Umfrage: Wie war deine Mutter?

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Wie hat sich deine Mutter dir gegenüber verhalten?

Ich bin ohne Mutter aufgewachsen.
1
2%
Die meisten Zeit hat meine Mutter adäquat auf mich reagiert, Fehler macht jeder mal.
8
19%
unnahbar und abweisend
4
10%
übergriffig und vereinnahmend
3
7%
mal abweisend, mal vereinnahmend
12
29%
aktiv Gewalt ausübend (körperlich oder sexuell)
2
5%
Ich möchte nur das Ergebnis sehen.
12
29%
 
Abstimmungen insgesamt: 42

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon Headmatter » 27. März 2016, 09:30

Meine Mutter war mir & meinen Geschwistern gegenüber durchweg abweisend. Als Kind kapierte man sehr schnell, sie besser nicht zu stören; sie ging lieber ihren Interessen nach, als mit einem Kind zu spielen usw. Körperkontakt war unerwünscht. Sie selbst ist mit schwarzer Pädagogik erzogen worden und übte diese an uns aus, d.h. setzte z.B. uns einer für das Kind beängstigenden Situation aus und verweigerte dann Hilfe mit dem erzieherischen Hinweis, dass es besser sei, früh genug im Leben zu lernen nicht mit Hilfe zu rechnen. Andererseits hatten wir alle Freiheiten, weil es unserer Mutter schlicht egal war, was wir taten oder ließen, es wurde auch nie gefragt. Ich konnte z.B. schon mit 15 über Nacht wegbleiben, ohne Bescheid zu sagen. Wichtig war nur, dass die Familie nicht "ins Gerede kam".

Hat jemand Hanekes "Das weiße Band" gesehen? Gibt die Atmosphäre ganz gut wieder, in der ich aufgewachsen bin. Hart wie Kruppstahl wollte meine Mutter uns.
"T. H. White always took great pains to be gentle precisely because he wanted to be cruel."

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon Mevilin » 27. März 2016, 10:17

Meine Mutter war eine sehr bedauernswerte Frau. So kann ich es heute sehen, - das hat viel Aufarbeitung benötigt. Im Grunde war meine Mutter ein Opfer. Die Kleinste von 14 Geschwistern, immer nur ein Mitläufer, Nachkriegszeiten, - sie hat niemals Selbstwert entwickeln können. Sie war unglaublich hübsch, also fing sie sich mein Vater, der ein Überselbstbewusstsein hatte, ein.

Leider fing meine Mutter als junge Frau bereits an, zu trinken. Ich kenne sie, solange ich im Elternhaus wohnte, nur betrunken. So viele Erinnerungen habe ich aber auch nicht, denn meine Vergangenheit ist geprägt mit etlichen Amnesien. Von meinen ersten 11/12 Lebensjahren weiß ich gar nichts. Da ist nur ein schwarzes Loch, mehr nicht.

Meine Mutter war sehr aggressiv, wenn sie getrunken hatte. Und sie war meinem Vater gegenüber immer sehr hilflos gewesen. Gefangen in einer Hass-Liebe, lebte sie bei mir, seiner einzigen Tochter und sein Ebenbild, den Hass aus, den sie bei ihm nicht ausleben konnte. Nächte verbrachte ich damit, mir anzuhören, ich sei genauso wie er, während Möbelstücke auf meinem Körper zerbrachen. An einem gesunden Schlaf war nicht zu denken, denn immer, wenn meine Mutter spät abends oder nachts nach Hause kam, dann kam sie ins Zimmer, griff mir in den Harren und zerrte mich so ins Wohnzimmer.

Ich hatte noch eine Halb-Schwester, die nicht von meinem Vater war. Sie bekam von meiner Mutter alle Liebe, die mir versagt war. Da ich von meinem Vater auch keine Hilfe erwarten konnte, und er auch sehr unberechenbar bis hin zu psychotisch agierte, zog ich mich in mich selbst zurück, und fing an, mir alleine zu helfen.

Meine Mutter ist nun 10 Jahre tot. Ich habe niemals wirklich um sie getrauert.
Komischer Weise ist das bei meinem Vater anders. Er starb jetzt im November an Krebs. Die Trauer ist enorm. Anders als zu meiner Mutter konnte ich zu meinem Vater, der früher auch sehr gewalttätig war, in den letzten Jahren eine Beziehung aufbauen. Anders als meine Mutter hat er sich sehr verändert. Anders als meine Mutter hat er sich auch irgendwann für alles entschuldigt, was er jemals tat. Als meine Mutter starb, empfand ich es als Befreiung. Als mein Vater starb, starb ein Teil von mir.
::::::::::::::::::::::
Ich fülle meine Jahre lieber mit Leben, als mein Leben mit Jahren, und zwar mein Leben.

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon hinterdemmond » 27. März 2016, 12:58

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon Indigocat » 27. März 2016, 20:47

27. Mär 2016, 12:58 » hinterdemmond hat geschrieben:oh, das ist interessant. wie kam es dazu? die meisten hauten nach der "wende" (damit meine ich bei uns die perestroika) aus kasachstan ab.


Mein Ex war kein Deutschstämmiger, sondern ein waschechter Kasache. Er war in der Sowjetarmee in Deutschland als Zivilangestellter stationiert. Die sowjetische Besatzungsmacht wurde in der Wendezeit aufgelöst. Auch war es hier sehr schwierig zu heiraten, es waren sehr viele Papiere notwendig, die mein Ex nicht beschaffen konnte, auch weil es den sowjet. Armeeangehörigen verboten war, Beziehungen mit Deutschen einzugehen. Ich wollte sowieso aus Deutschland raus. Ich hatte gerade das Abitur geschafft. Die DDR, die ich kannte, war ja zusammengebrochen, ich hatte Angst vor dem Leben und meine Mutter hat mich Null unterstützt, erstens weil sie selber zu der Zeit in eine Depression gerutscht war, außerdem wollte sie mich bewusst abhängig von sich halten. Es schien sehr bequem, sich an meinen Ex zu hängen und (wahrscheinlich unbewusst) das war die einzige Möglichkeit, meiner Mutter zu entkommen. So sind wir nach Kasachstan gezogen.

die deutschen aus kasachstan waren auch anders drauf als wir. es gab ja verschiedene deutsche bei uns. eher arme kleinbauern von der wolga. die wurden dann 1941 alle kompakt nach kasachstan verbannt, und lebten dort als einfache kolchosbauern weiter.


So genau kenne ich mich mit den Deutschen dort nicht aus, wir haben mal ein deutsches Dorf besucht, das war sauber und die Leute hatte festere, saubere Häuschen, haben also immer noch besser gelebt als die Russen oder gar die Kasachen.

reiche großbauern aus der südukraine, die wurden, falls nicht schon vorher nach der enteignung umgebracht, nach einer odyssee im krieg als flüchtlinge durch deutschland, in ural und sibirien zerstreut, und konnten dort oft in ermangelung an fachkräften unerwartet karriere machen.
hohe staatsbeamte, militärs, adlige usw. aus st. petersburg und anderen russischen städten, die waren, wenn sie überhaupt die zeit nach 1917 überlebten, die ersten verbannten.
man merkt es manchmal den leuten an ihrem verhalten bis heute noch, woher man stammt. das ist ganz krass. das zieht sich durch generationen durch.


Das ist interessant, das wusste ich bis jetzt nicht.

das waren alles sehr fähige handwerker, techniker, ingenieure. egal wo sie das schicksal hin verschlug, sie krempelten die ärmel hoch, spukten sich in die hände und begannen wieder sich ihren wohlstand aufzubauen.


Wow, alle Achtung. Davon bräuchte ich auch mal etwas ab... ;)

Aber da seid ihr unter den Russlanddeutschen auch eher die Ausnahme als die Regel, oder?. Die Leute, die hier so wohnen, dümpeln meist mit ALG II so vor sich hin, wobei die Frauen es immer noch schaffen, einen einfachen Job zu finden, die Männer aber meistens nicht.

na ja, sie war nicht mit sich selbst beschäftigt, sie war einfach nur oft völlig entkräftet und fertig mit den nerven. für sie war ja alles stress. sie hat, wenn sie nervös wurde, sofort roten, juckenden hautausschlag bekommen. dann kratze sie sich am ganzen körper und konnte nicht schlafen. trotzdem war da diese innere kraft, die sie antrieb und alles überwinden lies.


emotional hatte ich nicht viel von ihr zu erwarten. wir waren gut versorgt, uns ging's gut, also hatten wir die klappe zu halten. ich konnte höchstens zu ihr kommen, wenn ich probleme mit den hausaufgaben hatte. und sie hat immer meine ganzen hobbies unterstützt und finanziert. weil dann war ich beschaftigt, machte keinen unsinn und lies sie in ruhe.


Also ich bleibe bei vermeidend. Wenn sie emotional erreichbar gewesen wäre, nur manchmal überfordert, hätte man ja so eine Option wie: Normal, nur manchmal überfordert oder so machen können.

das hatte natürlich seine gründe. sie haben ja furchtbare sachen erlebt. vor 1917 waren das reiche großbauern in der südukraine. sie waren nicht nur reich, sondern hatten auch weitgehede sonderrechte. niemand ausser dem zaren persönlich konnte sich in ihre angelegenheiten enmischen, sie konnten jeden noch so hohen beamten, der nicht mit einem vom zaren persönlich unterschriebenen ukas kam, von ihrem land davon jagen. das unterschied sie auch von ihren landsleuten zb. in st. petersburg. die deutschen haben ja in russland alles aufgebaut. die verwaltung, das militär, die flotte, das bildungswesen, die medizin, die wirtschaft usw. und haben dort natürlich die wichtgsten posten besetzt. russen waren ja nur bauern oder adlige, dazwischen gab es lange zeit nichts. die deutschen drangen in dieses vakuum ein und füllten es aus.


Ich kenne die Rolle der Deutschen dort nur über den Film von Zar Peter I.

am besten wird das damalige verhältnis zwischen russen und deutschen in dem roman "oblomow" von gontscharow beschrieben: https://de.wikipedia.org/wiki/Oblomow


Den werde ich bei Gelegenheit mal lesen.

allerdings gab es auch großen zusammenhalt in der familie, ich habe mich komplett aufgehoben gefühlt irgendwie, trotz der ganzen emotionalen unzulänglichkeit. selbst meinen bekloppten alten herren versuchten sie zu integrieren.


Den Zusammenhalt habe ich in Kasachstan auch erlebt, wobei mich dieser als schizoiden Menschen eher eingeengt hat. Außerdem ist die Zugehörigkeit an Verpflichtungen gebunden. Zum Beispiel muss jeder, der es zu was gebracht hat, denen abgeben, die etwas brauchen, sodass niemand wirklich auf einen grünen Zweig kommt. Da die Kasachen Moslems sind, sind die Frauen auch weniger wert. In der Familie meines Ex galt aber eher die Devise: Blut ist dicker als Wasser. Also die eigenen Blutsangehörigen sind mehr wert als die angeheirateten, egal ob männlich oder weiblich. Außerdem wäre ich als jüngste Schwiegertochter verpflichtet gewesen, mich um die Eltern meines Mannes zu kümmern - nee danke. Das erste, als wir in Kasachstan ankamen, was meines Ex-SchwieMu gemacht war, war, meinen Ex gegen mich zu hetzen.

er wusste, dass sie eine hübsche summe für ein neues haus zusammengespart hat, und wollte das geld für die unterschrift.


Da kommt in mir die kalte Wut hoch, Null Verantwortungsbewusstsein, auch nicht für seine Kinder. Mein Ex war genauso.
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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon hinterdemmond » 28. März 2016, 04:09

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon hinterdemmond » 28. März 2016, 04:43

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon Indigocat » 28. März 2016, 14:46

27. Mär 2016, 10:17 » Mevilin hat geschrieben:Meine Mutter war eine sehr bedauernswerte Frau. So kann ich es heute sehen, - das hat viel Aufarbeitung benötigt. Im Grunde war meine Mutter ein Opfer.


Das wird wohl auf einen Großteil der Mütter hier zutreffen. Sie waren alle irgendwann Opfer in ihrer Kindheit und sind teilweise später zu Täterinnen geworden. Nichtdestotrotz muss man anerkennen, dass viele Mütter allen Widrigkeiten und psychischen Problemen zum Trotz im Alltag irgendwie funktioniert haben und ihrer Kinder versorgen konnten. Die wahren Heldinnen, über die aber selten in Filmen und Büchern geschrieben wird. Leider wird nicht selten die innere treibende Kraft dafür ihr Narzissmus gewesen sein. Aber ohne diesen Narzissmus wären sie schon lange vorher gestorben und hätten eben nicht das leisten können, was sie geleistet haben. Die emotionale Zufuhr für das Weiterfunktionieren der Mütter mussten nicht selten wir Kinder liefern.
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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon hinterdemmond » 28. März 2016, 15:57

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Re: Umfrage: Wie war deine Mutter?

Beitragvon Indigocat » 28. März 2016, 17:20

28. Mär 2016, 15:57 » hinterdemmond hat geschrieben:ja narzissmus ist eine starke kraft, die einen weit bringen kann. aber man kann auch was davon haben, ohne die ganzen negativen eigenschaften. mich treibt ja auch ständig irgendwas an und gibt mir keine ruhe. aber ich habe keine geltungssucht und auch kein bedürfnis danach andere abzuwerten, zu quälen und zu erniedrigen. umgekehrt, ich werde wütend und agressiv, wenn andere sowas tun. ich will für meine echten leistungen bewundert und respektiert werden und nicht für irgendwas. ohne diese kraft wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin, denke ich.


Auch bei den Berichten über deine Mutter habe ich keinen Narzissmus rausgelesen. Diese eigentümliche Kraft habe ich aber auch und ohne diese Kraft hätte ich jetzt nicht wenigstens einen Job und würde nicht auf eigenen Beinen stehen. Ich hab mal eine Familienaufstellung gemacht. Das Thema war eigentlich die Beziehung zu meinem Sohn. Da ist sie auch aufgetaucht, diese eigentümliche Kraft, hat sich aber nicht benennen lassen, woher sie nun kommt, ob sie männlich oder weiblich ist. Und wenn ich sie fassen wollte, ist sie zurückgewichen und schwächer geworden. :rätseln:
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