Nicht annehmen wollen

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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Kiwi
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Nicht annehmen wollen

Beitragvon Kiwi » 15. Juni 2015, 21:58

Seit ich mich hier angemeldet habe, schlafe ich schlecht. Kurze Schilderung:

Mein Kollege, ein guter Freund aus Jugendjahren, wir kennen uns nun schon seit dreißig Jahren verstand mein Verhalten nicht. Er ist sehr gefühlvoll. Ich dachte die ganze Zeit, er wäre nicht "normal". Vor vier Wochen "knallte" es heftig zwischen uns. Leider kann ich den Ursprung nicht mehr nachvollziehen, weil ich solche Ereignisse schnell vergesse. Er meinte nur, dass ich so extrem reagieren würde, dass ich ihm den Boden unter den Füßen wegziehen würde und er in einer Situation war, in der ihm alles was uns ausmachte (Beruflich, Freundschaftlich, Vertrauen) zunichte gemacht hätte. Ich hatte in seinen Augen "egal" reagiert, was ich persönlich gar nicht nachvollziehen konnte. :rätseln: Wir sprachen darüber und fingen an zu googlen. Leider trafen viele Dinge auf mich zu, die eine schizoide Persönlichkeitsstörung ausmachen. Ich blockte ab. Seit diesem Tag hat er sich mir gegenüber verändert. Wir hatten immer netten Körperkontakt und liebe Worte füreinander übrig. Ich gebe zu, dass mir das manchmal zu viel war, aber weil er einer der wenigsten Menschen ist, dem ich vertraue, habe ich das zu gelassen. (Hatte ihm immer versichert, dass ich das von meiner Seite aus anders empfinde, aber er ist mein bester Freund)

Heute habe ich meine externe Festplatte angesehen. Ich schreibe seit über zehn Jahren und muss feststellen, dass so vieles zutrifft, dass ich das kaum glauben mag. Dann fallen mir Gespräche ein. Mein Vater meinte mal zu mir, dass ich so verschlossen bin, niemanden an mich ran lasse. Meine Kinder ebenfalls. Ich dachte immer, es wäre eine normale Schutzmauer, die man sich aufbaut, wenn alles zuviel wird, aber vielleicht.... :kein Plan:

Ich lasse niemanden nah an mich ran, "lieben" dieses Wort kenne ich nicht, außer bei meinen Kindern, und ich hasse smaltalk. Aber ich möchte wieder schlafen, ich möchte dass mein bester Freund wieder "normal" mit mir umgeht und nicht jede Handlung tausendmal durchdenkt, bevor er was sagt oder reagiert. Ich will das nicht.

P.S. One-night stands bis 2004, Selbstverletzung bis 2010, nur glücklich allein.
Eigentlich bin ich ganz anders, habe nur selten die Gelegenheit dazu

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Zarathustra
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Re: Nicht annehmen wollen

Beitragvon Zarathustra » 17. Juni 2015, 13:51

Hallo Kiwi,

:heulen:

so von außen betrachtet kommt es mir vor, als machtest du dir Vorwürfe wegen dieser Sache; dabei wüsstest du nicht, was du falsch gemacht hast. Das Gefühl kenne ich gut. In der Gegenposition zu sein kenne ich auch. Da hilft meiner Erfahrung nur: packt all euren Mut zusammen und sprecht euch so lange aus, bis ihr euch gegenseitig nachvollziehen könnt. Auch wenn es so zwei, dreimal das Gleiche ist, was ihr euch fragt oder sagt: Egal! Kann euch nur raten: lasst es nicht zwischen euch stehen. Auch wenn ihr schon "weiter" seid: scheut nicht davor zurück zu gehen...

Hat er nicht, im Gegenzug zu deiner (in seinen Augen) "Unterreaktion", überreagiert? Oder besser gefragt: habt ihr nicht an euren Erwartungen aneinander vorbei-reagiert? Die Sache lag ihm offensichtlich am Herzen. Er vergaß dabei vielleicht, dass er dir die Möglichkeit bietet, (in eurer Freundschaft) ehrlich zu sein. Eine Freiheit, die euch auch wehtun kann. Und ihr kennt euch doch schon so lange. Er sollte gelernt haben, dich einigermaßen einschätzen zu können. Nur die Liebe... lässt ihn vllt hoffen, du würdest seine Erwartung ihm zuliebe erfüllen. Die Erwartung, dass es dir nicht egal ist, was er dir da andrehen will. Obwohl er dich kennt und weiß, was du magst; was dir liegt und was nicht...

Kenne das von mir und meinem besten Freund, dass wir manchmal "du" und "ich" verwechseln. Wissen, wir könnten uns mit einem Satz einander heilen. z.B. mit "Du hast recht" // "Du hast unrecht, sieh es doch mal so: ..." Dabei weiß der andere nicht, was die richtige Reaktion ist. Manchmal kann auch eine andere, als die erwartete Antwort die Antwort sein, die man braucht. Dein Schulterzucken bei dieser Sache hat auch etwas Gutes, oder nicht? Manchmal verletzt man sich eben. Es nicht ungeklärt zu lassen; einander so wichtig zu sein, den Konflikt zu glätten, macht eine Freundschaft doch erst zur Freundschaft. Es unterbewusst brodeln zu lassen, ist idealer Nährboden für Qualen...

"Ich mag die Kiwi, aber dieses mal ist sie mir einfach zu sauer!" *sauer werd* "Du wolltest unbedingt von mir essen!" - "Kannst du denn nicht so süß schmecken, wie beim letzten bissen?" - "Ich bin eine Kiwi und ich schmecke auch so!" - "Jetzt habe ich Zahnschmerzen und mir verzieht sich alles. Warum bist du nicht immer süß?" - "Ist mir egal!" - "Liegt dir denn gar nichts an mir?"

Kiwi hat geschrieben:Ich lasse niemanden nah an mich ran, "lieben" dieses Wort kenne ich nicht, außer bei meinen Kindern

Das Wort sagt mir was. Angenommen, dir wäre völlige Straffreiheit geboten; du hättest garantiert kein schlechtes Gewissen danach und um den Mut, ums Saubermachen und um die Entsorgung würde sich gekümmert werden. Alles, was du tun musst, ist einen Knopf zu drücken. Würdest du ihn töten?

Was hält dich davon ab, wenn nicht die Liebe, die so vielschichtig ist? Du möchtest ihn vllt nicht beschützen, wie deine Kinder, aber irgendwas muss doch da sein. Wie war dieser Spruch...: Man merkt erst den Wert von dem, was man hatte, nachdem man es verlor...

Kiwi hat geschrieben:und ich hasse smaltalk.

:feiern: Musst doch nicht jedes Pferd reiten, was an dir vorbei läuft. Weit hergeholt: Vielleicht müssen "wir" ja auch karmatechnisch soviel Grübeln; für andere mit! Als Ausgleich für die gesamte Erdbevölkerung. So als.. ein Lebewesen, das aus vielen anderen besteht. Wie wir ja auch, bedenke ich, dass ich, ohne mit Bakterien in Symbiose zu leben, nicht lebensfähig wäre...

LG
Zarathustra

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Re: Nicht annehmen wollen

Beitragvon Kiwi » 25. Juni 2015, 19:33

Hallo Zarathustra,

danke für eine Antwort von dir, denn dein Beitrag hat mich doch sehr erfasst. Ich musste ihn zweimal lesen. Natürlich mache ich mir im Nachhinein Vorwürfe, allerdings werden diese in den vielen Gesprächen, die wir führen, subito entwaffnet. Seit wir um diese "Störung" wissen, scheint vieles, was ich sonst zu erklären versuchte, einen Sinn für ihn zu bekommen. Es ist schon seltsam, wenn wir Gespräche führen, bei denen ihm die Tränen kommen, weil er so tief gerührt ist, und ich sitze dann da und kann das nicht nachvollziehen. Aber wir haben zumindest einen Weg gefunden, uns zu nehmen wie wir sind. Er versteht jetzt, wenn ich davon sprach, wie mir die Energie entzogen wird, wenn ich mit vielen Leuten zusammen war oder mit ihm vierzig Stunden in der Wochen gearbeitet habe und am Wochenende meine Ruhe brauche. Er kann jetzt sogar darüber schmunzeln, wenn ich mit einem "ok" reagiere, obwohl er einen Luftsprung erwartet.

Und für mich war es nach dem Streit eine unglaubliche Erleichterung, als er aus unserem gemeinsamen Büro in das Nachbarbüro übersiedelte. Ich half ihm sogar ohne Worte, seine Sachen hinüberzubringen. Jetzt kann er das verstehen.

Aber es gibt natürlich auch noch meine Familie. Ich möchte es ihnen nicht sagen. Mein Mann scheint sich irgendwie an mein Leben angepasst zu haben. Als ich vor sechs Jahren aus der gemeinsamen Wohnung innerhalb des Hauses in eine kleinere Wohnung zog, gab es erst Theater. Er meinte ich wollte ihn verlassen. Jetzt sechs Jahre später können wir wieder kommunizieren, auch wenn eine Ehe anders aussehen sollte. Aber mir reicht ein harmonisches Zusammensein auf Distanz. Und ich glaube fast, ihm auch, denn vielleicht haben wir uns nur deshalb kennengelernt und eine Familie gegründet.

Dein Satz, man muss nicht jedes Pferd reiten, finde ich gut, und ich werde ihn mir in Zukunft immer wieder in meine Gedanken rufen.

Wir werden nächste Woche gemeinsam zu fünft in Urlaub fahren. Mir graut es schon davor, ich habe dann immer das Gefühl ich bekomme im Auto nicht genug Sauerstoff, aber ich werde das einfach mitmachen.

Ansonsten alles mäßig.. :cool:

Lieben Gruß
Kiwi
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