gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

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cerebrum
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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon cerebrum » 15. Mai 2015, 04:28

Ich finde problematisch an der Religion, dass sie zu einer lebenslangen Denkschwäche führt. Durch die Religion werden wir alle "vorgeschädigt", da sie ja schon in der Schule gelehrt wird.
Von Anfang an wird uns somit ein verqueres Weltbild vermittelt, statt in der Frühphase kritische Denkweisen und Techniken des philosophischen Denkens zu lernen (z. B. Wie stelle ich überhaupt Fragen, die logisch einen Sinn ergeben? Wie gehe ich an philosophische Fragestellungen heran? etc.). Wie ist die Welt wirklich beschaffen und was sind die philosophischen Konsequenzen dieser Denkweise (die Verbindung von Wissenschaft und Philosophie muss nicht erst "hergestellt" werden, sie ist gegeben, doch in der Schule werden die Disziplinen des Denkens künstlich getrennt).
Das wird vollkommen versäumt. Selbst die, welche dann später Atheisten sind haben kein Fundament erlernt wie man eigentlich _wirklich_ über die existentiellen Fragen nachdenkt auf eine Weise, dass man auch sinnvolle Antworten erhält. Daher gibt es hier ja auch viele Atheisten, die immernoch der Religion ja eigentlich nicht alles absprechen möchten. So liest man oft eigentlich unnötige "Zugeständnisse" wie "das mit der Nächstenliebe ist schon gut" etc..
Dabei hat die Tradition des humanistischen Denkens und eine auf Vernunft basierende Ethik im Vergleich zur Religion schlüssige Antworten und die humaneren Lösungen für ein beliebiges moralisches "Dilemma", was im Alltag anstehen könnte.
Denn _alle_ religiösen Ideen basieren auf dogmatischer Sichtweise, unrealistischen Annahmen und ideologischer Grundierung. Und _alle_ religiösen Ideen, wenn sie konsequent zuende gedacht werden führen zu abstrusen Ergebnissen und keiner erstrebenswerten Lösung für ethische Probleme. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist eine Aufforderung, die den Hintergrund und Sinn hat den so aufgeforderten Menschen an seine eigene Unzulänglichkeit zu erinnern (denn man kann niemanden "lieben wie sich selbst", es widerspricht dem Überlebenstrieb, der jedem Tier, wie dem Menschen zu eigen ist). Er soll sich also wiedermal seiner eigenen Sündhaftigkeit und Unzulänglichkeit bewusst werden und damit dem Gott noch unterwürfiger zur Verfügung stehen. Viel sinnvoller wäre es zu sagen "tue dein bestes einen Nächsten so zu behandeln, wie es die Menschenwürde und allgemeine Gesetzgebung verlangt". Das ist eine verbesserte goldene Regel (welche auch keinen religiösen Ursprung hat, sondern einen philosophischen, wenn man weit genug in der Zeit zurückgeht).

In der westlichen Philosophie besteht dieses Problem in der Form, dass auch die atheistischen Philosophen vom "Gott" oder dem Konzept so stark beeinflusst worden, dass ihre Arbeit darunter gelitten hat. Wer war bessener von Gott als Nietzsche? Vergleicht man aber die westliche Philosophie z. B. mit der östlichen, so sind viele Überschneidungen erkennbar. Das lässt sich auf den helenistischen Einfluss zurückführen, welcher zu einer Zeit auch vom Buddhismus mitgeprägt worde. Der entscheidende Unterschied ist, dass wir mit dem Übergang des Buddhismus von Indien aus über Asien und der vorher bestehenden daoistischen Tradition eine über Jahrtausende bestehende östliche Kultur haben, die den Begriff eines Gottes so gar nicht kannte. Dafür auch keine Notwendigkeit hatte. D.h. ein philosophisches Denken ausbilden konnten, was durch diesen unnötigen Begriff gar nicht belastet war. Ein Nietzsche hätte doch viel produktiveres leisten können als über den Tod eines imaginären Gottes zu klagen, wenn er die Prägung einer solchen Gesellschaft erfahren hätte.
Zuletzt geändert von cerebrum am 15. Mai 2015, 15:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon Nebeltal » 15. Mai 2015, 13:40

Am Endes des Tages kann man sicherlich festhalten, dass jeder an irgendetwas glaubt, der nihilist, der atheist, der theist, der pantheist, der apple kunde, der bmw fahrer, der und so weiter. Und es spielt auch keine Rolle und es macht auch keinen Sinn darüber zu diskutieren. Man kann alles für etwas gutes oder etwas schlechtes benutzen. Eine Religion, genauso wie einen Hammer. Es gibt religiöse Menschen die viel gutes tun, es gibt aber auch das komplette Gegenteil in Form von der Barberei des IS. Ich kann mit einem Hammer etwas nützlichen bauen oder jemanden damit totaschlagen. Früher hab ich auch immer gegen religiöse gewettert, reine Energieverschwendung. Am Ende ist das auch alles nur Feenstaub, es gibt im Grunde nur Menschen die Entscheidungen treffen. Die kann zum wohle der Menschen beitragen, oder eben eine grauenhafte tat sein. Die Nazis waren beispielsweise Atheisten, aber haben trotzdem an etwas gelaubt, was die Menschen dann in großes Elend geführt hat.

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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon Lemur » 16. Mai 2015, 06:36

Tja, das mit dem Glauben halte ich für den wesentlichen Unterschied zwischen der im Westen entstandenen Moderne und dem traditionellen Denken Asiens. Wir schreiben seit der Aufklärung den Gedanken und Ideen eine große Macht zu. In Asien gleuben die Leute zwar auch an irgendwas, halten das Glauben an sich aber für nicht so wesentlich bzw. kausal wirkmächtig. Von daher geht es in den dortigen weltanschaulichen Traditionen nicht darum, an irgendwas zu glauben.

Ich denke, das ist gar nicht mal was spezifisch Fernöstliches, das trifft vielleicht auf alle traditionelleren Kulturen zu. Auch die allermeisten Muslime, die ich kennengelernt habe (und das waren einige), waren nicht unbedingt aus Überzeugung Muslim, sondern aus Loyalität ihrer Familie und ihrem Clan/Dorf/Stamm gegenüber.

Dem Reich der Ideen so eine große Macht zuzusprechen, wie wir das tun, ist meiner Meinung nach wirklich etwas Modernes.

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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon MeadeLuxLewis » 16. Mai 2015, 10:30

Problem bei allen religiösen Texten ist die Frage der Interpretation. Neuer Pfarrer, neue Botschaft sozusagen.
Nicht das ich Kirchen mag, dort kann man höchstens einschlafen.

Der Ausspruch liebe deinen Nächsten wie dich selbst würde ich so übersetzen das man erst mal lernt sich selbst zu verstehen, was ich als eine Lebensaufagbe verstehe. Man könnte Liebe auch als kausalen Zusammenhang im Sein interpretieren oder nicht ? Liebe ist sehr komplex und nichts für Schwächlinge.

Die Bibel etc. ist erstmal simple Logik aber eine verdammt taffe Aufgabe das auch leben zu wollen. Ich bin wahrlich kein Befürworter von Religion aber Fakt ist das sich unsere Gesetzte und unsere Gesellschaft auf eben diesen simplen Prinzipien gründen.

Klar wortwörtlich genommen ist Religion Bullshit. Alle Jahre eine neue Interpretation um die Schäfchen zu behalten. Auch kein Problem. Die Philosophie ist eng vernüpft mit Religion, wie auch anders ? Weisheit ist kein Geschenk Gottes sondern die Fähigkeit Wahrheit zu erkennen.

Wie tief gehe ich letzlich in meine Gedanken und knüpfe Verbindungen ?
Zuletzt geändert von MeadeLuxLewis am 16. Mai 2015, 13:08, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon Maikäfer » 16. Mai 2015, 12:25

Ihr könnt schreiben was ihr wollt.
Ich habe euch mit meinen Beitrag so reingeritten wie ihr´s euch nicht vorstellen könnt.
Es heißt ca. " Wer den jeweiligen Gottesoffenbarer der jeweils relevanten (?) Zeit zur Kenntnis genommen hat und letztendlich abweist, deutlich miesere Karten hat".

Es gibt eben Tests.
Manchmal sind Wörter/ Begriffe. Man muss sich einfach klar werden wer diese als erste verwendet hat und wer´s eventuell verfälscht oder missbraucht hat.
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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon cerebrum » 16. Mai 2015, 12:39

Nichts hat soviel Konfusion und Unsicherheit in die Welt gebracht wie die Religion.
Alleine vom Christentum gibt es weltweit über 41.000 Unterarten, die sich fast alle gegenseitig logisch widersprechen in Ihrer Glaubensauffassung. Es gibt eine ganz lange Liste von Kirchen (darunter die römisch katholische, russisch orthodoxe und mehr die ich vergessen habe), die von sich behauptet _die eine_ _wahre_ _von Jesus gegründete_ Kirche zu sein. Nun.. sie können nicht alle recht haben. Logisch kann nur höchstens einer recht haben. Am wahrscheinlichsten liegen sie alle falsch. :-)
Die Absurdität der Religion hat durchaus Unterhaltungswert, aber sie ist gleichzeitig so gefährlich und abträglich für ein friedliches Zusammenleben, dass ich lieber auf den Humor und die Lächerlichkeit, die die Religion bietet verzichten würde zugunsten von mehr Güte (statt "Gott") in der Welt.

Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Ch ... ominations
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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon endlos » 16. Mai 2015, 17:06

Ich bin nicht religiös, woran andere glauben interessiert mich in der regel nicht. Bin wohl so eine art nihilist, aber der nihilismus interessiert mich auch nicht besonders.
Ich bin ganz sicher einverstanden mit der sichtweise, dass religionen auf dogmen beruhen, viel leid aus ihnen hervorgegangen ist und das sie in widerspruch zum wissenschaftlichen prinzip stehen.
cerebrum hat geschrieben:Durch die Religion werden wir alle "vorgeschädigt", da sie ja schon in der Schule gelehrt wird.
Von Anfang an wird uns somit ein verqueres Weltbild vermittelt, statt in der Frühphase kritische Denkweisen und Techniken des philosophischen Denkens zu lernen
Ich hatte zu keinem zeitpunkt religionsunterricht, dafür aber eine kurze zeit philosophie, fühle mich dadurch aber auch nicht befähigter existentielle fragen beantworten zu können. (Glücklicherweise sind die mir meistens egal...)

Aber man sollte sich auf der anderen seite den ursprung von religion vor augen führen. Er entstammt meiner meinung nach aus den mystischen vorstellungen über ursprung und beschaffenheit der welt, über die beziehung von dies- und jenseits und sicher auch vielen anderen aspekten. Dementsprechend bietet religion ein in sich geschlossenes konzept (welches man freilich widersprüchlich und unsinnig finden kann) das transzendente zu erklären. Wissenschaft hingegen kann "nur" einen kontinuierlichen erkenntnisgewinn erzeugen, der zwar in sich logisch aber letztlich zu keinem ende kommt und mir also auf manche fragen vielleicht niemals eine antwort wird liefern können.

Wer glauben möchte, dass gott die welt in sechs tagen erschaffen hat oder ob es von meinem karma abhängt, wie ich mein nächstes leben verbringe, der kann das gerne tun; ist mir schnuppe. Zum problem wird religion ja erst da wo die annahme, dass meine sicht auf die welt die einzig wahre ist und ich sie auf andere übertragen muss. Aber das ist nicht das problem von religion, sondern mit dem was menschen damit bezwecken und wofür sie es als begründung herziehen, also politik.
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Re: gehört ihr einer Religion an, wenn ja welcher?

Beitragvon Imagohominis » 28. Juni 2015, 20:05

Die Absurdität der Religion hat durchaus Unterhaltungswert, aber sie ist gleichzeitig so gefährlich und abträglich für ein friedliches Zusammenleben, dass ich lieber auf den Humor und die Lächerlichkeit, die die Religion bietet verzichten würde zugunsten von mehr Güte (statt "Gott") in der Welt.


Hm, die Negativierung der Religionen als Antitypus des gesellschaftlichen Fortschritts - vorallem in ethischer Hinsicht - halte ich für puren Zynismus, dem ich nichts abgewinnen kann. Gesellschaft und deren historische Entwicklung ist ein komplexes Zusammenspiel, ein von vielen Faktoren abhängiger Prozess, indem die Religionen der Menschen eine eminente Funktion übernommen haben; sogar ostentativ sehr negative Manifestationen der Religionen wie der Katholizismus des Mittelalters stehen nie für sich allein, sondern gesellschaftstypisch abhängig, die Exklusion des Religiösen als etwas bösartiges würde unsere Geschichte negieren.
Letztlich ist die Reduktion des Religiösen auf ein bloßes Prinzip, nämlich dem des Dogmas, und Entfremdung von den Menschen eine realitätsferne Abstraktion, die sich für nichts anderes eignet als Pamphlete.
Der Realität - vor allem der historischen - zu entsprechen, ist es notwendig, zu differenzieren und zu dem Schluss zu kommen, dass die einseitige Akzentuierung gesellschaftspolitischer Missstände auf einzelne Faktoren nicht gerechtfertigt ist; viel mehr die Betrachtung von gesellschaftspolitischen, sozialen und kulturell wechselseitig abhängigen Faktoren in einem historisch-kritischen Kontext kann ein Bild über eine Gesellschaft skizzieren, das der Realität höchstens nahe kommt, aber nie völlig entspricht.

Die Abstraktionen über Religionen enthalten sehr oft, wenn ich darüber lese, negative und aversive Haltungen, die - meiner Meinung nach - als Feindbild kein reales Objekt als Pendant verfügen; meistens sind es bloße Luftschlößer, über die ein vermeintlicher Intellekt spottet, um spotten zu können. Unter einigen Arbeitskollegen vernehme ich oft die ziemlich sophistischen Bemühungen, sich in einem Polemik gleichen Streit die größte Mühe zu geben, Religionen herabzuwerten - ob vielleicht unter unkritischen Atheisten die Absicht darin besteht, ein negatives Gemeinschaftsgefühl zu kreieren?
Da ich mich selber als Agnostiker sehe, wage ich mir einen Hochmut, über Religionen zu spotten, nicht an, denn jeder Spott ist schon eine Pforte zur Irrationalität.

Zudem wird der Begriff der Religion in der Polemik sehr oft identitätslos verwendet; alle spotten darüber, aber keiner weiß, worüber sie eigentlich spotten. Religion wird dann zum Sündenbock für alles mögliche, das sich einer differenzierten Konkretisierung für die unreflektierten Geister verschließt.

Ich amüsiere mich übrigens auch über gewisse Karikaturen, die religiöse Symbole in absurde Paradoxien stürzen, aber hierdurch wird ja nicht die Religion an sich angegriffen, sondern auf gesellschaftliche Misstände hingewiesen, an denen Religionen in irgendeine Art und Weise involviert sind. Sehr sympathisch ist mir ein muslimischer Arbeitskollege, der darüber auch lachen kann. Der hat seine Religion wirklich verstanden.
Im Grund gibt es keinen Bodhi-Baum
Da ist kein klarer Spiegel auf einem Gestell
Im Ursprung ist da kein Ding
Worauf soll sich Staub legen


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