Scham - Hüterin der Menschenwürde
Verfasst: 26. Juli 2016, 21:21
Die Scham, ein Thema, das mich sehr betrifft. Nun habe ich, beim erneuten Auseinandersetzen mit dem Thema ein manuskript von Stephan Marks gefunden, das ich als sehr lesenswert empfinde und zu dem ich deshalb auch gerne den Link hierzu einstelle:
http://www.krankenhausseelsorge-wuertte ... Wuerde.pdf
Schon einmal besuchte ich einen Vortrag dieses Referenten, der mich damals sehr, sehr, sehr beeindruckte. Ich meinte eigentlich, damals meinen Tagebucheintrag hier eingestellt zu haben, aber ich finde ihn einfach nicht mehr.
Tagebuchauszug vom 25. Okt 2013,
Scham - Hüterin der Menschenwürde
Vorher war ich bei einem Vortrag des Sozialwissenschaftlers Stephan Marks. Er referierte zum Thema "Scham" Er sprach davon, dass die Scham die Menschen im Innersten verletzt und bedroht. Er verglich die Scham mit einer süßen, schäumenden Flüssigkeit, die in ein Glas (den Menschen) reingegossen wird. Solange dieses Glas nur wenig mit dieser Flüssigkeit gefüllt ist, so Marks, schützt sie uns. Wir lernen durch sie die Achsamkeit mit uns selbst. Wenn wir uns einmal für etwas heftig geschämt haben, denken wir das nächste Mal darüber nach, ob wir es wirklich nochmal machen. Läuft das Glas mit der Scham aber über, dann kommt es evtl. zu Rückzügen (zur Isolation), zu Agressionen (bis hin zum Todschlag oder Mord), Depressionen (bis hin zum Selbstmord). Dabei betont er aber, dass es zwischen Schuld und Scham Unterschiede gibt. Schuld bezeichnet er als eine Tatsache, die mit Gefühlen wie Reue und Gewissensscham verbunden sein kann, während der Scham oft gar keine Schuld zugrunde liegt, etwa bei Scham durch Arbeitslosigkeit,, Krankheit oder wenn Menschen gemobbt, erniedrigt, vergewaltigt, .... worden sind. Scham, so Marks, ist entwicklungspsychologisch ein sehr frühes Gefühl, deren Vorläufer sich schon in den ersten Lebensmonaten entwickeln. Er verwies dabei auf den notwendigen Blickkontakt zum Kind und den liebevollen Umgang mit diesem als überlebenswichtige Notwendigkeit für dieses, Selbstbewusstsein zu entwickeln - sich nicht schon als Kleinkind schämen zu müssen. Er beschrieb, dass die Kontrollinstanz der Scham eher außerhalb einem selbst liegt, nämlich vom Blick der anderen ausgehend, was die über einen denken.
Leider verkleinert die Wertevorstellung der Gesellschaft die Scham von vielen auch nicht gerade (schlank, jung, muskulös, "Luxusgüter", sonst bist ja niemand) und es gibt Menschen, die andere Menschen immer wieder beschämen und damit deren Schamgefühle im Glas auffüllen. Herr Marks hat sogar schon mal mitbekommen, wie ein Lehrer während seiner Ausbildungszeit den Rat erhielt, dass wenn er mit seiner Klasse nicht fertig werden würde, er einfach einen herausziehen und diesen vor der gnzen Klasse erniedrigen solle. Dann hätte er wieder Ruhe. Herr Marks erklärte dies auch. Scham macht klein und schweigsam. Wenn nun ein Lehrer oder ein Chef jemand vor anderen demütigt, beschämt er ja nicht nur diesen, sondern die andern auch, weil er sie in diesem Moment dazu zwingt, Zeugen eines Unrechts zu sein. Er zwingt die andern, aus ihrer Angst heraus, Benachteiligungen zu erleben, dazu, eigene Wertverluste hinzunehmen. Dies wiederum erzeugt Scham.
Für Marks trifft die Aussage "Hochmut kommt vor dem Fall" nicht zu. Vielmehr ist es für ihn so, dass Menschen erst sehr weit fallen, bevor sie (zu ihrem Selbstschutz) hochmütig werden. Er erklärt als weitere Abwehrmechanismen von Scham, das davor Fliehen, sich Verstecken. Von den Masken, die Schauspieler im antiken, grichischen Theather trugen, leitete Carl Gustav Jung wohl den Begriff der "Persona" ab. Dieser bezeichnet den nach außen gezeigten Teil des Ichs: die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir unseren Mitmenschen gegenüber zeigen. Die Persona aber ist wie eine Maske. Sie schützt unsere Innenwelt vor den Blicken der anderen. Hinter ihr können wir unsere intimen Gefühle und Gedanken verstecken und "bedeckt" halten. Auch das Sich Einigeln, bei dem man seine Stacheln ausfährt, wenn man sich in Gefahr sieht, beschreibt er als eine Art der Abwehr. Aber jetzt kommts: Er beschreibt als mögliche Abwehrreaktion die emotionale Erstarrung, auch als Alexithymie bezeichnet. Dieser Begriff setzt sich wohl aus den griechischen Wörtern "nicht-lesen-können von Gefühlen" zusammen, beschreibt also ein Unvermögen, bei sich und anderen Gefühle wahrzunehmen und angemessen zu beschreiben. Von den Betroffenen würden Emotionen aber durchaus registriert. Sie könnten von ihnen jedoch nicht verarbeitet werden.
Es gäbe noch viel dazu zu schreiben, aber zum einen ist es schon sehr spät und zum anderen bin ich auch gedanklich voll beschäftigt. Ich vergleiche, was ich heute gehört habe (wie gesagt, das Thema war "Scham"), was ich an meinem Mann, meinem Nachbarn und aus den Schilderungen des Schizoidenforums heraus wieder erkennen kann und was ich bislang zum Thema "schizoide Persönlichkeit"gelesen habe. In keiner Weise wurde diese heute abend in irgendeiner Form auch nur ansatzweise erwähnt, aber mir kommt das alles so bekannt vor.
Marcks geht eigentlich noch viel weiter. Er stellt die These auf, dass manche Menschen die Scham auch wirklich total an sich ziehen, dass es Menschen gibt, die die Scham der andern, die bei diesen Überschäumt, wohl wie ein trockenen Schwamm in sich
selbst hineinsaugen und sich für Dinge schämen, die sie selbst eigentlich gar nicht wirklich betreffen und dass es Menschen gibt, die dies auch für sich (scheinbar schamlos) ausnutzen, dass diese ganz bewusst andere beschämen um selbst besser dazustehen. Nun neigt ja mancheiner dazu, diese Menschen zu verurteilen, übersieht dabei jedoch, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus ihrer Scham heraus handeln, diese dadurch bekämpfen, verstecken, ... wollen. Er betonte, dass er mit dem Wort "schamlos" sehr vorsichtig umgehen würde, weil wir ja in die Menschen nicht reinsehen, sondern eben nur das sehen können, was sie uns zeigen.
Ich habe an en nur einem einzigen Abend auf so vieles hin meinen Blickwinkel mal wieder gänzlich verändert, wie schon so oft in letzter Zeit. Und ich werde an diesem Thema dranbleiben, mir Bücher von genau diesem Autor holen. Mit dessen Ansichten nämlich kann ich mich wirklich identifizieren.
http://www.krankenhausseelsorge-wuertte ... Wuerde.pdf
Schon einmal besuchte ich einen Vortrag dieses Referenten, der mich damals sehr, sehr, sehr beeindruckte. Ich meinte eigentlich, damals meinen Tagebucheintrag hier eingestellt zu haben, aber ich finde ihn einfach nicht mehr.
Tagebuchauszug vom 25. Okt 2013,
Scham - Hüterin der Menschenwürde
Vorher war ich bei einem Vortrag des Sozialwissenschaftlers Stephan Marks. Er referierte zum Thema "Scham" Er sprach davon, dass die Scham die Menschen im Innersten verletzt und bedroht. Er verglich die Scham mit einer süßen, schäumenden Flüssigkeit, die in ein Glas (den Menschen) reingegossen wird. Solange dieses Glas nur wenig mit dieser Flüssigkeit gefüllt ist, so Marks, schützt sie uns. Wir lernen durch sie die Achsamkeit mit uns selbst. Wenn wir uns einmal für etwas heftig geschämt haben, denken wir das nächste Mal darüber nach, ob wir es wirklich nochmal machen. Läuft das Glas mit der Scham aber über, dann kommt es evtl. zu Rückzügen (zur Isolation), zu Agressionen (bis hin zum Todschlag oder Mord), Depressionen (bis hin zum Selbstmord). Dabei betont er aber, dass es zwischen Schuld und Scham Unterschiede gibt. Schuld bezeichnet er als eine Tatsache, die mit Gefühlen wie Reue und Gewissensscham verbunden sein kann, während der Scham oft gar keine Schuld zugrunde liegt, etwa bei Scham durch Arbeitslosigkeit,, Krankheit oder wenn Menschen gemobbt, erniedrigt, vergewaltigt, .... worden sind. Scham, so Marks, ist entwicklungspsychologisch ein sehr frühes Gefühl, deren Vorläufer sich schon in den ersten Lebensmonaten entwickeln. Er verwies dabei auf den notwendigen Blickkontakt zum Kind und den liebevollen Umgang mit diesem als überlebenswichtige Notwendigkeit für dieses, Selbstbewusstsein zu entwickeln - sich nicht schon als Kleinkind schämen zu müssen. Er beschrieb, dass die Kontrollinstanz der Scham eher außerhalb einem selbst liegt, nämlich vom Blick der anderen ausgehend, was die über einen denken.
Leider verkleinert die Wertevorstellung der Gesellschaft die Scham von vielen auch nicht gerade (schlank, jung, muskulös, "Luxusgüter", sonst bist ja niemand) und es gibt Menschen, die andere Menschen immer wieder beschämen und damit deren Schamgefühle im Glas auffüllen. Herr Marks hat sogar schon mal mitbekommen, wie ein Lehrer während seiner Ausbildungszeit den Rat erhielt, dass wenn er mit seiner Klasse nicht fertig werden würde, er einfach einen herausziehen und diesen vor der gnzen Klasse erniedrigen solle. Dann hätte er wieder Ruhe. Herr Marks erklärte dies auch. Scham macht klein und schweigsam. Wenn nun ein Lehrer oder ein Chef jemand vor anderen demütigt, beschämt er ja nicht nur diesen, sondern die andern auch, weil er sie in diesem Moment dazu zwingt, Zeugen eines Unrechts zu sein. Er zwingt die andern, aus ihrer Angst heraus, Benachteiligungen zu erleben, dazu, eigene Wertverluste hinzunehmen. Dies wiederum erzeugt Scham.
Für Marks trifft die Aussage "Hochmut kommt vor dem Fall" nicht zu. Vielmehr ist es für ihn so, dass Menschen erst sehr weit fallen, bevor sie (zu ihrem Selbstschutz) hochmütig werden. Er erklärt als weitere Abwehrmechanismen von Scham, das davor Fliehen, sich Verstecken. Von den Masken, die Schauspieler im antiken, grichischen Theather trugen, leitete Carl Gustav Jung wohl den Begriff der "Persona" ab. Dieser bezeichnet den nach außen gezeigten Teil des Ichs: die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir unseren Mitmenschen gegenüber zeigen. Die Persona aber ist wie eine Maske. Sie schützt unsere Innenwelt vor den Blicken der anderen. Hinter ihr können wir unsere intimen Gefühle und Gedanken verstecken und "bedeckt" halten. Auch das Sich Einigeln, bei dem man seine Stacheln ausfährt, wenn man sich in Gefahr sieht, beschreibt er als eine Art der Abwehr. Aber jetzt kommts: Er beschreibt als mögliche Abwehrreaktion die emotionale Erstarrung, auch als Alexithymie bezeichnet. Dieser Begriff setzt sich wohl aus den griechischen Wörtern "nicht-lesen-können von Gefühlen" zusammen, beschreibt also ein Unvermögen, bei sich und anderen Gefühle wahrzunehmen und angemessen zu beschreiben. Von den Betroffenen würden Emotionen aber durchaus registriert. Sie könnten von ihnen jedoch nicht verarbeitet werden.
Es gäbe noch viel dazu zu schreiben, aber zum einen ist es schon sehr spät und zum anderen bin ich auch gedanklich voll beschäftigt. Ich vergleiche, was ich heute gehört habe (wie gesagt, das Thema war "Scham"), was ich an meinem Mann, meinem Nachbarn und aus den Schilderungen des Schizoidenforums heraus wieder erkennen kann und was ich bislang zum Thema "schizoide Persönlichkeit"gelesen habe. In keiner Weise wurde diese heute abend in irgendeiner Form auch nur ansatzweise erwähnt, aber mir kommt das alles so bekannt vor.
Marcks geht eigentlich noch viel weiter. Er stellt die These auf, dass manche Menschen die Scham auch wirklich total an sich ziehen, dass es Menschen gibt, die die Scham der andern, die bei diesen Überschäumt, wohl wie ein trockenen Schwamm in sich
selbst hineinsaugen und sich für Dinge schämen, die sie selbst eigentlich gar nicht wirklich betreffen und dass es Menschen gibt, die dies auch für sich (scheinbar schamlos) ausnutzen, dass diese ganz bewusst andere beschämen um selbst besser dazustehen. Nun neigt ja mancheiner dazu, diese Menschen zu verurteilen, übersieht dabei jedoch, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus ihrer Scham heraus handeln, diese dadurch bekämpfen, verstecken, ... wollen. Er betonte, dass er mit dem Wort "schamlos" sehr vorsichtig umgehen würde, weil wir ja in die Menschen nicht reinsehen, sondern eben nur das sehen können, was sie uns zeigen.
Ich habe an en nur einem einzigen Abend auf so vieles hin meinen Blickwinkel mal wieder gänzlich verändert, wie schon so oft in letzter Zeit. Und ich werde an diesem Thema dranbleiben, mir Bücher von genau diesem Autor holen. Mit dessen Ansichten nämlich kann ich mich wirklich identifizieren.