Kritik an die Demokratie

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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon orinoco » 22. Juli 2016, 22:46

Insuffizienz hat geschrieben:
orinoco hat geschrieben:
Insuffizienz hat geschrieben:
Also vertrittst du die Ansicht, es solle ein direkt demokratischer Staat, also eine Herrschaft errichtet werden?


Wie man's nimmt. Ich bin vor allem dafür diesen diktatorischen Unrechtsstaat in einem (direkt-)demokratischen Rechtsstaat zu verwandeln und das mit einem systempolitischen Modell was sowohl theoretisch durchdacht als auch empirisch erfolgreich getestet wurde. Ob man das nun "Herrschaft" nennt, ist für mich zweitrangig. Es geht um die staatliche Regelung des Zusammenlebens. Wichtiger ist mir den derzeitigen Staat nicht mehr als Demokratie sondern als Diktatur zu bezeichnen.

Warum willst du, dass die Menschen unterdrückt werden?


Hab ich das irgendwo gesagt? Ich wüsste nicht.
Wer meint (direkte) Demokratie wäre (zu viel) Unterdrückung der Menschen, der darf gerne aufzeigen wie es mit weniger Unterdrückung funktioniert. Mir ist nur kein - außer in der grauen Theorie - funktionierendes systempolitisches Modell bekannt, dass besser (gerechter, freier, friedlicher) ist als das der (direkten) Demokratie. Nur jedes Modell das weniger demokratisch ist, ist automatisch mehr diktatorisch, da dann demokratische Mehrheiten von demokratischen Minderheiten majorisiert bzw. unterdrückt werden. Die Unterdrückung nimmt definitionsgemäß mit weniger Demokratie zu. Deswegen hat auch ein schlauer Kopf mal gesagt:
Die beste Kur für Probleme der Demokratie ist mehr Demokratie.


Insuffizienz hat geschrieben: Warum willst du ihnen nicht die Wahl lassen, daran teilnehmen zu können oder nicht?


Ich weiß nicht was du hier unter "Wahl" verstehst. Niemand wird gewzungen sich an der Demokratie zu beteiligen. Nur wer sich nicht beteiligt, entscheidet auch nicht. Und solange das Zusammenleben von Millionen von Menschen in Staaten oder auch nur in Kommunen mit wenigen hundert geregelt werden muss, müssen politische Entscheidungen irgendwie getroffen werden und das eben besser (direkt-)demokratisch als diktatorisch. Ich hab sogar in kleinen Arbeitskreisen mit nicht mehr als zehn Teilnehmern die Erfahrung gemacht, dass andere Modelle wie Konsensbildung nicht funktionieren und nur zu Endlosdebatten führen. Am Ende musste immer abgestimmt werden um zu einem Ergebnis zu kommen. Menschliches Zusammenleben ist nicht ohne gegenseitige Rücksichtnahme möglich. Nur Menschen verhalten sich eben nicht immer freiwillig vernünftig und rücksichtsvoll. Bis zu 150 Mitglieder einer sozialen Gruppe funktioniert noch die direkte soziale Kontrolle. Danach wird es schwierig und ab da braucht man (direkte) Demokratie um Regeln für das Zusammenleben aufzustellen die für alle gelten. Anti-soziales Verhalten zu sanktionieren ist für mich per se keine Unterdrückung, so wie es keine grenzenlose Freiheit gibt.

Und dafür dass jeder seine eigene Insel mit Leuchtturm bekommt auf der der machen kann was er will, ist die Welt nicht nur zu klein, sondern es widerspricht der sozialen Natur des Menschen, der allein nicht überlebensfähig ist und in zu kleinen, isolierten Gruppen sogar das Feuer machen verlernt. Und in einer extrem arbeitsteiligen zunehmend globalen Welt wo zwar alle zurück zur Natur wollen, aber keiner zu Fuß, müssen politische Entscheidungen eben getroffen werden. Und da ist die (direkte) Demokratie das politische Optimum aus gerecht, frei, selbstbestimmt, verantwortungsvoll, am wenigsten unterdrückend und funktionierend. Von da geht es nach allen Seiten nur wieder nach unten. Entweder es wird diktatorisch/unfrei, ungerecht, verantwortungslos, rücksichtslos, unterdrückend, es funktioniert schlicht nicht oder noch schlimmer: es regiert das Faustrecht.
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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon Insuffizienz » 22. Juli 2016, 23:56

Ideen und Versuche wird es wahrscheinlich immer geben. Aber die Umsetzung - dauerhaft, stabil, von anderen toleriert und akzeptiert - daran kann ich nicht glauben.

Ja, Versuche und Ideen wird es immer geben, es wird immer mehr daran entwickelt durch Ausprobieren. Ist doch hervorragend, dass solche Versuche vor gar nicht allzu langer Zeit stattfanden und sogar stattfinden.
Wo wäre der Fortschritt, die Wissenschaft, die Technik, wenn man sofort aufgibt, wenn man einmal (oder mehrfach) scheitert. Gerade, wenn man sich auf dem Gebiet nicht auskennt, da es dieses möglicherweise nicht gibt zur Zeit, ist es doch unvernünftig das Versagen direkt zu behaupten.
Aber belassen wir's dabei. ;D

Insuffizienz hat geschrieben:Das muss gar nicht stimmen. Z. B. in der etablierten Anarchie könnte solch ein Bedürfnis vielleicht kaum aufkommen. Es muss einen Grund geben, warum Bauern- und Jagd-Völker tendenziell nicht zu Herrschaften führen.

Ich persönlich denke, und dafür habe ich keine Beweise, dass es an der eben geringeren Anzahl von Menschen liegt, die in der Form zusammen leben, dass es mitunter funktioniert. Da ist es auch viel einfacher, Einzelne auszumachen, die Anstalten machen, eine Führungsrolle einzunehmen und diese dann entsprechend aufzuhalten (oder zu verbannen, wie das bei Naturvölkern ja z.B. der Fall ist). Aber im größeren Stil, bezogen auf ein ganzes Land bzw. Volk wäre das viel zu komplex.

Das kann sein, ist aber kein Gegenargument für die Anarchie. Anarchie setzt ja nicht eine "Nation" voraus, nicht einmal eine Gemeinschaft.

Ich persönlich sehe die beste Chance, halbwegs (!) frei zu leben in der Einsiedelei. Natürlich ebenfalls nicht umsetzbar für ein ganzes Volk oder die Menschheit im Allgemeinen. [;)]

Warum soll das nicht möglich sei, wenn sie das wollten?

LG

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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon Insuffizienz » 23. Juli 2016, 00:31

orinoco hat geschrieben:
Insuffizienz hat geschrieben:Warum willst du, dass die Menschen unterdrückt werden?


Hab ich das irgendwo gesagt? Ich wüsste nicht.
Ich bin vor allem dafür diesen diktatorischen Unrechtsstaat in einem (direkt-)demokratischen Rechtsstaat zu verwandeln.

Ein Staat ist für mich per definitionem eine Herrschaft, die niemandem auf dem Gebiet, das er beansprucht vollständig beherrschen zu dürfen, fragt, ob er dieser zustimmt.

Wer meint (direkte) Demokratie wäre (zu viel) Unterdrückung der Menschen, der darf gerne aufzeigen wie es mit weniger Unterdrückung funktioniert. Mir ist nur kein - außer in der grauen Theorie - funktionierendes systempolitisches Modell bekannt, dass besser (gerechter, freier, friedlicher) ist als das der (direkten) Demokratie.

Konkrete Systeme kann ich nicht nennen, und ob sie funktionieren ist ein ganz anderes. Ich bin persönlich noch nicht soweit gekommen libertäre Gesellschaftsformen zu betrachten. Ich werde mich jedenfalls in Zukunft mit Ideen zum Anarchokommunismus auseinandersetzen.

Nur jedes Modell das weniger demokratisch ist, ist automatisch mehr diktatorisch, da dann demokratische Mehrheiten von demokratischen Minderheiten majorisiert bzw. unterdrückt werden. Die Unterdrückung nimmt definitionsgemäß mit weniger Demokratie zu.

Das gilt doch höchstens, wenn man behauptet, es gäbe nur eine Demokratie und eine Diktatur, alle anderen existierten nicht. Und du definierst wahrscheinlich Oligarchien als Diktaturen/Monarchien.

orinoco hat geschrieben:
Insuffizienz hat geschrieben:Warum willst du ihnen nicht die Wahl lassen, daran teilnehmen zu können oder nicht?

Ich weiß nicht was du hier unter "Wahl" verstehst. Niemand wird gewzungen sich an der Demokratie zu beteiligen. Nur wer sich nicht beteiligt, entscheidet auch nicht.

Mit Wahl meine ich zu entscheiden, ob der demokratische Staat akzeptiert wird, ob die Menschen es legitim finden, dass er das Land einfach beherrscht und alle seine Gesetze für alle anderen gelten, einfach nur weil sie dort sind, und sie mit Gewalt (Polizei und Militär) durchsetzt gegen ihren Willen.

Ich hab sogar in kleinen Arbeitskreisen mit nicht mehr als zehn Teilnehmern die Erfahrung gemacht, dass andere Modelle wie Konsensbildung nicht funktionieren und nur zu Endlosdebatten führen. Am Ende musste immer abgestimmt werden um zu einem Ergebnis zu kommen. Menschliches Zusammenleben ist nicht ohne gegenseitige Rücksichtnahme möglich. Nur Menschen verhalten sich eben nicht immer freiwillig vernünftig und rücksichtsvoll.

In anarchistischen Gemeinschaften ist es anders. Wie du schon sagst, die Voraussetzung ist eine Diskussionskultur, das ist die logische Konsequenz. Es wird bspw. bei den Sans sehr lange und regelmäßig im Kreis diskutiert. Und in der Anarchie während des spanischen Bürgerkriegs war dies auch eine Besonderheit (zumindest zu den Anfängen), dass viel diskutiert, sich viel öffentlich getroffen wurde in Cafés etc.

Danach wird es schwierig und ab da braucht man (direkte) Demokratie um Regeln für das Zusammenleben aufzustellen die für alle gelten.

Ist ja eine vage Behauptung, dass es Demokratie "braucht" als unumstößliche Wahrheit. ;D

Anti-soziales Verhalten zu sanktionieren ist für mich per se keine Unterdrückung, so wie es keine grenzenlose Freiheit gibt.

Je nach dem wie man antisoziales Verhalten definieren würde, würde ich auch zustimmen. Aber ich lehne unnötige Gewalt ab, ich legitimiere für mich eigentlich nur Selbstverteidigung. Also Gefängnisse z. B. sind für mich hochgradig menschenverachtend. Stattdessen könnte man bspw. Mitglieder aus der Gemeinschaft ausstoßen.

Und dafür dass jeder seine eigene Insel mit Leuchtturm bekommt auf der der machen kann was er will, ist die Welt nicht nur zu klein, sondern es widerspricht der sozialen Natur des Menschen, der allein nicht überlebensfähig ist und in zu kleinen, isolierten Gruppen sogar das Feuer machen verlernt.

Je nachdem wie du's betrachtest. Es gibt bestimmt Menschen, die allein und autark in irgendwelchen abgelegenen Weiten alt werden.

Und in einer extrem arbeitsteiligen zunehmend globalen Welt wo zwar alle zurück zur Natur wollen, aber keiner zu Fuß, müssen politische Entscheidungen eben getroffen werden. Und da ist die (direkte) Demokratie das politische Optimum aus gerecht, frei, selbstbestimmt, verantwortungsvoll, am wenigsten unterdrückend und funktionierend. Von da geht es nach allen Seiten nur wieder nach unten. Entweder es wird diktatorisch/unfrei, ungerecht, verantwortungslos, rücksichtslos, unterdrückend, es funktioniert schlicht nicht oder noch schlimmer: es regiert das Faustrecht.

Erst behauptest du, es könnte möglich sein, dass es andere funktionsfähige Modelle gibt, s.,
Mir ist nur kein - außer in der grauen Theorie - funktionierendes systempolitisches Modell bekannt, dass besser (gerechter, freier, friedlicher) ist als das der (direkten) Demokratie.

- unter der von mir unterstellten Annahme, dass du nicht glaubst, du wüsstest alle Wahrheiten über diese Welt - dann stellst du die Demokratie als politisches Optimum dar, obwohl andere dir unbekannte Systeme dies sein könnten.

Jetzt müsstest du noch definieren, was für dich das "Faustrecht" ist, damit ich es verstehen kann.

Vielleicht ist noch etwas missverständlich: Ich gehe von eine "postkapitalistische" Gesellschaft aus. Es ist klar, dass eine Gesellschaft im Kapitalismus nur mit einem Staat existieren kann, denn es geht einzig um Konkurrenz. Da die meisten Bürger ohne Eigentum sind und die Grundbedürfnisse nicht ohne Geld erworben werden können, muss der Mensch sich "bekämpfen", um zu überleben.
Also im Kapitalismus eine solidarische Gemeinschaft zu erschaffen ist vom Prinzip schon vollständig ausgeschlossen. Nur mit einer Zwangsherrschaft wie gesagt gibt es überhaupt den Kapitalismus.
Da der Kapitalismus von Grund auf menschenverachtend ist und unvorstellbares Leid auslöst, da er nicht für den Menschen gemacht ist, würde ich gar keinen Grund sehen eine Revolution zu starten, welche darauf abzielt eine neue Zwangsherrschaft im Kapitalismus zu starten.

LG

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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon orinoco » 23. Juli 2016, 12:31

Insuffizienz hat geschrieben:
orinoco hat geschrieben:
Insuffizienz hat geschrieben:Warum willst du, dass die Menschen unterdrückt werden?


Hab ich das irgendwo gesagt? Ich wüsste nicht.
Ich bin vor allem dafür diesen diktatorischen Unrechtsstaat in einem (direkt-)demokratischen Rechtsstaat zu verwandeln.

Ein Staat ist für mich per definitionem eine Herrschaft, die niemandem auf dem Gebiet, das er beansprucht vollständig beherrschen zu dürfen, fragt, ob er dieser zustimmt.


Dass man sich, wenn man sich die ganzen diktatorischen EU-Staaten und den größten Teil des Rests der Welt ansieht, keinen anderen Staat als einen in dem seine Bewohner nichts zu melden haben, vorstellen kann: geschenkt. Nur zeichnet sich eine echte (direkte) Demokratie gerade dadurch aus, dass sie den Staat permanent durch seine Bevölkerung legitimiert m.a.W. in einer (direkten) Demokratie darf es kein Gesetz geben, das keine demokratische Mehrheit (Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen bei einem Volksentscheid) im Volk hat. Das ist das Prinzip der Volkssouveränität, das eigentlich sogar in der UN-Charta verbrieft ist (es hält sich nur praktisch keine Staatsmafia daran bzw. es ist nur schwer einklagbar). Damit wird der Bevölkerung eines Staates mit (direkter) Demokratie genau das ermöglicht, was du Staaten generell absprichst.

Insuffizienz hat geschrieben:
Wer meint (direkte) Demokratie wäre (zu viel) Unterdrückung der Menschen, der darf gerne aufzeigen wie es mit weniger Unterdrückung funktioniert. Mir ist nur kein - außer in der grauen Theorie - funktionierendes systempolitisches Modell bekannt, dass besser (gerechter, freier, friedlicher) ist als das der (direkten) Demokratie.

Konkrete Systeme kann ich nicht nennen, und ob sie funktionieren ist ein ganz anderes. Ich bin persönlich noch nicht soweit gekommen libertäre Gesellschaftsformen zu betrachten. Ich werde mich jedenfalls in Zukunft mit Ideen zum Anarchokommunismus auseinandersetzen.


Ich kann nur jedem empfehlen sich mit Funktionsweise und Erfahrung echter (direkter) Demokratie zu befassen. Funktion und Volkssouveränität garantiert.

Insuffizienz hat geschrieben:
Nur jedes Modell das weniger demokratisch ist, ist automatisch mehr diktatorisch, da dann demokratische Mehrheiten von demokratischen Minderheiten majorisiert bzw. unterdrückt werden. Die Unterdrückung nimmt definitionsgemäß mit weniger Demokratie zu.

Das gilt doch höchstens, wenn man behauptet, es gäbe nur eine Demokratie und eine Diktatur, alle anderen existierten nicht. Und du definierst wahrscheinlich Oligarchien als Diktaturen/Monarchien.


Diktatur bedeutet für mich definitionsgemäß, wenn demokratische Minderheiten demokratische Mehrheiten majorisieren bzw. unterdrücken, also wenige bis einer bestimmen was alle anderen zu tun oder zu lassen haben. Demokratie bedeutet umgekehrt für mich defintionsgemäß, wenn die demokratische Mehrheit der Bevölkerung eines Staates die Gesetze desselben bestimmt. Da gibt es realistischerweise nur ein entweder oder.

Insuffizienz hat geschrieben:
orinoco hat geschrieben:
Insuffizienz hat geschrieben:Warum willst du ihnen nicht die Wahl lassen, daran teilnehmen zu können oder nicht?

Ich weiß nicht was du hier unter "Wahl" verstehst. Niemand wird gewzungen sich an der Demokratie zu beteiligen. Nur wer sich nicht beteiligt, entscheidet auch nicht.

Mit Wahl meine ich zu entscheiden, ob der demokratische Staat akzeptiert wird, ob die Menschen es legitim finden, dass er das Land einfach beherrscht und alle seine Gesetze für alle anderen gelten, einfach nur weil sie dort sind, und sie mit Gewalt (Polizei und Militär) durchsetzt gegen ihren Willen.


Also damit habe ich und die (direkte) Demokratie, so wie ich sie vertrete, überhaupt kein Problem. Ich bin sogar sehr dafür, dass die Bevölkerung eines jeden Staates in einer Ur-Volksabstimmung gefragt wird ob sie mit einem (direkt-)demokratischen Staat einverstanden sind. Und Gesetz den Fall, dass sie sie annehmen, dann kann das Volk immer wieder über die Legitimität staatlichen Handelns, sprich der Gesetze und Vorschriften, entscheiden. Natürlich nach praxisrelevanten Maßstäben, wie das z.B. in der Schweiz mit Volksinitiative und fakultativem Referendum geregelt ist.

Insuffizienz hat geschrieben:
Ich hab sogar in kleinen Arbeitskreisen mit nicht mehr als zehn Teilnehmern die Erfahrung gemacht, dass andere Modelle wie Konsensbildung nicht funktionieren und nur zu Endlosdebatten führen. Am Ende musste immer abgestimmt werden um zu einem Ergebnis zu kommen. Menschliches Zusammenleben ist nicht ohne gegenseitige Rücksichtnahme möglich. Nur Menschen verhalten sich eben nicht immer freiwillig vernünftig und rücksichtsvoll.

In anarchistischen Gemeinschaften ist es anders. Wie du schon sagst, die Voraussetzung ist eine Diskussionskultur, das ist die logische Konsequenz. Es wird bspw. bei den Sans sehr lange und regelmäßig im Kreis diskutiert. Und in der Anarchie während des spanischen Bürgerkriegs war dies auch eine Besonderheit (zumindest zu den Anfängen), dass viel diskutiert, sich viel öffentlich getroffen wurde in Cafés etc.


Diskussionskultur gibt es auch in der (direkten) Demokratie. Eine Entscheidung im Konsens ist wünschenswert, aber nicht erzwingbar, da ein Zwang zum Konsens die Unterdrückung abweichender Meinungen beinhalten würde. Bei Disssenz braucht es dann wieder die Demokratie.

Insuffizienz hat geschrieben:
Danach wird es schwierig und ab da braucht man (direkte) Demokratie um Regeln für das Zusammenleben aufzustellen die für alle gelten.

Ist ja eine vage Behauptung, dass es Demokratie "braucht" als unumstößliche Wahrheit. ;D


Von Wahrheit habe ich ja gar nicht gesprochen.
Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

Heinz v. Foerster

Insuffizienz hat geschrieben:
Anti-soziales Verhalten zu sanktionieren ist für mich per se keine Unterdrückung, so wie es keine grenzenlose Freiheit gibt.

Je nach dem wie man antisoziales Verhalten definieren würde, würde ich auch zustimmen. Aber ich lehne unnötige Gewalt ab, ich legitimiere für mich eigentlich nur Selbstverteidigung. Also Gefängnisse z. B. sind für mich hochgradig menschenverachtend. Stattdessen könnte man bspw. Mitglieder aus der Gemeinschaft ausstoßen.


In einer (direkten) Demokratie hast du eine faire Chance Dinge, die du nicht gut findest selbst zu ändern. Du kannst politisch machen was du willst, du musst "nur" ein demokratische Mehrheit von deinen Ansichten überzeugen. Das ist die ganze große, politische Freiheit Nr.7 der (direkten) Demokratie für den Einzelnen. Sie impliziert natürlich auch, dass man verlieren können muss, eben wenn die Mehrheit nicht der eigenen Ansicht ist. Aber dann bleibt ja immer noch die Abstimmung mit den Füßen.

Insuffizienz hat geschrieben:
Und dafür dass jeder seine eigene Insel mit Leuchtturm bekommt auf der der machen kann was er will, ist die Welt nicht nur zu klein, sondern es widerspricht der sozialen Natur des Menschen, der allein nicht überlebensfähig ist und in zu kleinen, isolierten Gruppen sogar das Feuer machen verlernt.

Je nachdem wie du's betrachtest. Es gibt bestimmt Menschen, die allein und autark in irgendwelchen abgelegenen Weiten alt werden.


Was nur für die Menschheit als Ganzes kein wirklich praxisrelevantes Gesellschaftsmodell ist. Es hat schon seinen Grund, dass praktisch alle Menschen nicht wie sibirische Tiger solitär in 50km² großen Revieren leben in denen kein Artgenosse geduldet wird.

Insuffizienz hat geschrieben:
Und in einer extrem arbeitsteiligen zunehmend globalen Welt wo zwar alle zurück zur Natur wollen, aber keiner zu Fuß, müssen politische Entscheidungen eben getroffen werden. Und da ist die (direkte) Demokratie das politische Optimum aus gerecht, frei, selbstbestimmt, verantwortungsvoll, am wenigsten unterdrückend und funktionierend. Von da geht es nach allen Seiten nur wieder nach unten. Entweder es wird diktatorisch/unfrei, ungerecht, verantwortungslos, rücksichtslos, unterdrückend, es funktioniert schlicht nicht oder noch schlimmer: es regiert das Faustrecht.

Erst behauptest du, es könnte möglich sein, dass es andere funktionsfähige Modelle gibt, s.,
Mir ist nur kein - außer in der grauen Theorie - funktionierendes systempolitisches Modell bekannt, dass besser (gerechter, freier, friedlicher) ist als das der (direkten) Demokratie.

- unter der von mir unterstellten Annahme, dass du nicht glaubst, du wüsstest alle Wahrheiten über diese Welt - dann stellst du die Demokratie als politisches Optimum dar, obwohl andere dir unbekannte Systeme dies sein könnten.


Nach meinem Wissen und meiner Erfahrung ist echte (direkte) Demokratie das systempolitische Non-plus-Ultra. Vergleichbar dem Newtonschen Gravitationsgesetz, der Einsteinschen Relativitätstheorien oder dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik in der Physik bzw. Physicochemie. Ich erhebe allerdings keinen Anspruch darauf, dass dies die unumstößliche Wahrheit™ ist. Im Gegenteil: ich fordere jeden auf dieses systempolitische Modell zu testen und wenn er kann, es besser zu machen. Nur so wie Newton, Einstein und der 2. Hauptsatz sowohl theoretisch als auch experimentell sehr, sehr gut abgesichert sind, schätze ich es als vergleichbar schwer ein ein besseres systempolitische Modell als die (direkte) Demokratie zu entwerfen. Und selbst wenn es einen systempolitischen Einstein geben sollte, dann wird es ihm mit der (direkten) Demokratie nicht viel anders als dem Physik-Einstein mit Newton ergehen: Newton ist verdammt gut und Einstein hat ihn nicht widerlegt, sondern nur ein klein wenig verbessert - jedenfalls was unsere tägliche, gravitative Alltagserfahrung betrifft. Um an die Grenzen von Newton zu kommen und Einstein zu bemühen muss man schon handfeste, experimentelle Physik betreiben.

Insuffizienz hat geschrieben:Jetzt müsstest du noch definieren, was für dich das "Faustrecht" ist, damit ich es verstehen kann.


Manche meinen ja, man bräuchte gar keinen Staat und keine Gesetze, die die Menschen ja nur "unterdrücken" würden und die Menschen könnten nach dem Grundsatz "Friede, Freude, Eierkuchen" zusammen leben, quasi in einem rechtlichen Vakuum, einem paradiesähnlichen Zustand. Das geht eben nur an der Realität krass vorbei. Es gibt kein rechtliches Vakuum in einer zunehmend globalen Gesellschaft. Dort wo es kein Rechtssystem gibt, breitet sich nicht das Paradies aus, sondern das ungeschriebene Recht des Stärkeren, wonach der bestimmt der Kraft seiner physischen oder militärischen Stärke den Schwächeren dazu zwingen kann ihm gehorsam zu sein. Wenn nicht kriegt er dessen "Faust" zu spüren. Das ist Faustrecht. Das was die "Warlords" in Afrika oder die US-Machthaber außenpolitisch praktizieren ("Kanonenbootpolitik") kann als solches betrachtet werden. Dass das alles andere als friedlich ist, brauch ich wohl kaum zu betonen.

Insuffizienz hat geschrieben:Vielleicht ist noch etwas missverständlich: Ich gehe von eine "postkapitalistische" Gesellschaft aus. Es ist klar, dass eine Gesellschaft im Kapitalismus nur mit einem Staat existieren kann, denn es geht einzig um Konkurrenz. Da die meisten Bürger ohne Eigentum sind und die Grundbedürfnisse nicht ohne Geld erworben werden können, muss der Mensch sich "bekämpfen", um zu überleben.
Also im Kapitalismus eine solidarische Gemeinschaft zu erschaffen ist vom Prinzip schon vollständig ausgeschlossen. Nur mit einer Zwangsherrschaft wie gesagt gibt es überhaupt den Kapitalismus.
Da der Kapitalismus von Grund auf menschenverachtend ist und unvorstellbares Leid auslöst, da er nicht für den Menschen gemacht ist, würde ich gar keinen Grund sehen eine Revolution zu starten, welche darauf abzielt eine neue Zwangsherrschaft im Kapitalismus zu starten.


So ich Herrschaft so verstehe wie du es oben definiert hast, also dass du nicht gefragt wirst ob du einem politischen System in einem Staat zustimmst und nicht die Möglichkeit hast selbst mit zu entscheiden in welchem politischen System du leben willst, dann ist echte (direkte) Demokratie, so wie ich sie mit voller Volkssouveränität vertrete, keine Herrschaft in deinem Sinn. Eine Revolution muss du dafür dennoch nicht starten. Es reicht erst mal aus diese in ihrer Tiefe zu verstehen.
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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon Insuffizienz » 23. Juli 2016, 15:16

orinoco hat geschrieben:Nur zeichnet sich eine echte (direkte) Demokratie gerade dadurch aus, dass sie den Staat permanent durch seine Bevölkerung legitimiert m.a.W. in einer (direkten) Demokratie darf es kein Gesetz geben, das keine demokratische Mehrheit (Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen bei einem Volksentscheid) im Volk hat.

Mein Anprangern gilt dem Einzelnen und nicht dem Volk. Du sagst es sogar selbst, was die Mehrheit wählt, gilt für alle, auch wenn sie es nicht wollen. Das wäre tatsächlich legitim, nur solange jedoch jeder einzelne zustimmt unter dieser Zwangsherrschaft leben zu wollen.

Also damit habe ich und die (direkte) Demokratie, so wie ich sie vertrete, überhaupt kein Problem. Ich bin sogar sehr dafür, dass die Bevölkerung eines jeden Staates in einer Ur-Volksabstimmung gefragt wird ob sie mit einem (direkt-)demokratischen Staat einverstanden sind. Und Gesetz den Fall, dass sie sie annehmen, dann kann das Volk immer wieder über die Legitimität staatlichen Handelns, sprich der Gesetze und Vorschriften, entscheiden. Natürlich nach praxisrelevanten Maßstäben, wie das z.B. in der Schweiz mit Volksinitiative und fakultativem Referendum geregelt ist.

Das ist ja meine Kritik. Um zu entscheiden, ob jeder sich von der Mehrheitsmeinung beherrschen lassen will, kann man wohl kaum Wahlen heranziehen, die sind ja gerade das Problem.
Ich will nur wissen, ob dein demokratischer Staat herrschaftsanspruch auf seinem gewählten Gebiet hat. Wenn ich also nicht mich von Mehrheitsmeinungen unterdrücken lassen möchte, kann ich dann auf deinem Staatsgebiet auf einer freien Fläche leben wie ich möchte, undzwar nicht nach allen Gesetzen deiner Herrschaftsform; natürlich ohne dass ich jemanden schade? Leben bedeutet auch, dass ich die Möglichkeit habe zu überleben. So muss mir Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Wasserquellen, fruchtbares Land etc. gegeben sein, ansonsten sterbe ich ja.
Falls dies der Fall ist, wäre dein Modell libertär, zwar eine Herrschaft, aber eine freiwillige. Falls nicht, ist es eine Zwangsherrschaft.

Diktatur bedeutet für mich definitionsgemäß, wenn demokratische Minderheiten demokratische Mehrheiten majorisieren bzw. unterdrücken, also wenige bis einer bestimmen was alle anderen zu tun oder zu lassen haben. Demokratie bedeutet umgekehrt für mich defintionsgemäß, wenn die demokratische Mehrheit der Bevölkerung eines Staates die Gesetze desselben bestimmt. Da gibt es realistischerweise nur ein entweder oder.

Das ist ja wieder ein vage Behauptung. Wie du schon erwähnt hast, gibt es verschiedenartige Problemlösungsstrategien, z. B. Konsens, Kompromiss, Delegation (im Prinzip eine Wahl, aber man könnte auch ein "Gericht" nehmen, einen Altenrat oder sowas), Unterwerfung (z. B. Diktatur oder Wahlen, wenn sie auferlegt sind) oder die Flucht.
Für mich gilt sicherlich nicht, dass nur Wahlen oder Diktatur (beides können Konfliktlösungsstrategien der Unterwerfung sein) eine Konfliktlösung darstellen.

Diskussionskultur gibt es auch in der (direkten) Demokratie. Eine Entscheidung im Konsens ist wünschenswert, aber nicht erzwingbar, da ein Zwang zum Konsens die Unterdrückung abweichender Meinungen beinhalten würde. Bei Disssenz braucht es dann wieder die Demokratie.

Jap, da braucht es in der Demokratie nicht nur die Wahlen, sondern sie gelten als einzige legitime Möglichkeit, soweit ich das verstehe.

Insuffizienz hat geschrieben:
Und dafür dass jeder seine eigene Insel mit Leuchtturm bekommt auf der der machen kann was er will, ist die Welt nicht nur zu klein, sondern es widerspricht der sozialen Natur des Menschen, der allein nicht überlebensfähig ist und in zu kleinen, isolierten Gruppen sogar das Feuer machen verlernt.

Je nachdem wie du's betrachtest. Es gibt bestimmt Menschen, die allein und autark in irgendwelchen abgelegenen Weiten alt werden.


Was nur für die Menschheit als Ganzes kein wirklich praxisrelevantes Gesellschaftsmodell ist. Es hat schon seinen Grund, dass praktisch alle Menschen nicht wie sibirische Tiger solitär in 50km² großen Revieren leben in denen kein Artgenosse geduldet wird.

Jop, das ist logisch. Habe ich auch nicht behauptet. ;D

Manche meinen ja, man bräuchte gar keinen Staat und keine Gesetze, die die Menschen ja nur "unterdrücken" würden und die Menschen könnten nach dem Grundsatz "Friede, Freude, Eierkuchen" zusammen leben, quasi in einem rechtlichen Vakuum, einem paradiesähnlichen Zustand.

Es ist prinzipiell von der Logik her nicht möglich mit anderen ohne "Gesetze" oder regeln zu leben. Irgendetwas stellt sich ein, und sei es die Regel, niemanden zu töten, ansonsten verteidigt man sich.
Ich behaupten, dass das Beste wäre, wenn es keinen Staat gibt, also keine Zwangsherrschaft oder sei es freiwillige Herrschaft. Eine Anarchie, ein freiwilliger Zusammenschluss der Menschen, vorwiegend kommunistisch, sehe ich als optimal an. Jedoch kann ich erst mal nicht weiter argumentieren, wie gesagt, ich muss mich nochmal genauer damit auseinandersetzen.

Wie siehst du das denn. Dein Modell, bezieht es sich auf den Kapitalismus? Möchtest du, dass der Kapitalismus weiter vorherrscht bzw. vorherrschen kann in deinem Staat oder lehnst du ihn grundsätzlich ab?

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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon orinoco » 23. Juli 2016, 22:45

Insuffizienz hat geschrieben:
orinoco hat geschrieben:Nur zeichnet sich eine echte (direkte) Demokratie gerade dadurch aus, dass sie den Staat permanent durch seine Bevölkerung legitimiert m.a.W. in einer (direkten) Demokratie darf es kein Gesetz geben, das keine demokratische Mehrheit (Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen bei einem Volksentscheid) im Volk hat.

Mein Anprangern gilt dem Einzelnen und nicht dem Volk. Du sagst es sogar selbst, was die Mehrheit wählt, gilt für alle, auch wenn sie es nicht wollen. Das wäre tatsächlich legitim, nur solange jedoch jeder einzelne zustimmt unter dieser Zwangsherrschaft leben zu wollen.


Du hast nur geschrieben, dass jeder gefragt werden muss, nicht dass auch jeder zustimmen muss. Letzteres hätte nur absurde Konsequenzen, denn das würde bedeuten, dass entweder eine demokratische Minderheit oder gar Einzelne eine Mehrheit majorisiert also diese unterdrückt (was ja mehr Unterdrückung bedeuten würde) oder dass es Rosinenpickerei gäbe und sich jeder raussuchen kann welche Gesetze einer Gemeinschaft für ihn gelten und welche nicht. Eine soziale Gemeinschaft funktioniert nur wenn sie Regeln hat die das Zusammenleben regeln, Und Regeln müssen für alle gelten, worauf das rechtsstaatliche Prinzip fusst. Wenn dir Mehrheitsentscheide einer Gemeinschaft über Regeln nicht passen, dann musst du eben mit den Füßen abstimmen und die Gemeinschaft verlassen. Es steht dir immer frei dir eine einsame Insel zu suchen und dort so zu leben wie du oder alle anderen die demokratische Mehrheitsentscheide und Rechtsstaatlichkeit nicht akzeptieren wollen es für richtig halten. Nur das mit den einsamen Inseln und den Leuchtürmen hatten wir ja schon. Du kannst es drehen und wenden wie du willst: wasch mir den Pelz aber mach mich nicht naß funktioniert nicht.

Insuffizienz hat geschrieben:
Also damit habe ich und die (direkte) Demokratie, so wie ich sie vertrete, überhaupt kein Problem. Ich bin sogar sehr dafür, dass die Bevölkerung eines jeden Staates in einer Ur-Volksabstimmung gefragt wird ob sie mit einem (direkt-)demokratischen Staat einverstanden sind. Und Gesetz den Fall, dass sie sie annehmen, dann kann das Volk immer wieder über die Legitimität staatlichen Handelns, sprich der Gesetze und Vorschriften, entscheiden. Natürlich nach praxisrelevanten Maßstäben, wie das z.B. in der Schweiz mit Volksinitiative und fakultativem Referendum geregelt ist.

Das ist ja meine Kritik. Um zu entscheiden, ob jeder sich von der Mehrheitsmeinung beherrschen lassen will, kann man wohl kaum Wahlen heranziehen, die sind ja gerade das Problem.


Ich hab auch nichts von Wahlen geschrieben, sondern von einer Ur-Volksabstimmung,.
Und die Absurdität jedem einzelnen die Entscheidung zu überlassen ob er sich an (direkt-)demokratisches Recht hält oder nicht, hab ich schon dargelegt. Das ist auch eine interessante Folge von (direkter) Demokratie: wer Mehrheitsentscheide nicht akzeptiert, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Schlechte Verlierer haben zu Recht sozial keinen guten Ruf, eben weil sie ein Grundprinzip des gemeinschaflichen Zusammenlebens verletzten, dass Regeln für alle gleich gelten müssen.

Insuffizienz hat geschrieben:Ich will nur wissen, ob dein demokratischer Staat herrschaftsanspruch auf seinem gewählten Gebiet hat. Wenn ich also nicht mich von Mehrheitsmeinungen unterdrücken lassen möchte, kann ich dann auf deinem Staatsgebiet auf einer freien Fläche leben wie ich möchte, undzwar nicht nach allen Gesetzen deiner Herrschaftsform; natürlich ohne dass ich jemanden schade? Leben bedeutet auch, dass ich die Möglichkeit habe zu überleben. So muss mir Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Wasserquellen, fruchtbares Land etc. gegeben sein, ansonsten sterbe ich ja.
Falls dies der Fall ist, wäre dein Modell libertär, zwar eine Herrschaft, aber eine freiwillige. Falls nicht, ist es eine Zwangsherrschaft.


Genau diese Rosinenpickerei funktioniert eben nicht. Du möchtest für dich ein kleines Königreich einführen, aber von der Gemeinschaft durchgefüttert werden. Und wenn das jeder machen kann, garantierst du dann, dass sich alle so rücksichtsvoll verhalten ohne andere zu schädigen? Die Erfahrung lehrt, dass Menschen sich nicht immer rücksichtsvoll verhalten ohne andere zu schädigen, vor allem wenn sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Und dann haben wir schnell das beschriebene Faustrecht.

Insuffizienz hat geschrieben:
Diktatur bedeutet für mich definitionsgemäß, wenn demokratische Minderheiten demokratische Mehrheiten majorisieren bzw. unterdrücken, also wenige bis einer bestimmen was alle anderen zu tun oder zu lassen haben. Demokratie bedeutet umgekehrt für mich defintionsgemäß, wenn die demokratische Mehrheit der Bevölkerung eines Staates die Gesetze desselben bestimmt. Da gibt es realistischerweise nur ein entweder oder.

Das ist ja wieder ein vage Behauptung. Wie du schon erwähnt hast, gibt es verschiedenartige Problemlösungsstrategien, z. B. Konsens, Kompromiss, Delegation (im Prinzip eine Wahl, aber man könnte auch ein "Gericht" nehmen, einen Altenrat oder sowas), Unterwerfung (z. B. Diktatur oder Wahlen, wenn sie auferlegt sind) oder die Flucht.
Für mich gilt sicherlich nicht, dass nur Wahlen oder Diktatur (beides können Konfliktlösungsstrategien der Unterwerfung sein) eine Konfliktlösung darstellen.


Wenn es hart auf hart kommt und eben kein Konsens, Kompromiss oder ähnlich weiche Problemlösungsstrategien zu einem Ergebnis führen, aber eine politische Entscheidung getroffen werden muss, dann kommt du an der (direkten) Demokratie nicht vorbei, wenn du keine Diktatur willst.

Insuffizienz hat geschrieben:
Diskussionskultur gibt es auch in der (direkten) Demokratie. Eine Entscheidung im Konsens ist wünschenswert, aber nicht erzwingbar, da ein Zwang zum Konsens die Unterdrückung abweichender Meinungen beinhalten würde. Bei Disssenz braucht es dann wieder die Demokratie.

Jap, da braucht es in der Demokratie nicht nur die Wahlen, sondern sie gelten als einzige legitime Möglichkeit, soweit ich das verstehe.


Nochmal: ich rede nicht von Wahlen, sondern von Volksentscheiden und ohne diese ist eine (direkte) Demokratie nicht denkbar und die einzig Möglichkeit im Dissenzfall eine politische Entscheidung, die dann für alle in der sozialen Gesamtheit (Staat, Land, Gemeinde) gilt, legitim zu treffen.

Insuffizienz hat geschrieben:
Was nur für die Menschheit als Ganzes kein wirklich praxisrelevantes Gesellschaftsmodell ist. Es hat schon seinen Grund, dass praktisch alle Menschen nicht wie sibirische Tiger solitär in 50km² großen Revieren leben in denen kein Artgenosse geduldet wird.

Jop, das ist logisch. Habe ich auch nicht behauptet. ;D


Du musst dich aber schon entscheiden, was du willst. Entweder du akzeptierst die Regeln die die Gemeinschaft in der du lebst, mehrheitlich demokratisch beschließt, oder du musst diese so verlassen, dass es zu keinem Konflikt mit dieser mehr kommen kann.
Rosinenpickerei seiner Mitglieder wird keine soziale Gemeinschaft auf Dauer dulden, denn das zerstört diese.

Insuffizienz hat geschrieben:
Manche meinen ja, man bräuchte gar keinen Staat und keine Gesetze, die die Menschen ja nur "unterdrücken" würden und die Menschen könnten nach dem Grundsatz "Friede, Freude, Eierkuchen" zusammen leben, quasi in einem rechtlichen Vakuum, einem paradiesähnlichen Zustand.

Es ist prinzipiell von der Logik her nicht möglich mit anderen ohne "Gesetze" oder regeln zu leben. Irgendetwas stellt sich ein, und sei es die Regel, niemanden zu töten, ansonsten verteidigt man sich.


Nur liegt es eben in der Natur der Sache von Regeln, dass diese für alle Mitglieder einer Gemeinschaft gelten müssen.
Und irgendwie müssen diese Regeln auch gefunden und auch überprüft werden, ob diese noch Sinn machen.
Sich irgendwas einstellen lassen läuft sehr schnell auf Faustrecht raus. Echte (direkte) Demokratie stellt eben auch eine friedliche und faire politische Entscheidungsfindung sicher ohne dass die Leute sich die Köpfe einschlagen müssen.

Insuffizienz hat geschrieben:Ich behaupten, dass das Beste wäre, wenn es keinen Staat gibt, also keine Zwangsherrschaft oder sei es freiwillige Herrschaft. Eine Anarchie, ein freiwilliger Zusammenschluss der Menschen, vorwiegend kommunistisch, sehe ich als optimal an. Jedoch kann ich erst mal nicht weiter argumentieren, wie gesagt, ich muss mich nochmal genauer damit auseinandersetzen.


Es wäre in vielerlei Hinsicht besser wenn die Menschen in isolierten Gruppen von nicht mehr als 150 (Dunbar-Zahl) leben würden. Es gibt sogar noch relativ viele Naturvölker auf der Welt die noch so leben und die brauchen auch kein explizite Demokratie. Nur rein zahlenmäßig lebt der größte Teil der Menschheit in der global arbeitsteilgen und technologisch modernen Gemeinschaft von 7 Milliarden Menschen. Staaten und ihre verschiedenen Integrationsformen wie Bundesstaaten und Kommunen/Gemeinden sind ein Realität, die nicht einfach verschwindet. Da gibt es kein "zurück zur Natur" mehr, sondern man muss sich Gedanken machen wie diese sozialen Einheiten, so wie sie in ihrer Gesamtheit existieren, in ihrer Gesamtheit selbstbestimmt, fair und friedlich organisieren, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Grundprinzipien des menschlichen Zusammenlebens zur Disposition zu stellen.

Insuffizienz hat geschrieben:Wie siehst du das denn. Dein Modell, bezieht es sich auf den Kapitalismus? Möchtest du, dass der Kapitalismus weiter vorherrscht bzw. vorherrschen kann in deinem Staat oder lehnst du ihn grundsätzlich ab?
[/quote]

Mein Modell bezieht sich nicht auf eine spezielle Wirtschaftsform, sondern allein auf die Größe einer sozialen Gemeinschaft. Alles was größer ist als 150 braucht (direkte) Demokratie. Der Kapitalismus, so wie er derzeit im US-imperialistischen Stil vorherrscht, betrachte ich als Folge der für Korruption anfälligen institutionellen Diktatur. Echte (direkte) Demorkatie betrachte ich als das einzig wirksame Mittel daran etwas zu ändern. Gab mal einen Artikel bei Telepolis Die Schweiz ist sozialistischer als Deutschlands Linke. Und das deutlichste Zeichen wie gefährlich die (direkte) Demokratie für den Kapitalismus ist, ist die Angst der Kapitalisten vor der (direkten) Demokratie und mit welcher politisch-kriminellen Energie diese und ihre Politmarionetten (aller Parteien!) diese verhindern. (alles auf meiner Website dokumentiert). Wenn sich die anti-kapitalischen Kräfte, wie leider üblich, über die (direkte) Demokratie noch zerstreiten, dann freut das die Kapitalisten, denn dann brauchen sie um so weniger gesellschaftlichen Druck hin zu (direkter) Demokratie fürchten. Manchmal sind die Anti-Kapitalisten, der Kapitalisten liebste Freunde. Und diejenigen die mal ganz laut gegen den Kapitalismus zu Felde gezogen sind, sind nicht selten auch diejenigen, die sich von ihm als erstes kaufen lassen. Ja, die Welt ist schon ein Irrenhaus, der besonderen Art.
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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon Insuffizienz » 24. Juli 2016, 15:41

Eine soziale Gemeinschaft funktioniert nur wenn sie Regeln hat die das Zusammenleben regeln, Und Regeln müssen für alle gelten, worauf das rechtsstaatliche Prinzip fusst.

Man verwechsele nicht, dass Regeln befolgen in einer Gemeinschaft zwangsweise mit dem Rechtsstaat zusammenhängt.

Wenn dir Mehrheitsentscheide einer Gemeinschaft über Regeln nicht passen, dann musst du eben mit den Füßen abstimmen und die Gemeinschaft verlassen. Es steht dir immer frei dir eine einsame Insel zu suchen und dort so zu leben wie du oder alle anderen die demokratische Mehrheitsentscheide und Rechtsstaatlichkeit nicht akzeptieren wollen es für richtig halten.

Wie sieht es eigentlich aus mit dem Rätesystem? Mit diesem bestünde im Grunde kein Rechtsstaat mehr, sondern eine eher dezentrale, selbstverwaltende Organisation also.
Vor allen Dingen wäre mir wichtig, dass das Gesetz (vom einem Rechtsstaat oder vom Volk ausgehend; ja, Staat ist prinzipiell etwas sehr Separiertes vom Volk) nicht so stark in die Selbstbestimmung eingreift wie heute. Als Beispiele sind zu nennen bzw. deren Abschaffung ich wünschen würde: Ehrdelikte (z. B. Beleidigung, sowieso sehr willkülich interpretierbar), Schul- und Bildungszwang, Betäubungsmittelgesetz (Ausnahme bzgl. "Minderjähriger"), Suizid und Sterbehilfe.

Ich hab auch nichts von Wahlen geschrieben, sondern von einer Ur-Volksabstimmung,.
Und die Absurdität jedem einzelnen die Entscheidung zu überlassen ob er sich an (direkt-)demokratisches Recht hält oder nicht, hab ich schon dargelegt. Das ist auch eine interessante Folge von (direkter) Demokratie: wer Mehrheitsentscheide nicht akzeptiert, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Schlechte Verlierer haben zu Recht sozial keinen guten Ruf, eben weil sie ein Grundprinzip des gemeinschaflichen Zusammenlebens verletzten, dass Regeln für alle gleich gelten müssen.

Ich verstehe immer noch nicht, warum du z. B. Anarchisten verbieten würdest auf deinem einfach beanspruchten Staatsgebiet zu leben. Ich würde mir wünschen, dass diese freien Menschen insbesondere in Gebieten leben dürften, die niemand nutzt, und auch Zugang zu bspw. fruchtbarem Land erhalten zum Überleben bzw. Wasserquellen, die geteilt werden.
Das setzt natürlich voraus, von diesen wäre ausreichend vorhanden. Selbst wenn nicht, würde ich wissen wollen, ob du das legimierst. Ob du Menschen, die niemandem schaden und friedvoll nach ihren Regeln leben wollen, auch auf deinem zu Unrecht (ich finde, niemand gehört irgendein Land oder gar irgendetwas außer der Natur selbst; er kann es bloß erst einmal benutzen) beanspruchten Herrschaftsgebiet. Oder wirst du die friedlichen Menschen mit Gewalt verdrängen? Mir gehts ums Prinzip, und nicht um die Frage, ob überhaupt ausreichend Land vorhanden ist.
Kannst du eigentlich nur mit ja oder nein beantworten, statt mit deinen Wahlen und Volksentscheiden Ausflüchte zu suchen. ;D
Aber eigentlich hast du glaube ich schon geschrieben, dass du gegen unschuldige, friedliche Menschen Gewalt ausüben willst.

Die Erfahrung lehrt, dass Menschen sich nicht immer rücksichtsvoll verhalten ohne andere zu schädigen, vor allem wenn sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Und dann haben wir schnell das beschriebene Faustrecht.

Das liegt an der kapitalistischen Kultur, an der Kultur der Herrschaft. Wie ich glaube ich hier bereits geschrieben habe, ist dem Mensch auch reine Solidarität und Friedseligkeit bekannt in der Geschichte. Erst kriegerische Tätigkeit und Ungleichheit, insbesondere innerhalb Hirtenvölker, haben zur Verkommung des Menschen zur Klassengesellschaft und im Verlauf mit dem Kapitalismus zur reinen und tiefsten Konkurrenzgesellschaft gemacht.
Möglich wäre es also, dass sich mit einer solidarischeren Mentalität also das "Faustrecht" überhaupt nicht durchsetzt.

Wenn es hart auf hart kommt und eben kein Konsens, Kompromiss oder ähnlich weiche Problemlösungsstrategien zu einem Ergebnis führen, aber eine politische Entscheidung getroffen werden muss, dann kommt du an der (direkten) Demokratie nicht vorbei, wenn du keine Diktatur willst.

Das ist falsch gedacht. Nur weil du die Demokratie mit Staatsgewalt stützt, heißt es nicht, dass es die einzige "volksnahe" Problemlösung sei. Genauso könnte man bspw. möglichst unparteiisch Delegierte (ähnlich wie Richter) beauftragen, Entscheidungen zu finden. Wenn es mehrere wären, wäre da wieder das Wählen ein Weg.
Ich habe mich damit nicht intensiv auseinandergesetzt, aber wahrscheinlich gibt es da noch andere Lösungen.


Es wäre in vielerlei Hinsicht besser wenn die Menschen in isolierten Gruppen von nicht mehr als 150 (Dunbar-Zahl) leben würden. Es gibt sogar noch relativ viele Naturvölker auf der Welt die noch so leben und die brauchen auch kein explizite Demokratie. Nur rein zahlenmäßig lebt der größte Teil der Menschheit in der global arbeitsteilgen und technologisch modernen Gemeinschaft von 7 Milliarden Menschen. Staaten und ihre verschiedenen Integrationsformen wie Bundesstaaten und Kommunen/Gemeinden sind ein Realität, die nicht einfach verschwindet. Da gibt es kein "zurück zur Natur" mehr, sondern man muss sich Gedanken machen wie diese sozialen Einheiten, so wie sie in ihrer Gesamtheit existieren, in ihrer Gesamtheit selbstbestimmt, fair und friedlich organisieren, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Grundprinzipien des menschlichen Zusammenlebens zur Disposition zu stellen.

Jo, dafür gibt es ja Ansatze der Selbstverwaltung etc., die doch den Weg "zurück zur Natur" präferieren. Nur eben nicht vollständig.

Mein Modell bezieht sich nicht auf eine spezielle Wirtschaftsform, sondern allein auf die Größe einer sozialen Gemeinschaft. Alles was größer ist als 150 braucht (direkte) Demokratie. Der Kapitalismus, so wie er derzeit im US-imperialistischen Stil vorherrscht, betrachte ich als Folge der für Korruption anfälligen institutionellen Diktatur. Echte (direkte) Demorkatie betrachte ich als das einzig wirksame Mittel daran etwas zu ändern. Gab mal einen Artikel bei Telepolis Die Schweiz ist sozialistischer als Deutschlands Linke. Und das deutlichste Zeichen wie gefährlich die (direkte) Demokratie für den Kapitalismus ist, ist die Angst der Kapitalisten vor der (direkten) Demokratie und mit welcher politisch-kriminellen Energie diese und ihre Politmarionetten (aller Parteien!) diese verhindern. (alles auf meiner Website dokumentiert). Wenn sich die anti-kapitalischen Kräfte, wie leider üblich, über die (direkte) Demokratie noch zerstreiten, dann freut das die Kapitalisten, denn dann brauchen sie um so weniger gesellschaftlichen Druck hin zu (direkter) Demokratie fürchten. Manchmal sind die Anti-Kapitalisten, der Kapitalisten liebste Freunde. Und diejenigen die mal ganz laut gegen den Kapitalismus zu Felde gezogen sind, sind nicht selten auch diejenigen, die sich von ihm als erstes kaufen lassen. Ja, die Welt ist schon ein Irrenhaus, der besonderen Art.

Zumindest sind wir uns einig, dass der Kapitalismus ein großes Übel ist. Nur über den Zentralismus nicht, dem du (soweit ich das verstehe) den Föderalismus vorziehst.

LG

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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon orinoco » 24. Juli 2016, 20:44

Insuffizienz hat geschrieben:
Eine soziale Gemeinschaft funktioniert nur wenn sie Regeln hat die das Zusammenleben regeln, Und Regeln müssen für alle gelten, worauf das rechtsstaatliche Prinzip fusst.

Man verwechsele nicht, dass Regeln befolgen in einer Gemeinschaft zwangsweise mit dem Rechtsstaat zusammenhängt.


Es gibt nur eben kein besseres Modell für größere soziale Gemeinschaften, das in der Praxis auch funktioniert.

Insuffizienz hat geschrieben:
Wenn dir Mehrheitsentscheide einer Gemeinschaft über Regeln nicht passen, dann musst du eben mit den Füßen abstimmen und die Gemeinschaft verlassen. Es steht dir immer frei dir eine einsame Insel zu suchen und dort so zu leben wie du oder alle anderen die demokratische Mehrheitsentscheide und Rechtsstaatlichkeit nicht akzeptieren wollen es für richtig halten.

Wie sieht es eigentlich aus mit dem Rätesystem? Mit diesem bestünde im Grunde kein Rechtsstaat mehr, sondern eine eher dezentrale, selbstverwaltende Organisation also.


Man kann sich vieles in der Theorie ausdenken, was dann aber an der Praxis scheitert. Ich kenne keine existierende soziale Gemeinschaft von der Größe eines Staates ohne Rechtsstaat und ohne Diktatur wo ein anderes, gerechtes System funktionieren würde.

Insuffizienz hat geschrieben:Vor allen Dingen wäre mir wichtig, dass das Gesetz (vom einem Rechtsstaat oder vom Volk ausgehend; ja, Staat ist prinzipiell etwas sehr Separiertes vom Volk) nicht so stark in die Selbstbestimmung eingreift wie heute. Als Beispiele sind zu nennen bzw. deren Abschaffung ich wünschen würde: Ehrdelikte (z. B. Beleidigung, sowieso sehr willkülich interpretierbar), Schul- und Bildungszwang, Betäubungsmittelgesetz (Ausnahme bzgl. "Minderjähriger"), Suizid und Sterbehilfe.


In einer (direkten) Demokratie hättest du die faire Chance die Gesetze so zu ändern wie du es für richtig hältst, wenn du eine demokratische Mehrheit davon überzeugen kannst. Diese Chance scheint dir aber nicht genug zu sein, dass du lieber in Unfreiheit lebst und dich über diese beklagst ohne auch nur einen funktionierenden, theoretisch durchdachten und empirisch bewährten Gegenentwurf vorweisen zu können. In der Schweiz würde dir ein Schweizer sagen: "geh hin und sammel 100.000 Unterschriften und ändere die Verfassung. Wenn du gute Argumente hast, dann kannst du eine demokratische Mehrheit überzeugen. Wenn nicht, dann war deine Idee vielleicht doch nicht so gut". Ja, in einer (direkten) Demokratie muss man auch akzeptieren, dass der dümmste Mitbürger das gleiche Mitspracherecht hat wie man selbst.

Insuffizienz hat geschrieben:
Ich hab auch nichts von Wahlen geschrieben, sondern von einer Ur-Volksabstimmung,.
Und die Absurdität jedem einzelnen die Entscheidung zu überlassen ob er sich an (direkt-)demokratisches Recht hält oder nicht, hab ich schon dargelegt. Das ist auch eine interessante Folge von (direkter) Demokratie: wer Mehrheitsentscheide nicht akzeptiert, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Schlechte Verlierer haben zu Recht sozial keinen guten Ruf, eben weil sie ein Grundprinzip des gemeinschaflichen Zusammenlebens verletzten, dass Regeln für alle gleich gelten müssen.

Ich verstehe immer noch nicht, warum du z. B. Anarchisten verbieten würdest auf deinem einfach beanspruchten Staatsgebiet zu leben. Ich würde mir wünschen, dass diese freien Menschen insbesondere in Gebieten leben dürften, die niemand nutzt, und auch Zugang zu bspw. fruchtbarem Land erhalten zum Überleben bzw. Wasserquellen, die geteilt werden.
Das setzt natürlich voraus, von diesen wäre ausreichend vorhanden. Selbst wenn nicht, würde ich wissen wollen, ob du das legimierst. Ob du Menschen, die niemandem schaden und friedvoll nach ihren Regeln leben wollen, auch auf deinem zu Unrecht (ich finde, niemand gehört irgendein Land oder gar irgendetwas außer der Natur selbst; er kann es bloß erst einmal benutzen) beanspruchten Herrschaftsgebiet. Oder wirst du die friedlichen Menschen mit Gewalt verdrängen? Mir gehts ums Prinzip, und nicht um die Frage, ob überhaupt ausreichend Land vorhanden ist.
Kannst du eigentlich nur mit ja oder nein beantworten, statt mit deinen Wahlen und Volksentscheiden Ausflüchte zu suchen. ;D
Aber eigentlich hast du glaube ich schon geschrieben, dass du gegen unschuldige, friedliche Menschen Gewalt ausüben willst.


Wo bitte? Bitte, unterstelle mir nicht fortwährend irgendwelche Dinge, die ich nie gesagt habe. Sonst können wir die Diskussion auch lassen.
Wenn du die Regeln bzw. Gesetze einer sozialen Gemeinschaft (so diese demokratische beschlossen wurden) in der du lebst beachtest gibt es überhaupt keine Probleme. Nur wenn du eben gegen diese Regeln verstößt, dann muss du mit Konsequenzen rechnen.
Wenn eine Mehrheit in einer (direkten) Demokratie ein Gesetz beschließt, dann hat das schon einen Grund und einen sozialen Sinn für die Gemeinschaft, sonst würde eine Mehrheit dagegen stimmen. Und wenn du meinst dich nur an die Gesetze halten zu müssen, die du für richtig hältst, dann bist du derjenige, der eine Willkürherrschaft bei sich errichtet und genau das ist alles andere als friedlich, sondern zerstört den sozialen Frieden einer Gemeinschaft. Eine anti-soziale Rosinenpickerei würde ich nicht dulden und genau das habe ich schon gesagt. (Direkte) Demokratie hat auch eine befriedene Wirkung. Ohne (direkte) Demokratie macht sich Unfrieden breit.
Irgendwen von irgendwo zu vertreiben besteht keine Notwendigkeit, vor allem wenn demjenigen das Grundstück gehört oder er es gepachtet hat. Das schließt Konsequenzen bei Rechtsverstößen aber nicht aus.
Die Vertreibung und Enteignung der Menschen wie in Horno und vielen anderen Dörfern für den Braunkohleabbau halte ich übrigens für eines der größten Unrechte in diesem Staat, der aber wie bereits erwähnt keine (direkte) Demokratie ist, denn dann hätte man zumindest eine reelle Chance dieses unmenschliche, diktatorische Bergbaurecht zu ändern oder abzuschaffen.
Nur wer grundsätzlich nicht bereit ist (direkt-)demokratisch beschlossene Regeln/Gesetze einer sozialen Gemeinschaft zu respektieren und auch nicht bereit ist die Konsequenzen zu tragen, denn eine soziale Gemeinschaft wird Verstöße und Rosinenpickerei verständlicherweise nicht dulden, der hat gar keine andere Wahl als bzw. es ist im eigenen Interesse sich irgendwo eine Insel zu suchen, oder sich irgendwo im Nirgendwo (Sperrzone um Tchernobyl o.ä.) wo es niemanden schert was er macht, niederzulassen.

Insuffizienz hat geschrieben:
Die Erfahrung lehrt, dass Menschen sich nicht immer rücksichtsvoll verhalten ohne andere zu schädigen, vor allem wenn sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Und dann haben wir schnell das beschriebene Faustrecht.

Das liegt an der kapitalistischen Kultur, an der Kultur der Herrschaft. Wie ich glaube ich hier bereits geschrieben habe, ist dem Mensch auch reine Solidarität und Friedseligkeit bekannt in der Geschichte. Erst kriegerische Tätigkeit und Ungleichheit, insbesondere innerhalb Hirtenvölker, haben zur Verkommung des Menschen zur Klassengesellschaft und im Verlauf mit dem Kapitalismus zur reinen und tiefsten Konkurrenzgesellschaft gemacht.
Möglich wäre es also, dass sich mit einer solidarischeren Mentalität also das "Faustrecht" überhaupt nicht durchsetzt.


Das ist so möglich, wie dass sich der Kapitalismus oder alle Menschen, die anderen nichts Gutes wollen, von heute auf morgen in Luft auflösen. Menschen haben auch nie vollkommen friedlich miteinander gelebt. Im Gegenteil: die Angst vor fremden Menschen ist tief in unserer Psyche verwurzelt. Denn schon zur Zeit der Naturvölker gab es nur zwei wirkliche Gefahren für den Menschen: große Beutegreifer und andere Menschen. Wie dem auch sei: an der Existenz unverträglicher Zeitgenossen und der Notwendigkeit, diese von anti-sozialem Verhalten abzuhalten, besteht kein Zweifel.

Insuffizienz hat geschrieben:
Wenn es hart auf hart kommt und eben kein Konsens, Kompromiss oder ähnlich weiche Problemlösungsstrategien zu einem Ergebnis führen, aber eine politische Entscheidung getroffen werden muss, dann kommt du an der (direkten) Demokratie nicht vorbei, wenn du keine Diktatur willst.

Das ist falsch gedacht. Nur weil du die Demokratie mit Staatsgewalt stützt, heißt es nicht, dass es die einzige "volksnahe" Problemlösung sei. Genauso könnte man bspw. möglichst unparteiisch Delegierte (ähnlich wie Richter) beauftragen, Entscheidungen zu finden. Wenn es mehrere wären, wäre da wieder das Wählen ein Weg.
Ich habe mich damit nicht intensiv auseinandergesetzt, aber wahrscheinlich gibt es da noch andere Lösungen.


Wenn du dich nicht intensiv damit auseinandergesetzt hast, solltest du vielleicht etwas vorsichtig mit so Vorwürfen wie "Das ist falsch gedacht" an andere, die sich vielleicht schon länger mit dem Thema befassen und mehr darüber nachgedacht haben, sein.

Insuffizienz hat geschrieben:
Es wäre in vielerlei Hinsicht besser wenn die Menschen in isolierten Gruppen von nicht mehr als 150 (Dunbar-Zahl) leben würden. Es gibt sogar noch relativ viele Naturvölker auf der Welt die noch so leben und die brauchen auch kein explizite Demokratie. Nur rein zahlenmäßig lebt der größte Teil der Menschheit in der global arbeitsteilgen und technologisch modernen Gemeinschaft von 7 Milliarden Menschen. Staaten und ihre verschiedenen Integrationsformen wie Bundesstaaten und Kommunen/Gemeinden sind ein Realität, die nicht einfach verschwindet. Da gibt es kein "zurück zur Natur" mehr, sondern man muss sich Gedanken machen wie diese sozialen Einheiten, so wie sie in ihrer Gesamtheit existieren, in ihrer Gesamtheit selbstbestimmt, fair und friedlich organisieren, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Grundprinzipien des menschlichen Zusammenlebens zur Disposition zu stellen.

Jo, dafür gibt es ja Ansatze der Selbstverwaltung etc., die doch den Weg "zurück zur Natur" präferieren. Nur eben nicht vollständig.


Ja, bestenfalls Ansätze, nicht durchdacht, nicht erprobt und keine funktionierenden Beispiele.

Insuffizienz hat geschrieben:[...] Nur über den Zentralismus nicht, dem du (soweit ich das verstehe) den Föderalismus vorziehst.


Darüber habe ich ebenfalls gar keine Aussage gemacht. Und gerade das direktdemokratische Vorbild Schweiz würde ich nicht gerade als zentralistisch strukturiert bezeichnen, im Gegenteil: der Föderalismus spiegelt sich dort auch in der (direkten) Demokratie wieder.
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Re: Kritik an die Demokratie

Beitragvon Insuffizienz » 24. Juli 2016, 23:19

Es gibt nur eben kein besseres Modell für größere soziale Gemeinschaften, das in der Praxis auch funktioniert.

Wir drehen uns im Kreis, aber Modelle gibt es sicherlich genügend (s. Anarchokommunismus), ob sie funktionieren vermag ich nicht zu beurteilen.
Ich kann nur wiederholen, dass möglicherweise der Anarchismus in Spanien auf Dauer während des Spanischen Bürgerkriegs funktioniert hätte, wenn Franco nicht einmarschiert wäre.
Ähnlich verhält es sich z. B. mit Rätesystemen wie die "Sowjets". Da also möglicherweise nicht immer dieselben diktatorischen Kräfte in einem Land vorherrschen müssen, liegt es für mich durchaus im Bereich des Möglichen längere Episoden dieser Systeme walten zu sehen. Also für mich gilt nicht der Beweis, dass diese Systeme nicht funktionieren, weil sie ungünstiger Weise von einer eher militärischen Bevölkerung und eben der Diktatur zuträglichen Kräften gestürzt wurden. (was du nicht behauptet hast)

In einer (direkten) Demokratie hättest du die faire Chance die Gesetze so zu ändern wie du es für richtig hältst, wenn du eine demokratische Mehrheit davon überzeugen kannst. Diese Chance scheint dir aber nicht genug zu sein, dass du lieber in Unfreiheit lebst und dich über diese beklagst

Ich habe nie behauptet lieber in Unfreiheit leben zu wollen, stets das Gegenteil.
ohne auch nur einen funktionierenden, theoretisch durchdachten und empirisch bewährten Gegenentwurf vorweisen zu können.

Jo, ich wollte den Gegenentwurf z. B. einfach in Form von Kommunikation eruieren bzw. Gedanken dazu sammeln. Wie ich schon vorher ewähnt habe, habe ich mich nicht weiter damit auseinandergesetzt. Halte ich persönlich jedoch für kein Hindernis über das Thema ausführlicher zu sprechen.

Wo bitte? Bitte, unterstelle mir nicht fortwährend irgendwelche Dinge, die ich nie gesagt habe. Sonst können wir die Diskussion auch lassen.


Ich meine das z. B. aus diesem Zitat herausgelesen zu haben:

Insuffizienz hat geschrieben:Ich will nur wissen, ob dein demokratischer Staat herrschaftsanspruch auf seinem gewählten Gebiet hat. [...]


Genau diese Rosinenpickerei funktioniert eben nicht.


Ich werde deine Anmerkung beherzigen und in Zukunft darauf achten dir Falsches zu unterstellen. ;-)

Unabhängig von dieser Verteidigung. Ich fände die direkte Demokratie sogar angenehm, wenn man auf dem Herrschaftsgebiet des demokratischen Staates tatsächlich gesellschaftliche Gruppen erlauben würde ihre eigenen Regeln selbst zu gestalten, unter Einhalt einer vorgegebenen Gesetzes-Basis. Die Basis für diese separierten Gruppen wäre z. B. Umweltschutz-Regeln zu befolgen, friedlich zu sein o. Ä. Dafür würden diese Gruppen jedoch z. B. keine Sozialleistungen beziehen können etc. Ein Handel untereinander wäre natürlich denkbar.
Dies überlege ich eben um gestrenge Gesetze, die stark in die Selbstbestimmung eingreifen wie heute, bzw. vllt. kann man es Sittlichkeit nennen, in die einfach eingegriffen wird.
Dafür würde mitunter sprechen, dass tatsächlich für kleine Gruppen friedliche Solidargemeinschaften bekannt sind. Andererseits könnte dies das Gewaltmonopol des Staates gefährden.

Wenn eine Mehrheit in einer (direkten) Demokratie ein Gesetz beschließt, dann hat das schon einen Grund und einen sozialen Sinn für die Gemeinschaft, sonst würde eine Mehrheit dagegen stimmen.

Im Groben würde ich dir zustimmen. Andererseits kann dies auch "gefährlich" sein bei Unwissenheit. Als Beispiel der Kapitalismus (für diesen Fall denke ich unsere Gesellschaft also als die demokratische): Soweit mir bekannt ist, ist es dem Kapitalismus systemimmanent Armut zu erzeugen, denn der Zweck der Arbeit ist nicht den Bedarf zu decken, sondern das Kapital. Sonst würde dieses Wirtschaftssystem Bedarfswirtschaft oder Planwirtschaft heißen statt Kapitalismus. Der Lohn also ein Kostenfaktor, der möglichst gering zu halten ist. Kapitalisten vermehren so ihr Kapital meist um weiter zu investieren, expandieren etc.
Trotzdem glauben die Menschen mehrheitlich (soweit ich das wahrnehme), dass Armut eigentlich an Ungereimtheiten in diesem System liegt. Dass dies berechnet ist vom Staat/der Regierung, da sie den Kapitalismus eingeführt hat bzw. aufrechterhält, kommt diesen Menschen nicht in den Sinn. Würde die Wirtschaft im Kapitalismus bloß den Bedarf decken, was man als vernünftiger Mensch annehmen würde, bestünde kein Problem. Denn Produkte sind oft ausreichend vorhanden (zumindest in DE), doch nicht allen zugänglich; wie bspw. Wohnungen (bin mir nicht so sicher ob das jetzt noch der Fall ist) oder Lebensmittel.
Da das Gros dies glaubt, könnten sie sich vorstellen mit einer anderen Politiker-Elite in der Regierung könnte die Ungerechtigkeit behoben werden.

Mich würde allgemein interessieren, ob du meine Beschreibung für richtig hältst. Ich habe mich mit Wirtschaft prinzipiell kaum beschäftigt.

Insuffizienz hat geschrieben:
Die Erfahrung lehrt, dass Menschen sich nicht immer rücksichtsvoll verhalten ohne andere zu schädigen, vor allem wenn sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Und dann haben wir schnell das beschriebene Faustrecht.

Das liegt an der kapitalistischen Kultur, an der Kultur der Herrschaft. Wie ich glaube ich hier bereits geschrieben habe, ist dem Mensch auch reine Solidarität und Friedseligkeit bekannt in der Geschichte. Erst kriegerische Tätigkeit und Ungleichheit, insbesondere innerhalb Hirtenvölker, haben zur Verkommung des Menschen zur Klassengesellschaft und im Verlauf mit dem Kapitalismus zur reinen und tiefsten Konkurrenzgesellschaft gemacht.
Möglich wäre es also, dass sich mit einer solidarischeren Mentalität also das "Faustrecht" überhaupt nicht durchsetzt.


Das ist so möglich, wie dass sich der Kapitalismus oder alle Menschen, die anderen nichts Gutes wollen, von heute auf morgen in Luft auflösen.

Ist schon klar, dass sich der Kapitalismus nicht von heute auf morgen auflöst und kulturelle Vorstellung oder wie auch immer länger brauchen, um sich zu ändern. ;-)

Insuffizienz hat geschrieben:
Wenn es hart auf hart kommt und eben kein Konsens, Kompromiss oder ähnlich weiche Problemlösungsstrategien zu einem Ergebnis führen, aber eine politische Entscheidung getroffen werden muss, dann kommt du an der (direkten) Demokratie nicht vorbei, wenn du keine Diktatur willst.

Das ist falsch gedacht. Nur weil du die Demokratie mit Staatsgewalt stützt, heißt es nicht, dass es die einzige "volksnahe" Problemlösung sei. Genauso könnte man bspw. möglichst unparteiisch Delegierte (ähnlich wie Richter) beauftragen, Entscheidungen zu finden. Wenn es mehrere wären, wäre da wieder das Wählen ein Weg.
Ich habe mich damit nicht intensiv auseinandergesetzt, aber wahrscheinlich gibt es da noch andere Lösungen.


Wenn du dich nicht intensiv damit auseinandergesetzt hast, solltest du vielleicht etwas vorsichtig mit so Vorwürfen wie "Das ist falsch gedacht" an andere, die sich vielleicht schon länger mit dem Thema befassen und mehr darüber nachgedacht haben, sein.

Die Aussage war nicht als Vorwurf gedacht, sondern ist nur als solcher von dir interpretiert worden. Es war lediglich mein Standpunkt, kein Angriff. ;-) Vielleicht hätte ich auch schreiben sollen "Ich denke das ist falsch", um dies zu verdeutlichen.
Als praktische Grundlage habe ich mir das funktionierende Modell des Gerichts überlegt. Das habe ich als Beweis gesehen wie auf anderem Wege bspw. Volksbegehren entschieden werden könnten. Die Richter könnten dann ausgewählte Volksvertreter darstellen, die ähnlich wie in der Räterepublik ein imperatives Mandat innehaben, also abgewählt werden könnten und ob Machtmissbrauch bspw. nur einmal gewählt werden könnten etc.
Insuffizienz hat geschrieben:[...] Nur über den Zentralismus nicht, dem du (soweit ich das verstehe) den Föderalismus vorziehst.


Darüber habe ich ebenfalls gar keine Aussage gemacht. Und gerade das direktdemokratische Vorbild Schweiz würde ich nicht gerade als zentralistisch strukturiert bezeichnen, im Gegenteil: der Föderalismus spiegelt sich dort auch in der (direkten) Demokratie wieder.

Vielleicht im Vergleich zu den anderen herrschenden Staaten, jedoch ist ein Staat soweit ich weiß der Inbegriff des Zentralismus überhaupt. Und ja, meine Kritik gilt nur, falls föderalistischere Systeme funktionieren würden, die ich mir vorstelle.

LG


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