Smartphones, Internet und "The Machine Stops"

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Cronn
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Smartphones, Internet und "The Machine Stops"

Beitragvon Cronn » 7. Oktober 2013, 04:25

Hallo zusammen! :winken:

Die Diskussion über Smartphones in einem anderen Thread hat mich an eine sehr interessante Science-Fiction-Kurzgeschichte erinnert, die ich vor einigen Jahren mal las, E. M. Forsters "The Machine Stops", im deutschen entweder "Die Maschine bleibt stehen" oder "Die Maschine versagt".

http://dystopischeliteratur.org/2011/03/01/e-m-forster-die-maschine-bleibt-stehen/

Zum Inhalt:
In einer fernen Zukunft haben sich die Menschen von der - vermeintlich - unbewohnbaren Erdoberfläche zurückgezogen und leben unterirdisch im inneren einer riesigen, bienenstockähnlichen Maschine, jeder in seiner eigenen Wabe, die ihn mit allem versorgt, was er zum Leben braucht. Direkter Kontakt und direkte Erfahrungen sind verpönt und gelten als primitiv und barbarisch, Kontakt erfolgt nur noch über Bildtelefone, und die einzige Beschäftigung besteht darin, Ideen zu entwickeln und auszutauschen.

Die Lektorin Vashti wird eines Tages von ihrem Sohn Kuno kontaktiert, der sie um ein direktes Treffen bittet. Nach einigem Zögern und Widerwillen, da sie keinen Sinn in direktem Kontakt sieht, stimmt sie schließlich zu und reist per Luftschiff zu ihm. Kuno erzählt ihr, dass er mit "Heimatlosigkeit" bedroht wurde, der Verstoßung an die Oberfläche, weil er einen eigenen Weg aus der Maschine gefunden hat und kurze Zeit an der Oberfläche war. Er erzählt ihr, wie wunderbar diese direkte Erfahrung war, und beschwört sie, die selbstgeschaffene Versklavung der Menschheit durch die Maschine zu erkennen. Vashti ist entsetzt darüber, dass ihr Sohn offenbar "zu einem Wilden degeneriert", wie sie es empfindet, und wendet sich von ihm ab.

Jahre später bekommt sie erneut eine Nachricht von ihm. Kuno erzählt ihr, dass die Maschine versagt. Sie versteht nicht, was er damit meint und lacht ihn aus. Doch in der folgenden Zeit kommt es zu immer mehr Fehlfunktionen in der Maschine, da das Reparatursystem selbst defekt ist und kein Lebender noch weiß, wie die Maschine eigentlich funktioniert. Statt Reparaturversuche zu unternehmen beginnen die Menschen, zu der Maschine zu beten, die längst zu ihrem Gott geworden ist. Erst als das System endgültig zusammenbricht und sie durch ein von einem abstürzenden Luftschiff gerissenes Loch einen Blick auf den Himmel werfen kann erkennt Vashti ihren Irrweg, und Kuno erzählt ihr, dass er an der Oberfläche Menschen gesehen hat, die vielleicht die Keimzelle einer neuen Zukunft sein könnten.

---

Diese Geschichte stammt aus dem Jahre 1909, und trotzdem wirkt sie heute im Zeitalter von Internet und Smartphones aktueller denn je. Wenn die Menschen selbst in den Mittagspausen auf der Arbeit sich lieber mit ihren Smartphones beschäftigen, als miteinander zu reden, haben wir dann nicht schon einen großen Schritt in diese Richtung getan? Es scheint, dass direkter Kontakt immer mehr an Bedeutung verliert und durch indirekte Kommunikation und Erfahrungen aus zweiter Hand - Youtube & co. - ersetzt werden.

Und die Geschichte ist noch in einem anderen Bezug interessant: Aus schizoider Sicht erscheint sie mir gleichzeitig erschreckend und faszinierend. Wäre eine solche Gesellschaft nicht in mancher Hinsicht das schizoide Ideal? Es wurde hier schon mehrmals die Frage aufgeworfen, wie wohl eine vollkommen schizoide Gesellschaft aussehen und funktionieren würde. Vielleicht hat E.M.Forster diese Frage vor mehr als 100 Jahren bereits beantwortet... ;)

Wer des Englischen mächtig ist kann die komplette Geschichte auch im Internet auf Wikisource lesen:

http://en.wikisource.org/wiki/The_Machine_Stops

Außerdem gibt es eine sehr gelungene Verfilmung aus dem Jahre 1966, ebenfalls auf englisch, auf Youtube:

[bbvideo=425,350]http://www.youtube.com/watch?v=kvrGUnIFuRs[/bbvideo]

Wer sich für dystopische Science-Fiction interessiert, sollte sich diese Geschichte nicht entgehen lassen. In Deutschland scheint sie leider weitgehend unbekannt zu sein, zu deutschen Fassungen konnte ich bislang nicht viel finden, außer einigen Hinweisen auf ältere Sammelbände. Falls jemand Links zu einer deutschen Fassung oder Verfilmung kennt, wäre es nett, sie hier anzufügen. :)

Liebe Grüße,
Cronn

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Ambivalenz
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Re: Smartphones, Internet und "The Machine Stops"

Beitragvon Ambivalenz » 7. Oktober 2013, 09:11

Interessanter Entwurf einer "schizoiden Gesellschaft". Obwohl es da doch Punkte gibt, die nicht in dieses Schema passen. Vor allem wären Schizoiden Abweichler herzlichst egal; über deren Gedankengut würde wahrscheinlich sogar sehr gern diskutiert. Der ewige Zweifel an allem und jedem lässt Freidenker eher zu, als der Glaube an die "Norm".
Mit anderen Worten: Würde ich in dieser Welt leben, und jemand käme mit der Idee auf mich zu, außerhalb des geschlossenden Systems gäbe es eine "freie Welt", dann fände ich den Gedanken äußerst interessant und würde ihn/sie bitten, doch nach einer etwaigen Expedition entsprechendes Bildmaterial mitzubringen. Vielleicht würde ich sogar selbst den einen oder anderen Abstecher nach draußen wagen. Die Kapsel würde aber immer meine Heimat bleiben. :schweigen:

Was nun die reale Welt und den Trend zu einem digitalen/telefonischen Miteinander angeht: Ich sehe da ganz und gar nicht den Anfang einer schizoiden Gesellschaft. Eher einer, in der man als Schizoide(r) weniger auffällt bzw in der es einfacher ist, Abstand zu halten. Sicherlich nimmt das physische Miteinander ab. Aber andere - ganz und gar nicht schizoide - Sachen nehmen überhand. Ich rede von der "Kommunikation um der Kommunikation (oder gar Selbstdarstellung) willen"! Da posten Menschen zeitnah ihren gesamten Tagesablauf - u.a. dass sie sich gerade auf der Toilette befinden! Es gibt nicht gerade wenige, die felsenfest davon überzeugt sind, dutzende (oder gar hunderte) Freunde zu haben, weil ihnen das ihr "Status" anzeigt! :übel:

MfG Ambivalenz, dir für diese interessante Geschichte dankend :glück:
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Re: Smartphones, Internet und "The Machine Stops"

Beitragvon Nebeltal » 7. Oktober 2013, 14:07

Sehr interessant, man kann durchaus parallelen zur heutigen Zeit erkennen. Aber ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen, die meisten Menschen sind ja doch soziale wesen und auf zwischenmenschlichen Kontakt angewiesen und sie würden ihn auch suchen.
Es ist sehr interessant darüber nachzudenken was Computer im allgemeinen in Zukunft für eine Rolle einnehmen werden. Der Fortschritt in diesem Bereich ist unglaublich. Es gibt ja eine These die ich sehr Interessant finde, die Technologische Singularität. Das ist der Punkt an dem sich Computer quasi selbständig machen können und ihre Künstliche Intelligenz von selbst weiterentwickeln und so uns Menschen weit voraus sein werden. Diese Maschinen besitzen dann eine derart hohe Intelligenz bzw Rechenleistung und wissen dass sie in Lage sind den Technischen Fortschritt so schnell voran zu treiben dass wir Menschen ihnen schlichtweg nicht mehr folgen können. Aber es wäre vielleicht auch der Zeitpunkt an dem Rätsel gelöst werden, wozu wir Menschen nicht in der Lage wären.
Back to topic:
Ein schizoides Ideal ? hmm also ich bin nicht gerne schizoid, ich hasse mich dafür. Und eine Gesellschaft die meine abnormalen Züge noch unterstützt möchte ich nicht. Aber Ich bin froh dass es heute die Möglichkeit gibt über skype, foren etc zu kommunizieren. Das hilft mir etwas nicht ganz zu vereinsamen und mich gleichzeitig davor schützt anderen Menschen zu nahe zu kommen. Ja ok es widerspricht sich etwas, aber ich glaube der widerspruch ist auch bei vielen schizoiden ein zentrales Problem.


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