Eine kafkaeske Beziehung

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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Sophie2
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon Sophie2 » 23. Februar 2016, 21:13

albatros hat geschrieben:Warum haben wir beide geschwiegen? Was meine Freundin betrifft, weiß ich es nicht genau.


Viele Frauen würden niemals eine Heirat vorschlagen. Sie sind dafür zu stolz. 'Der Antrag muss vom Mann kommen' (es ist immer das Männchen, das das Weibchen jagt). Ich selbst kam gar nie in die Situation. Aber von Freundinnen habe ich das jedenfalls des öfteren gehört. Könnte das auch bei deiner Freundin der Grund gewesen sein?

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vanBloom
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon vanBloom » 23. Februar 2016, 21:33

Mit meinen kurz vor 30 Jahren - noch jünger als du albatros, als du mit 38 diese Beziehung eingegangen bist - kann ich da wohl kaum mitreden.

Vielleicht bin ich sowas wie dein "jüngeres Ich", dass all das noch vor sich hat.

Ich vermeide "Liebe" grundsätzlich. Schon vor meiner Diagnose habe ich da immer unterbewusst einen Rückzieher gemacht. Hab Frauen bei denen Gefühle ins Spiel gekommen sind immer sofort von mir isoliert. Affären, anonymer Sex, "Freundschaft" mit Extras - kein Problem solange das Verhältnis die emotionale und räumliche/zeitliche Distanz bewahrt.

Wenn es einmal eine Lebensgefährtin für mich geben sollte, dann wäre das sicher eine ähnliche Beziehung wie die deine. Mit einer geduldigen Frau, die selbst Distanz benötigt, nicht unter meinem Distanzbedüfrnis leidet, mit mir umgehen kann. Gefühle dürften nicht im Vordergrund stehen, mehr als ein freundschaftliches "mögen" und "schätzen" sollte es nicht sein - es wäre eine Zweckgemeinschaft ohne gegenseitige Erwartungen. Jeder lebt sein eigenes Leben und es gibt nur ab und an Schnittmengen, wenn beide Lust dazu haben.

Ich glaube nicht wirklich daran, dass ich so eine Frau finde. Vielleicht hau ich ja auch mal so eine Zeitungsanzeige raus
"Schizoider m 29 sucht w für Zweckgemeinschaft. Sex nur bei emotionaler Distanz. Bevorzuge devote Frau, selbes Alter, attraktiv. Kein Familienwunsch. Starkes zeitliches und räumliches Distanzbedürfniss."
Mal sehen ob sich eine meldet :lachen:

Meiner Erfahrung nach haben die meisten Frauen doch leicht andere Vorstellungen einer perfekten Beziehung und andere Ansprüche an einen Mann. Aber ich bin ja auch noch jung.

Aus der Perspektive hast du unwahrscheinliches Glück gehabt. Ich beneide dich auf eine Art um die Erfahrung.
Um so tragischer erscheinen die Umstände eurer Trennung. Stoff für eine Tragic-Komödie!

p.s.

Dass dich DAS seit 3 Jahren gedanklich nicht loslässt kann ich dir glauben. Ich knacke schon Tagelang daran, wenn jemand kurz angebunden oder unhöflich war, weil ich das nicht sorecht einordnen kann... würde ich feststellen, dass ich 25 Jahren einen anderen Menschen falsch eingeschätzt habe... oh Gott!
Zuletzt geändert von vanBloom am 23. Februar 2016, 23:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon spirograph » 23. Februar 2016, 22:40

Lieber Albatros,

Du hast mir auch eine Antwort hinterlassen. Vielen Dank dafür. Nun will ich das Gleiche für Dich tun.

Ich las mir Deine Ausführungen durch. Ich hoffe, ich habe das genau getan. Viele Fragen habe ich nun.

"Erst ein Dreivierteljahr nach der Trennung begriff ich, dass sie Heiratspläne hatte, über die sie nicht sprach. " Moment mal, ihr habt den Kontakt unterbrochen; Du hast nachgedacht und eine dreiviertel Jahr später meinst Du, begriffen zu haben, dass sie Heiratspläne hätte - woher willst Du das aus Deinem eigenen Sinnieren so genau wissen? Hast Du nachgefragt? Oder ist das Paranoia? Ist eine rein logische Frage. Weil sie ja "nicht sprach" und Du dennoch begriffen hast..? Wie das? Hast Du ihre Absichten, die Sie nie besprach, je abgesichert in ihrem Wahrheits- und Geltungsgehalt, irgendwie? Ich meine, dass sind ja Dinge, die wenn nicht ausgesprochen, tatsächlich unwissbar sind...

Sie sagte, dass es eine Zweckbeziehung wäre/ sei. Für Dich aber doch auch!? Damit Du nicht allein bist; und für sie womöglich auch aus dem gleichen Grund. Das ist doch legitim und ähnelt sich mehr, als es trennend wirkt.

Entschuldige meinen Einwurf, meinen Einwand sogar, aber bei Euch, so scheint es mir gemäß Deiner (!) Darstellungen, denn eine andere Darstellung, vllt. ihre, habe ich ja nicht (und Du vllt. auch nicht), wird einigermaßen viel gemutmaßt, zugeschrieben, projeziert, unterstellt, angenommen, kalkuliert, zugerechnet usw. Alles geistige Tätigkeiten, mentale Vollzüge, die "einer für zwei" tut bzw. die einer für das Gegenüber tut. Sehr technologisch alles, zweckgebunden, zielgerichtet, Kalkül, Strategie, planerischer Monolog sowas.

Was ich gerne sagen will, ist, dass Einiges schief lief; oder gar nicht lief; reden, ehrlicher Austausch, Offenbaren, Kommunikation, Rede, Unterhaltung; nämlich dass, was "zwei für zwei" bzw. "beide für alle" tun. DIALOG.

Kann man denn da nichts mehr retten? 25 Jahre sind eine sehr lange Zeit; vermisst Du Sie nicht; Eure Wochenenden? Nachher war alles ein großes Falsch- und Missverständnis. Mensch, die paar Jahre, die jeder Mensch hat; in Deinem Alter kommt die Gesundheit/ Versehrtheit noch dazu. Kann man da nichts mehr gerade biegen? Ist Sie Dir nicht wichtig, so wichtig - vielleicht immernoch oder gerade jetzt - gewesen? Kannst Du dir ein "über den Schatten springen" vorstellen?

Als ich Deine Geschichte las, war ich traurig. "Schade", das habe ich gedacht. Sehr schade. Viele Verkennungen, Verstrickungen, Irrungen, Wirrungen...eine Anleitung, wie man es nicht machen sollte. Was denkst Du?


Herzlichst. spiro.

tiffi

Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon tiffi » 24. Februar 2016, 06:21

Hmm.
noch ein Gedanke:
Also dem Sprechen und Nicht Sprechen wird viel Gewicht beigemessen.

Ich denke, manchmal hilft auch alles Reden nicht, wenn
was anderes nicht stimmt, die Prägung und Möglichkeiten beider Individuen, der Situation usw.

Und ich denke, da WAR ja zwischen euch eine Art von Beziehung, kein definiertes Nichts, kein Missverständnis.
Eure Zeit war gefüllt, mit dem was ihr wart.

Vermutlich ist ja das Sprechen, der Kopf, die Gedanken nur ein kleiner Teil der Realität,
wo auch das ganze andere Sein eine Rolle spielt, Körper, Emotionen, Taten, das
wie ihr es ausgefüllt habt.


Ich dachte noch, wahrscheinlich tickt ihr einfach auch sehr unterschiedlich und habt einen
unterschiedlichen Grad des Individuell Seins.
Du scheinst da ausgeprägter zu sein, Maria eher symbiotischer, das gleichförmige suchend.
(ist aber wohl auch nur eine Spekulation mehr)

Das individuelle ist "der Feind" der Symbiose, des Gleichklangs, aber auch das ist eine Realität,
dass der eine hochgradig individuell ist, der andere weniger.

Gruß :Ballon:
tiffi

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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon Indigocat » 24. Februar 2016, 08:03

Hallo Albatros, danke für deine ausführliche Antwort. :)

23. Feb 2016, 15:38 » albatros hat geschrieben:Sie war so sauer auf mich, dass sie mit mir keinen Kontakt mehr wünschte. Sie war aufs tiefste verletzt, denn sie sah, dass ich sie all die Jahre am ausgestreckten Arm hatte verhungern lassen (was mir nicht klar war, da ich ihre Pläne nicht kannte)


Verletzungen heilen mit der Zeit und machen vernünftigen Überlegungen Platz.

23. Feb 2016, 15:38 » albatros hat geschrieben:Das Besondere und zusätzlich Kafkaeske an der Situation war, dass ich nicht begriff, weshalb sie sich von mir trennte. Ich dachte, sie würde sich trennen, weil ich mich als schwul geoutet hätte und sie das nicht offen ansprechen wollte. Erst ein Dreivierteljahr nach der Trennung begriff ich, dass sie Heiratspläne hatte, über die sie nicht sprach. Ich fühlte mich nun meinerseits aufs tiefste verletzt. Denn sie hatte es nicht für nötig befunden, mit mir in all den Jahren ein vertrauensvolles Gespräch unter Erwachsenen zu führen.


Ich finde, da hast du recht.

23. Feb 2016, 21:13 » Sophie2 hat geschrieben:Viele Frauen würden niemals eine Heirat vorschlagen.


Das ist richtig, aber so 25 Jahre lang im Ungewissen leben? Da kann man doch wenigstens mal indirekt anfragen: "Du, was denkst du eigentlich übers Heiraten?" oder so....


23. Feb 2016, 21:13 » Sophie2 hat geschrieben:Was ich noch hinzusetzen wollte: Ein Autistischer/Schizoider ist oft unfähig, die Pläne und Absichten eines anderen Menschen zu begreifen, wenn der andere nichts davon sagt, sondern schweigt und abwartet. Dann kommt es zu so grotesken Situationen.


Das kann glaube ich keiner, egal ob schizoid oder nicht. Man kann nur vermuten und oft irrt man sich auch. Am besten, immer nachfragen, wenn was unklar ist.

23. Feb 2016, 21:13 » Sophie2 hat geschrieben:Aufgrund meiner schizoid-paranoiden Veranlagung (kein Bedürfnis nach Beziehungen, die zu eng werden, sondern nur ein Bedürfnis nach Beziehungen, die kontrollierbar bleiben) sehe ich in meinem Alter keine Möglichkeit, noch einen Partner zu finden..


So geht es mir auch.

Da die Verbindung sowieso platonisch war, empfinde ich dein Verhalten moralisch in jeder Hinsicht korrekt, was Maria betrifft, sehe ich da schon eine Tendenz, dass sie dich ausnutzen wollte, da sie dich ja nicht geliebt hat. Ich meine, sobald gemeinsame Kinder da sind, finde ich es richtig, dass man Verantwortung füreinander übernimmt, auch im Sinne von Pflege bei Pflegedürftigkeit oder eben gemeinsames Wirtschaften oder auch, wenn man sich jetzt entschieden hat, zusammenzuziehen und gemeinsam zu wirtschaften. Beides war ja bei euch nicht gegeben.

Was eine Heirat betrifft, was wäre, wenn ihr geheiratet hättest, aber so weitgelebt hättet wie bisher? Ich meine, die Rente verfällt nach dem Tod sowieso, hat keiner einen Schaden, wenn die jemandem anderen ausgezahlt wird. Außerdem ist ja gar nicht sicher, wer zuerst stirbt.
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon Indigocat » 24. Februar 2016, 08:16

23. Feb 2016, 21:33 » vanBloom hat geschrieben:
Meiner Erfahrung nach haben die meisten Frauen doch leicht andere Vorstellungen einer perfekten Beziehung und andere Ansprüche an einen Mann. Aber ich bin ja auch noch jung.


Ja, selbst ich als schizoide Frau würde das so sehen. Wenn ich so die Statements von den schizoiden Männern hier lese :high:, also ich wünsche mir einen Partner, der mich wirklich liebt, mir das auch zeigt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung übernehmen Männer, schizoid oder nicht, aber erst, wenn sie wirklich lieben...

Ob das natürlich mit mir so funktioniert oder ob ich das tatsächlich aushalte ist eine andere Frage, ich arbeite aber an mir.

Aufgrund sehr schlimmer Erfahrungen mit Männern mit narzisstischen oder sogar psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften bleibe ich lieber alleine, als einen Kompromiss einzugehen und einen Mann zuzulassen, bei dem ich das Gefühl habe, der ist nicht 100 % bei mir.

Aber letztendlich gibt es ja für jedes Töpfchen einen Deckel, vielleicht findest du jemanden, der kompatibel ist.
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon Headmatter » 24. Februar 2016, 08:55

23. Feb 2016, 21:33 » vanBloom hat geschrieben:Affären, anonymer Sex, "Freundschaft" mit Extras - kein Problem solange das Verhältnis die emotionale und räumliche/zeitliche Distanz bewahrt.
Diese Beschreibung kann ich für mich 1:1 unterschreiben. Sobald die andere Person die Intimität einer Partnerschaft sucht oder die Taktung der Treffen erhöhen will, löst das bei mir Fluchtreflex aus.

Hatte übrigens ein ähnliche Geschichte wie albatros, eine Affäre, die mit Unterbrechungen über 15 Jahre lief, mein Gegenüber aus vermutlich anderen Gründen als ich unfähig für eine klassische Beziehung. Allerdings stark romantisch: einzelgängerisch und sexuell monogam, während ich einzelgängerisch und sexuell promiskuitiv bin. Suchte weit mehr Nähe als ich, suchte vor allem Alltag, was zu ständigem Ausbruch meinerseits führte, während sie wie die Prinzessin hinter Dornengestrüpp auf meine sporadischen Besuche wartete. Hatte sich irgendwie in den Kopf gesetzt, dass I'm the one. Furchtbar. Aber darin verlässlich. *hässlichgrins*

23. Feb 2016, 21:33 » vanBloom hat geschrieben:"Schizoider m 29 sucht w für Zweckgemeinschaft. Sex nur bei emotionaler Distanz. Bevorzuge devote Frau, selbes Alter, attraktiv. Kein Familienwunsch. Starkes zeitliches und räumliches Distanzbedürfniss."
Perfekt! Wäre wirklich interessant zu wissen, ob es darauf Resonanz gibt ;)
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon vanBloom » 24. Februar 2016, 11:23

@ Indigocat

Es ist gerade die Verantwortung, die mich hindert. Jedenfalls bei mir - ob es bei den anderen auch so ist, kann ich nicht beurteilen.

Wenn ich einen Menschen an mich heranlasse würde, wäre ich auch führ ihn/sie verantwortlich. Das ist sogar ein sehr starkes, ausgeprägtes Bedürfnis. Ich würde mein Leben danach ausrichtigen. Die wenigen Menschen, die ich liebe (Oma, Schwester) für die würde ich alles tun - wenn ich nur könnte.
Ich kann jedoch (oft) nicht. Es gab immer Situationen, in welchen ich meiner Verantwortung eben nicht gerecht werden konnte. Aufgrund meiner Störungen. Darunter leide ich extrem. Ich bin ein Mensch der nur wenig geben kann obwohl er alles geben will. Ich bin mir eben bewusst, dass eine Frau oder (noch schlimmer) gar Kinder unter mir leiden würden. Und das würde ich nicht ertragen. Es wäre auch unfair.

Das ist auch der Grund für meine Isolation wenn sich Gefühle entwickeln. Vor allem wenn sie sich bei der Frau entwickeln. Ich schütze sie vor mir selbst. Nicht unbedingt mich vor ihr.
Eigentlich ist das tatsächlich sogar übermäßig verantwortungsbewusst. Die meisten normalen Männer trampeln auf den Gefühlen der Frauen herum, nutzen sie sogar für Sex aus, bis irgendwann die richtige dabei ist. Etwas dass ich niemals mit Absicht tun würde. Das würde ich als Vergewaltigung und Missbrauch werten.
Ich bin ja eben kein Psychopath!

Bei Freunden besteht dieses Verantwortungs-Bedürfnis zwar auch - allerdings in weitaus geringerem Maße. Es ist mit genügend Distanz verbunden um dem nicht immer und andauernd gerecht werden zu müssen. Es sind keine Lebenspartnerschaften. Es ist keine Familie. Man hilft sich wenn man kann. Freund nenne ich nur Menschen, die mir - über Jahre - bewiesen haben, dass sie damit umgehen können - eigenverantwortlich leben. Das gilt auch für Frauen.

@Headmatter

Wir können ja eine Studie führen :teufel:
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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon albatros » 24. Februar 2016, 15:05

Ich bitte um Verständnis, wenn ich nicht auf alle Reaktionen, für die ich sehr dankbar bin, sogleich antworte. Da brauche ich einige Zeit zu.
Zunächst möchte ich auf Sophie2 antworten. Sie schrieb:

"Viele Frauen würden niemals eine Heirat vorschlagen. Sie sind dafür zu stolz. 'Der Antrag muss vom Mann kommen' (es ist immer das Männchen, das das Weibchen jagt)."

Das ist mir klar. Frauen sind in einer starken Position, wenn ihnen ein Mann einen Heiratsantrag macht. Denn der Mann signalisiert damit, dass er etwas von der Frau will. Die Frau kann (theoretisch) annehmen oder ablehnen. Wenn sie annimmt, ist sie in der Position, dem Mann Bedingungen zu stellen. In meinem Fall hätte die Frau höchstwahrscheinlich die Bedingung gestellt, dass ich zu ihr ziehe.
Eine Frau kann unmöglich zu einem Mann sagen: Nun heirate mich endlich, ich brauche Dein Geld. Ich warte schon lange darauf.
Was mich umtreibt, ist die Frage, warum sie nicht misstrauisch geworden ist. Ich habe in 25 Jahren nie etwas davon gesagt, mich mit ihr enger zusammentun zu wollen. Wie kann eine Frau diese lange Zeit aushalten?

Gruß

albatros

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Re: Eine kafkaeske Beziehung

Beitragvon albatros » 24. Februar 2016, 15:54

Hallo spiro,


Danke für Deine ausführliche Stellungnahme.
Zunächst habe ich die Geschichte verkürzt dargestellt. Ich wollte hier nicht endlos erzählen.
Etwas sehr Wichtiges habe ich vergessen: Wie komme ich auf ihre Heiratspläne?
Das ist kafkaesk hoch drei. Folgende Szene hat sich abgespielt: Eines Sonntags, nach etwa 23 Jahren Beziehung (Beziehung ist eigentlich irreführend, sagen wir besser: Wochenendfreundschaft) sagte sie aus heiterem Himmel, ohne jede Vorbereitung zu mir: "Meine Schwester hat gefragt, warum wir beide eigentlich nicht heiraten." Darauf antwortete ich, und auf eine solche Antwort kann nur ein Schizoider kommen: "Welche Schwester?" (Sie hatte nämlich zwei Schwestern). Sie (unwirsch): "Die aus X." Ich: "Wie kommt die denn darauf?". Sie: "Weiß ich auch nicht." Ende des Gespräches. Sie ließ das Thema wie eine heiße Kartoffel fallen.
Unterdessen hatte sie mir schon seit mehreren Jahren sonntags unaufgefordert das Mittagsessen vorgesetzt, wenn ich sie besuchte. Damit wollte sie ihre Rolle als meine (künftige) Ehefrau unterstreichen. Ich verstand die Geste jedoch nicht. Ich meinte, sie setze mir das Essen vor als Belohnung, weil ich von so weit zu ihr komme (ich war umgezogen, weiter von ihr weg).
Mehrere Tag nach ihrer Frage bzw. der der Schwester begann das Wort "Heirat" in mir zu rumoren. Ich wollte ihr gegenüber aber meine Unruhe nicht zeigen und schwieg. Da sie das Thema hatte fallen lassen, glaubte ich, es sei doch nicht so wichtig. Ich sagte nichts. Ein schwerer Fehler, wie ich heute weiß. So lebten wir noch mehrere Jahre an einander vorbei. Ein Dreivierteljahr nach unserer Trennung fiel mir die "Heiratsfrage" plötzlich wieder ein (während ich in der Badewanne lag, dann kommen mir die besten Einfälle) und ich begriff.
Zweckbeziehung: Wir haben beide eine Zweckbeziehung geführt, aber die Zwecke waren extrem unterschiedlich. Sie wollte heiraten und versorgt werden, ich wollte Gesellschaft haben, aber mich nicht enger binden, sondern unabhängig, auch finanziell unabhängig, bleiben.
Die Sache ist im Grunde völlig klar. Sie hat einmal die Karten offen auf den Tisch gelegt und zu mir gesagt: "Die Beziehung war für mich eine Zweckbeziehung". Anders ausgedrückt: Sie hat die Beziehung als Geschäft gesehen. So kühl kalkulierend hat sie sich auch mir gegenüber verhalten. Ein Geschäft ist immer eine Sache auf Gegenseitigkeit. Auch für mich wäre eine Ehe von Vorteil gewesen: Ich wäre im Alter nicht alleine geblieben. Aber die Voraussetzungen für eine Ehe waren auf beiden Seiten nicht da. Zur Ehe gehören soziale Kompetenz und Vertrauen. Darüber verfügten wir beide nicht in ausreichendem Maße. Deshalb waren wir auch nicht in der Lage, mit einander zu reden. Wir hatten uns zu wenig zu sagen und zu wenig gefühlsmäßig zu geben. Dass wir beide niemals hätten eine Ehe führen können, war mir im Gegensatz zu ihr klar.
Zu Deiner Frage, ob da nichts mehr zu machen ist, folgendes: Nein. Die Beziehung war aus ihrer Sicht wie gesagt ein Geschäft, und dieses Geschäft ist geplatzt. Sie hat 25 Jahre Zeit, Geduld, Nerven vergeblich in mich investiert und hat dieses Investment abgebrochen, weil es erfolglos war. Das ist so, wenn Du Geld in ein Immobilienprojekt gesteckt hast, das pleite geht. Dann schießt Du nicht neues Geld nach, sondern beendest das Investment. Es gibt Frauen, die so kühl rechnen und an eine solche Frau bin ich geraten. Da ist leider nichts mehr gerade zu biegen. Sie verzeiht mir nicht, dass sie sich so in mir geirrt hat. Ihr weiblicher Stolz verhindert auch eine Fortführung der Beziehung. Denn sie hat das Schlimmste erlebt, was einer Frau passieren kann: sich einem Mann anzubieten und von diesem eiskalt im Regen stehen gelassen zu werden. Ich habe sie allerdings unwissend stehen gelassen, denn ich ahnte ihre Absichten ja nicht.
Von mir aus hätte ich den Kontakt aufrecht erhalten, wäre sogar mir ihr weiter in Urlaub gefahren. Aber da ist nichts zu machen. Die Messe ist gelesen.
Wir beide haben einen schweren Fehler gemacht. Wir hätten uns viel eher trennen und uns einen anderen Partner suchen müssen.
Besonders ich habe einen schweren Fehler gemacht. Ich habe mich mit der Frau langjährig eingelassen, obwohl sie überhaupt nicht mein Typ war und mir nicht selten an meiner Seite fremd vorkam. Ich stellte mir oft die Frage: Was soll das alles mit ihr, was mache ich hier eigentlich, wer bin ich überhaupt, wer ist sie? Typisch schizoide. Eine Beziehung als gegenseitiges Missverständnis. Auf keinen Fall mit einer gesunden Beziehung vergleichbar. So eine "Beziehung" kann nur zustande kommen, wenn beide "Partner" nicht richtig im Kopf sind.

Gruß

albatros


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