll. Geschenke stören mich auch. Sie sind mir egal, aber ich fühle mich dann verpflichtet, im Gegenzug ebenfalls etwas zu schenken.
Ich verstehe Gefühle/Verhaltensweisen von Menschen nicht. Hass z.B. verstehe ich vom Konstrukt her, jedoch kenne ich Hass nicht. Bei mir ist Ablehnung die für derlei Situationen adäquate Reaktion. Ich beendete (auch bei einem falschen Wort) von jetzt auf gleich Bekanntschaften, Freundschaften und Beziehungen. Menschen beschreiben mich seit jeher als kalt, ohne Mimik/Gestik bzw. starr und meist negativ (alles kritisierend). Ich spiegele auch nicht Gefühle meines gegenübers z.B. Trauer oder Freude, da ich keinen Sinn darin sehe. Ich gleiche das dann aus, indem ich mit dem Menschen darüber rede, da ich weiß, dass es sonst negativ auffällt. Bei all meiner Vorsicht des Nichtauffallens verhalte ich mich manchmal leichtsinnig und werde beleidigend zu anderen oder stoße ihnen vor den Kopf, ohne zu verstehen wieso.
Ich habe manchmal auftretende Reizbarkeitsphasen nach zu viel unangenehmen zwischenmenschlichen Kontakten oder zufällig, in denen ich allein sein muss, um mich wieder zu erden. Das habe ich erst seit meinem 18. Lebensjahr, kenne das Verhalten aber von meinem Vater fast 1:1.
Ich bin am liebsten in meiner inneren Welt (z.b.intensive romantische Vorstellungen aber auch Wissenschaften). Im realen Vergleich sagten andere, ich sei unromantisch und kalt. Die meiste Zeit verbringe ich in meinen Vorstellungen und meinen Analysen, die ich auch zur Ablenkung nutze.
Ich rede gerne mit Menschen, um sie kennenzulernen, sie zu lesen, sie zu studieren. Irgendwann wird mir das Gespräch zu viel und ich mache unpassende (meist schwarzhumorige) Witze und führe zur negativen Verwunderung auf der anderen Seite. Manche kritisierten meine Art, sie kennen zu lernen, als Versuchsexperiment.
Ich halte Smalltalk nicht aus. Ich rede über Dinge, die mich interessieren. Floskeln sind mir zu wider. Ich schaffe es mittlerweile, nicht mehr „schlecht, weil...“ zu antworten, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht (um nicht aufzufallen), weil ich sonst eine Frage mit der richtigen Antwort beantworten möchte.
Ich bin in meinem Verhalten sehr unsicher, weil ich die Reaktionen nicht immer vorhersehen kann. Wenn ich dann etwas falsch mache, werde ich fast panisch bei dem Versuch, es wieder gerade zu biegen. Mich plagt diese Unsicherheit bei ungelösten Konflikten oft noch Tage oder Wochen.
Es gibt immer mal wieder Momente bei unbekannten oder unvertrauten Menschen, in denen ich irgendwas Unpassendes sage und es später merke. Ich meinte es in dem Moment aber so, versuche es trotzdem "zu reparieren". Meistens werde ich sehr beleidigend, weil ich sauer werde. Das ist mein Pendant zum Schreien.
Ich fühle mich immer einsam und lern(t)e immer Menschen deswegen kennen. Die Kontakte waren nie sehr lange und auf Distanz. Ich führte meist sehr intime Gespräche mit den Menschen, was diese irgendwann u.a. als gute Freundschaft verstanden. Das half mir beim Weiterformen meiner Fassade und dem Berechnen von verschiedenen Menschen. Mir ging es darum, zu verstehen, wie verschiedene Menschen denken. Im Endeffekt entwickelte ich simulierte Meinungen. Zu jedem Thema konnte ich simulieren, wie Mensch X, Y oder Z darauf reagieren würden. So habe ich immer genug (simuliertes) Feedback für Entscheidungen, die ich sonst nur schwer treffen kann.
Ich hatte über 80 Sexualpartner auf der Suche nach Nähe, die ich nicht bekam. Da ich durch meine Art zuzuhören und viel fragen eine bestimmte vertrauliche Art entwickelt habe, denke ich, dass einige Frauen das anziehend fanden. Sex machte mir mal Spaß, ist mittlerweile nicht mehr so (bin 35, die Kernzeit dabei war zw. 26-30). ich hatte 3 richtige Beziehungen, die alle ungefähr ein Jahr anhielten und von Distanz geprägt waren, aber sonst sehr liebevoll waren. Nach jeder brach eine Welt für mich zusammen, weil ich mich in diesen Menschen total hineingesteigert habe, obwohl ich schon in den ersten Wochen darüber nachdachte, wie ich mich trennen kann. Die derzeitige läuft seit 2,5 Jahren und nur deswegen, weil meine Freundin mir sehr ähnlich ist und Distanz braucht, Sex gibt es fast keinen mehr. Außer meiner ersten Beziehung habe ich alle außnahmslos über das Netz kennengelernt und es dauerte lange, bis man sich mal traf. Bei einer davon sogar 6 Monate (und viele intensive Gespräche). Obwohl ich mich 1-2 Mal sehr auf die Beziehungen konzentriert hatte, konnte ich mir eine viel längere Beziehung gar nicht richtig vorstellen. Es fehlte dauernd irgendwas.
Das Analysieren von Menschen gibt mir die scheinbare Sicherheit, dass ich Menschen sofort berechnen kann, was nicht der Fall ist. Dennoch beruhigt es mich im Umgang mit Unbekannten.
Ich habe nahezu kein Privatleben. Ich lebe einfach in den Tag hinein, sofern keine Aufgaben anstehen. Wenn welche anstehen, tendiere ich dazu, mich nur noch auf das wichtigste zu konzentrieren.
Ich gehe ungerne nach draußen. Je mehr Menschen um mich herum sind, desto angespannter empfinde ich Unternehmungen draußen. Da das bei mir seit der Kindheit so ist, ist es so intuitiv, dass ich Zeit brauchte, das wirklich als solches noch erkennen zu können. Nachts ging ich gern spazieren, weil die Straßen menschenleer waren. Dabei bemerkte ich, dass ich die Umgebung erst dann richtig wahrnehmen konnte.
Ich meide Menschen am liebsten. Zwar habe ich ein paar distanzierte Kontakte zu anderen, meist aber über das Netz und daher mit großen Pausen zwischen kurzen Gesprächen, bin aber am liebsten alleine. Menschen setzen mich unter Druck, bestimmte Verhaltensweisen aufrecht zu erhalten und nicht aufzufallen. Ich versuche, alle Menschen auf Distanz zu halten, sonst wird es belastend und ich flüchte. Wenn man mich festhält, werde ich sogar panisch. Im Studium wurde der Druck so hoch, dass ich nur mit Kopfhörern in die Uni gegangen bin. Einerseits konnte ich die Menschen dadurch ausblenden, sie andererseits von mir weghalten („Der hört mich nicht, ich grüße ihn nicht.“). Einkaufsstraßen, Busse/Bahnen, alles erzeugt Stress, je mehr Menschen in meiner Umgebung sind. Nach dem Studium behielt ich das Verhalten bei.
Ich kann all meine Probleme sehr gut kaschieren, weil ich Pausen zwischen intensiveren menschlichen Kontakten suche. So habe ich auch mit 16 alleine angefangen zu rauchen (was andere seltsam fanden, man würde ja eher in der Gruppe dazu gebracht). Dann konnte ich immer ab und an mal wo hin und niemand war überrascht. Ich kann Gespräche führen (nach alten Schemas) und kann auch mimisch unauffällig sein. Meine Unsicherheit ist dabei sehr hoch, weswegen der Stresspegel dabei hoch ist. Ich konnte jederzeit irgendetwas falsch machen. Es wurde von Jahr zu Jahr schwerer und ging Ende September 2015 gar nicht mehr.
Ich vertraue keinem, ich muss bei allen eine Rolle einnehmen und mich selbst zensieren - dauernd und unauffällig. Trotz gutem Verhältnis zu Geschwistern und Eltern nur sporadischer Kontakt. Um sie nicht zu verlieren, versuche ich sie zu schonen.
Meine erste Therapie mit 22 bestand zur Hälfte daraus, dass ich die therapiestrategischen Versuche meines Psychologen erkannt und im Dialog auseinandergenommen habe. Dabei habe ich auch vermeintlich falsche Vorgehensweisen kritisiert. Oft war der Psychotherapeut nach eigenen Worten von meinen springenden und schnellen Gedankengängen überfordert. Schon damals ging mein Therapeut davon aus, dass ich schizoide Züge aufweise. Mittlerweile sind die Zwangsgedanken von damals durch Konzentrationsstörung anders geworden, aber noch da. Meist drehen sich meine Gedanken um Angst und Sorge.
Studium, Einkaufen, Arbeit streng(t)en sehr an - allein wegen den Menschen war meine Aufregung jedes Mal sehr hoch.
Ich arbeite am besten allein mit freier Arbeitszeiteinteilung zwecks Einteilung in kleine Arbeitsphasen (Konzentrationsprobleme). Menschen in der Nähe beeinflussen die Qualität meiner Arbeit negativ. Ich fühle mich von ihnen überfordert und von ihnen beobachtet. Bei Stress/Druck im Arbeitsbetrieb kann ich fast gar nicht mehr produktiv sein. In einem offenen Büro fühle ich mich quasi die ganze Zeit beobachtet und mich erdrücken die anderen irgendwie.
Seit dem 18. Lebensjahr verbringe ich die meiste Zeit eines Tages in meinem verdunkelten (Schlaf-)Zimmer. Am Anfang noch mit Pausen, wurde es mit dem Studium stärker und wuchs daraufhin bis zur heutigen Stärke an. Andere Zimmer der Wohnung sind zwar für Außenstende bei Besuchen möbliert (nichts anmerken lassen), werden jedoch nicht beheizt und dienen meist als Abstellräume. Außenaktivitäten werden nur unternommen, wenn es nicht vermeidbar und abends ist.
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Wenn Ihr bis hier gelesen habt, bedanke ich mich für eure Geduld und würde mich über eine Antwort von euch freuen. Nebenbei gesagt bin ich froh, dieses Forum gefunden zu haben, denn ich habe endlich das Gefühl, irgendwo mal nicht als "anders" gesehen zu werden und herauszufallen.
Vielen Dank im voraus!
Gruß,
deep