Wer ist hier der Alien?

Ein Leben in (völliger) Isolation? Du bist sehr introvertiert, ängstlich-vermeidend oder gar schizoid? Wie gehst du damit um?
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Wer ist hier der Alien?

Beitragvon nitschewo » 20. März 2015, 18:18

[mod="Admin"]Der ursprüngliche Vorstellungs-Thread von nitschewo wurde geteilt, damit die Diskussion, welche nun etwas von der reinen Vorstellung abtriftet hier weitergeführt werden kann. Grüße[/mod]



Hallo,

ich komme - wie passend - gerade aus dem Krankenhaus und habe beschlossen, dass es ja auch mal ganz lustig sein kann, was zu schreiben, wenn man gerade geistig nicht ganz auf der Höhe ist. (Danke für die Blumen an dieser Stelle an Unikum. Ich habe in den letzten Jahren für ein kleines Satireportal geschrieben, das färbt halt ab. SPS und Satire sind ein prima Gespann, wie ich finde. Aus meiner Perspektive ist die Welt ein unerschöpfliches Kuriositätenkabinett, speziell dort, wo sie sich selbst total normal findet.)

Das Krankenhaus war ein echtes Schockerlebnis für mich; Orinoco hat für jeden Satz meinen Applaus. Es war seit meiner Geburt mein erster Krankenhausaufenthalt, ich musste einen ambulanten Eingriff unter Vollnarkose vornehmen lassen, jetzt bin ich wieder daheim, und im Moment kann ich mir gar nicht vorstellen, meine Wohnung jemals wieder zu verlassen. Bloß keine Menschen mehr! Bei OPs kommen sie einem doch verdammt nahe, das war einfach viel zu viel.

Orinoco, du schreibst, dass du das Argument von der Uneinsichtigkeit des SPSlers in die Notwendigkeit einer Therapie für eine Schutzbehauptung hältst. Ich selbst bin da uneinsichtig, wo ich das Gefühl habe, eine Therapie solle dazu dienen, aus mir eine andere, angepasstere Persönlichkeit zu machen - quasi meine Kanten abzuschlagen, damit ich besser auf einer glatten Bahn rolle. Diesen Zweck schien bislang jede Therapie zu verfolgen. Niemand hat mich jemals gefragt, ob die Kanten für mich vielleicht auch einen Sinn haben, auch wenn sie mich am Rollen hindern. Es wurde einfach vorausgesetzt, dass ich gerne rollen möchte, weil halt alle rollen. Dass ein verkantetes Dasein für mich auch Qualitäten haben könnte, die ich gegen die Annehmlichkeiten des Dahinrollens nicht eintauschen möchte, wurde gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Gibt es aus deiner Sicht oder deiner Erfahrung Therapieansätze, die tatsächlich auf den SPSler abgestimmt sind? Vielleicht in der Form, dass man lernt, sich besser auszubalancieren (oder je nach Bedarf Stützräder an Kanten zu montieren?) Könnten sich Ärzte deiner Meinung nach effizient therapeutisch betätigen, wenn sie den Fokus auf einen individuelleren Heilungsansatz verlegten anstatt auf die Anpassung der Patienten an die aktuellen gesellschaftlichen Erfordernisse?

Was Medikation angeht, bin ich hundertprozentig bei dir. Nach über zwanzig Jahren sollte man mir doch wenigstens mal zuhören, wenn ich darauf verweise, dass Psychopharmaka bei mir noch nie die Wirkung gezeigt haben, die sie eigentlich haben sollte. Aber nein. Heute erst ließ ich meine vorsichtige Skepsis in Bezug auf das prä-operative Beruhigungsmittel ertönen, kriegte eine "Das-wirkt-schon"-Pille und verbrachte die zwei Stunden, die ich auf die OP warten musste, mit hektischem Gezeter und Geflatter. (DAS immerhin war dann nicht alleine mein Problem. Spätestens als ich im Keller ankam und das Narkoseteam sich um mich scharte, hatten alle was davon. Ich glaube mit Stolz von mir behaupten zu können, dass selten ein Routineeingriff soviel Aufsehen erregt hat. Was HAT sie denn bloß? :teufel: )

Aber jetzt bin ich wieder der friedlichste Mensch und gehe brav und erschöpft auf mein Sofa.

LG,
nitschewo

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon orinoco » 21. März 2015, 19:21

Hi nitschewo,

20. Mär 2015, 18:18 » nitschewo hat geschrieben:die Blumen an dieser Stelle an Unikum. Ich habe in den letzten Jahren für ein kleines Satireportal geschrieben, das färbt halt ab. SPS und Satire sind ein prima Gespann, wie ich finde. Aus meiner Perspektive ist die Welt ein unerschöpfliches Kuriositätenkabinett, speziell dort, wo sie sich selbst total normal findet.)


Wenn ich mir die ganzen Kabarettisten und Comedians ansehe ... ein Schelm der Böses dabei denkt ...

20. Mär 2015, 18:18 » nitschewo hat geschrieben:Orinoco, du schreibst, dass du das Argument von der Uneinsichtigkeit des SPSlers in die Notwendigkeit einer Therapie für eine Schutzbehauptung hältst. Ich selbst bin da uneinsichtig, wo ich das Gefühl habe, eine Therapie solle dazu dienen, aus mir eine andere, angepasstere Persönlichkeit zu machen - quasi meine Kanten abzuschlagen, damit ich besser auf einer glatten Bahn rolle. Diesen Zweck schien bislang jede Therapie zu verfolgen. Niemand hat mich jemals gefragt, ob die Kanten für mich vielleicht auch einen Sinn haben, auch wenn sie mich am Rollen hindern. Es wurde einfach vorausgesetzt, dass ich gerne rollen möchte, weil halt alle rollen. Dass ein verkantetes Dasein für mich auch Qualitäten haben könnte, die ich gegen die Annehmlichkeiten des Dahinrollens nicht eintauschen möchte, wurde gar nicht erst in Erwägung gezogen.


Ja, genau. Du wirst vom Arzt nicht auf Augenhöhe sondern von oben herab behandelt und nicht als Person ernst genommen, sondern als Rädchen, das wieder zu funktionieren hat. Leider gibt es auch nicht wenige Patienten (sogar die Mehrzahl), die nicht mehr sein wollen als ein Rädchen, das vom Arzt bitte schön wieder zusammengeflickt werden soll. Die kommen dann gleich mit so einer Bettelhaltung an: "Ach bitte Herr Doktor, geben Sie mir was, dass ich wieder gesund werde und so weitermachen kann wie bisher".
Und wer sich nicht als Fließbandware abfertigen lässt, der wird eben als uneinsichtig, unkooperativ und therapieunwillig abgestempelt.

20. Mär 2015, 18:18 » nitschewo hat geschrieben:Gibt es aus deiner Sicht oder deiner Erfahrung Therapieansätze, die tatsächlich auf den SPSler abgestimmt sind? Vielleicht in der Form, dass man lernt, sich besser auszubalancieren (oder je nach Bedarf Stützräder an Kanten zu montieren?) Könnten sich Ärzte deiner Meinung nach effizient therapeutisch betätigen, wenn sie den Fokus auf einen individuelleren Heilungsansatz verlegten anstatt auf die Anpassung der Patienten an die aktuellen gesellschaftlichen Erfordernisse?


Das ist eine gute, aber schwer zu beantwortende Frage. Ich würde mal sagen eine individuelle Betreuung ist sicher Voraussetzung aber noch nicht hinreichend für eine effiziente Therapie. Von Heilung möchte ich lieber nicht sprechen, da nach meinen Erkenntnissen wird eher behindert als krank sind. Und da bringt mich zu einem viel wichtigeren Punkt: wir brauchen nicht nur individuellere Betreuung, sondern vor allem neue Denkansätze. So wie wir uns von Lebenszielen, vergangener Lebenszeit und nicht nachholbarer Lebenserfahrung verabschieden müssen, muss sich eigentlich die Gesellschaft auch von der Vorstellung verabschieden, dass sie uns der neurotypischen Gesellschaft anpassen kann und wir nicht weiter stören. Von einem Querschnittsgelähmten erwartet ja auch keiner, dass er lernt Treppen zu steigen.
Ich bin jetzt so weit, dass ich anfange von meiner Umwelt zu verlangen sich mir anzupassen und auf meine Behinderung Rücksicht zu nehmen. Das sind mal ganz neue Therapieansätze. Soll der Psychodoc mal Verständnis für uns SPSler in die Gehirne der Neurotypischen einpflanzen, statt sinnlos an unseren Gehirnen seine nutzlosen Techniken für teures Geld auszuprobieren. Ich denke mit Verständnis der Umwelt ist uns SPSlern mehr geholfen als mit allem was sie uns an Therapie und Medikamenten angedeihen lassen wollen. Ich kläre meine Umwelt jetzt radikal auf und sag was Sache ist. Und ich kann jetzt meine Schutzmaßnahmen auch viel besser begründen. Bisher war mein Problem: ich wußte zwar dass ich so bin wie ich bin (ich hab vorhin ein paar Mail von vor 10 Jahren durchgelesen, schon damals wo ich noch überhaupt nichts von schizoid und vermeidendem Bindungstyp wußte, wußte ich intuitiv richtig dass sozialer Stress für mich ein Problem darstellt und ich das nur mit der Rückendeckung einer Bezugsperson ultimativen Vertrauens ertragen kann), aber ich wußte nicht warum ich so bin wie ich bin und nicht anders kann. Es gab dafür keinen offensichtlichen Grund, weshalb die Umwelt immer mit Unverständnis reagierte zumal eine offensichtliche, irrationale Diskrepanz zwischen externen Tatsachen und meiner Reaktion darauf bestand. Jetzt wo ich weiß, dass es auch interne Tatsachen in meinem Gehirn gibt, das Trauma, ist alles wieder vollkommen logisch. In meiner nach außen scheinbaren Irrationalität meiner Reaktion bin ich hinsichtlich der internen Tatsachen, dass ich eine Selbstschädigung durch Trigger, Stress und Re-Traumatisierung vermeiden muss, überraschend rational. Ein Rollstuhlfahrer stürzt sich ja auch nicht die Treppe runter.
Noch mal zurück zur individuellen Therapie: ich kann mir eine sinnvolle Behandlung im palliativen Sinn auch mit Medikamenten durchaus vorstellen, aber das geht auch nur wenn ich mit Arzt und Therapeut auf Augenhöhe bin und diese ehrlich um konstruktive Zusammenarbeit bemüht sind. Wenn diese aber weder ehrliches Verständnis noch mein Vertrauen haben, dann ergeht es ihnen wie allen verständnislosen Menschen denen ich begegne: *plonk*

Liebe Grüße

Orinoco
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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon Insuffizienz » 21. März 2015, 21:01

@orionoce

[Die Gesellschaft] [muss] sich eigentlich [...] auch von der Vorstellung verabschieden, dass sie uns der neurotypischen Gesellschaft anpassen kann und wir nicht weiter stören. Von einem Querschnittsgelähmten erwartet ja auch keiner, dass er lernt[,] Treppen zu steigen.
Ich bin jetzt so weit, dass ich anfange von meiner Umwelt zu verlangen[,] sich mir anzupassen und auf meine Behinderung Rücksicht zu nehmen.


Sehr guter Ansatz, das warmir noch gar nicht bewusst.
Ich denke dabei auch an "Hochsensibilität". (Ich gehe nur so am Rande davon aus, dass der Großteil von psychisch irgendwie gestörten, eher gestört gemachten, unter die Kategorie fällt, da ja wohl stark sensible Menschen die ersten sind, die verletzt werden und einen Schutzmechanismus oder was auch immer aufbauen müssen, bspw eine SPS.)
Wenn man bspw. auditiv hochempfindlich ist und sich nicht bei Hintergrundgeräuschen oder derartigem konzentrieren kann und gestresst ist, der Effekt potenziert sich bei bloßer Anwesenheit von anderen Menschen wegen der extremen "Gefühlsübertragung" o.ä., dann nimmt niemand darauf in der Gesellschaft von sich aus Rücksicht, weil die Betroffenen es nicht einmal indentifiziert haben.
Da wundern sich viele Menschen, warum sie nach der Schule bspw. totmüde zuhause ankommen, obwohl intellektuell nicht viel mehr als Berieselung von (teils schwachsinnigem, was Lerneffektivität betrifft nahezu zu 100% sinnlosem) Geschwafel geschieht.

Was ich damit sagen will, ist, dass es schade ist, dass die Gesellschaft sehr rückständig ist, was Bewusstsein für psychische Probleme betrifft. Es fängt ja gerade erst an, dass die Menschen stark Depressive nicht mehr als Faulenzener abtun.(s. #NotJustSad)

Ich sehe die SPS auch als eine Behinderung. Der Begriff bezieht sich ja eigentlich immer auf eine Abweichung der Norm, deshalb finde ich ihn auch sehr treffend.
Leider kann man die Wahrnehmung von Menschen nicht tauschen, um zu demonstrieren wie man erlebt. Und es kann auch nicht die Bildung über psychologische Themen erzwungen werden.
Die einzige Möglichkeit sehe ich auch im Kleinen. D.h. jeder, der mit mir sozial (zumindest freiwillig) zu tun hat, der muss sich meinen Grundbedürfnissen anpassen, denn die Flexibilität von Ungestörten ist eben deutlich höher als insbesondere die von Schizoiden. Leider muss ich auch immer wieder ansprechen, wie ich mich im sozialen Miteinander ansatzweise wohlfühle und nicht psychischen Druck erleide. Da kann ich nunmal keine Kompromisse eingehen, außer jemand wäre bereit für seinen sozialen Luxuswillen meine psychische, damit auch physische Gesundheit auf den Spiel zu setzen. Und derlei Gestalten können mir sowieso gestohlen bleiben, egal ob es wegen Dummheit, Unsensibilität oder Ignoranz geschieht.

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon orinoco » 21. März 2015, 23:46

21. Mär 2015, 21:01 » Insuffizienz hat geschrieben:Ich denke dabei auch an "Hochsensibilität". (Ich gehe nur so am Rande davon aus, dass der Großteil von psychisch irgendwie gestörten, eher gestört gemachten, unter die Kategorie fällt, da ja wohl stark sensible Menschen die ersten sind, die verletzt werden und einen Schutzmechanismus oder was auch immer aufbauen müssen, bspw eine SPS.)


An einer Einzelfall(selbst)prüfung wird man nie vorbei kommen, aber Hochsensibilität in Verbindung mit SPS dürfte sich in nicht wenigen Fällen auf eine frühkindliche postrtraumatische Belastungsstörung aka Ur-Trauma oder Mutterwunde zurückführen lassen, selbst in Fällen wo es dafür scheinbar gar keinen Grund gibt (Stichwort: covert trauma). Ein Leben ohne potentiell traumatische Ereignisse gibt es nicht. Schon das Feststellen des Kindes, dass es nicht eins ist mit der Mutter, sondern eine von ihr getrennte Person kann traumatisierend sein. Und es folgen noch ein ganze Reihe ganz natürlicher Entwicklungsschritte die traumatisierend sein können. Das Entscheidende ist, ob gleichzeitig die Resilienz, die seelische Widerstandsfähigkeit, entwickelt wird, und das ist zu 100% von der Zuwendung durch die primäre Bezugsperson i.d.R. die Mutter abhängig. Da genügt schon eine kleine Abweichung nach unten um ein Kind zu traumatisieren und ab da verselbständigt sich der Prozess.

21. Mär 2015, 21:01 » Insuffizienz hat geschrieben:Was ich damit sagen will, ist, dass es schade ist, dass die Gesellschaft sehr rückständig ist, was Bewusstsein für psychische Probleme betrifft. Es fängt ja gerade erst an, dass die Menschen stark Depressive nicht mehr als Faulenzener abtun.(s. #NotJustSad)


Wir stehen erst am Anfang. Ich hab auch erst seit ein paar Wochen, die entscheidenden Puzzleteile meines Lebens gefunden. Das ist nicht mal unter Fachleuten wirklich bekannt oder akzeptiert, geschweigedenn wird es gelehrt oder ist schon Allgemeinwissen.

21. Mär 2015, 21:01 » Insuffizienz hat geschrieben:Leider kann man die Wahrnehmung von Menschen nicht tauschen, um zu demonstrieren wie man erlebt. Und es kann auch nicht die Bildung über psychologische Themen erzwungen werden.


Man könnte aber die Schulpflicht mal zu was wirklich sinnvollem nutzen. Lieber ein paar Mathestunden Trigonometrie streichen und statt dessen Psychologie und Hirnforschung.

21. Mär 2015, 21:01 » Insuffizienz hat geschrieben:Die einzige Möglichkeit sehe ich auch im Kleinen. D.h. jeder, der mit mir sozial (zumindest freiwillig) zu tun hat, der muss sich meinen Grundbedürfnissen anpassen, denn die Flexibilität von Ungestörten ist eben deutlich höher als insbesondere die von Schizoiden. Leider muss ich auch immer wieder ansprechen, wie ich mich im sozialen Miteinander ansatzweise wohlfühle und nicht psychischen Druck erleide. Da kann ich nunmal keine Kompromisse eingehen, außer jemand wäre bereit für seinen sozialen Luxuswillen meine psychische, damit auch physische Gesundheit auf den Spiel zu setzen. Und derlei Gestalten können mir sowieso gestohlen bleiben, egal ob es wegen Dummheit, Unsensibilität oder Ignoranz geschieht.


Sicherlich sollte jeder SPSler erst mal in seinem privaten Umfeld eine IFZ¹ einrichten und sich erklären. Aber ich sehe das auch auf der politischen Agenda, so wie damals Sybille und Helmut Jatzko nach der Flugzeugkatastrophe von Ramstein auch auf politischer Ebene um die Akzeptanz von psychologischer Betreuung von (hochgradig traumatisierten) Opfern und Hinterbliebenen erst einmal kämpfen mussten.
Da unsere Gefühlswelt den neurotypischen so verschlossen bleibt, wie die ihrige uns, bleibt nur der Umweg über den Verstand. Und: ja, es geht um unsere Gesundheit, körperlich und seelisch. Und da müssen die Neurotypischen mehr Verantwortung übernehmen, weil sie die breiteren Schultern haben. Wir haben natürlich auch unsere Verantwortung. Gerade wenn wir nur noch den eigenen Schmerz spüren, sind wir häufig für die Gefühle der anderen kaum noch epathisch und können selbst verletzend sein. Da ist auch unsere Verantwortung gefragt, soweit dies möglich ist.
Und bis wir zu dem Punkt gekommen sind, wo die Gesellschaft uns nicht als Last, sondern unsere Behinderung (nicht unsere mitunter außergewöhnlichen Leistungen) als Bereicherung empfindet - mehr Achtsamkeit, Akzeptanz und Annahme im zwischenmenschlichen Bereich würde der ganzen Menschheit gut tun - wird es auch noch eine Weile dauern.

Liebe Grüße

Orinoco

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon Insuffizienz » 22. März 2015, 00:22

@orinoco

Das Entscheidende ist, ob gleichzeitig die Resilienz, die seelische Widerstandsfähigkeit, entwickelt wird, und das ist zu 100% von der Zuwendung durch die primäre Bezugsperson i.d.R. die Mutter abhängig. Da genügt schon eine kleine Abweichung nach unten um ein Kind zu traumatisieren und ab da verselbständigt sich der Prozess.


Das habe ich gar nicht bedacht, ist aber wahrscheinlich das Wichtigste...ich muss mein Verständnis revidieren, damit werden Hochsensible deshalb wahrscheinlich nicht automatisch prozentual mehr unter psychisch Gestörten vorzufinden sein; zumindest nicht in dem Ausmaß bei stärker Gestörten, welches ich annahm.
Ich danke dir für deine Information. :begeistert:

Man könnte aber die Schulpflicht mal zu was wirklich [Sinnvollem] nutzen. Lieber ein paar Mathestunden Trigonometrie streichen und [stattdessen] Psychologie und Hirnforschung.

Da muss ich dir stark widersprechen. Schulpflicht ist für mich immer unsinnig, denn ein Leben in weniger Freiheit als eigentlich möglich bestehen zu lassen, ist eben in meinen Augen sinnlos. (Das Folgende geht eher an die Allgemeinheit:)
Sobald man Menschen, z.B. Kinder (das sind auch Menschen, aber für sehr, sehr viele unselbstständige und solche zweiter Klasse, die man mit psychischen Methode ("Erziehung") nach seiner Vorstellung in eine Richtung ziehen will. Dass solch ein Verhalten gesund und menschlich ist, wage ich zu bezweifeln.)
zwingt, etwas zu lernen, wird der erwünschte Lernerfolg sehr gering sein, was die Neurowissenschaft nun bewiesen hat. Denn nur mit Begeisterung wird wirklich und nachhaltig sowie effektiv gelernt. Tatsache!
Als Randinformation möchte ich noch erwähnen, dass Deutschland das einzige Land in Europa und fast auf der Welt ist, das eine Schulpflicht führt.
Die Schulpflicht wurde während der NS-Diktatur in die Verfassung geschrieben und bis jetzt einfach ohne irgendeinen größeren Aufschrei einfach hingenommen.
Ich verstehe die Menschen nicht, ich verstehe nicht, warum Menschen ihren Horizont so klein halten. Es wird nur gefragt, ob G8 oder G9 besser ist oder sonst einen m.E. völlig belanglosen Schrott, hinwieder das System wird in größeren Medien höchstens am Rande kritisiert. Ich würde noch so viel mehr schreiben wollen...ich bin aber zu stark abgeschweift, ich höre schon auf. Aber meine Meinung musste gerade raus. XD
Vielleicht mache ich nochmal einen neuen Thread, um dem momentanen (insbesondere schulischen) Bildungssystem meine (recht unbelegte :D) Meinung zu geigen.

Gerade wenn wir nur noch den eigenen Schmerz spüren, sind wir häufig für die Gefühle der anderen kaum noch [empathisch] und können selbst verletzend sein. Da ist auch unsere Verantwortung gefragt, soweit dies möglich ist.

Unsensibilität/verletzende Kälte meinerseits gegenüber anderen ist mir schon oft aufgefallen. Deine Erklärung dafür sei mal dahingestellt, aber es ist ein ziemlich interessanter Aspekt.
Ich persönlich denke, dass dieses Verhalten daher rührt, dass man von sich auf andere schließt. Und wenn man keine Gefühle an sich heranlässt, dann denkt man natürlich, dass andere auch kein Problem mit groben Äußerungen oder grobem Verhalten hätten.

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon orinoco » 22. März 2015, 21:01

22. Mär 2015, 00:22 » Insuffizienz hat geschrieben:
Man könnte aber die Schulpflicht mal zu was wirklich [Sinnvollem] nutzen. Lieber ein paar Mathestunden Trigonometrie streichen und [stattdessen] Psychologie und Hirnforschung.

Da muss ich dir stark widersprechen. Schulpflicht ist für mich immer unsinnig, denn ein Leben in weniger Freiheit als eigentlich möglich bestehen zu lassen, ist eben in meinen Augen sinnlos. (Das Folgende geht eher an die Allgemeinheit:)


Das war auch nicht als Plädoyer pro Schulpflicht gemeint, sondern wenn schon Schulpflicht oder eher -zwang, dann bitte doch wenigstens etwas was einem im späteren Leben wirklich was nützt, als irgendwelches Trivialwissen, was man später sowieso nicht braucht.
Grundsätzlich stehe ich der Institution Schule als Massentrivialisierungsanstalt auch kritisch gegenüber, aber das führt an der Stelle vielleicht zu weit. Empfehlenswerte Lektüre dazu das Interview mit Heinz v. Foerster:
"Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners"
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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon Insuffizienz » 22. März 2015, 22:23

@orinoco

Ich habe dich schon verstanden, ich bin ja nicht dämlich.(nicht böse gemeint.)
Nur halte ich alle Änderungen oder neue Ideen für etwas sinnlos, wenn man dazu die größt*mögliche* Freiheit nicht durchsetzt. Aber das hast du sicher auch schon verstanden. Eine weitere Diskussion darüber ist natürlich sinnlos. ;)

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon NoEvol » 27. März 2015, 15:49

22. Mär 2015, 21:01 » orinoco hat geschrieben:Das war auch nicht als Plädoyer pro Schulpflicht gemeint, sondern wenn schon Schulpflicht oder eher -zwang, dann bitte doch wenigstens etwas was einem im späteren Leben wirklich was nützt, als irgendwelches Trivialwissen, was man später sowieso nicht braucht.
Grundsätzlich stehe ich der Institution Schule als Massentrivialisierungsanstalt auch kritisch gegenüber, aber das führt an der Stelle vielleicht zu weit. Empfehlenswerte Lektüre dazu das Interview mit Heinz v. Foerster:
"Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners"


Genauso sehe ich das auch.
Man könnte doch einfach mal schon im Kindergarten fragen "was willstn du später mal werden?"
Natürlich werden da die meisten Kinder mit "Lehrer" "Feuerwehrmann" "Polizist" oder whatever antworten.
Aber man könnte es doch dann so handhaben, dass man dann spezielle Klassen aufmacht, die dann eben gleich von Anfang an spezielle Fächer unterrichten.
Ich z.B hätte mich total gefreut, wenn ich Latein, anstelle von Spanisch gehabt hätte, weil mir das einfach mehr genützt hätte.
Japanisch hätte ich z.B auch total gerne gelernt.
(hab ich ja auch, nur eben außerhalb der Schule, weil meine Schule das nicht angeboten hat und ich auf keiner anderen Schule angenommen wurde, die das angeboten hat. Meine Noten waren einfach "zu gut für eine 17 Jährige")

Auch hätte ich total gerne BIO als LK gehabt, anstelle von Deutsch, weil ich das Fach einfach scheiße finde.
Aber mein Gymnasium hat vorgegeben, was ich als LK nehmen muss, ich konnte da NICHT wählen und hatte auch foglicherweise garnicht die selben Chancen ein genauso gutes Abitur abzulegen wie z,B jemand, der seine Fächer frei wählen kann, weil ich in Deutsch einfach generell, sehr wenig Punkte hatte. Und LK's werden nunmal leider doppelt gewichtet :roll:

Schulpflicht ist etwas freiwilliges und ich bin auch genau deshalb nicht zur Berufsschule gegangen, ich hab da eh nichts gelernt, war da von scheiß Menschen umgeben, die mich gestresst haben und bin da eigentlich auch nur wegen 3-4 Personen gewesen, aber ganz ehrlich...mit denen konnte ich auch was in meiner Freizeit unternehmen, mit einem hab ich das sogar gemacht :)

Und genau ab da beginnt bei mir eine Freundschaft : ab dem Moment, in dem ich auch mit jemandem etwas in meiner Freizeit unternehme, undzwar freiwillig von mir aus.

Und nicht aus einem "Ohh NoEvol, komm doch mit, das wird voll schön, wenn wir uns alle in so ne tolle Bar setzen, was trinken und reden, ach schön wandern gehen blahblah"-Zwang.
Wenn ich keine Lust hab mit irgendwem wandern zu gehen, mach ich das nich, wieso soll ich mich mit Menschen abgeben, die mir nicht gut tun?
Und wenn da eine Person dabei ist, die mir gut tut und irgendwie 20 andere, die ich scheiße finde, geh ich da bestimmt nicht hin.
Liebe Grüße

NoEvol

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon Insuffizienz » 27. März 2015, 16:20

Schulpflicht ist etwas [Freiwilliges][.]

Verstehe ich nicht? Hättest ja gucken können, was passiert, wenn du mit 6 nicht mehr zur Schule gegangen wärst...

Man könnte doch einfach mal schon im Kindergarten fragen "was willstn du später mal werden?"
Natürlich werden da die meisten Kinder mit "Lehrer" "Feuerwehrmann" "Polizist" oder whatever antworten.
Aber man könnte es doch dann so handhaben, dass man dann spezielle Klassen aufmacht, die dann eben gleich von Anfang an spezielle Fächer unterrichten.

Den Ansatz finde ich gut nur die theoretische Umsetzung misslungen. Warum muss es wieder "Unterricht" sein. Als wäre das das einzig Konzept fürs Lernen. Die immer gleichen Ideen zeugen doch von eingeschränktem Horizont...

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Re: Wer ist hier der Alien?

Beitragvon Geextah » 11. April 2015, 08:06

27. Mär 2015, 16:49 » NoEvol hat geschrieben:[...]
Man könnte doch einfach mal schon im Kindergarten fragen "was willstn du später mal werden?"
Natürlich werden da die meisten Kinder mit "Lehrer" "Feuerwehrmann" "Polizist" oder whatever antworten.
Aber man könnte es doch dann so handhaben, dass man dann spezielle Klassen aufmacht, die dann eben gleich von Anfang an spezielle Fächer unterrichten.
[...]

Vom Prinzip her ist die Idee gar nicht schlecht, jedoch würde ich es anders handhaben, denn seien wir mal ehrlich: Wer von uns ist heute Feuerwehrmann, Prinzessin, Balletttänzer oder Polizist? Wahrscheinlich so gut wie niemand ist genau das geworden, was er damals im Kindergarten werden wollte.

Ich zB weiß bis heute nicht, was ich werden will, wenn ich mal groß bin :D

Aber Kinder sind Forscher, sie wollen entdecken und erfahren; sie wollen die Welt verstehen. Deswegen wäre die Idee eines Unterrichts gar nicht verkehrt, wobei es sich dann nicht um Unterricht als solchen handeln sollte, sondern ähnlich der Schulen in Schweden, wo Gruppen unterschiedliche Themen bearbeiten und selbst forschen. Das würde bedeuten, sie könnten lernen, aber nicht in Form den konventionellen Unterrichts, wie wir ihn aus der Schule kennen.
Das würde die Entwicklung der Kinder massiv voran treiben und zugleich wäre dem einen oder anderen klarer, was er später mal werden will. Zumal der Forscherdrang nicht unterdrückt, sondern gefördert wird.
"Erfindungen bedürfen der ungestörten Ruhe, des stillen, beständigen Nachdenkens und eifrigen Erprobens, und all dies gibt nur die Einsamkeit, nicht die Gesellschaft der Menschen."
- Gerolamo Cardano -


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