Gefühle ?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Winter
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Gefühle ?

Beitragvon Winter » 25. Juni 2015, 22:26

Hallo allerseits,

ich habe bei mir oft den Eindruck Gefühle mir und anderen vorzutäuschen, vorzuspielen. Das kostet viel Kraft und eigentlich will ich so was auch nicht. Mir ist das aber in den letzen Jahren in Fleisch und Blut übergangen und nur selten erlebe ich Moment, wo mir das bewusst wird und dann wird das Vorspielen brüchig.

Ich hatte Zeiten, wo ich aus der Gesellschaft raus war, am Rand und damals mit wenig aber frei war. Mich nur bis zum gewissen Grad anpasste. Diese Freiheit , dieses Leben am Rand führte aber auch in eine Sackgasse und irgendwann begann ich den Kontakt zu anderen wieder aufzunehmen, zum oben beschrieben Preis.

Kennt Ihr das ? Wenn ja, wie geht Ihr damit um? Gibt es einen Mittelweg?

Gruß , Winter

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Re: Gefühle ?

Beitragvon krebsi » 25. Juni 2015, 23:20

Hallo Winter,

ja ich kenne das sehr gut von mir. Als stark schizoider habe ich nur wenig Gefühle oder kann sie nicht zeigen. Aber im Laufe der Jahre baut man sich eine art Maske oder Fassade auf. Einfach weil man genau weiß, dass man gegenüber anderen nur Vorteile erwarten kann, wenn man sympathisch und freundlich in Erscheinung tritt. Der Schizoide ist ja nicht dumm und denkt viel nach. Er will ja in der Gesellschaft funktionieren. Und so lernt man gewisse Verhaltensmuster wie Gefühle, Mitleid, Trauer und andere Emotionen anderen vorzuspielen um selber nicht ins Abseits zu geraten oder Vorteile zu erhalten.

Viele Leute haben zu mir auch schon oft gesagt, dass ich sehr sympathisch, freundlich und hilfsbereit in Erscheinung trete. Aber innerlich denke ich ganz anders und verachte mein gegenüber.
Manchmal habe ich aber auch nicht die Energie Gefühle oder Emotionen anderen vorzutäuschen und dann wirke ich auch unsympathisch auf andere. Man hat mir schon gesagt, dass ich dann trocken, kühl und abgestumpft wirke. Aber das ist mir dann egal. Ich bin nun mal kein Menschenfreund und wenn ich dann die Gefühle von anderen verletze ist mir egal. Ich bin da ganz Ehrlich und mache da kein Geheimnis draus. :katze:

MeadeLuxLewis

Re: Gefühle ?

Beitragvon MeadeLuxLewis » 26. Juni 2015, 05:07

Ich bin wohl an einem Punkt angekommen wo ich oft nicht mehr weiss was echte und unechte Gefühle sind.
Das liegt wohl daran das ich mich nicht wirklich frei fühle und mich nicht in Gesellschaft ausleben kann. Ohne Menschen denen ich etwas bedeute gibt's keine Authentizität in meiner Gefühlswelt.
Sie sind mir aber auch nicht so wichtig im Alltag, denn Gefühle kann man der Funktion unterordnen ohne unangenehm aufzufallen.
Man hat mir schon gesagt, dass ich dann trocken, kühl und abgestumpft wirke

Löblich. Ich kann mich so oft am am besten bzw. produktiver geniessen und emfinde andere leichter zu handeln. Dem entgegen steht wohl meine Überemotionalität und meine mangelnde Kontrolle. Ich bin eine Psychobaustelle ^^
Ich bin nun mal kein Menschenfreund und wenn ich dann die Gefühle von anderen verletze ist mir egal.
Das mag im allgemeinen Trubel gut funktionieren aber allgm. erlebe ich diese Haltung als kontraproduktiv. Sicher ich hasse gerne mal Menschen, Facebook Menschen, unbedachte Menschen, Schwätzer Menschen, oder Menschen die die Prinzipien derer ich mich verschrieben habe ignorieren. Schwer ist es diesen Hass zu kontrollieren und einmal losgelassen korrumpiert er alles was gut und recht in mir ist. Hass ist billiger, ist das was am Ende übrigbleibt aber nur ich entscheide wann und wo er gerechtfertigt ist.

Sry, das war nu arg Star Wars ;-P

Ist natürlich "cool" die Gefühle anderer treten zu können, man muss nur das Echo aushalten, und damit meine ich das eigene wenn man die Situation reflektiert. Also ein wenig Geistesgegenwärtigkeit ist schon da.

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Re: Gefühle ?

Beitragvon Imagohominis » 26. Juni 2015, 09:32

ich habe bei mir oft den Eindruck Gefühle mir und anderen vorzutäuschen, vorzuspielen. Das kostet viel Kraft und eigentlich will ich so was auch nicht. Mir ist das aber in den letzen Jahren in Fleisch und Blut übergangen und nur selten erlebe ich Moment, wo mir das bewusst wird und dann wird das Vorspielen brüchig.


Das ist eine ständig, mich begleitende Selbstwahrnehmung, wenn ich unter anderen Menschen bin. Ich sehe mich als einzigen Widerspruch.

Ich leide auch stark an einer Affektverflachung. Ich empfinde mein Gemüt als sehr schwingsungsarm, meine Stimmung wird selten eruptiv erschüttert, stattdessen wirke ich nach außenhin mäßig bis kaum emotional auf andere Menschen, aber scheinbar doch im Maße für eine Akzeptanz meiner durch andere, d.h. ich bin in der Lage, in situ angemessen auf andere Menschen zu reagieren, allerdings ohne aufrichtige Anteilnahme. Ich fühle mich von mir entfremdet, weil ich mein äußeres Verhalten gegenüber anderen und mich als widersprüchlich zu meiner Stimmug und Gefühle bewerte.

Nach einiger Studie von psychologischer Fachliteratur scheine ich dem Problem auf der Spur zu sein. Affektivität unterscheide sich, so einige Quellen, zwischen der reinen Verhaltensdisposition durch Emotionen, also der Änderung des Verhaltens eines Menschen, und der Selbstwahrnehmung dieser Disposition, was man letztlich als Gefühl bezeichnet.
Ersteres scheine ich mit Bravour leisten zu können, insofern reinen Anpassungszwecken dienlich (darüber hinaus reicht es nicht), wohingegen die Selbstwahrnehmung fast gegen 0 konvergiert.
Nach dieser Quelle wird recht stark zwischen Emotion und Gefühl unterschieden:

Der Neurowissenschaftler António Damásio unterscheidet zwischen Emotionen und Gefühlen: Emotionen, sagt er, seien körperliche Reaktionen, die auf einen Reiz folgen und nach außen sichtbar sind; Gefühle hingegen entständen, wenn das Gehirn die Reaktionen des Körpers analysiert und bewusst wahrnimmt. Katzen ohne Hirnrinde können durchaus noch Wut als Emotion zeigen, indem sie fauchen und versuchen zu kratzen. Dies demonstrierte der Physiologe Walter Cannon (1871-1945) bereits in den 1920er Jahren.

Quelle: https://www.dasgehirn.info/denken/emoti ... e-gefuehle

Der einzige Weg, den ich für mich sehe, ist die Überwindung dieser Selbstentfremdung, d.h. meine Emotionalität wieder mit meinen Gefühlen zu synchronisieren, was zwangsweise nur über die Bewertungen, also den Blockaden im präfrontalen Cortex, gelingen kann. Bewertungen von misanthropischer Art oder gänzliche Herabstufungen anderer in andere Kontexte sind demnach nichts anderes als Rationalisierungen, um Blockaden aufzubauen. Jemand, der Menschen hasse, bezeichnet sich oft als Misanthrop, obwohl er garkeinen Hass, sondern Aversion verspüre - meist jedoch ist das etwas rein intellektuelles, ohne weitere Gefühle verbundene Rationalisierung, um gerade Gefühle nicht zuzulassen. So habe ich früher oft gehandelt und leider auch heute noch. Ich habe mich wohl in ein perfides Bewertungsmuster eingerichtet, das mehr schadet als es nützt, aber wie effektiv es ist, zeigt sich, dass ich gerade an diesen Worten zweifle.
Es ist nur erstaunlich, wie heterarchisch das Gehirn organisiert ist; der präfrontale Cortex ist keineswegs der Chef im Hause, sondern die Trias Cortex, Hippocampus und Amygdala bilden zusammen das gesamte Repertoire an Emotionen und der Schein, keine aufrichtigen Emotionen zu besitzen, ist wirklich nur Schein....

Ich denke, man kann den Schritt zur Wiederfindung seiner Gefühle nur über Lernprozesse absolvieren und dieses Lernen erfordert, denke ich, einen gewissen Grad an Vorurteilsfreiheit und Neubewertungen, damit man neu assoziieren und Gefühle erleben kann. Jedenfalls scheitert alles an der Erfahrung.

Achja, das ist jedenfalls mein Vorsatz, aber es funktioniert noch recht holprig bis garnicht. Es ist überhaupt nicht einfach, die richtige Lernumgebung zu finden, die überhaupt die nötigen Voraussetzungen erfüllt, damit mein Unterfangen klappt. Die wichtigsten Lehrmeister hinsichtlich der Gefühle sind die eigenen Eltern, die in dieser Hinsicht nicht viel geleistet haben; Substitute dafür wären hierfür entweder eine Partnerin oder ein Haustier. Ich überlege seit längerer Zeit, mir einen Hund zu kaufen, um mit ihm das Fühlen wieder zu entdecken. Jedenfalls meint mein Therapeut, dass dies eine hervorragende Idee sei.
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Re: Gefühle ?

Beitragvon Winter » 26. Juni 2015, 11:14

krebsi hat geschrieben:stark schizoider habe ich nur wenig Gefühle oder kann sie nicht zeigen.

Krebsi, ich denke Gefühle zu haben , aber sie nicht fühlen zu können.

krebsi hat geschrieben:Viele Leute haben zu mir auch schon oft gesagt, dass ich sehr sympathisch, freundlich und hilfsbereit in Erscheinung trete. Aber innerlich denke ich ganz anders und verachte mein gegenüber.

Genau. Man ist so nett und innerlich ist das : Lasst mich in Ruhe. Wobei dieses freundliche Auftreten auch dem Zweck dient in Ruhe gelassen zu werden.

MeadeLuxLewis hat geschrieben:Ich bin wohl an einem Punkt angekommen wo ich oft nicht mehr weiss was echte und unechte Gefühle sind.

MeadeLuxLewis , rational lässt sich sagen alle Gefühle sind Gefühle und daher echt. Aber ich verstehe dieses nicht wissen.

Ein starkes Gefühle bei uns scheint Hass zu sein.
Nur darf ich ihn nicht ausleben, da mit meiner Aggression ich mir selbst massiv schaden würde. Und dieser Hass lässt zumindest bei mir diese "freundliche" Fassade ab und an bröckeln.
Ehrlich gesagt, scheint dies bei mir das einzig echte Gefühl zu sein.

Imagohominis hat geschrieben:Die wichtigsten Lehrmeister hinsichtlich der Gefühle sind die eigenen Eltern, die in dieser Hinsicht nicht viel geleistet haben; Substitute dafür wären hierfür entweder eine Partnerin oder ein Haustier.

Imagohominis, weil die Eltern oft selbst emotionale Krüppel sind. Zumindest meine sind/waren so.
Ein Haustier ist sicher besser zum abfangen der Gefühle geeignet wie ein Partner. Zumindest ist das meine Erfahrung nach Jahren Partnerschaft/Ehe.
Zuletzt geändert von nuechternheit am 26. Juni 2015, 14:16, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitate angepasst.

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Re: Gefühle ?

Beitragvon tournesol » 26. Juni 2015, 12:20

Was Ihr hier " als Gefühle" seht , empfinde ich als Emotionen :)

Gefühl selbst ist m.E. FÜHL jedoch nicht ( selbst sich selber nicht ! ) beschreibbar. Sondern ausschließlich WAHRNEHMBAR, sofern man dies zuläßt.

Gefül kann--für andere --durch den Ausdruck ( unbewußte Mimik ) wahrnehmbar sein.

Gefühl kann m.E. niemals böse, liebe, oder gleichgültige--- AKTIVE Auswirkungen auf andere ( oder und sich selbst )
haben !
Dieses können nur Emotionen ! Und Emotionen sind IMMER ( aus eigener Übersetzung der Gefühle --in Worte verpackt...)selbst gedanklich HERGESTELLT , konstruiert !

Zu etwas selbst " KONSTRUIERTEM", können wir dieses jedoch auch immer" anders konstuieren"....
Zu Gefühlen nicht--- diese HABEN wir nämlich :lachen:
( Können sie also lediglich wahrnehmen, oder ignorieren..... )

Schwierig wird es hier m.E. nur dann, wenn wir unsere Emotionen " für unsere Gefühle" halten und uns an mit unseren Emotionen -----identifizieren...... :teufel:

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Re: Gefühle ?

Beitragvon NowhereMan » 26. Juni 2015, 14:06

26. Jun 2015, 12:20 » tournesol hat geschrieben:
Gefühl selbst ist m.E. FÜHL jedoch nicht ( selbst sich selber nicht ! ) beschreibbar. Sondern ausschließlich WAHRNEHMBAR, sofern man dies zuläßt.

Dieses können nur Emotionen ! Und Emotionen sind IMMER ( aus eigener Übersetzung der Gefühle --in Worte verpackt...)selbst gedanklich HERGESTELLT , konstruiert !


Ich würde es genau anders herum betrachten ... Emotionen sind für mich etwas das auf einer "Vorgefühlsebene" stattfindet, archaisch, instinktiv, meist diffus und nicht wirklich in Worte zu fassen, wohingegen Gefühle Emotionen sind, die man, aufgrund gelernter Erfahrungswerte, benennen (in Worte kleiden) und einem bestimmten Zusammenhang zuordnen kann ...

So, wer hat jetzt recht ...? ;)
Zuletzt geändert von NowhereMan am 27. Juni 2015, 11:27, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Gefühle ?

Beitragvon Imagohominis » 26. Juni 2015, 14:14

So, wer hat jetzt recht ...?


Ein sehr ausführlicher Essay über das Thema: http://www.spektrum.de/lexikon/neurowis ... ionen/3405
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Re: Gefühle ?

Beitragvon Winter » 26. Juni 2015, 14:26

Für mich schafft das Worte Emotion Abstand gegenüber dem Wort Gefühl. Aber beide meine das selbe.

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Re: Gefühle ?

Beitragvon tournesol » 26. Juni 2015, 17:03

Danke für den Link lieb er Imagohominis :)

Finde ich sehr interessant, nur hilft mir dies leider praktisch nicht weiter-- ist Theorie.

Mit meiner " gewagten Theorie " kann ich allerdings praktisch gut umgehen ( in bezug zu mir und anderen )
Deshalb habe ich sie Euch mitgeteilt ! Ohne sie Euch als allgemeingültig aufdrängen zu wollen ;)

L.G. Tournesol


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