BlickwinkelFraktal hat geschrieben:Ich möchte gern besser unterscheiden lernen, was wahr und falsch ist. Wenn Du das schon kannst, freu ich mich für Dich, gerade was die komplizierten Fragen angeht. Was Du für wichtig und kompliziert hälst, weiß ich nicht. Ich persönlich unterscheide da wenig, mir sind vermeintlich unwichtige Sachen wichtig, durfte schon Manches aus ihnen lernen.
Dein Ansatz hört sich vielversprechend an. Wieviel Aufwand Du verwendest um welche Fragen gründlicher und welche Fragen oberflächlicher zu untersuchen, das kannst nur Du für Dich entscheiden, das ist in der Tat für jeden anders.
BlickwinkelFraktal hat geschrieben:Und doch, Du sagst das immer wieder - auch wenn das nette Bild "Bleistift und Hochleistungsrechner" erstmal einen anderen Eindruck macht, und Du es auch meist nicht direkt tust.
Ich kann Dir das unter Deiner augenscheinlich unumstößlichen Prämisse naturwissenschaftlicher Verifikatin aber nicht abnehmen. Du würdest ausschließlich annehmen, was nach derzeitiger Lehrmeinung gilt, auch und obwohl Du sagst...Darum geht es mir ja, bitte erkenne den heutigen Kenntnissstand der Naturwissenschaften als eben genau das an, einen heutigen, eine Momentaufnahme.
Glaubst Du wirklich daß Du mich nach den gerade mal etwas mehr als ein Dutzend Beiträgen von mir so gut einschätzen kannst? Denn, wie bereits geschrieben, es geht mir gar nicht um irgend eine bestimmte derzeitige Lehrmeinung, sondern vor allem um eine Methode. Und, was ich noch nicht so deutlich geschrieben habe, um ein übergeordnetes Prinzip.
Auf die Diskussion zur Methode komme ich gleich noch zurück, weil Du darauf später noch weiter eingehst. Das übergeordnete Prinzip an dem mir liegt, ist das einer kritischen Auseinandersetzung mit pseudowissenschaftlichen und parawissenschaftlichen Systemen im Sinne der Skeptikerbewegung (nicht des philosophischen Skeptizismus!), wie er in Deutschland zum Beispiel von der
GWUP oder in den USA von der
Skeptics Society vertreten wird. Immerhin gibt es in diesem Forum zum Glück eine ganze Reihe von Leuten, die angepriesene, 'tolle neue Erkenntnisse' im Bereich der Heilkunde, Impfmedizin oder ADHS mit einer gesunden Skepsis betrachten und kommentieren.. HamsterOfDeath, Zamis und WWSCDneutrino sind mir da angenehm aufgefallen. Einige dieser Leute sind trotz ihres jungen Alters anscheinend recht scharfsinnig.
BlickwinkelFractal hat geschrieben:"Immer wenn man an eine Grenze gestoßen ist, und diese gründlich erforscht hat. ....." Die Grenzen werden wohl derzeit in unseren Breitengraden eher am "Markt" definiert. Daher kommen auch zu einem großen Teil die vielen "naturwissenschaftlich" verifizierten Präparate, die aus guten Gründen wieder vom Markt zurückgenommen werden mussten und noch müssen. Auch naturwissenschaftliche Verifikation ist käuflich. (Stichwort "Scharlatanerie"). Und das ist ein bekanntermaßen nicht zu unterschätzender Markt, dessen Einfluss bis in die akademische Bildung reicht. Diese akademischen Lehrmeinungen scheinen die alleinige Basis Deines Verständnisses von Wissenschaft zu sein. Deine "Wissenschaft" bzw. dein Bild von Naturwissenschaft schütz Dich also nicht vor Unwahrheit. Dein naturwissenschaftliches "wahr und falsch" wird eben auch an der Börse gehandelt. Das entzieht sich deiner Kontrolle.
Hier verwechselst Du wieder etwas. Nicht nur ist die Methode als Werkzeug neutral, sondern in diesem Fall sollte man Marketing nicht mit der Methode verwechseln. Beim Marketing geht es um Verkauf. Da kann es vorkommen, daß die gleiche Salbe unterschiedlich verpackt mehrfach auf den Markt geworfen wird: einmal als ein Produkt angeblich nach "neusten wissenschaftlich Erkenntnissen", einmal "nach altem Traditionsrezept" und dann vielleicht sogar noch als ein von einem Schamanen vertriebenes Geheimrezept. Welche davon hat tatsächlich mit Wissenschaft zu tun? Keine, es sei denn man zählt Abzocke neuerdings zu den Naturwissenschaften dazu. Die andere Frage die Du (zu recht) ansprichst ist die der Integrität der Akademischen Wissenschaftler. Wer überprüft die Prüfer? Wir sind dabei weitgehend auf die Selbstreinigungskräfte des Systems angewiesen. Bei diesem System kann jemand der unehrlich arbeitet, wie z.B. der Wissenschaftsbetrüger
Andrew Wakefield sich u.U. ein paar Jahre durchmogeln, aber die meisten werden bei wichtigen Fragen früher oder später entlarvt, weil ihre Ergebnisse einer genauen Überprüfung nicht standhalten.
BlickwinkelFraktal hat geschrieben:Das klingt schlüssiger, als es ist. Wissenschaft ist keine einheitliche Methode. Wissenschaft im naturwissenschaftlichen Sinne "unserer" Kultur ist ein Sammelbecken auf Aristoteles' Logikbegriff basierender Disziplinen der Erkenntniss. Das ist zumindest mein Eindruck.
Völlig Richtig. Jede Disziplin hat ihre
eigenen Methoden, aber einige Grundsätze lassen sich im Vorfeld auf fast alle Wissenschaftsbereiche anwenden. Begriffe wie kausale Logik, Nachprüfbarkeit / intersubjektive Überprüfbarkeit oder Offenheit gegenüber Korrekturmöglichkeiten bzw. Falsifizierbarkeit gehören unter Anderem dazu.
Denn wir alle suchen Orientierung, das ist auch legitim, aber wir sollten dabei nicht vermeintlichen Lagerzugehörigkeiten zum Opfer fallen. Diese Lager gibt es so nicht. Derartige Polarisierungen sind im Sinne des Erkenntnissgewinns zum Wohle aller, ich wiederhole mich, reduktionistisch und schädlich.
Meine Kritik wendet sich nicht gegen eine Diskussion um wissenschaftliche Standpunkte, sondern gegen eine unkritische Übernahme oder eines Zitierens von vermeintlichen Experten, deren Hintergrund sich selbst bei oberflächlicher Betrachtung als höchst fragwürdig herausstellt. Daß man einem Herrn Wakefield, seinen Artikel im Lancet zunächst glaubt kann ich verstehen, aber der Fall zeigt daß Vorbehalte auch in Journalen mit einem hohen Qualitätsanspruch nötig sind. Demgegenüber sind dann allerdings Artikel die ein Herrn Tolzin ganz ohne "peer review" in seinem eigenen impfreport herausgegeben hat, nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden.
Deine Suggestionen setzt Du hier zwar rethorisch an, schätze ich, aber durch diffamierende und unnötige Begrifflichkeiten wie Esotherik und Scheinwissen, Begriffe, die Keiner wirklich definieren kann - die einfach nur negativ belegt sind erzeugst Du ein Klima diffuser Ablehnung, das sich gegenüber Allem was nicht deinem Bild aktueller Lehrmeinung entspricht richtet.
Nein. Denn Begriffe wie Esoterik und Pseudowissenschaft sind sehr wohl definiert, auch wenn es zumindest was Pseudowissenschaft angeht Grenzfälle gibt. Das kann jeder nachprüfen, der sich nur ein wenig damit beschäftigt. Zum sanften Einlesen reichen da sogar die Definitionen und Diskussionen zu diesen Begriffen bei Wikipedia. Aber ansonsten diffamieren sich diese Bereiche selbst. Sehr nett z.B. erklärt vom Religionswissenschaftler Hartmut Zinser in einer Aufklärungs-Broschüre der Hamburger Innenbehörde:
Über ein Verborgenes können eigentlich keine Aussagen gemacht werden, dann wäre es kein Verborgenes mehr. Anhänger des Okkultismus und der Esoterik aber machen genau dies. Sie schreiben dem Unbekannten und Verborgenen bestimmte Eigenschaften zu, beispielsweise die Wirkung von Geistern, Toten, anderen Lebenden oder eines Weltbewusstseins usw. zu sein. Es ist dies der Grundfehler der Esoterik und des Okkultismus, dass er über ein tatsächliches oder angenommenes Unbekanntes Aussagen macht. Wenn immer es möglich ist, diese Aussagen zu überprüfen, stellt sich heraus, dass die esoterischen Aussagen über ein Unbekanntes und Verborgenes falsch, unnötig und irreführend sind. Esoteriker wie Okkultisten ertragen offensichtlich die Tatsache nicht, dass uns Menschen vieles unbekannt und verborgen ist und schreiben sich ein Wissen und auch Macht über das Unbekannte und Verborgene zu. Dies mag ihren Wünschen entsprechen, nicht aber der Wirklichkeit.