Eine kafkaeske Beziehung (III)

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
albatros
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Eine kafkaeske Beziehung (III)

Beitragvon albatros » 23. Februar 2016, 13:16

[align=justify][mod="sdsdsdsv"]Die drei Threads wurden zusammengeführt. Hier geht es weiter. Danke für euer Verständnis. :)[/mod]

Mit dem Dritten Teil möchte ich meinen Bericht über den von mir praktizierten "schizoiden Kompromiss" zu Ende bringen.
Die Beziehung zwischen mir und meiner Freundin bestand insgesamt 25 Jahre. Sie war abgesehen von den beiden ersten Jahren platonisch und bestand darin, dass ich sie sonntags besuchte, mit ihr spazieren ging oder fuhr und mit ihr in einem Café einkehrte. Außerdem fuhren wir etwa ein bis zwei Mal im Jahr bei getrennten Hotelzimmern in Urlaub und trafen uns an Feiertagen unter der Woche.
Die kafkaeske Dimension lag darin, dass wir vollständig aneinander vorbei lebten, ohne es zu merken. Meine Freundin setzte auf eine Langzeitstrategie. Sie sah, dass ich massive soziale Probleme hatte und keine andere Partnerin fand. Sie rechnete darauf, dass ich irgendwann, spätestens nach meiner Pensionierung im Alter, nicht anders können würde, als sie zu heiraten und damit materiell zu versorgen, denn sie bekam eine recht knappe Rente. Sie hat mir im Vorfeld unserer Trennung gesagt, dass sie mit mir eine Zweckbeziehung geführt hat. Sie dachte zweckrational und war mir gegenüber weitgehend ohne Gefühle. Sie war extrem verschlossen und reserviert. Sie sagte auch nichts über ihre Pläne mit mir.
Auf der anderen Seite habe ich mit ihr ebenfalls eine Zweckbeziehung geführt, aber ich hatte einen anderen Zweck, nämlich den schizoiden Kompromiss. Was ist ein schizoider Kompromiss? Näheres unter Google im Internet. Aber man kann die Sache auf die kurze Formel bringen: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!"
Der schizoide Kompromiss bleibt in der Mitte zwischen vollständigem Alleinsein und enger Beziehung (Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung ohne oder mit Trauschein) stecken. Ich war nicht allein, hatte aber auch keine engere Beziehung. Der schizoide Kompromiss ist ein Notbehelf. Wer ihn eingeht, ist vor dem Schlimmsten (dem vollständigen Alleinsein) bewahrt, aber er wird auch nicht glücklich.
Der schizoide Kompromiss ist mit einem Ersatzrad am Pkw vergleichbar. Dieses Ersatzrad verhindert, dass man liegen bleibt. Man kann weiterfahren, aber nur bis zur nächsten Werkstatt, da es sich um einen Notbehelf handelt. Der Schizoide fährt aber mit diesem Notreifen sein Leben lang und ist damit in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt.
Der Schizoide fürchtet sich oder ist unfähig, seinen Notreifen gegen ein vollwertiges Rad auszutauschen. Er schreckt vor dieser Operation zurück. Ich habe mich mit Kafka beschäftigt und ich spüre deutlich, dass auch er in diese Kategorie fällt, wenn man etwa seine Beziehungen mit Frauen betrachtet. Man denke an die berühmte Verlobung mit Felice, die zweimal aufgelöst wurde und schließlich zu nichts führte.
Ein ähnlicher Fall ist übrigens auch Heinrich von Kleist.[/align]

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