Ein König wird beseitigt

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sdsdsdsv
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Ein König wird beseitigt

Beitragvon sdsdsdsv » 9. Oktober 2012, 21:58

[align=justify]In dem Buch Ein König wird beseitigt: Ludwig II. Von Bayern von Heinz Häfner wird der Märchenkönig Ludwig einmal genauer durchleuchtet:

"Es gibt wahrscheinlich keinen neuzeitlichen Herrscher, dessen Leben und tragisches Ende von so vielen Legenden umrankt ist, wie Ludwig II. von Bayern (1845–1886). Aus verfassungsrechtlichen Gründen und bislang nur teilweise offengelegten Motiven hatte Prinz Luitpold, der spätere Regent, die bayerische Regierung gewonnen, an einem Entmündigungs- und Absetzungsverfahren gegen den König mitzuwirken. Bernhard von Gudden lieferte das von ihm erwartete Expertenurteil: unheilbare Paranoia, Geistesschwäche und dauernde Regierungsunfähigkeit. Prinz Luitpold ermächtigte den Psychiater, den König festzunehmen und auf Schloss Berg – unbefristet – zu internieren. Zwei Tage später, am 13. Juni 1886, ertrank der König zusammen mit von Gudden im Starnberger See.

Im vorliegenden Buch kommt der renommierte Psychiater Heinz Häfner zu dem Schluss, dass der König weder nach den damals geltenden Kriterien noch nach einer mit Mitteln moderner Neurowissenschaft durchgeführten Analyse an einer Geisteskrankheit (Psychose) gelitten hat. Ludwig II. war weder wahnsinnig noch geistesschwach. Das Machtentzugsverfahren, dessen Opfer er wurde, hat Vorbilder und Parallelen im 19. Jahrhundert. Das dafür erforderliche Instrumentarium bot die junge, im 19. Jahrhundert heranwachsende medizinische Disziplin der Psychiatrie. Sie ersetzte mit dieser noch keineswegs besonders humanen Maßnahme die härteren Methoden früherer Tage wie Tötung, Kerker oder Verbannung."


Eine pikante Stelle offenbart den herrschsüchtigen Charakter des Monarchen (S. 38):

Im Park der königlichen Villa entdeckte ein Hofbeamter, „dass Ludwig seinen Bruder Otto an Händen und Füßen gefesselt, mit einem Knebel im Mund und einem Sacktuch um den Hals auf den Boden gelegt hatte und heftig an dem Tuch zerrte. (..) Der Beamte musste Gewalt anwenden, um Otto zu befreien. Vater Max II. war über das Verhalten Ludwigs erschrocken und erzürnt. Er diktierte ihm eine empfindliche Strafe. Ludwig war darüber seinerseits so erbittert, dass er eine heftige Abneigung gegen Berchtesgaden fasste und lange Zeit dorthin nicht zurückkehrte.“

Hier nocheinmal zum Nachlesen mit weiteren Beispielen für den kleinen Sonnenschein:
http://books.google.de/books?id=A3EEceHT5DUC&pg=PA38CC0Q6AEwAA#v=onepage&q&f=false

Alles in allem ein faszinierendes Buch in dem der Autor (ein Psychologe) versucht dazustellen, warum der gute König keineswegs an einer Geistesschwäche litt, sondern bis zuletzt über seine geistigen Kräfte verfügte. Wie sich dies damit vertrug, dass er wie ein schizo-affektiver unwichtigen Dingen größte Bedeutung beimaß, unter Halluzinationen, Sozialphobie und Paranoia litt, kann ich erst nach der vollständigen Lektüre des Textes sagen. So soll er z. B. einem Baum als heilig bezeichnet und sich mit Unsichtbaren unterhalten haben. Immerhin ist der Text gut geschrieben und strukturiert.[/align]

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