Laing: Das geteilte Selbst.

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schnuff
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Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon schnuff » 3. Juni 2018, 20:34

Obiges Buch scheint hier kurioserweise noch nicht genannt sein?
(Suche hat nix ausgespuckt)

Ist doch ein Standardwerk zum Verständnis schizoider Mechanismen (und hilft damit auch einem selbst, wenn an so einen Tick hat ;) )

http://www.psychologie-guide.de/ronald- ... elbst.html

Themis

Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon Themis » 4. Juni 2018, 13:36

Ja. Vor allem das Kapitel "Das innere Selbst im schizoiden Zustand" fand ich sehr treffend und erhellend. Da wurde die lebenslange Selbstwahrnehmung plötzlich von jemandem bestätigt.

schnuff
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Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon schnuff » 4. Juni 2018, 19:50

Ja, ich finde den ganzen Mittelteil unheimlich gut und auch insgesamt sehr "dicht" (= man kann es mehrfach lesen und Neues entdecken).
Dass es schon ein paar Jahre hinter sich hat, spielt da eigentlich keine grosse Rolle.

Kann ich echt empfehlen, zumal man es für'n paar Euro nur bekommt, wenn auch leider nicht digital.

Egal, ob man nun sich selbst oder jemand anderen ein wenig besser verstehen möchte.

tiffi

Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon tiffi » 14. September 2018, 10:43

Hab das Buch von Lang "Das geteilte Selbst" auch, und bin noch am Anfangsteil, da mir das durchgängige
Lesen sehr schwer fällt, durch die fehlende Konzentration seit einigen Jahren, und ich mehrere Bücher
parallel in Etappen lese. Hab es aber gestern nochmal etwas weiter gelesen.
yxcvbnm hat geschrieben:Ich zitierte hier im Forum schon an anderer Stelle Laing und tue es abermals:" Welche Misserfolge oder Erfolge dem Falschen Selbst-System auch immer begegnen, das Selbst kann unverpflichtet und undefiniert bleiben. In der Phantasie kann das Selbst jeder sein, überall sein, alles tun, alles haben. Es ist so omnipotent und vollkommen frei - aber nur in der Phantasie. Verpflichtet es sich einmal irgendeinem realen Projekt, leidet es Qualen der Erniedrigung - nicht notwendigerweise wegen des Fehlschlags, sondern einfach, weil es sich der Notwendigkeit und der Kontingenz unterwerfen muss. Es ist omnipotent und frei nur in der Phantasie. Je mehr dieser phantastischen Omnipotenz und Freiheit gefrönt wird, desto schwächer, hilfloser und gefesselter wird es in Wirklichkeit. Die Illusion von Omnipotenz und Freiheit kann nur innerhalb des magischen Kreises der eigenen Abgesperrtheit in der Phantasie aufrechterhalten werden, und damit sich diese Haltung nicht durch das geringste Eindringen der Realität auflöst, müssen Phantasie und Realität voneinander getrennt werden." ('Das geteilte Selbst', S.103; 1960)

Nun, er führt weitere prägende Beispiele dazu an. Unter anderem, dass die Omnipräsenz der erdachten Möglichkeiten ein Handeln versagt.

Ich denke, nach deiner kurzen Vorstellung, dass du dir durch dein Studium bereits große Möglichkeiten erarbeitet hast. Entscheidungslosigkeit 'koste' dich mehr, als sich falsch entschieden zu haben und danach einen anderen Weg zu gehen.
Dieser Teil hat mich schon sehr angesprochen, da mir der Konflikt bekannt vorkommt:
In der Phantasie alles erhalten, alles sein können, Weite:
In der Realität eine Scheu spüren, Grenzen, Bedingungen, und wenn doch hineinbegeben, dann eine Art
Erniedrigung und Enge spüren. Nur ein Bruchteil, der übrig bleibt vom großen Traum vom Fliegen.

Ebenso denke ich, dass ich es kenne, aus dem "falschen Selbst" zu handeln, und hierin weniger berührt
zu sein,was sich daraus entwickelt. Dann kann ich sagen: bin ja eh nicht "ich oder was wichtiges",
also egal ob ich halbwegs durchkomme oder auch scheitere.

Wenn ich die ersten zwei Sätze aus dem Zitat richtig verstehe, würde aber das Sein im "falschen Selbst"
diese omnipotente Welt weiter aufrecht erhalten?
"Ich lebe nur die Notlösung, aber ich hab ja was riesiges in der Hinterhand?"
Und das wäre dann lt. Laing keine gute Lösung, sondern würde das echte Selbst eher schwächen?

Mit Verbindung andererseits, wenn das Selbst "mit hinein startet" in die Realität, erlebt es dann
Erniedrigung, Notwendigkeiten, Kontingenz*)?

Wird denn in dem Buch eine Synthese aufgezeigt, wie man das Selbst erhalten und gleichzeitig nach
außen hin leben kann?

Hat es mit deinem Schluss-Satz zu tun @yxcvbnm, lieber starten und wählen und in "EINE" Richtung
zu gehen, und dann so frei zu sein, sich weiter zu korrigieren?


Ich selber stelle mir einen Umgang damit wie ein Gleichgewicht vor aus beschaulich sein / Kontakt
Innenwelt / Vision und dann handeln, in einer Art Pendelbewegung.
Dann wieder zurück (ins Innere) und ggf. Schritte korrigieren. Und wieder raus in die Welt, ins konkrete.

Aber genauso empfinde ich es so, dass ich auch schon oft in einer Starrheit eines falschen Selbst
verloren habe,das Existenz / Funktionieren / Überleben sichern sollte;
und dahinter ist die potentielle Welt des Selbsts dann eher verblasst, vor lauter Notwendigkeiten und
Angst, es angepasst und richtig zu machen und nicht aufzufliegen. Als Erwachsene.

Als Kind und Jugendliche war die innere Welt viel stärker da.
Da scheute ich aber z B im Punkt romantische Liebesbeziehung einen Schritt nach vorne, denn je näher
es am Traum sich befand oder versprach es zu sein, umso verletzlicher sah es aus, wenn es dann mit
der "banalen Realität" in Verbindung kommen sollte.
Bei Annäherung einer realen Situation fühlte ich mich, als würde meine Innenwelt mich mit Angst,
Ohnmacht und Stromschlägen zurückspringen lassen.

Es ist diese Schwierigkeit, etwas unbegrenztes in einen ganz konkreten Schritt zu bringen und
dann nach und nach eine Form und Gewohnheit zu zementieren, Grenzen zu erleben und spezielle
Eigenheiten der Dinge, die man dann real erlebt.(die andere Dinge ausschließen).

Könnte damit vielleicht auch der Drang zusammenhängen, nicht zulange an etwas gebunden
sein zu wollen (Arbeitsplatz, Wohnung, Freundschaft, Beziehung), lieber wieder die "allgemeine Weite"
zu erleben und eine neue Wahlfreiheit mit neuen Wahlmöglichkeiten und dieser Innenwelt, in der man
erstmal von seinem Konstrukt Abstand gewinnen muss und wieder in alle Richtungen atmen und denken
und innerlich sein kann und es nötig ist?
► Text zeigen
*) Was bedeutet hier Kontingenz eigentlich? Dass nicht ALLES passiert und auch nicht alles berechnete,und gewünschte, sondern etwas
unvorhersehbares, zufälliges?
Wobei ja auch genau dieses unvorhergesehene dann wieder "Teile vom echten Selbst" herausfordern kann, die man in der verharrten Kiste
in den Träumen nicht erlebt. So schlecht ist das auch nicht, wobei Übergänge und Neues auch echt zehrend und beängstigend sein können.

tiffi

Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon tiffi » 14. September 2018, 22:43

Jetzt bin ich gerade bei dem Ende vom Anfangs-Teil (so ab Seite 40 ca.)

- keine gute Selbstbasis
- keine erlebte Konstanz
- die eigene Bezugswelt wird außerhalb von anderen beschaffen / kann kaum noch jemand betreten.
- Wahngefühle / Wahnwelt
- andere Menschen sind keine Belohnung sondern Bedrohung für die Aufrechterhaltung des
fragilen Systems
- depersonalisierte, objektivierte Wahrnehmung (von außen erfahren, ggf. auch selbst das Bedürfnis danach)

Berührt mich irgendwie unangenehm (mit deprimierendem Beigeschmack); sind die anderen irgendwie
doch konstanter und man selbst versucht auf rohen Eiern die Quadratur des Kreises?

Und das noch heroisch zu rechtfertigen, als "Besonderheit". Ein User sagte mal hier, wir sind "arme Würstchen".
Wird als Dauerhaltung für mich auch nicht haltbar sein, aber klingt mir manchmal noch nach, wenn die
Erschütterung,die Unsicherheit, das schwierige bis unmögliche sich verdichtet.

Themis

Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon Themis » 16. September 2018, 20:44

Dennoch glaube ich, dass man als Schizoide/r mehr innere Freiheit hat: Die Anderen funktionieren besser, sind viel passgenauer aufs äußere Leben eingestellt. Der Schizoide aber hat mehr Sensoren nach innen ausgebildet und kennt sich in der Innenwelt von Menschen besser aus. Eigentlich fast in der Anderer mehr als in der eigenen (sonst könnte man sich ja besser steuern). Von der eigenen ist man leider oft zu weit weg; sieht sie genau, aber spürt sie nicht und kann sie nicht erreichen. Natürlich ist der geteilte Zustand eine Verweigerung oder Flucht; nicht da, nicht greifbar sein gibt Freiheit, wie es hier schon gesagt wurde.

Frage mich aber derzeit, ob das an sich ein Nachteil sein muss. Muss ich das Diffuse, Geisterhafte in mir ablegen, nur weil Andere mehr Substanz haben? Muss ich mich da vergleichbar machen? Wem würde das nützen?
Darüber hinaus werde ich persönlich es wohl auch nicht leisten können, über längere Strecken greifbar und weltorientiert zu sein. Daher eigentlich eine akademische Diskussion, ob das wünschenswert wäre oder nicht.
Ich meine damit nicht, dass man Opfer wird ("armes Würstchen") und kapituliert. Aber ein Mittelweg könnte doch Selbstakzeptanz sein; zu erkennen, dass man sich nie wird komplett ummodeln können. Es wäre m. E. nur noch ein weiteres (wenn auch top getuntes) falsches Selbst, sich (zwangsmotiviert) in die äußere Welt zu begeben. Es würde mein eigenes Wesen völlig verleugnen.
Stille Beobachter sind doch auch von Wert.

tiffi

Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon tiffi » 17. September 2018, 12:05

Themis hat geschrieben:Darüber hinaus werde ich persönlich es wohl auch nicht leisten können, über längere Strecken greifbar und weltorientiert zu sein. Daher eigentlich eine akademische Diskussion, ob das wünschenswert wäre oder nicht.
Ich meine damit nicht, dass man Opfer wird ("armes Würstchen") und kapituliert. Aber ein Mittelweg könnte doch Selbstakzeptanz sein; zu erkennen, dass man sich nie wird komplett ummodeln können. Es wäre m. E. nur noch ein weiteres (wenn auch top getuntes) falsches Selbst, sich (zwangsmotiviert) in die äußere Welt zu begeben. Es würde mein eigenes Wesen völlig verleugnen.
Stille Beobachter sind doch auch von Wert.
Ich denke, für mich ist Akzeptanz und Anerkennung der Stärken und der eigenen Geschichte
eher machbar, als anders sein zu wollen, "normal" sein zu wollen.
Das Denken darüber "etwas anderes müsste da sein" hilft mir nicht.

Manche Formschablone ist nicht zu erreichen, da kann man auch nur spekulieren, wie es wäre, wenn.
Dafür finde ich es manchmal traurig, wenn andere wenig Innengespür zu haben scheinen. Und wie wir
hier ja auch schon angesprochen haben, von diesem Gespür für sie auch "profitieren".

Die Idee, aus mir koste es was es wolle und über mich hinweg, was normales zu machen, hatte ich in
meiner Jugend / Übergang in Twens, und ich fand das Ergebnis jetzt nicht atemberaubend oder eher
im ungünstigen Sinne.

Das war für mich nicht aufrecht zu erhalten.
War für mich schon ein falsches Selbst, und ständig mit dem Gefühl, ich pokere hoch und irgendwann
holt mich was ein. Das Gefühl hab ich nicht mehr, weil ich mich in das reinbegeben hab, wie ich bin.

Ich glaub, was mich manchmal so runterzieht, ist der Vergleich, "es könnte alles so toll sein und
reibungslos, wenn es gesund und reibungslos gelaufen wäre" - ist es aber nicht.
Und würde ich wirklich tauschen wollen mit einem normalen Leben und wäre jetzt strebsam
Hausbesitzerin, im Job integriert in stetiger Erweiterung mit Kindern ect? Aus jetziger Perspektive
zumindest stößt es mich ab. Das wäre wohl auch nur schlüssig, wenn es sich organisch eben
so entwickelt hätte.

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Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon schnuff » 18. September 2018, 07:46

Ich denke, eine schizoide Seite (so lange es nicht zu heftig ist) hat durchaus Vor- und Nachteile.

Und einer der Vorteile ist, dass man in der Lage ist, über die Nachteile selbständig zu reflektieren und sich daraus zu überlegen, woran man ggf. "arbeiten" möchte (z.B. bestimmte Hemmungen, v.a. wenn man merkt, dass man etwas oberflächlich nicht machen "will", weil man in Wahrheit aber Angst davor hat. Die meisten Menschen können sowas an sich selbst nicht sehen)

Und ich finde es so toll, dass man mich nicht provozieren kann, weil da immer der kleine Kontrolleur dazwischen sitzt, der keinen Affekt einfach so rauslassen würde. :cool:
Es ist unheimlich schwierig für einen "Normalen", wenn der sich mit einem Schizoiden streiten will. Kaum eine Chance.

Usw.

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Re: Laing: Das geteilte Selbst.

Beitragvon sdsdsdsv » 20. September 2018, 15:52

Themis hat geschrieben:Dennoch glaube ich, dass man als Schizoide/r mehr innere Freiheit hat: Die Anderen funktionieren besser, sind viel passgenauer aufs äußere Leben eingestellt. Der Schizoide aber hat mehr Sensoren nach innen ausgebildet und kennt sich in der Innenwelt von Menschen besser aus. Eigentlich fast in der Anderer mehr als in der eigenen (sonst könnte man sich ja besser steuern). Von der eigenen ist man leider oft zu weit weg; sieht sie genau, aber spürt sie nicht und kann sie nicht erreichen. Natürlich ist der geteilte Zustand eine Verweigerung oder Flucht; nicht da, nicht greifbar sein gibt Freiheit, wie es hier schon gesagt wurde.

Frage mich aber derzeit, ob das an sich ein Nachteil sein muss. Muss ich das Diffuse, Geisterhafte in mir ablegen, nur weil Andere mehr Substanz haben? Muss ich mich da vergleichbar machen? Wem würde das nützen?
Darüber hinaus werde ich persönlich es wohl auch nicht leisten können, über längere Strecken greifbar und weltorientiert zu sein. Daher eigentlich eine akademische Diskussion, ob das wünschenswert wäre oder nicht.
Ich meine damit nicht, dass man Opfer wird ("armes Würstchen") und kapituliert. Aber ein Mittelweg könnte doch Selbstakzeptanz sein; zu erkennen, dass man sich nie wird komplett ummodeln können. Es wäre m. E. nur noch ein weiteres (wenn auch top getuntes) falsches Selbst, sich (zwangsmotiviert) in die äußere Welt zu begeben. Es würde mein eigenes Wesen völlig verleugnen.
Stille Beobachter sind doch auch von Wert.

Danke für den lesenswerten Beitrag. Zum obersten Punkt: Bei manchen Menschen habe ich sogar das Gefühl, sie sind unfähig sich unabhängig von der Gesellschaft wahrzunehmen, sie werden unruhig, wenn sie keine "Verbindung" nach außen mit bekannten Menschen aufnehmen können (am besten noch mit bekannter Musik und anderen Dingen, die sie bestätigen). Ein Betrachtung des Inneren muss für diese Menschen von außen erfolgen (Therapie, etc.) und geplant sein, sonst laufen sie ins Leere. Gerade diese Leere, die soviel Raum gibt, deren flüchtiger Charakter so unverbindlich ist und die man schätzen lernen kann.


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