Gedichtesammlung

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knallschnute
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Gedichtesammlung

Beitragvon knallschnute » 8. Dezember 2012, 09:19

Hallo!

Sicher kennt der eine oder die andere ein gutes Gedicht oder schreibt selbst Gedichte? Hier ist ausreichend Platz für all die wortgewandten Schätze, die ihr in diesem Thread sammeln wollt. :rose:
(Bitte immer den Verfasser mit angeben, wenn es nicht euer eigenes Werk ist!)

Ich mach mal den Anfang mit diesem Gedicht:


[align=center]Geheimnis

Laß uns leise bekennen,
Daß wir uns kennen,
In so heimlich halben Lauten,
Wie kluge Vögel,
Die ihr Nest in die Wipfel bauten.

Ferne Zeiten
Haben verschleiert milde Götter,
Wie vor Strom und Tal sich breiten
Zweige, Blüten, dichte Blätter,
Daß sie gern dem kurzen Sommer trauten,
Die klugen Vögel,
Die ihr Nest in die Wipfel bauten.

Singen Vöglein heller,
Locken sie die Knaben,
Nesteplündrer, Vogelsteller.
Wenn die Zweige sich entlaubet haben,
Vor dem ersten Schnee hinaus ins Weite
Schwingt sich freudig Lieb an Liebchens Seite.

Wohl den Vögeln,
Die den freien Lüften sich vertrauten,
Den klugen Vögeln,
Die ihr Nest in die Wipfel bauten![/align]

[align=center](von Paul Heyse)[/align]
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon sdsdsdsv » 8. Dezember 2012, 10:07

[align=center]Das Los des Menschen

Der Glut des Sommers folgt des Herbstes Kühle
Dem Schneefeld folgt des Lenzes Blumenbeet;
Die Sonne hebt sich rosig in der Frühe,
Und rosig ist ihr Bildnis, wenn sie geht.

Die Bäche drängen in das Meer. Die Zeiten
Erneuen sich. Mit jedem Tagbeginn
Glänzt neu das Sonnenlicht, und unaufhörlich
Treibt neues Wasser durch die Ströme hin.

Der Mensch lebt einmal, - nimmer kehrt er wieder,
Sein Dasein ist ein Lufthauch, der zerfließt;
Die Summe seines Lebens ist ein armer,
Verfallner Hügel, darauf Unkraut sprießt.

Hans Bethge (1876-1946): „Die chinesische Flöte" Nachdichtungen chinesischer Lyrik[/align]

lauf

Re: Gedichtesammlung

Beitragvon lauf » 24. Dezember 2012, 14:40

[align=center]GLÜCK

Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.

Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht was Friede ist.

Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,

Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.

(H. Hesse)[/align]

marie

Re: Gedichtesammlung

Beitragvon marie » 31. Dezember 2012, 04:01

Wir sehen den Unglücklichen, der doch in eben der Stunde,
wo er die Tat beging, sowie in der, wo er dafür büßet,
Mensch war wie wir, für ein Geschöpf fremder Gattung an,
dessen Blut anders umläuft als das unsrige,
dessen Wille anderen Regeln gehorcht als der unsrige;
seine Schicksale rühren uns wenig,
denn Rührung gründet sich ja nur auf ein dunkles Bewusstsein
ähnlicher Gefahr, und wir sind weit entfernt,
eine solche Ähnlichkeit auch nur zu träumen.

Friedrich Schiller, Der Verbrecher aus verlorener Ehre

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Müde

Beitragvon Huch » 31. Dezember 2012, 04:40

Ich bin müde, sehr müde, vielem überdrüssig, emotionsloser Beobachter; seit langem.
Der Schlaf kommt und geht, jede Nacht, immer wieder, und doch bringt er keine Erholung.
Wenn die Nacht doch endlos wäre und der Schlaf Wochen oder Monate, brächte das Erleichterung?
Und wenn Du beim Einschlafen neben mir lägst, vielleicht Deinen Kopf auf meine Brust gelegt, und Du dabei hörtest wie mein Herz schneller schlägt, während ich mich schlaftrunken in Deiner Wärme suhle und Deine Nähe genieße? Beim Aufwachen hast Du noch den Schlaf in den Augen, Dein Haar ist zerzaust und wirr. Doch Du lächelst mich an, und das ist der schönste Augenblick der Welt, schöner als alle grauenden Morgen zusammen.

von mir
Zuletzt geändert von Huch am 31. Dezember 2012, 11:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Mod-Team » 31. Dezember 2012, 09:48

Hallo Huch,

bitte gib bei deinem Gedicht noch den Verfasser an, auch wenn du es selbst bist.
Damit schützt du deine eigenen Werke und es bleiben nach außen hin keine Fragen mehr offen!

Besten Dank.
Mod-Team

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Vernunft

Beitragvon Huch » 4. April 2013, 14:58

Dich ansehen, Deine Augen, Dein Näschen
Deine Nähe kosten, Deine Wärme
Dein Lächeln erleben, Deine Sanftheit
Dich berühren, Deine Lippen, Deine Haut
An Deinem Nacken riechen, Dich schmecken
Mit all meinen Sinnen in Dich tauchen
Oft erlebt in meinen Träumen
In schwachen Momenten
Oder waren es starke?
Aber ich bin kein Teenie mehr
Angst, Schmerz und Demütigung
Seit über vierzig Jahren
Meine Träume sind vorbei
Zeit, erwachsen zu werden!


von mir
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon knallschnute » 4. April 2013, 17:11

Ein sinnliches und irgendwie trauriges Gedicht, Huch.
Es zeigt zu Anfang die Schwärmerei oder Verliebtheit eines Menschen, der sich nicht sicher ist, ob diese Träume in schwachen oder starken Momenten entstehen. Das Résumé besagt jedoch, dass die Wirklichkeit eine andere zu sein scheint und Träume/Schwärmereien im Leben "eines Erwachsenen" keinen Platz haben.
Was macht denn unser Leben aus, wenn nicht unsere Träume?
Ich kann dir gut nachfühlen und spüre oft am eigenen Leib, wie es mich im Alltag runter zieht, wie wenig Platz da für meine Phantasien bleibt.
Erst gestern dachte ich mir, dass ich trotz vieler Widrigkeiten im Leben meine Träume nicht vernachlässigen sollte. Sie sind mein Lebenselixier und bewahren mich vor einer inneren Abgestumpftheit oder regelrechten Lustlosigkeit am Leben. Sind es nicht vor allem die Träume, die uns Menschen zusammen führen - insbesondere dann, wenn es sich um die Gleichen handelt? :herzballon:

Lieben Gruß,
Knallschnute
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon sdsdsdsv » 26. April 2013, 17:41

[align=justify]Ein Mann gibt Auskunft

Das Jahr war schön und wird nicht wiederkehren.
Du wußtest, was ich wollte, stets und gehst.
Ich wünschte zwar, ich könnte dir's erklären,
und wünsche doch, daß du mich nicht verstehst.

Ich riet dir manchmal, dich von mir zu trennen,
und danke dir, daß du bis heute bliebst.
Du kanntest mich und lerntest mich nicht kennen.
Ich hatte Angst vor dir, weil du mich liebst.

Du denkst vielleicht, ich hätte dich betrogen.
Du denkst bestimmt, ich wäre nicht wie einst.
Und dabei habe ich dich nie belogen!
Wenn du auch weinst.

Du zürntest manchmal über meine Kühle.
Ich muß dir sagen: Damals warst du klug.
Ich hatte stets die nämlichen Gefühle.
Sie waren aber niemals stark genug.

Du denkst, das klingt, als wollte ich mich loben
und stünde stolz auf einer Art Podest.
Ich stand nur fern von dir. Ich stand nicht oben.
Du bist mir böse, weil du mich verläßt.

Es gibt auch and're, die wie ich empfinden.
Wir sind um soviel ärmer, als ihr seid.
Wir suchen nicht, wir lassen uns bloß finden.
Wenn wir Euch leiden sehn, packt uns der Neid.

Ihr habt es gut, denn Ihr dürft alles fühlen.
Und wenn Ihr trauert, drückt uns nur der Schuh.
Ach, uns're Seelen sitzen wie auf Stühlen
und sehn der Liebe zu.

Ich hatte Furcht vor dir. Du stelltest Fragen.
Ich brauchte dich und tat dir doch nur weh.
Du wolltest Antwort. Sollte ich denn sagen:
»Geh!«

Es ist bequem mit Worten zu erklären.
Ich tu es nur, weil du es so verlangst.
Das Jahr war schön und wird nicht wiederkehren.
Und wer kommt nun? Leb wohl! Ich habe Angst.

(Erich Kästner)[/align]

[bbvideo=425,350]http://www.youtube.com/watch?v=MT9tbqQ7ZLI[/bbvideo]

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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon knallschnute » 26. April 2013, 19:32

Vielen Dank für dieses Gedicht, lieber Sdsdsdsv!
Das passt irgendwie sehr gut ins Forum! :alien:

Lieben Gruß :herz:
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