Hab das Buch von Lang "Das geteilte Selbst" auch, und bin noch am Anfangsteil, da mir das durchgängige
Lesen sehr schwer fällt, durch die fehlende Konzentration seit einigen Jahren, und ich mehrere Bücher
parallel in Etappen lese. Hab es aber gestern nochmal etwas weiter gelesen.
yxcvbnm hat geschrieben:Ich zitierte hier im Forum schon an anderer Stelle Laing und tue es abermals:" Welche Misserfolge oder Erfolge dem Falschen Selbst-System auch immer begegnen, das Selbst kann unverpflichtet und undefiniert bleiben. In der Phantasie kann das Selbst jeder sein, überall sein, alles tun, alles haben. Es ist so omnipotent und vollkommen frei - aber nur in der Phantasie. Verpflichtet es sich einmal irgendeinem realen Projekt, leidet es Qualen der Erniedrigung - nicht notwendigerweise wegen des Fehlschlags, sondern einfach, weil es sich der Notwendigkeit und der Kontingenz unterwerfen muss. Es ist omnipotent und frei nur in der Phantasie. Je mehr dieser phantastischen Omnipotenz und Freiheit gefrönt wird, desto schwächer, hilfloser und gefesselter wird es in Wirklichkeit. Die Illusion von Omnipotenz und Freiheit kann nur innerhalb des magischen Kreises der eigenen Abgesperrtheit in der Phantasie aufrechterhalten werden, und damit sich diese Haltung nicht durch das geringste Eindringen der Realität auflöst, müssen Phantasie und Realität voneinander getrennt werden." ('Das geteilte Selbst', S.103; 1960)
Nun, er führt weitere prägende Beispiele dazu an. Unter anderem, dass die Omnipräsenz der erdachten Möglichkeiten ein Handeln versagt.
Ich denke, nach deiner kurzen Vorstellung, dass du dir durch dein Studium bereits große Möglichkeiten erarbeitet hast. Entscheidungslosigkeit 'koste' dich mehr, als sich falsch entschieden zu haben und danach einen anderen Weg zu gehen.
Dieser Teil hat mich schon sehr angesprochen, da mir der Konflikt bekannt vorkommt:
In der Phantasie alles erhalten, alles sein können, Weite:
In der Realität eine Scheu spüren, Grenzen, Bedingungen, und wenn doch hineinbegeben, dann eine Art
Erniedrigung und Enge spüren. Nur ein Bruchteil, der übrig bleibt vom großen Traum vom Fliegen.
Ebenso denke ich, dass ich es kenne, aus dem "falschen Selbst" zu handeln, und hierin weniger berührt
zu sein,was sich daraus entwickelt. Dann kann ich sagen: bin ja eh nicht "ich oder was wichtiges",
also egal ob ich halbwegs durchkomme oder auch scheitere.
Wenn ich die ersten zwei Sätze aus dem Zitat richtig verstehe, würde aber das Sein im "falschen Selbst"
diese omnipotente Welt weiter aufrecht erhalten?
"Ich lebe nur die Notlösung, aber ich hab ja was riesiges in der Hinterhand?"
Und das wäre dann lt. Laing keine gute Lösung, sondern würde das echte Selbst eher schwächen?
Mit Verbindung andererseits, wenn das Selbst "mit hinein startet" in die Realität, erlebt es dann
Erniedrigung, Notwendigkeiten,
Kontingenz*)?
Wird denn in dem Buch eine Synthese aufgezeigt, wie man das Selbst erhalten und gleichzeitig nach
außen hin leben kann?
Hat es mit deinem Schluss-Satz zu tun @yxcvbnm, lieber starten und wählen und in "EINE" Richtung
zu gehen, und dann so frei zu sein, sich weiter zu korrigieren?
Ich selber stelle mir einen Umgang damit wie ein Gleichgewicht vor aus beschaulich sein / Kontakt
Innenwelt / Vision und dann handeln, in einer Art Pendelbewegung.
Dann wieder zurück (ins Innere) und ggf. Schritte korrigieren. Und wieder raus in die Welt, ins konkrete.
Aber genauso empfinde ich es so, dass ich auch schon oft in einer Starrheit eines falschen Selbst
verloren habe,das Existenz / Funktionieren / Überleben sichern sollte;
und dahinter ist die potentielle Welt des Selbsts dann eher verblasst, vor lauter Notwendigkeiten und
Angst, es angepasst und richtig zu machen und nicht aufzufliegen. Als Erwachsene.
Als Kind und Jugendliche war die innere Welt viel stärker da.
Da scheute ich aber z B im Punkt romantische Liebesbeziehung einen Schritt nach vorne, denn je näher
es am Traum sich befand oder versprach es zu sein, umso verletzlicher sah es aus, wenn es dann mit
der "banalen Realität" in Verbindung kommen sollte.
Bei Annäherung einer realen Situation fühlte ich mich, als würde meine Innenwelt mich mit Angst,
Ohnmacht und Stromschlägen zurückspringen lassen.
Es ist diese Schwierigkeit, etwas unbegrenztes in einen ganz konkreten Schritt zu bringen und
dann nach und nach eine Form und Gewohnheit zu zementieren, Grenzen zu erleben und spezielle
Eigenheiten der Dinge, die man dann real erlebt.(die andere Dinge ausschließen).
Könnte damit vielleicht auch der Drang zusammenhängen, nicht zulange an etwas gebunden
sein zu wollen (Arbeitsplatz, Wohnung, Freundschaft, Beziehung), lieber wieder die "allgemeine Weite"
zu erleben und eine neue Wahlfreiheit mit neuen Wahlmöglichkeiten und dieser Innenwelt, in der man
erstmal von seinem Konstrukt Abstand gewinnen muss und wieder in alle Richtungen atmen und denken
und innerlich sein kann und es nötig ist?
► Text zeigen
Im Grunde scheint mir da ja Spiritualität eine Synthese zu sein, den Raum zum unspezifischen unbegrenzt
Möglichen zu erhalten, trotz eines konkreten Gebundenseins.
Dann wäre es fast egal, in welcher Lebenssituation ich "zementiert" bin, bzw ich könnte hier und da noch
an Feinheiten schrauben.
Aber den Fakt, dass ich irgendwo nun festgelegter bin, da gewählt und einen Schritt gegangen, der
sich in irgendeiner Form manifestiert, den könnte ich nie ganz vermeiden.
Und würde ich es vermeiden wollen: Geschieht lt Laing, aber auch lt Beobachtungen in der Realität
noch mehr Selbstverlust und Schwächung.
Vielleicht gibt es dann auch noch andere Synthesen, wo diese Weite erhalten bleibt, trotz spezifischer
"in einer Situation sein".
Z. B. Künstler sein mit Zugang zum unbewussten und diesem weiten Raum.
Zwischenmenschliche Begegnungen mit diesem Fokus? (erscheint mir zu phantastisch; womöglich
käme da noch "Liebe" oder Liebe ins Spiel; die wird aber an anderen Orten ge- und missbraucht).
Substanzen scheinen ja auch einen Zugang zu eröffnen (oder zu verschließen, wenn man z. B.
mit aller Macht das falsche Selbst zementieren will und nichts weiteres durchkommen soll,
da eignet sich Alkohol besonders gut).
Ich hab ja gen null Erfahrung mit Substanzen (abgesehen von zweimal kiffen), aber ich hätte die
Befürchtung, dass ich bei Substanzen nicht mehr aus meiner weiten großen Omniwelt herauskomme
und dann nicht mehr den Weg in das konkrete schaffe, diese Pendelbewegung, die ich nötig finde.
Ich bin substanzlos schon viel zu "phantastisch angeregt", für mich wäre das eher Gift/ too much und
ich habe den Effekt (für mich ausreichend) ohne weiteres Verstärken und Bahn brechen müssen.
*) Was bedeutet hier Kontingenz eigentlich? Dass nicht ALLES passiert und auch nicht alles berechnete,und gewünschte, sondern etwas
unvorhersehbares, zufälliges?
Wobei ja auch genau dieses unvorhergesehene dann wieder "Teile vom echten Selbst" herausfordern kann, die man in der verharrten Kiste
in den Träumen nicht erlebt. So schlecht ist das auch nicht, wobei Übergänge und Neues auch echt zehrend und beängstigend sein können.