Winter hat geschrieben:ich habe bei mir oft den Eindruck Gefühle mir und anderen vorzutäuschen, vorzuspielen. Das kostet viel Kraft und eigentlich will ich so was auch nicht. Mir ist das aber in den letzen Jahren in Fleisch und Blut übergangen und nur selten erlebe ich Moment, wo mir das bewusst wird und dann wird das Vorspielen brüchig. [...].
Kennt Ihr das ? Wenn ja, wie geht Ihr damit um? Gibt es einen Mittelweg?
Eine Affektabflachung ist mir auch gegeben. Jedoch glaube ich, dass ich auch oft hyperästhetische oder sehr sensibele/empfindsame Momente, Zeiträume habe.
Ich denke, die (intuitive!) Mimik ist ein Prädiktor für die Intensität von Gefühlen. Ich habe eine oftmals starre Mimik, die bei vertrauten Menschen deutlich "erweichen" kann. Jedenfalls habe ich vor einigen Jahre oft meine Mimik vorgespielt, damit meist Gefühle. Nachdem ich mich damit jedoch intensiver auseinandergesetzt habe als Jugendlicher, ist mir auch aufgefallen wie unnötig kraftraubend diese Anpassung ist und wie wenig Vorteile ich dadurch gewinne, da ich mich für die meisten kaum interessiere (der einzige triftige Grund für diese Schauspielerei wäre für mich ein VOrstellungsgespräch o. Ä.).
Da ich mich jetzt (so gut es in Gesellschaft geht) intuitiv verhalte, kann ich mir bei Menschen, die sich mit mir treffen, sicher sein, dass sie mich so akzeptieren wie ich bin.
Im Gegensatz zu dir achte ich dauernd unter anderen Menschen darauf, wie ich wirke, aber sage mir heute, dass ich mich (so gut wie möglich) so verhalten sollte, wie ich mich fühle.
krebsi hat geschrieben:Der Schizoide ist ja nicht dumm und denkt viel nach. Er will ja in der Gesellschaft funktionieren.
Er will wahrscheinlich höchstens indirekt; er muss oft in der Gesellschaft funktionieren. Ich bspw. bin nur daran interessiert mit Vertrauten zu interagieren. Wenn es möglich wäre, dann wäre es mir egal, ob ich in der Gesellschaft funktionierte oder nicht. Dir denn nicht? Du schreibst, dass du stark schizoid bist, fände ich also interessant.
Ich frage mich, welche Vorteile ihr durch das Vorspielen erzielt, die diese extreme, kontinuierliche Belastung wert sind?
Ich bin nun mal kein Menschenfreund und wenn ich dann die Gefühle von anderen verletze, ist mir egal. Ich bin da ganz Ehrlich und mache da kein Geheimnis draus.
So ging und geht es mir auch. Jedoch hat sich etwas verändert. Ich versuche dabei mir das gute alte Gesetz "Was du nicht willst, was man dir tut, das füge auch keinem anderen zu" vor Augen zu halten. Und es funktioniert nach meinen Beobachtungen. Ich achte vielmehr darauf, vorsichtiger mit anderen zu reden und z. B. nicht unbedingt allzu abwertend zu klingen in Intonation und Wortwahl usw. Denn ich würde mich selbst sehr schnell angegriffen fühlen, mit meinen ängstlich-vermeidenden Anteilen bin ich zudem stark paranoid bei sowas. Z. B. fühle ich mich meist (natürlich unbegründeter Weise) angegriffen, wenn irgendwelche Menschen lachen; ich denke, eher fühle oft sofort, dass ich ausgelacht werde...eine schwache Art von Gelotophobie.
Aber wahrscheinlich könnte ich kurzfristig ohne Probleme die meisten Menschen meine Missachtung zeigen, nur langfristig würde mich es doch ziemlich traurig machen, da ich zudem viel zu oft lange an soziale Dinge nagen muss.
Jedoch ziehe ich Rationalität immer der Emotionalität vor, denn in der Bilanz ist (menschliche) Rationalität für die Emotionalität besser.
[spoil]Ich führe hier gerne eine Überlegung an. Ich habe eine Missachtung gegenüber dummen, also unreflektierten und ideologisch/geistig unüberlegt angepassten Menschen (Intelligenz oder unbedingt Intellektualität ist damit nicht gemeint). Diese Menschen würden mit höherer Wahrscheinlichkeit in der NS-Zeit mitmachen, da sie bspw. die sozialdarwinistische Propaganda nicht kritisch beleuchten und einfach hinnehmen würden.
Aus Unwissenheit und fehlendem kritischen Denken resp. unreflektierter gesellschaftlicher Anpassung kann viel schneller Grausamkeit entstehen. (Aktuelles Beispiel wäre der Konsum tierischer Produkte jeglicher Art, aber insbesondere aus der Massentierhaltung resp. der Umgang mit Tieren)[/spoil]
Imagohominis hat geschrieben:Ich leide auch stark an einer Affektverflachung. Ich empfinde mein Gemüt als sehr schwingsungsarm, meine Stimmung wird selten eruptiv erschüttert
Mh. Also ich kann mich sehr über Menschen echauffieren, was zu starken Gefühlsausbrüchen führt. Jedoch weiß ich sie heute oft zu regulieren, da ich mein Verhalten reflektiere (was ich früher nicht getan habe). Heute kann ich zudem auch viele andere Gefühle zulassen, was ich früher nicht konnte. Freude und Trauer z. B., aber das eher in einem "schüchternen" Ausmaß.
Ich frage mich, ob du nicht auch des Öfteren z. B. Druck, Aggressionen, Trauer, Angst spürst...
Die wichtigsten Lehrmeister hinsichtlich der Gefühle sind die eigenen Eltern, die in dieser Hinsicht nicht viel geleistet haben; Substitute dafür wären hierfür entweder eine Partnerin oder ein Haustier. Ich überlege seit längerer Zeit, mir einen Hund zu kaufen, um mit ihm das Fühlen wieder zu entdecken. Jedenfalls meint mein Therapeut, dass dies eine hervorragende Idee sei.
Seitens meiner Eltern habe ich wahrscheinlich auch viel problematisches Verhalten übernommen.
Und im Spoiler etwas Off topic-es, geht um deine potenzielle "Beschaffung" eines Hundes. [spoil]Ich weiß nicht mehr, ob du einer von denjenigen warst, die vegan leben. Jedenfalls ist mir aufgefallen, dass mir eigentlich oft die Haltung von Tieren missfällt. Das halten von Tieren in Käfigen, auch in relativ großen Gehegen, missachte ich prinzipiell. Ich denke, Tiere, die gehalten werden, sind sehr sensible Wesen. Ich beobachte, dass es Hunden nicht gefallen kann, an einer Leine zu sein. In Freiheit und in der Natur würden sie (falls sie allein oder im Rudel überlebensfähig sind) herumlaufen wie sie wollen. Das muss eine psychische Qual sein für solch ein Wesen, die meiste Zeit in irgendeiner kleinen Wohnung zu sitzen und dann, wenn sie mal nach Belieben des Besitzers nach draußen können, ist es ihnen untersagt, ihrem Instinkt und ihrem Freiheitsdrang nachzugehen. Es gibt noch viel mehr, was mich hilflos wütend macht an der Gefangenschaft und Tyrannei von Tieren durch den Menschen...
Trotz allem ist es wahrscheinlich besser, wenn man bspw. einen Hund adoptiert (oder wie das heißt, wenn man einen von so nem Heim holt) und ihm vielleicht ein schöneres Leben beschert. Das allgemeine Problem: Wunsch/Ideologie und die praktische Umsetzung...
Zudem liebe ich Hunde.
Meine Meinung und Empfindung wollte ich nur mal erwähnt haben. [/spoil]