Zeitempfinden

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Imagohominis
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Zeitempfinden

Beitragvon Imagohominis » 6. April 2015, 16:42

Dass die Zeit nicht nur im physikalischen, sondern auch im psychologischen Sinne relativ sein kann, wird mir immer mehr bewusst.
Die Uhrzeit löst in mir immer Anspannung aus, weil sie für mich einen Zwang darstellt, eine Instanz, die dazu gedacht ist, mich mit allen anderen Menschen zu synchronisieren.. Termine machen, sich absprechen, wann was gemacht werden und wie man es machen soll - alles soll nach zeitlichen Parametern ablaufen, die - je mehr ich mich integrieren muss, umso belastender wird...
Ein Paradies ist für mich der Urlaub, wenn er mehrere Wochen andauert.. Dann beginnt ein wundervoller Prozess, nämlich die Befreiuung aus den Fesseln der Uhrzeit und der Widmung meines eigenen Chronometers! Dann kann ich mich bedenkenlos meinen Aktivitäten widmen ohne auch nur an die Uhrzeit zu denken... Ich habe während meines Urlaubes schon die Erfahrung gemacht, nicht mehr zu wissen, wie viel Uhr und welches Datum aktuell ist, weil ich nicht auf Uhren und Datum achte... Mir geht es in solchen Phasen eindeutig besser.

Wie heißt es so schön in einem Star-Trek Film: "time is a predator that stalks us all"

Wie empfindet ihr Zeit? Was haltet ihr von der Uhrzeit?
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Re: Zeitempfinden

Beitragvon Nebeltal » 6. April 2015, 18:43

Darüber hab ich letztens erst nachgedacht, relativität von Zeit. Ich glaube um den Alltag zu organisieren ist es notwendig einen Objektiven Maßstab für Zeit zu haben, doch ist sie am Ende des Tages ein subjektives empfinden. Angenommen ich spiele 1 Stunde ein Spiel, eh ich mich versehe ist die Stunde rumm, wenn ich allerdings 1 Stunde eine weiße Wand anstarre, kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Vielleicht gibt es gar nicht DIE ZEIT sondern jeder hat sein eigenes Zeitempfinden. Im Universum regiert die Ewigkeit, es dehnt sich auseinander und irgendwann zieht es sich vll. auch wieder zusammen, so entsteht dann der Eindruck einer linearen Zeitstruktur. Aber hier gerät man sehr stark in die Fundamentalphysik, wovon ich zu wenig Ahnung habe. Ich habe momentan noch einen Lebensstil, recht frei von zwängen und Verpflichtungen. Wodurch die Uhrzeit kaum noch eine Bedeutung für mich hat, ich stehe Mittags auf und wenn es Dunkel ist gehe ich ins Bett. Es ist als würde es keine Zeit geben. Nur um mich herum rast die Menschheit mit dem Turbokapitalismus ins Verderben, oder ins Paradies, da hat ja jeder seine eigene Meinung.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon nuechternheit » 6. April 2015, 18:55

@Imagohominis:
Ich weiß was du meinst. Da ich nicht so viele Verpflichtungen habe, hat die Zeit nicht so eine Macht über mich.
Was mich sehr stört, sind vorgegebene Zeiten. Ein Beruf in dem ich z.B. von Mo bis Fr von 9-17 arbeiten müsste, wäre für mich unerträglich. Einerseits ist das eine viel zu lange Zeit, die ich für etwas aufbringen müsste, das ich nicht tun will, andererseits heißt es, dass ich voraus planen und mich einem Rhythmus, der mir nicht entspricht, anpassen muss.

Abgesehen von diesen Unannehmlichkeit, für die das Konzept Zeit nichts kann, ist Zeit ein sehr praktisches Werkzeug, wenn man sich eben mit anderen synchronisieren möchte oder auch um die Welt zu beobachten und Überblick zu bewahren.
Der Tod wacht über die Lebenden.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon Nachtgängerin » 6. April 2015, 23:21

Was für ein schönes Threadthema. Ich kann das extrem gut verstehen, weil es mir genauso geht. Ich empfinde mich als Sklavin von Uhrzeiten und Terminen, und ich habe den Eindruck, diese Form der Gängelei wird von Jahr zu Jahr schlimmer.

Im Urlaub oder am Wochenende bin ich in Größenordnungen entspannter. Es ist ein großer Wunsch von mir, die Zwänge der Zeit hinter mir zu lassen.



Viele Grüße.
Und dann wird die Dunkelheit zur Pforte.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon SunlessDawn » 7. April 2015, 00:31

Ich finde es besonders spannend wie sich das persönliche Zeitgefühl mit dem älter werden verändert.
Als Kind kommen einem Tage wie Ewigkeiten vor, weil man ständig was neues erlebt. Dann der Beginn der Schulzeit die für mich unbegreiflich lang erschien. MIttlerweile vergehen Zeiträume wie man sie in der Schulzeit hatte, also 5 bis 10 Jahresschritte in einem ganz anderen Zeitgefühl.

Im kleineren Maßstab, im Sinne von nach der Uhr leben hat mich zwar das frühe aufstehen für die Arbeit immer genervt aber ein Morgenmuffel war ich deswegen nie. Auch die Arbeitszeit in der Buchhändlerausbildung habe ich fast immer auf eine gewisse Art genossen, weil man sich bei Leerlauf einfach ein Buch schnappen konnte :) Ich fühlte mich nicht gehetzt von der Zeit.

Seit dem Beginn der Depression und der derzeitigen "Auszeit" erlebe ich meine Zeit aber auch wieder ganz anders. Auf der einen Seite spüre ich eine innere Unruhe, weil mir die Therapie zu langsam anläuft. Auf 9gag gabs da ein schönes Bild,wie man von seiner Generation und dann auch von der folgenden Generation überholt wird. Bei mir könnte man da noch 2 bis 3 Generationen dranhängen...
Auf der anderen Seite weiß ich, dass diese Auszeit ein Geschenk ist, die nicht jeder Mensch bekommt und ich genieße es sie so verbringen zu können, wie ich grade möchte. Und dazu gehört im Moment auch, sich einfach jeden Abend zwischen 21 und 22 Uhr ins Bett zu legen und nach ein paar Serien um spätestens 12 Uhr zu schlafen und bis halb 11 morgens zu pennen.

Ich denke, dass ich, wenn ich in Zukunft geregelt arbeiten sollte, damit gut zurecht komme, auch wenns nicht der Traumjob ist. ICh ahtte meine Uhrzeitfreie zeit

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon DichterKnallFrosch » 7. April 2015, 14:08

Schmunzelnd und erstaunt zugleich muss ich feststellen, dass auch mich das Thema "Relativität der Zeit" in Hinsicht auf psychologische Prozesse (Zeitdilatation / Zeitkompression) seit kurzem beschäftigt. (hier: "psychologischer Dopplereffekt", eine Wörtschöpfung meiner Wenigkeit)

tiffi

Re: Zeitempfinden

Beitragvon tiffi » 7. April 2015, 16:57

imagohominis hat geschrieben:Die Uhrzeit löst in mir immer Anspannung aus, weil sie für mich einen Zwang darstellt, eine Instanz, die dazu gedacht ist, mich mit allen anderen Menschen zu synchronisieren

Das empfinde ich auch als Belastung.
je mehr Termine am Tag, umso enger das Gefühl. unruhiger
"freier" fühle ich mich, wenn ich weiß dass am Tag die Termine rum sind.
Vielleicht weil ich bei Terminen/Zeit(punkten) denke, dass da was passieren muss,
erwartet wird. Man eben nicht wie man gerade ist "vor sich hinmumt"

selbst Freizeit-Termine fand ich schon immer etwas stressig.
Und wenn ich mich dann doch damals mal mit einer Schulfreundin getroffen hab,
später in der überfüllten Stadt saß und sie sich regelmäßig verspätete, sowas
hat mich auch geärgert.
wenn schon Termin, wo ich nicht sein möchte, dann doch bitte pünktlich anfangen,
dass man da ne Art "Fahrplan" hat. (wanns wieder vorbei ist)

imagohominis hat geschrieben:Ein Paradies ist für mich der Urlaub, wenn er mehrere Wochen andauert.. Dann beginnt ein wundervoller Prozess, nämlich die Befreiuung aus den Fesseln der Uhrzeit und der Widmung meines eigenen Chronometers!

das fallenlassen in das eigene ist bei mir weniger geworden. Aber ich merke die Erholung, wenn es diese Zeiten gibt. und manchmal ist es auch länger ein friedlicheres Gefühl.

So ein richtig ungemessenes ungetriebenes Dahingleiten macht aber auch zeitweise ein bisschen Angst.
Es hängt davon ab.
Wenn ich mal am Boden angekommen bin...der "Strukturlosigkeit" gemessen an äußeren Verhältnissen,
fühlt es sich eigentlich richtig gut an.

Aber dazwischen wie freier Fall.
Manchmal baue ich auch in der Freizeit - eigentlich unnötige? - Maßstäbe ein.
Kurze online Spiele auf Geschwindigkeit z B....wieder und wieder und wieder....als gäbe es auch
einen Halt, die Zeit zu messen.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon Lemur » 8. April 2015, 14:33

Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl, was manchmal nervig sein kann. Habe ich mehrere Angelegenheiten nach einander außer Haus zu erledigen, kalkuliere ich meist mit Fahrplänen und Schätzwerten, wann ich aus dem Haus gehen muss. Zu Verabredungen komme ich aber chronisch zu früh, weil mir vom Gefühl her auch ein 10-Minuten-Weg vorkommt wie mindestens eine halbe Stunde. Auch bei lebensgeschichtlichen Ereignissen ist das nicht anders: Erlebnisse von vor 30 Jahren sind mir genauso nah wie das, was vor einigen Tagen passiert ist.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon tournesol » 8. April 2015, 14:48

Mir ist Zeit kein Problem mehr, seit ich Zeit in meinem Bewußtsein " die Autorität" entzogen habe ;)
/ und mir dieses immer ganz schnell bewußt mache, wenn es mich doch mal wieder erwischt :)

Komischerweise "weiß ich seitdem " immer automatisch ( sogar Minutengenau ...) wie spät es ist, wenn ich gefragt werde---auswendig....
Ich schau so gut ,wie nie auf Uhren----jedoch " am gefragt werden" hab ich des erst bemerkt.

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Re: Zeitempfinden

Beitragvon Imagohominis » 8. April 2015, 18:07

Erlebnisse von vor 30 Jahren sind mir genauso nah wie das, was vor einigen Tagen passiert ist.


Interessant - bei mir ist exakt das Gegenteil der Fall: Alles, auch der letzte Tag, vermengt sich mit allen anderen Erfahrungen in einen einzelnen Punkt.. Ich weiß, das etwas z.B. gestern war, aber emotional wiegt es nicht schwerer als ein Erlebnis vor 3 Jahren..
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