Betreutes Wohnen

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Betreutes Wohnen

Beitragvon sdsdsdsv » 7. Oktober 2018, 21:52

Kennt sich jemand mit betreutem Wohnen aus? Es geht um einen ca. 40 jährigen Mann, der zu 80% behindert ist. Offiziell lautet die Diagnose paranoide Schizophrenie, aber diese ist nur die Spitze des Eisbergs, daneben handelt es sich wohl noch um einen Narzissten, der es anderen sehr schwer macht, mit ihm zusammenzuleben (außerdem ist er vermutlich seit einigen Jahren Alkoholiker). Sein Aussehen ist i. d. R. ungepflegt. Er ist allerdings schlau genug, um einen ziemlich guten Eindruck zu hinterlassen, wenn es nötig ist.

Der alternde Vater ist der Betreuer und dient als Boxsack für die Launen seines Sohnes. Dieser hat sein eigenes Häuschen(!), kann dort aber nicht allein leben: Das Haus verkommt und muss immer wieder in mühevoller Arbeit aufgeräumt werden. Da der Mann gesellig ist, aber weit davon entfernt irgendwelche Kompromisse einzugehen, hat er sich zudem bei seinem Vater eingenistet, bei dem er viel Zeit verbringt, ansonsten ist er schon lange sozial isoliert. Fremden gegenüber ist er zunächst zurückhaltend, bis er weiß, woran er ist. Er ist generell herrisch, dominant und aggressiv, aber nicht der Schlaueste. Wenn er diese Wesenszüge nicht durchsetzen kann, zieht er sich frustriert zurück (vermutlich schlechte Voraussetzungen für eine Wohngemeinschaft). Das ganze steuert langfristig auf einen unangenehmen Ausgang zu. Ich kenne mich da gar nicht aus. Ist betreutes Wohnen eine Lösung? Was kostet das, welche Modelle gibt es und wer bezahlt das? Die nervliche Belastung des Vaters, der mittlerweile über 70 ist, ist hoch.

Was ist, wenn der Betroffene sich weigert? Was wird mit ihm nach dem Tod des Vaters passieren? An wen sollte man sich wenden? Für Anregungen wäre ich dankbar. :rose:

tiffi

Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon tiffi » 8. Oktober 2018, 11:31

Hmm, bei verhaltensauffälligen Hunden gäbe es dann sowas wie Einzelpflegestation, bzw. meist ja schon mit
etwas Tagesstruktur und in die Gemeinschaft der vorhandenen Hunde eingegliedert.


Welche Art von Behinderung hat denn der Mann, was kriegt er nicht hin? Aber im Grunde auch
egal, so ein hoher Behinderungsgrad sagt aus, dass er Unterstützung braucht.

Betreutes Wohnen gilt als Teilhabeleistung aufgrund vorhandener Behinderung und wird
als Eingliederungsleistung beim Landesamt für Soziales beantragt.

Die Wohnformen können unterschiedlich eng sein, vom stationären Wohnen über
Außenwohngruppen und eigenen Wohnungen, wo nur noch selten ein Sozialarbeiter
vorbeischaut. Nach einem Zeitraum wird die Intensität der Hilfe überprüft.

Den Umfang bestimmt die Behörde und auch derjenige, der den Bedarf äußert.
(er hat ja keinen Betreuer, oder? Aber auch der Betreuer muss den Willen des
Betreuten berücksichtigen)

Ich war kürzlich in Kontakt mit einem Menschen, der wohl in recht ähnlicher Situation ist,
40, hoher Gdb, hohe Aggressionen, Sozialphobie, (...)

Hier schien der Wille, Unterstützung zu bekommen, ab einem gewissen Punkt recht hoch zu sein.
Vielleicht war die Familie nicht so da oder er ist auch irgendwo aneinandergerasselt,
und konnte dann schon seine Situation deutlicher wahrnehmen.
Auch die Motivation für Therapie und Medikamente war hier mehr oder weniger hoch,
da vereinbar mit den Idealen von Wissenschaft u. Humanismus.

Dumm muss nicht sein, weiß ich jetzt in deinem spezifischen Fall nicht, würde ich auch nicht
vom Schulabschluss abhängig machen.
Ich erlebe das, da wo ich es kenne, eher so durch die rigide Emotionssteuerung etwas schwarz weiß
und schnell überfordert (Rückzug oder ausrasten). Aber vielleicht kann man da doch mehr
Zutrauen haben, dass sich derjenige Gedanken machen kann, wie es weitergeht.

Eine andere Entwicklung, die möglich ist, wenn nicht rechtzeitig überlegt wird, ist, dass die
dissozialen Verhaltensweisen so hoch sind (wenig Aggressionsssteuerung ect), dass es zwangsläufig
in etwas geschlossenere Formen, und nicht mehr so freiwillige, geht :knasti:

Ich glaube, ich würde versuchen, den Mann mal in Richtung Selbstverantwortung und Zukunfts-
planung anzusprechen (durch den Vater, Dritte?).
Mal auf den Tisch legen, wie die Situation sich real entwickelt, dass der Vater das nicht
mehr dauerhaft kann, und wie denn der Betroffene sich das vorstellt.

Vielleicht in kleinen Häppchen und sehr rational anbringen, dass er dazwischen Zeit hat,
sich selbst Informationen zu suchen und sich Gedanken zu machen und mit der Idee anzufreunden.

Die Grenzen müssten wohl auch eindeutig von dem Vater gezogen werden, er müsste genauso
an die Zukunft denken, die eskalieren könnte (mit geschlossener Einrichtung und entsprechenden
Vorfällen), statt Vogel Strauß Politik.

Ggf. könnte man auch gemeinsam zu einer Beratungsstelle gehen für die Eingliederungshilfe?
Formen der Selbsthilfe könnten auch interessant sein (Selbsthilfegruppen oder es gibt eine Schule
für "Peer to Peer Counseling"), denn was ich so beobachtet habe, ist ein ziemliches Autoritäts-
problem vorhanden und Menschen mit gleichen Erfahrungen können eher ernst genommen werden.

Noch links:
Integrationsamt

Der Bekannte sprach noch von diesem hier
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)

Infos zum Betreuten Wohnen_ ab Seitenmitte

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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Indigocat » 8. Oktober 2018, 12:36

Ich kenn mich damit zwar nicht aus, hab aber von einem Fall bei uns in der Stadt gehört. Da wohnt eine alte Frau mit ihrem behinderten alkoholabhängigen Sohn. Der Sohn wurde schon wegen schlechter Führbarkeit von sämtlichen Anstalten abgelehnt. Wenn es ganz schlimm wird, kommen die Nachbarn und helfen. :kein Plan:
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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon sdsdsdsv » 8. Oktober 2018, 17:34

tiffi hat geschrieben:Welche Art von Behinderung hat denn der Mann, was kriegt er nicht hin? Aber im Grunde auch
egal, so ein hoher Behinderungsgrad sagt aus, dass er Unterstützung braucht.

Die Behinderung besteht ausschließlich in der paranoiden Psychose.

Betreutes Wohnen gilt als Teilhabeleistung aufgrund vorhandener Behinderung und wird
als Eingliederungsleistung beim Landesamt für Soziales beantragt.

Gut, dann werde ich einmal vorschlagen hier vorstellig zu werden.

Den Umfang bestimmt die Behörde und auch derjenige, der den Bedarf äußert.
(er hat ja keinen Betreuer, oder? Aber auch der Betreuer muss den Willen des
Betreuten berücksichtigen)

Der Vater ist auch der Betreuer.

Hier schien der Wille, Unterstützung zu bekommen, ab einem gewissen Punkt recht hoch zu sein.
Vielleicht war die Familie nicht so da oder er ist auch irgendwo aneinandergerasselt,
und konnte dann schon seine Situation deutlicher wahrnehmen.

Naja, solange Papa für Mahlzeiten, Hilfe bei den täglichen Verrichtungen und Unterhaltung sorgt, muss mein Fall sich nicht umorientieren. Wäre nur schade, wenn der Vater unnötigerweise darüber stirbt, wenn es auch anders hätte ausgehen können.

Ich erlebe das, da wo ich es kenne, eher so durch die rigide Emotionssteuerung etwas schwarz weiß
und schnell überfordert (Rückzug oder ausrasten). Aber vielleicht kann man da doch mehr
Zutrauen haben, dass sich derjenige Gedanken machen kann, wie es weitergeht.

In diesem Fall sicher nicht.

Eine andere Entwicklung, die möglich ist, wenn nicht rechtzeitig überlegt wird, ist, dass die
dissozialen Verhaltensweisen so hoch sind (wenig Aggressionsssteuerung ect), dass es zwangsläufig
in etwas geschlossenere Formen, und nicht mehr so freiwillige, geht :knasti:

Das würde ich in diesem Fall sogar begrüßen, aber dafür ist er zu clever.

Ich glaube, ich würde versuchen, den Mann mal in Richtung Selbstverantwortung und Zukunfts-
planung anzusprechen (durch den Vater, Dritte?).
Mal auf den Tisch legen, wie die Situation sich real entwickelt, dass der Vater das nicht
mehr dauerhaft kann, und wie denn der Betroffene sich das vorstellt.

Das ist hier völlig ausgeschlossen. Aber danke für den Vorschlag.

Die Grenzen müssten wohl auch eindeutig von dem Vater gezogen werden, er müsste genauso
an die Zukunft denken, die eskalieren könnte (mit geschlossener Einrichtung und entsprechenden
Vorfällen), statt Vogel Strauß Politik.

Das ist natürlich richtig.

Ggf. könnte man auch gemeinsam zu einer Beratungsstelle gehen für die Eingliederungshilfe?
Formen der Selbsthilfe könnten auch interessant sein (Selbsthilfegruppen oder es gibt eine Schule
für "Peer to Peer Counseling"), denn was ich so beobachtet habe, ist ein ziemliches Autoritäts-
problem vorhanden und Menschen mit gleichen Erfahrungen können eher ernst genommen werden.

Nein, nein und nochmals nein.

Noch links:
Integrationsamt

Der Bekannte sprach noch von diesem hier
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)

Infos zum Betreuten Wohnen_ ab Seitenmitte

Vielen Dank für diesen informativen Beitrag, tiffi!

Da wohnt eine alte Frau mit ihrem behinderten alkoholabhängigen Sohn. Der Sohn wurde schon wegen schlechter Führbarkeit von sämtlichen Anstalten abgelehnt. Wenn es ganz schlimm wird, kommen die Nachbarn und helfen.

Klingt gut, aber irgendwann stirbt auch diese ältere Dame.

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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Jette » 8. Oktober 2018, 22:29

Ich kenne einen ähnlichen Fall. Dieser Mann ist völlig ausgerastet, weil seine Eltern ihn nicht mehr so versorgten, wie er meinte, dass sie es tun sollten. Er sieht nichtmal, dass sein Vater sehr krank ist, alles was zählt ist nur er! Jetzt sitzt er in der Geschlossenen Psychiatrie, was vom Amtsgericht so angeordnet wurde. Er war so aggressiv geworden, dass er seine Eltern (beide über siebzig) geschlagen hatte.
Die Veränderung des Blickwinkels kann die Wahrnehmung von kleinen Dingen bewirken, die wir manchmal gar nicht mehr sehen. - Namasté

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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Themis » 9. Oktober 2018, 08:30

@ sdsdsdsv:
Ich kann dazu nur aus Erfahrung mit psychisch erkrankten Patienten in betreuten Wohngruppen (kenne zwei) beitragen, dass die Alltagsregeln dort sehr streng sind. Es wird erwartet, dass man sich nahtlos und unauffällig einfügt und Besserungswillen zeigt.
Weiterer Konsum von Drogen aller Art, darunter auch Alkohol, in den Wohngruppen ist tabu und Grund für den Hinauswurf.

So, wie Du den Fall beschreibst, nehme ich nicht an, dass der Bekannte in so etwas hineinkäme und vor allem: dort lange bliebe.
sdsdsdsv hat geschrieben:Was ist, wenn der Betroffene sich weigert? Was wird mit ihm nach dem Tod des Vaters passieren?
Im schlimmsten - oder besten? - Fall wird er, sofern weiter irgendwoher Geld fließt (?), in seinem Häuschen vor sich hinvegetieren. Solange er sich nicht an andere Personen heftet oder jemanden schädigt, kann m. W. nichts unternommen werden - nicht gegen seinen Willen zumindest.
Was die Selbstschädigung angeht, müsste die schon sehr massiv sein; ich denke nicht, dass mittelschwere Verwahrlosung für Zwangsmaßnahmen ausreicht.

Edit:
Ein erster, wichtiger Schritt wäre m. E., dass der Vater die Betreuung abgibt. Kein Angehöriger kann gezwungen werden, sie zu übernehmen oder beizubehalten. Zu begründen wäre der Rücktritt davon im vorliegenden Fall wohl leicht, falls eine Begründung überhaupt erforderlich ist.
Auch als einziger oder nächster Verwandter hat man keine Verpflichtung zur Übernahme einer Betreuung. Ich weiß das, da ich bei jedem meiner Eltern die Betreuung abgelehnt habe - ich musste nichts erklären oder begründen. (Bei meiner Mutter hat es dann eine Sozialarbeiterin der Caritas für Teilbereiche gemacht, bei meinem Vater ist seit Jahren und mittlerweile für alle Lebensbereiche ein Rechtsanwalt, der auf Betreuungen spezialisiert ist, zuständig. Beides berufliche Betreuer, wie gesagt, und offiziell vom Gericht bestellt.)

Leider sehen sich manche unter einem moralischen Druck, sie im Bedarfsfall für Verwandte zu übernehmen, wie in Deinem Fall evtl. der Vater. Das ist aber Unsinn: Ein bestellter (Berufs-)Betreuer hat Distanz und vor allem in vielen Dingen bessere Sachkenntnis und Kontakte als ein Verwandter, der sich zum Betreuer hat bestellen lassen. Das sollte man nicht vergessen.
Dass ihm naturgemäß weniger an der betreuten Person "liegt" als einem Verwandten (wobei das ja auch sehr relativ ist), kann ebenfalls ein Vorteil sein: Er ist dadurch vorschlags- und handlungsfähiger.

Wird der Vater sicher ablehnen, ich wollte es nur mal zu bedenken geben.

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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Indigocat » 9. Oktober 2018, 23:50

Themis hat geschrieben: Ein bestellter (Berufs-)Betreuer hat Distanz und vor allem in vielen Dingen bessere Sachkenntnis und Kontakte als ein Verwandter, der sich zum Betreuer hat bestellen lassen. Das sollte man nicht vergessen.
Muss der Betreuer selber bezahlt werden oder übernimmt das der Staat?
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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Themis » 10. Oktober 2018, 04:20

Der Staat, wenn der Betreute ihn nicht selbst bezahlen kann. Gibt aber noch Unterschiede zwischen ehrenamtlichen und Berufsbetreuern, soweit ich weiß; die ersteren erhalten m. W. nur Aufwandsentschädigung, die zweiten schon mehr. Richtet sich nach dem festgestellten Umfang des Betreuungsbedarfs.

Im von sdsdsdsv beschriebenen Fall ist der Vater der Betreuer, d. h., es wurde von einem Gericht bereits ein Betreuungsbedarf festgestellt. Das ist gut, dieser Schritt ist also schon mal erledigt.
Wikipedia gibt einen Überblick, wer als Betreuer außer nahen Verwandten infrage kommt: Betreuerbestellung

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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon Indigocat » 10. Oktober 2018, 09:07

Themis hat geschrieben:Der Staat, wenn der Betreute ihn nicht selbst bezahlen kann.
Danke dir. :winken:
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Re: Betreutes Wohnen

Beitragvon sdsdsdsv » 12. Oktober 2018, 09:59

Jette hat geschrieben:Ich kenne einen ähnlichen Fall. Dieser Mann ist völlig ausgerastet, weil seine Eltern ihn nicht mehr so versorgten, wie er meinte, dass sie es tun sollten. Er sieht nichtmal, dass sein Vater sehr krank ist, alles was zählt ist nur er! Jetzt sitzt er in der Geschlossenen Psychiatrie, was vom Amtsgericht so angeordnet wurde. Er war so aggressiv geworden, dass er seine Eltern (beide über siebzig) geschlagen hatte.

Es handelt sich hier um einen ähnlichen Fall. Ich befürchte ein böses Ende.


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