Gustav Landauer

Buchempfehlungen aus allen Themenbereichen, sowie interessante Linkadressen können hier gesammelt werden.
Benutzeravatar
sdsdsdsv
Moderator
Moderator
Beiträge: 1796
Registriert: 24. Februar 2012, 09:15
SPS: Vielleicht

Re: August Stringberg

Beitragvon sdsdsdsv » 14. Mai 2012, 22:51

[align=justify]
Ich bin schockiert, wie kann man so etwas verfassen... Doch das Vorwort, welches ich gelesen hatte besagte ja bereits, wie wenig aussichtsreich sich die Sache entwickeln würde und vor allem wie der Autor über "Gefühle" denkt, nämlich so, als seien sie uns vielmehr im Wege.
Wenigstens passt es dann in dieses Forum... Tut mir leid, wenn es dich aufgewühlt hat, das war nicht meine Absicht.

"Jean" mag wohl realistisch sein, aber er hat vorsätzlich geschwärmt und vorgetäuscht, was in meinen Augen das Allerschlimmste ist.
Ich gebe dir recht, aber ich glaube, er definiert Gefühle für sich auch anders. Er wiederholt ja auch mehrfach, dass er bereit sei, mit Julie wegzulaufen. Er bietet ihr später auch an, sie zu lieben, was immer er damit meint. Mein Eindruck ist, dass er seine Gefühle seiner Lebensplanung unterordnet. Natürlich erniedrigt er auch seine ehemalige Herrin, woran ersichtlich ist, wie sehr er die herrschende Gesellschaftsordnung verinnerlicht hat. Anfangs warnt er Julie ja auch inständig dem Pöbel nicht noch weitere Gründe zu geben, sich das Maul zu zerreißen, da ist er sicherlich ehrlich um ihr Wohl bemüht. Später ist er ohne Mitleid, erfasst die Lage und ihre Möglichkeiten aber auch sehr scharfsinnig. Ich bin trotz allem geneigt, in ihm nicht nur den böswilligen Antagonisten zu sehen. Als sich auch diese letzte Möglichkeit zerschlägt, spitzt sich die Situation noch einmal bis zum Äußersten zu und er erteilt ihr selbst die Aufforderung sich gewaltsam das Leben zu nehmen. Das ist grauenhaft. Die volle Schuld möchte ich ihm dennoch nicht zuweisen.

WAS???? hatte er davon, außer eine weitere Erfahrung dieser Art? Hat es sein Herz berührt, hatte er Freude daran sich am Leid dieser "Julie", ihrem eigenen Unglück in das sie sich begab, zu ergötzen? Ihr den Spiegel vor zu halten und sie Stück für Stück nieder zu machen?
Das ist halt schon eine komplexe Sache, wenn ich das richtig verstehe. Einerseits will er den "Rücken des Falken" einmal in seinem Leben sehen, d. h. es geht wohl ein ungeheurer Reiz davon aus, die Standesunterschiede aufzuheben und zu sehen, ob die feinen Herrschaften wirklich so fein und überlegen sind, wie sie selbst vorgeben zu sein. Vor dem geschichtlichen Hintergrund vielleicht verständlich, außerdem sagt er ja von sich selbst, er sei in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen, also unendlich weit von dem adligen Stand entfernt. Andererseits hat er wohl Julie lange Zeit wirklich geliebt und idealisiert und war nun umso stärker enttäuscht, dass sie sich so gehen ließ (am Anfang der Geschichte). Daneben zeigt er sich ja auch anfangs nicht opportunistisch, sondern weist Julie mehrfach darauf hin, dass er den ersten Tanz der Köchin Christine versprach. Erst als das Kind in den Brunnen gefallen ist, kehrt er seine barsche Seite hervor, versucht aber auch das Beste aus der Situation zu machen. Wer weiß, vielleicht hätten die Beiden unter anderen Umständen noch eine glückliche Ehe im Ausland geführt. Das vertrackte ist ja, dass er seiner Herrin nicht direkt widersprechen oder den Dienst verweigern will und es gerade deshalb letztlich zu den Verwicklungen kommt. Dennoch wirkt er hier äußerst herzlos.
Jeder kann sich an die eigene Nase fassen. Sie, wie er,und unmoralisch ist meiner Meinung nach der Autor, der diese peinliche Situation in dieser Weise wieder zu geben vermag.
Ich kenne das Vorwort noch nicht, aber ich vielleicht kann man es auch so lesen, dass ein emotionales Wesen in dieser Gesellschaft keinen Platz hat, was einer Anklage gegen die Gesellschaft gleich kommt (es wird ja auch als ein "Trauerstück" bezeichnet).

Trotzdem danke für den Link, aber ich muss mich wohl erst einmal von dieser niederschmetternden Story erholen. Ist wohl nichts für mein romantisches, harmoniebedürftiges Wesen...
Ja, es ist ein völlig unromantisches Stück, quasi 'ne Erklärung gegen die romantische Liebe.

Habe gerade das Vorwort gelesen. Ugh. Das klingt tatsächlich ziemlich unmenschlich. Weg mit den Gefühlsduseln, weg mit dem alten Adel, mehr Sachlickeit oder sowas. Naja, der Zeit Artikel las sich etwas anders. Ich erwartete irgendwas, das für das Forum und sein Thema verwertbar ist.
Eine Geschichte lese ich aber noch von dem Herrn.[/align]

Benutzeravatar
tournesol
alteingesessen
alteingesessen
Beiträge: 975
Registriert: 23. Februar 2012, 17:01
Wohnort: Berlin

Re: August Stringberg

Beitragvon tournesol » 15. Mai 2012, 09:03

"Fräulein Julie" war zu meinen Schauspielschul Vorspech Zeiten, sehr beliebt.... Zu jener Zeit(Ende 60ger) habe ich mich u.a. auch mir Strindberg auseinander gesetzt...
Habe sehr viel "hingeschaut" und wurde sehr viel gedanklich mit "der unromantischen Seite" des Leben konfrontiert.... und war dankbar durch Strindberg Gedankengängen folgen zu müssen, die ich allein nie "berührt" hätte---kennengelert hätte.
Ich habe Strindberg...durch seine Werke hindurch, als sehr verzweifelten Menschen wahrgenommen. Der in masochistischer Weise "des Hinschauens" bzw.Schreibens versucht....ja sich zwingt, das Nicht-Aushaltbare auszuhalten, indem er sich eben "keine Romantik" erlaubt...( weil er innerlich meinte, dass diese zuzulassen ihn tötlich verletzen würde...)
Dieses war und ist mein Eindruck dazu. Heute umsomehr, seit ich mich mit den psychologischen Hintergründen des Tuns und Seins von Menschen beschäftige.

Liebe Knallschnute, ich kann verstehen ,dass Dir " F.Julie" zu lesen weh tut. Es ist schwer sich mit Dichtern zu befassen, die nicht "lösende, optimistische Ergebnisse" anbieten . Doch der Anspruch, jeder" Sender", wie es eben auch Dichter sind.....müsse Positives anzubieten haben, um "das Bedürfnis haben zu dürfen "zu senden", ist m.E. nicht wahr.
Denn im Aufzeigen von Negativem obliegt es ja dem Leser, objektiv , auch, die "Information" positiv für sich zu verwandeln......
L.G. Tournesol

Benutzeravatar
knallschnute
Moderator
Moderator
Beiträge: 1512
Registriert: 22. Februar 2012, 21:33

Re: August Stringberg

Beitragvon knallschnute » 15. Mai 2012, 10:34

@ Sdsdsdsv

Du hast sehr aufschlussreich deine Interpretation des Ganzen wieder gegeben und Dinge angesprochen die mir beim Lesen gleichfalls durch den Kopf gingen. Sicherlich hat er "Julie" gewarnt und wollte das so alles nicht wirklich verursacht haben, aber sein Verhalten danach, diese gewisse Genugtuung die ich in den Worten mitschwingen sah, tat mir unendlich weh und schockte mich zutiefst. Als wäre die Pein ansich nicht schlimm genug gewesen wurde die junge Dame sogar noch bis hin zum Selbstmord getrieben. Aber wie schon gesagt, ich konnte mir das Stück nicht bis zuletzt einverleiben, denn meine Vorstellungskraft ist zu groß und ich versetze mich so stark in diese Rollen hinein, sodass ich an mir selbst dies Leid erfahre bzw. mich so intensiv damit auseinander setze, sodass ich mich fühle, als wäre ich leibhaftig dabei gewesen.
Mir fehlt dann einfach die nötige Distanz und Gelassenheit, aber dies konnte weder der Autor, noch du wissen.
Insofern war meine Reaktion wohl ehrlich aber nicht sehr reflektiert.

Habe gerade das Vorwort gelesen. Ugh. Das klingt tatsächlich ziemlich unmenschlich. Weg mit den Gefühlsduseln, weg mit dem alten Adel, mehr Sachlickeit oder sowas. Naja, der Zeit Artikel las sich etwas anders. Ich erwartete irgendwas, das für das Forum und sein Thema verwertbar ist.
Eine Geschichte lese ich aber noch von dem Herrn.

Wie gesagt, ich danke dir dennoch für dein Posting und interessant war es allemal, vor allem weil ich diese heftige Reaktion an mir erfahren durfte und lernen musste mit so etwas umzugehen...

@ Tournesol

Auch dir lieben Danka für deine Gedanken zu dem Thema, wie du August Stringberg für dich erkannt und seine unromantischen Stücke dennoch für dich "nutzen" konntest.
Denn im Aufzeigen von Negativem obliegt es ja dem Leser, objektiv , auch, die "Information" positiv für sich zu verwandeln......

Das auf jeden Fall, aber es ist harter Tobak - man muss dann einfach das Beste für sich heraus ziehen und den Rest so stehen lassen können.

LG Knallschnute
Mopsinator


Zurück zu „Buchtipps - Linkliste“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste