Gedichtesammlung

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Soleil
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Soleil » 27. April 2013, 15:28

Narbe

Das Fleisch
verheilt
auf ewig nicht
gekapselt nur die eine Stund
die taube Stelle im Gehirn
die Mensch und Leben
in zwei Hälften teilt.

Der Atem
ringt
vergeblich weiter
ins Leere recken sich die Hände
die Fragen bohren tief ins Innre sich
und wie die Lüge auf der andern Seite
nur leeres Nichts nach außen dringt.

Der Schrei
mit halber Macht
gehadert
er wird gebettet und erstickt
mein Herz zerreißt die Welt
in aller Stille
ist mir als wäre nie gelacht.

Die Wand
ist hinter mir
und vor mir auch
kenn ich die Welt nicht wieder
der Kampf verloren schon von Anbeginn der einen Stund
die Narbe, sie bleibt ewig gleich
weil sie nicht lassen wird von Dir.


Das habe ich selbst schon vor Längerem geschrieben, in einer der Phasen, in der er Schluss gemacht hatte. Nach dem Gedicht von Erich Kästner vielleicht ein kleiner Versuch, die andere Seite auszudrücken. Soleil

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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon icebaby » 28. April 2013, 16:51

Bitte höre, was ich nicht sage

Lass dich nicht von mir narren,
lass dich nicht durch das gesicht täuschen,
das ich mache, denn ich trage masken,
masken, die ich fürchte abzulegen.
und keine davon bin ich.
zu tun als ob ist eine kunst, die mir zur zweiten natur wurde.
aber, lass dich dadurch nicht täuschen, ich mache den eindruck, als sei ich umgänglich,
alles sei heiter in mir, und so als bräuchte ich niemanden.
aber, glaub mir nicht!
mein äusseres mag sicher erscheinen, aber es ist meine maske.
darunter bin ich, wie ich wirklich bin:
verwirrt, in furcht und allein
aber ich verberge das.
ich möchte nicht, dass es irgendjemand merkt.
beim blossen gedanken an meine schwächen
bekomme ich panik und fürchte mich davor,
mich anderen überhaupt auszusetzen.

gerade deshalb erfinde ich verzweifelt masken
hinter denen ich mich verbergen kann.
eine lässige fassade, die mir hilft, etwas vorzutäuschen,
die mich vor dem wissenden blick sichert, der mich erkennen würde.
dabei wäre dieser blick gerade meine rettung.
und ich weiss es.

wenn es jemand wäre, der mich annimmt und mich liebt.
das ist das einzige, das mir sicherheit geben würde,
die ich mir nicht selbst geben kann,
dass ich wirklich etwas wert bin.
aber, das sage ich dir nicht. ich wage es nicht.
ich habe angst davor.

ich habe angst, dass dein blick nicht von annahme und liebe begleitet wird.
ich fürchte, du wirst gering von mir denken und über mich lachen.
und dein lachen würde mich umbringen.
ich habe angst, dass ich tief drinnen in mir nichts bin
nichts wert, und das du das siehst und mich abweisen wirst.

so spiele ich mein spiel, mein verzweifeltes spiel,
eine sichere fassade aussen, und ein zitterndes kind innen,
ich rede daher im gängigen ton, oberflächlichen geschwätzes,
ich erzähle dir alles, was wirklich nichts ist, und nichts von alledem, was wirklich ist,
was in mir schreit, also lass dich nicht täuschen von dem, was ich aus gewohnheit rede.

bitte hör sorgfältig hin und versuche zu hören, was ich nicht sage, was ich gerne sagen möchte,
was ich aber nicht sagen kann
ich verabscheue dieses versteckspiel,das ich da aufführe.
es ist ein unechtes,oberflächliches spiel.
ich möchte wirklich echt und spontan sein können.
einfach ich selbst, aber du musst mir helfen.
du musst deine hand ausstrecken, selbst wenn es gerade das letzte zu sein scheint, was ich mir wünsche.
nur du kannst mich zum leben rufen
jedesmal wenn du freundlich und gut bist, und mir mut machst
jedesmal, wenn du zu verstehen suchst, weil du dich wirklich um mich sorgst,
bekommt mein herz flügel, sehr kleine flügel, sehr brüchige schwingen, aber flügel!
dein gespür und die kraft deines verstehens
geben mir leben, ich möchte, dass du das weisst
ich möchte, dass du weisst, wie wichtig du für mich bist
wie sehr du aus mir den menschen machen kannst,
der ich wirklich bin, wenn du willst.

bitte, ich wünschte, du wolltest es
du allein kannst die wand niederreissen, hinter der ich zittere,
du allein kannst mir die maske abnehmen,
du allein kannst mich aus meiner schattenwelt,
aus angst und unsicherheiten befreien, aus meiner einsamkeit.

übersieh mich nicht, bitte übergeh mich nicht,
es wird nicht leicht für dich sein
die langandauernde überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke mauern.
je näher du mir kommst, umso blinder schlag ich zurück.
ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie.
aber, man hat mir gesagt, dass liebe stärker ist, als jeder schutzwall
und darauf hoffe ich.

wer ich bin, willst du wissen?
ich bin jemand, den du sehr gut kennst,
und der dir oft begegnet.
(Charles C.Finn)
so sollen denn meine meinungsäusserungen nur das mass meiner sehkraft offenlegen, nicht das mass der dinge, die welt - der spiegel meines selbst.

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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon WWSCDneutrino » 29. April 2013, 15:49

@icebaby: das Gedicht ist wunderbar! vorallem endlich mal was das das ganze WIRKLICH ausdrückt... ich zumindest bin irgentwie zu blöd es in Worte zu fassen. :)



Das folgende ist nicht von mir, allerdings soll ich denjenigen angeblich dazu instpiriert haben.
.
.
.


Wenn sich die Splitter zusammen fügen, zu dir mein ich;

mein du?

mein ich?

mein selbst?

Die Welt steht Kopf, das Chaos fließt.


.
.
.

es ist kurz, aber dennoch voller Ausdruck.

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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon icebaby » 29. April 2013, 22:28

hallo WWWSCDneutrino,
freut mich, dass dir das gedicht gefällt - mir gefallen auch deine zeilen...
:glück: gute nacht
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Ambivalenz » 30. April 2013, 02:45

Das Menschen-Kaleidoskop

In der Mitte sitzt Es.
Das Es - Metapher; nicht Körper.

Im weiten Raum um es herum schweben sie. Die Scherben.
Große und kleine. Manche bunt schillernd, andere monochrom.
Einige in Farben, für die es keinerlei Worte gibt.

Die einzige Lichtquelle - das Es selbst.
Ein weiches, sehr schwaches Licht geht von ihm aus.
Zu schwach, als daß es außerhalb dieses Raumes etwas erhellen könnte.
Hier unten aber, wo außer ihm nur Finsternis herrscht, reicht es aus, um all die Scherben glitzern, schillern und glänzen zu lassen.

Der Raum: umgeben, begrenzt, geschützt von dicken Spiegel-Platten.
Hoffentlich dick genug. Alles andere wäre undenkbar.

Im Inneren werfen die Spiegel das Dämmer-Licht des Es wieder und wieder durch den mit Scherben gefüllten Raum.
Die Bewegungsmuster der gläsernen Partikel: ständig verändert, dirigiert von eifrigen, metaphorischen Händen.

Multiversen aus Farbe und Reflexion entstehen und vergehen.

Viele gehen Tag für Tag am Menschen-Kaleidoskop vorbei, ohne es zu bemerken.
Kein Wunder, gleicht seine Hülle doch einem der Ihren.
Täuschen die Spiegel im Außen doch Regung vor, wo keine ist.
Einige wenige erkennen allerdings, daß sie da nur eine verzerrte Reflexion ihres Selbst vor sich haben.
Und wenden sich entrüstet oder gelangweilt ab.
Gut so.

Selten, ganz selten, aber passiert etwas Tragisches:
Von Neugier, echtem Interesse, Hilfbereitschaft oder anderem getrieben, tritt jemand näher heran an dieses seltsame Ding.
Nahe genug um durch einen Spalt zwischen den Spiegeln einen Blick ins Innere zu werfen.
Wenig zu erkennen, durch eine so winzige Öffnung. Ein kleines Glitzern und Funkeln vielleicht.
Und aus Neugier wird Faszination.

"Mehr; zeig mir mehr!" ruft der Faszinierte in das außen so kalte, innen aber so viel verheißende Ding.
Das Es, naiv und weltfremd, tut ihm den Gefallen. Lässt einen der unzähligen Splitter des Ich, das einst war oder hätte sein können, emporschweben; hinauf zu der fordernden Stimme.

"Oh wie schön!" Der Außenstehende kann das ihm Dargebotene kaum fassen.
Und versucht es trotzdem.
Tastende Finger zwängen sich durch den Spalt, um das glitzernde, funkelnde Etwas zu erhaschen.
Doch das einzige, was sie zu fassen bekommen, ist scharfkantiges Glas.
Verletzt, erschrocken, empört sucht der Eindringling das Weite.

Was bleibt, ist die Hoffnung.
Das die spiegelnden Platten des Menschen-Kaleidoskops nicht eines Tages auseinanderfallen.
Denn was bliebe von ihm übrig?
Ein Haufen Scherben am Wegesrand.

Ambivalenz

ps: Wohl eher Prosa als Lyrik. :verlegen:
Kam als Ergebnis eines Gedankenspiels heraus, bei dem ich mir überlegte, was meine ehrlichste Antwort auf Fragen a la "Wie fühlst du dich/geht es dir?" wäre.
:Ballon:
Zuletzt geändert von Ambivalenz am 1. Mai 2013, 13:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon icebaby » 30. April 2013, 14:33

ist ja unglaublich schön, hast das wirklich du geschrieben?

danke! :rose:

icebaby
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Ambivalenz » 30. April 2013, 15:37

Ich muss mich vielmehr bei dir bedanken; icebaby. :röslein:

Ja, der Text ist von mir. Hatte, ehrlich gesagt, schon die Befürchtung, er wäre zu "heavy", würde eher depressiv rüberkommen und den/die Leser herunterziehen. Dabei sollte er eher transportieren, was ich unter Melancholie verstehe: Das Schöne im Traurigen; die Traurigkeit im Schönen. :träumen:

Nochmals vielen Dank für deine Antwort. Lässt sie mich doch glauben, sich ab und an - und sei es auch nur anonym in einem Forum - ein wenig zu öffnen, könnte weniger katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen als angenommen, vielleicht gar heilsam sein.

MfG Ambivalenz :kleeblatt:
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon icebaby » 30. April 2013, 22:11

ja genau, so ist es auch bei mir angekommen - das schöne im traurigen; die traurigkeit im schönen... du schreibst wirklich sehr schön, sehr stimmig -

ach ambivalenz, bin mir sicher, dass es wenig katastrophale konsequenzen hätte, wenn du dich ein wenig öffnen würdest - :katze:

"wenn wir länger mit einem menschen zusammen sind, glauben wir, dass er uns kennt. tatsächlich weiss er eine menge über uns, aber erst, wenn wir ihm unsere geschichten erzählen - die zu herzen gehenden begebenheiten, in denen sich unsere konflikte, süssen augenblicke und enttäuschungen, unsere wildesten hoffnungen und träume zeigen - offenbaren wir ihm unser wirkliches, verletzliches selbst. wenn wir einander unsere geschichten nicht erzählen, sind wir einander nur eindimensionale, weisse leinwände, auf die wir nichts als die eigenen vorstellungen projizieren". Thomas Mann


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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Huch » 30. April 2013, 22:24

Hallo,
es muß immer ein wenig traurig sein, /damit/ es schön ist. Und man muß auch nicht groß reimen, ein Prosagedicht ist oft besser. Ich glaube in der heutigen Zeit sogar die häufigste Form. Man braucht sich auch nicht unbedingt an ein Versmaß zu halten. Solange es gut klingt, wenn man es vor sich her sagt, hast Du alles richtig gemacht. Und das hast Du, Ambivalenz.
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Re: Gedichtesammlung

Beitragvon Ambivalenz » 30. April 2013, 22:54

Huch hat geschrieben:es muß immer ein wenig traurig sein, /damit/ es schön ist.

Da hast du ohne Zweifel recht.
Die schönsten Momente im Leben sind gleichzeitig auch die traurigsten; weiß man doch: Dies hier lässt sich nicht festhalten, wird nie wieder so sein, im nächsten Augenblick ist es bereits Geschichte - eine Erinnerung, die mit der Zeit verblassen wird, bis nur noch diffuse Sehnsucht zurückbleibt.

Danke dir
Ambivalenz
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