Reizüberflutung

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Jette
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Reizüberflutung

Beitragvon Jette » 20. März 2017, 23:44

Hier ein Video, das eine Reizüberflutung veranschaulicht:

https://vimeo.com/52193530
Die Veränderung des Blickwinkels kann die Wahrnehmung von kleinen Dingen bewirken, die wir manchmal gar nicht mehr sehen. - Namasté

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ToWCypress81
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon ToWCypress81 » 21. März 2017, 01:18

Das ist wirklich ein sehr gutes Video.
Genau so fühle ich mich eigentlich auch, nur mit dem Unterschied: das ich im laufe meines Lebens (teilweise auch von klein auf) gelernt habe alle Dinge die meine Sinne reizen - zu blockieren.
Und wenn ich nicht imstande war zu blockieren bzw. zu viel Eindrücke da waren extreme Magen-Problem hatte (vor allem als Kind) bzw. sich das in körperlichen Schmerzen bemerkbar macht(e) - oder (als Erwachsener) Beruf kündigen, ein öffentliches Leben aufgeben oder/und sich in ein Krankenhaus/Psychiatrie flüchten um sich arbeitsunfähig oder "lebensunfähig" bzw. "gesellschaftsunfähig" schreiben zu lassen.
Durch eben diese Sinnes-Reiz-Blockierung in der Öffentlichkeit/Umwelt/unter Menschen man dadurch aber auch zwangsläufig emotional vollkommen verkrampft bzw. blockiert ist - und somit auch kaum Emotionen annehmen und zeigen kann = Schizoidität/AS.
Kommt es vielleicht doch hauptsächlich immer zu einer Schizoidität oder Autismus-Funktionalität (was ja eben bedeutet bzw. gleichbedeutend ist - das man Emotions-gestört bzw. Emotions-blockiert ist) durch eine reine (permanente bzw. Umwelt betreffende) Reizüberflutung bzw. zu starke Sinneswahrnehmung? - ich denke eigentlich schon bzw. das dass TATSÄCHLICH DER WAHRE GRUND IST.
Vielleicht ist das eigentlich auch der Grund, warum Schizoide Menschen sich ungern therapieren wollen - da sie insgeheim wissen, das nicht wirklich schlechte und schlimme Ereignisse sie zu dem gemacht haben wie sie sind - sondern sie einfach so sind wie sie sind bzw. sie eigentlich absolut überhaupt gar nichts gegen ihre automatische (genetische) "aus der Art schlagende" Sinneswahrnehmung machen können. - Sie das selbst aber oft gar nicht anerkennen wollen bzw. SICH selbst (in dieser Art) oft gar nicht anerkennen wollen - da sie durch andere Menschen dadurch nie Anerkennung bzw. ABLEHNUNG erfahren haben.
Zuletzt geändert von ToWCypress81 am 21. März 2017, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Kalliope » 21. März 2017, 10:15

Super! @Jette Danke. Genau so.
Bei mir hat's sichs als Kind in "Anfällen" geäußert, also die Reizüberflutung. Ich kann mich noch erinnern, als Kleinkind "durchgedreht" zu sein auf offener Straße, weil ich so eine dämliche Plastikhose tragen musste aus so "praktischem" Kunstleder, welches aber bei jedem Schritt "quietschte".
Oder die Geschichte, wenn wir auf den allwochenendlichen Ausflügen an einer Siedlung von Bruno Taut vorbeifuhren und ich regelmäßig durch den Anblick der hässlichen Häuser mich übergeben musste.
Ich denke manchmal, ich habe meine organischen Erkrankungen zum Teil aufgrund dieser (HSP-)Disposition entwickelt, weil sie mich schützen, mich davor bewahren, mich dem zu viel auszusetzen. Also eine Art Korrektiv und aber auch Hinweis meines Körpers, was "too much" ist. Wahrscheinlich habe ich es verlernt, meiner Sensitivität stattzugeben, um mich anzupassen. Denn es kam ja immer der Vorwurf, ich sei "ja überempfindlich", also die Aufforderung "sei anders, so bist Du nicht richtig".
Es ist für mich gut denkbar, dass sich in einer für mich passenderen Umgebung auch weniger Symptomatik habe.
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Jette » 21. März 2017, 14:42

Ich finde es sehr spannend, auf diese Art und Weise mehr über euch zu erfahren. Mich interessiert das wirklich.

Im Job fahre ich behinderte Kinder. Drei von sieben sind Autisten. Und ja, es ist sehr deutlich erkennbar, dass sie einfach anders reagieren, als andere Kinder. Aber ausgerechnet dieser Job macht mich sehr glücklich. Ich komme sehr gut mit diesen Kindern zurecht. Eine Mutter meinte mal zu mir, dass ich extrem starke Nerven hätte. Aber eigentlich liegt es doch auf der Hand, dass, wenn alles schnell zu viel und zu laut wird, der richtige Weg doch nur sein kann, alles nur in Ruhe anzugehen.

Ich hoffe irgendwie, hier noch viel mehr zu erfahren. Am meisten interessiert es mich wirklich, was in Menschen abgeht, die sich solchen Situationen/Reizüberflutungen ausgesetzt fühlen. Wie sie diese meiden, was dies für Folgen für sie hat, welchen Einfluss dies auf ihre Kontakte, Kindergarten- und Schulzeit hat und welchen Einfluss das Ganze auch auf die Berufswahl/-Laufbahn hat.

Teilweise habt ihr ja manches schon beantwortet. Und ich freue mich sehr darüber, dass euch dieses Video so anspricht. Ich finde, es ist sehr gut dazu geeignet, anderen zu veranschaulichen, was da in dafür anfälligen Menschen vorgehen muss. Mir ist dadurch schon einiges verständlicher geworden. Und ihr bestätigt ja, dass dies hier ganz gut getroffen ist.

Vielen Dank!
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Kalliope » 21. März 2017, 15:09

Liebe Jette, ein befreundeter Psychiater - also nicht in der Funktion eines Therapeuten - sagte mir einmal, als wir uns noch gar nicht sooo lange kannten: "bei Dir geht halt alles ungefiltert durch".
Das stimmt zwar nur bedingt, aber trifft dieses Thema (äußere physiologische Reize/Sinneswahrnehmung) durchaus.
Es scheint, es gäbe einige Persönlichkeitsdispositionen, auf die das zutrifft.
Aber vielleicht eben ein Grund, weshalb auch einige miteinander kompatibel. Wenigstens in Schnittmengen.
Also zu nennen: Autismus-Spektrum offenbar, Schizoidie, HSP. Noch welche denkbaren?
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon ToWCypress81 » 22. März 2017, 01:49

Jette hat geschrieben:Ich hoffe irgendwie, hier noch viel mehr zu erfahren. Am meisten interessiert es mich wirklich, was in Menschen abgeht, die sich solchen Situationen/Reizüberflutungen ausgesetzt fühlen. Wie sie diese meiden, was dies für Folgen für sie hat, welchen Einfluss dies auf ihre Kontakte, Kindergarten- und Schulzeit hat und welchen Einfluss das Ganze auch auf die Berufswahl/-Laufbahn hat.


Wenn meine Sinne zu viel reizt bzw. zu viel Menschen um mich rum sind, dann fühlt sich meine teils automatische Sinnes-Blockierung wie eine Kapsel oder stark beengter Raum/Hülle um mich herum an, aus der/dem ich eigentlich ausbrechen will, es aber nicht kann - da mich sonst die zu vielen Sinneseindrücke überwältigen würden. In dieser Kapsel bin ich allerdings zu fast nichts fähig - ich kann mich nicht auf meine Umwelt bzw. auf bestimmte Dinge vor mir konzentrieren, und kann auch kaum Emotionen annehmen und zeigen (die Emotionen die ich in dem Fall zeigen kann sind entweder extrem verkrampft oder wirken falsch, unüberlegt oder geschauspielert).
In dieser Form der automatischen Abkapselung von der Umwelt und dementsprechenden Unkonzentriertheit, ist es fast unmöglich einen in irgendeiner Form anspruchsvollen Beruf oder auch schulische Leistungen zu vollbringen. - Deswegen hatte ich auch immer sehr schlechte Noten und habe keinen Beruf (der mit vielen Menschen in Verbindung stand) hinbekommen. Nur mit der teilweise medikamentösen Ausschaltung von zu vielen Sinneseindrücken habe ich einige berufliche Hürden überstehen und meistern können.
Natürlich suchen Menschen, die einen so (emotional) blockierten/verkrampften Menschen (mich) vor sich haben - immer (logischer Weise) Abstand, zu so jemanden (mir) - da dieser Mensch (ich) ihnen nichts (emotional) geben kann, das für sie interessant wäre. - Oder sie fühlen/fühlten sich vor mir (meinen gestörten/blockierten/verkrampften Verhalten) auch gar oft so verunsichert - das bei ihnen wiederum starkes Unverständnis und damit möglicher Weise gar Ängste auslöst/auslöste - und somit auch wiederum einen bewussten Abstand zu mir halten/hielten.
Speziell ab der Pubertät (ca. 11./12./13./14. Lebensjahr) wo die Kinder (Schule) schon mehr emotionale Bandbreiten fühlen - habe ich so immer weniger Anschluss zu Menschen (Kindern) gefunden bzw. kamen Menschen (emotional) immer weniger mit mir zurecht. Es hat sich wie gesagt erst ein wenig mit meinem Medikament (ca. 24. Lebensjahr) etwas verbessert (bewusst unter Menschen ging/gehe ich damit aber auch nie).
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Jette » 22. März 2017, 08:34

Danke.

Ich glaube, du hast mir gerade etwas sehr viel verständlicher gemacht und irgendwie fühle ich mich gerade sehr glücklich.

Ich könnte dich gerade wirklich drücken! :blumengabe:
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Geextah » 22. März 2017, 08:50

Das Video stellt ganz gut dar, wie laut diese Welt für mich ist.

Besonders am Wochenende ist ein Mehrfamilienhaus so unglaublich laut und das schon vor 8 Uhr. Da kreischt ein Kind, da wird eine Tür zugeknallt und Treppen runtergepoltert, einer fängt im Nahcbarhaus an zu bohren und auf der Straße wird gehupt. Menschen auf dem Gehweg unterhalten sich so, als würden sie ein Konzert geben und die Straßenbahn poltert über die Schienen....

Und dann im Alltag merken viele Menschen gar nicht mal, wie laut sie sind, klappern mit irgendwas rum, atmen so laut, als hätten sie eine Trillerpfeife in der Nase oder stören anderweitig.

Das ist so anstrengend...
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- Gerolamo Cardano -

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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Jette » 22. März 2017, 09:29

Ich rede manchmal auch sehr viel. Und ich habe wohl mitunter auch ein ziemlich lautes Orgen. Einmal, da ging die Person an mir vorbei, um die es mir hier geht, als ich gerade noch mit einer anderen Person im Gespräch war. Aber ich war auf dem Weg in die Stadt. Ich rief ihr hinterher "Stop, ich möchte auch mit" und konnte es gar nicht verstehen, wie verstört er gewirkt hatte. Ich bin mittlerweile (vermutlich, Dank meiner Therapie) viel ruhiger und gelassener geworden. Und als ich es ihm neulich sagte, wie schön ich es finde, dass er nach einem Rückzug so verlässlich zurückkommt, da meinte er, dass ich mir dies auf meine eigene Fahne schreiben könne, weil ich das alles mitmache. Und irgendwie habe ich gerade so das Gefühl, in meinem Verständnis für seine Gefühlwelt richtig vorwärts zu kommen.

Und mein Mann erst. Dem wird immer alles ganz schnell zu viel. Er braucht immer ziemlich lange, bis er alles auseinandersortiert hat. Auf Lautstärkr reagieert ersehr empfindlich. Und das, obwohl er schwerhörig ist. Um aus dem Haus zu gehen, benötigt er Tavor. Aber eigentlich bleibt er auch viel lieber zu Hause.

Wie ist denn das bei euch? Könnt ihr (trotzdem) Konzerte besuchen?

Mir selbst wird auch immer alles ganz schnell viel zu viel. Aber eigentlich fühle ich mich einfach nur ganz schnell total gestresst. So, wie in diesem Viedeo ist es nicht füt mich, bzw. herrscht kein ganz so krasses Chaos in mir. Nur sehr ruhebedürftig, das bin ich dann auch.

Auch dir vielen Dank dafür.
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Re: Reizüberflutung

Beitragvon Geextah » 22. März 2017, 11:32

Konzerte besuche ich alle Jahre mal, das reicht dann aber auch.

Nicht nur, dass es mir zu laut ist, es sind mir auch viel zu viele Menschen da, außerdem muss ich rausgehen.
Das ist für mich eine durchgehend angespannt-bedrohliche Situation und da hilft auch die nette Musik nicht sonderlich.
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