Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

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sdsdsdsv
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Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon sdsdsdsv » 8. August 2018, 23:35

Vielleicht poste ich hier hin und wieder für mich (und hoffentlich auch für andere) interessante Videos, die gesellschaftliche Themen betreffen. Fangen wir an mit...

https://www.youtube.com/watch?v=ZIxs6vFIlNw
Why the Left Will Win | Philosophy Tube

Der Titel ist etwas reißerisch, beachtlich fand ich die gut erklärte Einteilung der Gesellschaft in verschiedene Gruppen: Die Gemeinschaft der Starken (Communities of Strength) von rechts und die Gemeinschaft der Verletzlichen (Communities of Vulnerability). Erstere betonen die erbrachte Qualifikation, um dazuzugehören: (körperliche) Stärke, Intellekt, einen Skill. Wer das bieten kann, wird anerkannt. Dabei schwingt hier ein gewisser Narzismus mit: Ich sehe und akzeptiere nur meine eigene Stärke im Gegenüber. Er ist wie ich. Ist er es nicht, bleibt er außer vor.

Die zweite Gruppe gesteht sich ihre Schwäche ein. Wir sind alle auf die eine oder andere Art schwach, und wenn nicht heute, dann waren wir es mal und werden es auch wieder sein. Diese Schwäche beschämt uns. Wir möchten sie verdecken und (zur Not uns selbst) verstecken. Wenn wir aber anerkennen, dass wir und andere verletzlich oder schwach sind, dann können wir ihnen echte Solidarität entgegenbringen. Ein gutes Beispiel sind Gewerkschaften: Die Arbeiter machen sich bewusst, dass sie allein schwach sind gegenüber ihrem Arbeitgeber. Diese Erkenntnis schweißt sie (idealerweise) zusammen und macht sie stärker.

Auf der anderen Seite sind rechte Gemeinschaften wieder auf besondere Weise verletzlich, denn sobald sie Schwäche zeigen, bricht ihr Image und alles für das sie stehen zusammen. Die Rechten zimmern sich zudem ein schiefes Weltbild, in der sie aufgrund ihrer genetischen Disposition anderen überlegen sind, aber wegen dieser oder jener Verschwörung trotzdem unterdrückt werden und gezwungen sind, sich zu wehren. Schwer nachzuvollziehen. Viel schöner ist da die Ansicht, dass es unsere verletzlichen Seiten sind, die uns individuell und wertvoll machen. In gewisser Hinsicht lässt sich das obige meiner Meinung auch auf männlich geprägte Gesellschaften im Allgemeinen und Minderheiten, zu denen auch z. B. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen zählen, übertragen, weshalb ich es hier gepostet habe.

tiffi

Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon tiffi » 9. August 2018, 22:10

Hallo sdsdsdsv
den Ansatz finde ich nachvollziehbar. Danke auch fürs deutsche übertragen, ich hätte es sonst
nur eher lückenhaft verstanden. :verlegen:

Der Titel des Videos ist ja leicht paradox "die Linken" und das "gewinnen".
Vielleicht aber auch nicht gemeint wie: klassisch gegen einen Feind gewinnen, sondern wirksam sein.

Dass Schwäche sehr verbinden kann und es wenig Sinn macht das auszublenden, kenne ich sehr wohl.
Erst dagegen gewehrt (der erste Impuls das verstecken), doch einmal durchlebt, schafft es Brücken
zu anderen Menschen; und auch die Innenwelt wird offener.
Schwäche ist wie Kontrollverlust aber auch eine große Präsenz.

Dass das Verbinden auch außen etwas bewegenn kann, wie eine Stärke, das sehe ich noch nicht so sehr,
vermutlich weil ich doch oft sehr fixiert auf das tonangebende schaue, was wie ein Paukenschlag
daherkommt.
Vielleicht weil ich mehr so Innenwelt-beschaulich bin und wenig in die Wirksamkeit rein gehe.
(Aber wenn...ab und an geht schon was)

Ich frage mich, ob große Teile der Gedankenwelt und der gesellschaftlichen Kommunikation,
auch die ganz normale Cliquenbildung von Jugend an nicht eher ansatzweise "rechts" geprägt sind mit Leistung und
Stärke zeigen und nicht mit einem Makel auffallen, und immer in den Reihen bleiben von gewünschten Merkmalen;
und sonst Bewertung, Rangordnung und Ausgrenzung und Verachtung.
Weil das nicht so schön ist, wird darauf dann noch ein Gutmenschentum aufgepfropft, aber das ist nicht dasselbe
wie Verbindung, mit dem was so da ist (incl. Schwäche).

Bei den in der Tendenz Rechten könnte es sein dass auch GEGEN als für etwas gekämpft, und Widerstand scheint
nötig zu sein, viel Feind, viel Ehr.
Vielleicht ist da auch die diffuse Angst, dass etwas nicht genug ist und die Maske fallen könnte (aber solange mit
einem Sündenbock die Angst abgewehrt werden kann...)

Die andere Seite, das akzeptierendere, offenere für alle möglichen Unterschiede;
und ohne Wertung und Rangordnung sein, scheint dann mehr so der Therapeutenwelt und Selbsthilfegruppenwelt
vorbehalten zu sein, oder wenn man wie in einer Art Nische Gleichgesinnte findet.
Bzw- ohne Menschen geht es auf jeden Fall. Mit Menschen eher selten.

Paradox wäre dann wieder, wenn ein Therapeut mehr so konservativ rechts geprägt ist, und man da irgendwie
auch in so ein Raster fällt, statt Raum für die Schwächen zu haben oder Verletzlichkeit.
Aber das wird ja hoffentlich nicht all zu oft vorkommen.

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sdsdsdsv
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Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon sdsdsdsv » 10. August 2018, 11:13

Hallo tiffi
tiffi hat geschrieben:Der Titel des Videos ist ja leicht paradox "die Linken" und das "gewinnen".
Vielleicht aber auch nicht gemeint wie: klassisch gegen einen Feind gewinnen, sondern wirksam sein.

Ja, wirksam sein, vielleicht auch am Ende den längeren Atem haben. Wobei ich nicht weiß, ob es nicht einen besseren Begriff gibt, vielleicht "männliches Prinzip" für das eine.

Dass Schwäche sehr verbinden kann und es wenig Sinn macht das auszublenden, kenne ich sehr wohl.
Erst dagegen gewehrt (der erste Impuls das verstecken), doch einmal durchlebt, schafft es Brücken
zu anderen Menschen; und auch die Innenwelt wird offener.
Schwäche ist wie Kontrollverlust aber auch eine große Präsenz.

Das einzugestehen und damit umzugehen ist vielleicht das Schwerste überhaupt. Wenn man mit der eigenen Schwäche umgehen kann, hat man das Leben gemeistert.

Dass das Verbinden auch außen etwas bewegenn kann, wie eine Stärke, das sehe ich noch nicht so sehr,
vermutlich weil ich doch oft sehr fixiert auf das tonangebende schaue, was wie ein Paukenschlag
daherkommt.
Vielleicht weil ich mehr so Innenwelt-beschaulich bin und wenig in die Wirksamkeit rein gehe.
(Aber wenn...ab und an geht schon was)

Ja, es macht "mehr her", wenn die "Starken" eine große Show abziehen. ;-)

Ich frage mich, ob große Teile der Gedankenwelt und der gesellschaftlichen Kommunikation,
auch die ganz normale Cliquenbildung von Jugend an nicht eher ansatzweise "rechts" geprägt sind mit Leistung und
Stärke zeigen und nicht mit einem Makel auffallen, und immer in den Reihen bleiben von gewünschten Merkmalen;
und sonst Bewertung, Rangordnung und Ausgrenzung und Verachtung.

Eigentlich fast alle Medien und Geschichten, Vorbilder und Vor...gaben orientieren sich an diesem Prinzip. So ist zumindest mein Eindruck.

Weil das nicht so schön ist, wird darauf dann noch ein Gutmenschentum aufgepfropft, aber das ist nicht dasselbe
wie Verbindung, mit dem was so da ist (incl. Schwäche).

Wobei das meines Wissens ja eher so ein Kampfbegriff ist, um die andere Seite zu diskreditieren.

Bei den in der Tendenz Rechten könnte es sein dass auch GEGEN als für etwas gekämpft, und Widerstand scheint
nötig zu sein, viel Feind, viel Ehr.
Vielleicht ist da auch die diffuse Angst, dass etwas nicht genug ist und die Maske fallen könnte (aber solange mit
einem Sündenbock die Angst abgewehrt werden kann...)

Das glaube ich auch. Niemand will die Rolle des übermächtigen Unterdrückers, selbst im zweiten Weltkrieg war die Narrative, dass man sich gegen diverse Gegner verteidigen musste.

Die andere Seite, das akzeptierendere, offenere für alle möglichen Unterschiede;
und ohne Wertung und Rangordnung sein, scheint dann mehr so der Therapeutenwelt und Selbsthilfegruppenwelt
vorbehalten zu sein, oder wenn man wie in einer Art Nische Gleichgesinnte findet.
Bzw- ohne Menschen geht es auf jeden Fall. Mit Menschen eher selten.

Ich hätte jetzt gern Kirche gesagt, habe diese Erfahrung aber in der kath. Kirche nie gemacht. Vielleicht auch noch Sekten.

Paradox wäre dann wieder, wenn ein Therapeut mehr so konservativ rechts geprägt ist, und man da irgendwie
auch in so ein Raster fällt, statt Raum für die Schwächen zu haben oder Verletzlichkeit.
Aber das wird ja hoffentlich nicht all zu oft vorkommen.

Mir hat mein Therapeut in der Gruppentherapie gesagt, ich müsste mich mal einfach durchsetzen, als ich monatelang dort kaum ein Wort herausgebracht habe. Aber so etwas ist vermutlich selten.

tiffi

Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon tiffi » 10. August 2018, 22:33

Hallo sdsdsdsv
sdsdsdsv hat geschrieben:Ja, wirksam sein, vielleicht auch am Ende den längeren Atem haben.
guter Aspekt, da hatte ich nicht dran gedacht.
Ich glaube, bei Stärke assoziiere ich wirklich immer nur das vordergründige Schauspiel und Spektakel,
was so auf schnelle Überzeugung angelegt ist.
Das mit dem längeren Atem ist aber sehr wohl auch eine Qualität von Stärke.
sdsdsdsv hat geschrieben:Das einzugestehen und damit umzugehen ist vielleicht das Schwerste überhaupt. Wenn man mit der eigenen Schwäche umgehen kann, hat man das Leben gemeistert.
Das fühlt sich manchmal (bei mir) wie so eine Schwelle an, und wenn man nicht so richtig über die Schwelle kommt
und im Kampfgetümmel bleibt und die Schwäche wird so den Wölfen zum Fraß vorgeworfen, fühlt sich das ziemlich elend an, ganz gefangen im Spektakel.
sdsdsdsv hat geschrieben:Wobei das meines Wissens ja eher so ein Kampfbegriff ist, um die andere Seite zu diskreditieren.
Das stimmt. Ich habe das Wort aus dem Zusammenhang gerissen und für Begegnungen
genutzt, wo ich so die Botschaften des anderen spüre - einmal: "Ich habe eine harte Einschätzung und Umgangsart, grenze aus ect"-
und dann "ich will aber nicht als Täter dastehen und betone gute Motive und eine gute Geschichte und würde nie jemanden
ausgrenzen."
Was sich dann unauthentisch und aufgesetzt anfühlt, wenn man dem so begegnet. Als wäre da nicht so eine richtige
"gefühlte Offenheit". Mehr Beteuerungen.
sdsdsdsv hat geschrieben:[voll akzeptiert sein]Ich hätte jetzt gern Kirche gesagt, habe diese Erfahrung aber in der kath. Kirche nie gemacht. Vielleicht auch noch Sekten.
Nee, sehe ich eher schwarz. Zuviel Dogmatik und Feindbilder und Abgrenzung.
Manchmal denk ich, wenn der Mensch sich organisiert, schleicht sich sowieso ein Fehler im Programm ein.

Und nicht zuletzt hab ich den nicht zu knapp in mir drin (Schwäche nicht zu wollen, lieber souveräne Narrative ect)

Vielleicht muss man damit leben, dass immer beide Tendenzen da sind;
und dass man ab und an mal Ausnahmen hat und Räume, wo es offener und weniger ausgrenzend ist.
sdsdsdsv hat geschrieben:Mir hat mein Therapeut in der Gruppentherapie gesagt, ich müsste mich mal einfach durchsetzen, als ich monatelang dort kaum ein Wort herausgebracht habe. Aber so etwas ist vermutlich selten.
Das wirkt wie ein flacher Spruch und hilflos aktiv. Und könnte durchaus auch ein Limit des Therapeuten zeigen.

Meine Therapeutin meinte ja nach vielen Jahren Therapie, dass man besser einen Therapeuten hat, der ähnliche
Erfahrungen hat. Und sie wäre das nicht. Hätte man vielleicht auch etwas früher mal ansprechen können?
Ich meine, immerhin war ihre ganze Haltung eher akzeptierend, und in einer Richtung, am eigenen Körpergefühl zu
arbeiten.
Der Körper lügt und spaltet ja nicht soviel.
Nur die zwischenmenschlische Resonanz in der Therapie war dann eher nicht so da.
(und zuviel Resonanz und weite Erfahrungen und Gefühle sind für mich ja auch irgendwie beunruhigend, von daher
hab ich ja diesen Kompromiss auch ausgehalten)

Themis

Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon Themis » 11. August 2018, 14:56

@ sdsdsdsv:
Danke für die ausführliche Beschreibung. Hier gepostete Videos guck ich mir sonst nie an, vor allem, wenn nicht mal Titel oder Thema dabeistehen. Man weiß nicht, ob es sich lohnt und meidet dann "bewegte Bilder + Lärm" lieber (für mich zumindest sind Videos sehr anstrengend) ... Was manchmal vielleicht/bestimmt schade ist, aber was man nicht weiß, macht einen dann auch nicht heiß.
So hingegen der Inhalt schon kompakt mitgeliefert, vielen Dank. :Blümelein:
tiffi hat geschrieben:Der Körper lügt und spaltet ja nicht soviel.
Oh, das würde ich nicht so unterschreiben. Meiner kann wunderbar vor mir Sachen verstecken und ich vor ihm. Kommt, denke ich, auch wieder auf die jeweilige Geschichte und Erfahrung an, an der sich bemisst, ob der Körper Freund oder Feind oder neutral ist und ob er was mitteilen soll/kann/darf/sich traut. Er kann genauso auf Lügen/Verstecken getrimmt sein wie Geist und Psyche auch. Oder man ist nicht daran gewöhnt, Botschaften von ihm wahrzunehmen. Beispiel von mir, ich kann Schmerz/Kälte/Hitze etc. einfach ausblenden und spüre sie dann wirklich nicht mehr, wenn ich die Ursache kenne und/oder weiß, dass sie nicht zu beheben ist. Das ist ein alter, höchstens halb bewusster Mechanismus. Auch kaum zu überwinden, auch mit Willenskraft nicht ... Da müsste man sich wohl erst im Körper "zuhause" fühlen, damit da direkte Kommunikation stattfinden kann.
Schwieriges Thema.

An die sog. Gutmenschen (auch wenn Kampfbegriff) musste ich bei der Links-Idealisierung auch denken. Die sich das gute "Ich akzeptiere jeden und bin für alles offen" auf die Fahnen schreiben und oft auch sowas (für mich) ekelhaft süßlich Gönnerhaftes ausstrahlen ... Manche Kirchenvorstandsdamen gehören z. B. dazu. Aber wehe, ihr Sohn freundet sich mit der Punkerin an oder am Nebentisch sitzt ein Regenbogenpärchen. Oder auch schon, man versucht ihre Heile-Welt-und-alle-Menschen-sind-Geschwister-und-gut-Meinung etwas zu relativieren ... oh, oh. Ich war schon als Teenager sehr nihilistisch-zynisch und weckte da manchmal offensichtlich tiefes Unbehagen ...
Aber da geht es dann weniger um links und rechts, sondern um die Gefährdung des eigenen Weltbildes; vielleicht für manche noch elementarer, besonders wenn es so zementiert ist.

Und Nihilismus vertragen Rechts wie Links zum Glück gar nicht - wo nichts (kein festes Weltbild oder der Wunsch danach) ist, können sie auch nicht andocken. :teufel:

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Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon sdsdsdsv » 11. August 2018, 17:23

Themis hat geschrieben:@ sdsdsdsv:
Danke für die ausführliche Beschreibung.

Ja, gern. :-)

tiffi

Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon tiffi » 11. August 2018, 18:48

Themis hat geschrieben:
tiffi hat geschrieben:Der Körper lügt und spaltet ja nicht soviel.
Oh, das würde ich nicht so unterschreiben. Meiner kann wunderbar vor mir Sachen verstecken und ich vor ihm. Kommt, denke ich, auch wieder auf die jeweilige Geschichte und Erfahrung an, an der sich bemisst, ob der Körper Freund oder Feind oder neutral ist und ob er was mitteilen soll/kann/darf/sich traut. Er kann genauso auf Lügen/Verstecken getrimmt sein wie Geist und Psyche auch. Oder man ist nicht daran gewöhnt, Botschaften von ihm wahrzunehmen.
Ok, auch nachvollziehbar. Bei mir war es ja im Grunde auch jahrelanges Training der Haltung gen Körper in der Therapie.
Spricht ja dafür, da Training, dass das nicht alles so selbstverständlich ist.
Ich erlebe es so, vieles ist im Grunde wahrnehmbar und da, aber ich habe nicht immer Raum, Muße, manchmal eher
Abwehr, mich dem zuzuwenden und es zu deuten / verstehen.
Themis hat geschrieben:Beispiel von mir, ich kann Schmerz/Kälte/Hitze etc. einfach ausblenden und spüre sie dann wirklich nicht mehr, wenn ich die Ursache kenne und/oder weiß, dass sie nicht zu beheben ist. Das ist ein alter, höchstens halb bewusster Mechanismus. Auch kaum zu überwinden, auch mit Willenskraft nicht ... Da müsste man sich wohl erst im Körper "zuhause" fühlen, damit da direkte Kommunikation stattfinden kann.
Schwieriges Thema.
Im Grunde eine gute Sache ,mit dem Ausblenden können, wenn nicht änderbar.
Signal gelesen, mehr tun geht nicht,also Leid verringern.
Viele Menschen im Selbsthilfesektor würden das gerne trainieren.
Der Knackpunkt ist vielleicht, dass es nicht so bewusst geht. Weder für dich, die es kann noch für die anderen, die es gerne
bewusst können wollten*) (vielleicht bei ganz hoher Schulung oder viel Begabung geht es in seltenen Fällen bewusst).
*) die es können wöllten oder besser können wollen würden.
Themis hat geschrieben:Ich war schon als Teenager sehr nihilistisch-zynisch und weckte da manchmal offensichtlich tiefes Unbehagen ...
Aber da geht es dann weniger um links und rechts, sondern um die Gefährdung des eigenen Weltbildes; vielleicht für manche noch elementarer, besonders wenn es so zementiert ist.

Und Nihilismus vertragen Rechts wie Links zum Glück gar nicht - wo nichts (kein festes Weltbild oder der Wunsch danach) ist, können sie auch nicht andocken. :teufel:
Bei mir hab ich beobachtet, nicht ausdrücklich FÜR etwas sein zu können,
keine besonderen Ambitionen.
Da denke ich manchmal, Leute, die sich positioniert haben, wollen auch ein Gegenüber, was sich positioniert?
Auf der selben Seite "kämpft", Sachen ähnlich einordnet.

Oder es wird einem noch schlecht geredet, wie kürzlich "wenn du dich nicht positionierst, wer soll dich denn dann wahrnehmen
und wer soll sich kompatibel zu dir einstufen."
Als könnte man nur in dieser 2 D - pro contra- Matrix kompatibel sein oder müsste es. :roll:

Tja, aber das macht einen halt auch nicht greifbar. Man kann mal weich aber ohne echtes Interesse mitfließen und kommt nicht
so wirklich auf "die Seite" oder an "die Angel".

Ich find es trotzdem so absurd, Positionierungen zu verlangen.
Könnte man auch einen Baum vollquatschen "hör mal, was bist du eigentlich, links, rechts, geradeaus? Schonmal über
die Cleverness der Schnellwachser nachgedacht, und willste nicht auch Elite-Baum sein statt dummer Baum?
Und was hast du so für eine Theorie, wieso du so bist mit unten und oben und Verästelungen, glaubst du an den großen magischen
unsichtbaren Ast, usw". Absurd.
Zuletzt geändert von tiffi am 11. August 2018, 19:08, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon knolle » 11. August 2018, 19:01

Themis hat geschrieben: ...ich kann Schmerz/Kälte/Hitze etc. einfach ausblenden und spüre sie dann wirklich nicht mehr, wenn ich die Ursache kenne und/oder weiß, dass sie nicht zu beheben ist.

Oha das klingt interessant. Kannst du das genauer beschreiben? Wie kann es aus deiner Sicht, zu so einem Mechanismus kommen?

Themis

Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon Themis » 11. August 2018, 23:22

@ knolle:
Hier OT und öffentlich auch noch, daher nur knapp: Denke, die Missachtung körperlicher Bedürfnisse durch die Eltern (z. B. "gute Mutter" nach Selbstverständnis füttert viel und schnell (aus der Flasche, damit der Busen straff bleibt :roll: ), hat aber kein Gefühl dafür, was das Kind "eigentlich" braucht, vor allem, wenn es nie schreit; also kann das Kind das Gefühl diesbezüglich auch nicht entwickeln, wenn alles, was kommt, nur Angst macht und zuviel ist) sowie hohe Anforderungen an Härte/Bedürfnislosigkeit gegenüber sich selbst durch die Eltern plus (moderate) körperliche Erziehungsmaßnahmen können da Ursachen sein. Wir z. B. wurden mit dem nackten Hintern mit dem Teppichklopfer versohlt, wenn wir etwas angestellt hatten. "Angestellt" war bei mir, da ich sehr still und brav war, so was wie Brot im Schulranzen nicht gegessen und jetzt verschimmelt. Mein Bruder hatte da schon andere Missetaten auf Lager (Sand absichtlich im ganzen Haus verteilt oder Restmülltonne der Nachbarn angezündet).
Bei der Bestrafung erinnere ich mich aber nicht an Schmerz (und spürte ihn auch dabei/danach nicht, ich weiß noch, dass ich auf meine "Härte" für mich sehr stolz war, mir aber nichts anmerken ließ. Hatte eher Mitleid mit meinem Vater, dass er so etwas machen muss.), sondern nur an den Ausschnitt des "sonnengelben" ( :roll: , Bezeichnung meiner Mutter) Vorhangs, den ich von den Knien meines Vaters aus sah.

Denke im Rückblick, mein Vater spürte ganz richtig, dass wir starken Widerstand hatten (mein Bruder aktiven, ich passiven), der gebrochen werden sollte. Das erzeugte dann aber wieder andere Abwehrmechanismen.

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Re: Youtube ist erwachsen geworden: Gesellschaft im Fokus (wer braucht da noch Bücher?)

Beitragvon Indigocat » 11. August 2018, 23:55

Themis hat geschrieben:Mutter" nach Selbstverständnis füttert viel und schnell (aus der Flasche, damit der Busen straff bleibt :roll: ).
Jetzt noch mehr OT, aber das ist ein Irrglaube: straff bleibt die Haut vor allem mit Sport und guter Ernährung, wenn man zu schnell zu viel an Gewicht zu- und wieder abnimmt, dann wird sie schlaff. Stillen schaden der Brust nicht, im Gegenteil. Gut, hinterher ist sie etwas größer, was aber wohl meist erwünscht ist. Sieht hinterher besser aus als vorher...
Geniale Menschen sind selten ordentlich, Ordentliche selten genial. A. Einstein


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