Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
Imagohominis
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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Imagohominis » 4. April 2015, 08:48

Zum Thema wollte ich noch schreiben, dass auch ich zu "vorgegebenen Terminen" nicht trauern, mitfühlen, Empfindungen zeigen kann, sondern in solchen Fällen allenfalls eine Art "Gesellschaftsdrehbuch" abarbeite (sofern es sich nicht vermeiden lässt).
Der Stress, den ein solche "Gefühle-zeigen-Zwang" in mir auslöst, kann immens sein.


Darüber mache ich mir auch schon einige Gedanken! Einige Familienangehörigen, obgleich wir uns nicht nahe stehen, kommen langsam in ein Alter, indem die Wahrscheinlichkeit zu sterben wächst. Diese Trauerfeste, Beerdigungen und anderen Rituale sind für mich höchst befremdlich, weil ich jemanden, der stirbt, nicht betrauere, sondern den Tod akzeptiere. Das war bei meinem Großvater auch so - deswegen tauche ich auch nicht auf Beerdigungen auf - eben wegen des "Gefühle-zeigen-Zwangs". Der Tod ereilt uns Menschen nunmal, kein Grund für mich, bestürzt oder traurig zu sein, sondern es ist für mich ein wohlwollender Beigeschmack des Lebens, das alles einmal enden wird.
Anders als meine Abneigung gegen die Beerdigung, sind Besuche von Grabmählern angenehm, weil man in Ruhe und alleine nachdenken kann.

Interessant, dass es einen Thread bzgl. des Themas Freuen gibt.. Das Freuen ist wie das Trauern ein fader, blasser Beigeschmeack des Lebens, den ich nur gelegentlich, aber wirklich kaum bis garnicht schmecke... Meine Gemütsschwankungen sind meistens konstant und der Übergang zwischen schlechter und guter Stimmung ist nicht besonders gravierend, sondern leicht veränderbar.. Manch ein gefühlsbetonter Mensch, den ich hierzu befragen bekonnte, zeichnete mir das Bild einer Eruption in der Gefühlslandschaft, die Freude oder Trauer auslösen - Ein Bild, das ich zugleich interessant als auch schlimm finde.. Bei mehr oder weniger konstanter Stimmung weiß ich jedenfalls, wie es mir am Tag X zur Stune Y gehen wird.. Gewissheit mag für den einen langweilig sein, für mich repräsentiert sie Ordnung.
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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Ambivalenz » 4. April 2015, 09:44

Imagohominis hat geschrieben:weil ich jemanden, der stirbt, nicht betrauere, sondern den Tod akzeptiere.

Man trauert ja nicht um die Toten, sondern des eigene Verlustes wegen.
Wenn eine enge emotionale Bindung wegfällt, ist das katastrophal. Der Tod als Trennungsgrund macht die ganze Sache unumkehrbar.
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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Yuri87 » 5. April 2015, 04:56

Ich würde für mich das nicht so beschreiben das ich zu überhaupt keiner Anteilnahme mit mir bekannten oder unbekannten Personen bin, jedoch ist das eher selten der Fall das mir der Tod von anderen wirklich etwas ausmacht.

Das ist in dem Fall der Germanwings-Maschine bei mir auch so, das mich das weder berührt noch weiter interessiert was aus den Angehörigen wird oder wer dort an Board war, jedoch bin da schon neugierig gewesen was denn dazu geführt hat das es zum "Absturz?" kam. Nachdem das jetzt soweit bekannt ist, ist der Fall dann auch schon für mich erledigt.

Auch ist das bis jetzt bei mir immer so gewesen das mich ein Tod bei Personen zu denen ich direkten Bezug hatte nie sonderlich nahe gegangen ist. Vielmehr kam dabei immer als erstes der Gedanke -wie verhalte ich mich jetzt am besten ohne die anderen zu verletzen oder zu sehr aufzufallen das mich das eher nervt wenn von allen Trauer erwartet wird und ich eigentlich am liebsten wo anders wäre als in der Trauergemeinde und hoffentlich muss ich nicht zur Beerdigung-. Wobei dazu gesagt sein sollte das es bis Jetzt nicht so viele Tode in meinen direktem Umfeld gab.

Anders sieht es dagegen aus wenn z.B. Musiker, Schauspieler oder andere Personen sterben die ich mag.
Da bin dann schon berührt wenn Jemand stirbt und will dann auch wissen woran Der.- oder Diejenige gestorben ist.
Genauso kann auch Mitleid mit mir völlig unbekannten Personen empfinden wenn z.B. Jemand von der Polizei erschossen wird ohne zu versuchen die Person anders (z.B. ein Schuss ins Bein) aufzuhalten.
Wobei das bei mir nahezu immer der Fall ist wenn Gewalt angewendet wird, das ich dann Hass auf die Verursacher bekomme und auch Mitgefühl mit den Betroffenen empfinde (Vorausgesetzt ich empfinde die angewendete Gewalt als unangemessen).
Besonders bei Gewalt gegen Tieren empfinde ich das so.

L.G. Yuri

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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon NoEvol » 5. April 2015, 11:14

4. Apr 2015, 09:44 » Ambivalenz hat geschrieben:[
Man trauert ja nicht um die Toten, sondern des eigene Verlustes wegen.
Wenn eine enge emotionale Bindung wegfällt, ist das katastrophal. Der Tod als Trennungsgrund macht die ganze Sache unumkehrbar.


Ich denke, aus genau dem selben Grund sind die meisten Menschen auch traurig, wenn sie sich von ihrem Partner trennen, bzw. wenn sich dieser von ihnen trennt.
Sie sind da nur nicht so traurig, wie beim Tod des Partners, weil ja immernoch die 'Hoffnung' besteht, dass diese Trennung rückgängig zu machen sei.
Aber ich sage nicht umsonst, dass die Hoffnung was ganz hinterf*tziges ist. ;)
Liebe Grüße

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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Imagohominis » 5. April 2015, 11:33

5. Apr 2015, 11:14 » NoEvol hat geschrieben:
4. Apr 2015, 09:44 » Ambivalenz hat geschrieben:[
Man trauert ja nicht um die Toten, sondern des eigene Verlustes wegen.
Wenn eine enge emotionale Bindung wegfällt, ist das katastrophal. Der Tod als Trennungsgrund macht die ganze Sache unumkehrbar.


Ich denke, aus genau dem selben Grund sind die meisten Menschen auch traurig, wenn sie sich von ihrem Partner trennen, bzw. wenn sich dieser von ihnen trennt.
Sie sind da nur nicht so traurig, wie beim Tod des Partners, weil ja immernoch die 'Hoffnung' besteht, dass diese Trennung rückgängig zu machen sei.
Aber ich sage nicht umsonst, dass die Hoffnung was ganz hinterf*tziges ist. ;)


Den Gedanken, das man eher den eigenen Verlust betrauert anstatt sich mit dem Schicksal des Toten auseinander zu setzen, kommt mir nicht in den Sinn.. Bei meinem Großvater z.b. empfand ich seinen Tod als angemessen, weil er 1. lange gelebt hat und 2. mehrere Krankheiten hatte. Zusätzlich trat der Tod im Schlaf ein. Günstiger hätte es nicht kommen können. Sein Tod rief Kindheitsassoziationen in mir hoch, aber ich habe mich gut gefühlt, einen Großvater wie ihn gehabt zu haben statt zu trauern. Der Tod ist nun einmal unumgänglich.
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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Sereniti » 5. April 2015, 11:45

@Imagohominis

Das zeugt von einer fehlenden emotionalen Bindung an ihn (was ich nicht glaube, da es ja etwas in dir ausgelöst hat) oder von Enttäuschungsprophylaxe (wozu ich eher bei dir tendiere). In diesem Fall aber (statistisch) angemessen wie ich finde. ich persönlich gehe auch derart vor, sofern es mir möglich ist.
Was ist es, dieses aus sich diffus überlappenden und gegenseitig beeinflussenden Teilen bestehende Etwas.

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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon Imagohominis » 8. April 2015, 20:27

5. Apr 2015, 11:45 » Sereniti hat geschrieben:@Imagohominis

Das zeugt von einer fehlenden emotionalen Bindung an ihn (was ich nicht glaube, da es ja etwas in dir ausgelöst hat) oder von Enttäuschungsprophylaxe (wozu ich eher bei dir tendiere). In diesem Fall aber (statistisch) angemessen wie ich finde. ich persönlich gehe auch derart vor, sofern es mir möglich ist.


Beide Möglichkeiten sind durchaus sinnvoll, um betrachtet zu werden.. Leider kenne ich mein tiefstes Inneres zu wenig, um darüber etwas sagen zu können.. Genau genommen nehme ich die Echos meiner Gefühle wahr....
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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon WeisserWolf » 20. April 2015, 14:39

Hallo,

Also bei mir ist es so, das es mir generell völlig egal ist wenn Menschen sterben die ich selber nicht kenne, sei es bei dem Flugzeug Absturz, oder bei irgendwelchen Flüchtlingsschiffen die untergehen, mich berührt sowas überhaupt nicht.
Immer wenn ich überall lese wie Leute ihre Trauer ausdrücken, oder gegen jene Hetzen die etwas negatives schreiben, schüttel ich mir den Kopf. Es sterben jeden Tag so viele Menschen, warum sollte man dann bei einem ebstimmten Ereignis aufeinmal trauern? Ich emfinde das immer als total Heuchlerisch, weil ich mir selber nicht vorstellen kann das die Leute da wirklich irgendwie Traurig o.ä. sind. Allerdings ist das bei Tieren anders, da werd ich sehr schnell traurig wenn ich da was schlechtes Lese oder sehe.

Geht es jemanden auch so? Liegt das nur an meiner Persönlichkeitsstörung, oder ist das auch bei "normalen" Menschen so?

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Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon NoEvol » 27. April 2015, 20:45

20. Apr 2015, 14:39 » WeisserWolf hat geschrieben:Geht es jemanden auch so? Liegt das nur an meiner Persönlichkeitsstörung, oder ist das auch bei "normalen" Menschen so?


Ich hab das auch. Keine Ahnung wieso diese Menschen nicht dauernt traurig/bedrückt sind, ich mein...nur weil irgendwo berichtet wird, dass wer stirbt, sind sie betroffen, aber über das Leid das vorgeht, von dem sie nichts wissen (weil nicht drüber berichtet wird), sind die nicht betroffen?

Ist für mich irgendwie widersprüchlich. Entweder sie trauern dann den ganzen Tag / haben den ganzen Tag über Anteil am leid anderer oder lassen es eben ganz sein.
Das mache ich z.B so :cool:
Ganz ehrlich, es ändert doch sowieso nichts am Tod dieser Personen, oder? Und den Familienangehörigen gegenüber würde ich nicht sagen, dass es mir egal ist. Wirklich sonderlich beachten würde ich sie aber auch nicht, weil ich eben davon ausgehe, dass eine Person die trauert in Ruhe gelassen werden möchte.

Wenns mir schlecht geht, will ich mit keinem reden, folglicherweise gehe ich sicherheitshalber auch davon aus, dass es bei anderen auch so ist.
Sollten sie darüber reden wollen, so müssen sie auch auf mich zukommen.
Sie wollen ja schließlich etwas von mir.
Liebe Grüße

NoEvol

spongebob

Re: Empfinde keine Trauer und Anteilnahme

Beitragvon spongebob » 30. April 2015, 22:00

bin da voll bei dir. habe mich auch gewundert wie das alle so betrifft. ich fande das ereignis ziemlich belanglos. 120 tote.... ?? na und ??? wäre ein busfahrer mit 50 menschen in einen abgrund gerast würde das keine sau interessieren. als ich 11 september gesehen habe live als die gebäude einstürzten hatte ich aber schon tränen in den augen


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