Abgründe der Unmenschlichkeiten

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knallschnute
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Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon knallschnute » 26. Februar 2016, 10:26

Hallo,

ich möchte hier zwar keine alten Schinken auspacken und die widerlichen Geschichten menschlicher Abgründe im Detail wiedergeben (man kann die Fälle ja auch im Internet nachlesen), aber was mich interessiert ist, wieso Menschen in der Lage sind etwas derartiges, wie es z.B. Josef Fritzl, Priklopil oder Brian David Mitchell taten, über so lange Zeit durchzuführen? :gefangen:
Mich ekelt es dermaßen an mir vorzustellen, wie sich diese Typen an Kindern (Fritzl sogar an der eigenen Tochter!) vergehen konnten und das auch noch über einen sehr langen Zeitraum. Als wäre es nicht schlimm genug für ein Opfer von seinem Täter gefangen genommen und geschändet zu werden, müssen diese sie auch noch über Monate und Jahre hinweg für ihre abartigen Fantasien missbrauchen und wie Tiere gefangen halten.

Am meisten hat mich der Fall Fritzl verstört. Der Gedanke, dass dieser Mann mit seiner eigenen Tochter 7 Kinder zeugte, mach mich irre vor Wut! Ich kann nicht begreifen warum diese Bestie seiner Tochter nicht wenigstens DAS(!!!) durch Zuhilfenahme der Pille ersparen konnte. Und sich dann noch vorstellen zu müssen, dass diese ungewollten Schwangerschaften seiner Tochter, neue Menschen auf die Welt brachten, die in einem so verstörenden und von Angst und Pein genährten Umgebung aufwuchsen - kein Tageslicht sehend, keine normale Kindheit und Jugend habend - geradezu vor sich hin vegetieren mussten!
Dieser Mann ist kein Mensch - oder doch? Warum tun Menschen sowas? Wieso können sie sich nicht in dieser Situation in ihre Opfer hinein fühlen, sich selbst reflektieren und diese Gräueltaten nicht einfach lassen oder dann wenigstens beenden? Liegt in solchen Fällen tatsächlich eine psychische Störung vor, wenn diese doch aber so geschickt vorgehen und über so lange Zeit - wie im Fall Fritzl und Priklopil - ihr ekelhaftes Geheimnis hegen und "pflegen".

Nun, das dumme ist, dass ich von solchen Vorstellungen regelrecht verstört werde. Ich habe so einen Hang mich in diese Situationen hinein zu denken und mir das vorzustellen. Da ich selbst schon Kinder geboren habe und weiß wie man sich als Mutter fühlt, etc. ist das für mich so unglaublich entsetzlich...
Immer wieder, wenn ich von solchen oder ähnlichen Fällen lese oder höre - wobei ich Nachrichten eh schon meide - empfinde ich einen unsagbaren Hass gegen solche Täter. Ich brauche nicht unbedingt diese Gerechtigkeit à la "Auge um Auge - Zahn um Zahn", aber ich denke mir dann oft, dass es besser wäre, wenn solche Leute entweder vor ihrer Tat explodieren oder es eine Art allgegegenwärtige Gerechtigkeit gibt, durch die Menschen, die anderen Schaden zufügen wollen einfach isoliert werden und in ihrer imaginären Welt zwar ihre Perversionen weiterleben, aber keinem mehr Schaden zufügen können... Das Dumme an so einer Sache ist doch, dass der eine es will und der andere nicht. Würden beide daran Gefallen finden mag das deren Ding sein, aber unter solchen Umständen und in Beteiligung weiterer Opfer müsste ein solcher Mensch einen inneren Vernichtungsmechanismus haben, durch den er an seinen Gräueltaten unweigerlich gehindert wird. :delete:

Klar, da gibt es auch noch viele andere schlimme Dinge, die Menschen tun, sei es Krieg, Sklaverei, Kinderarbeit (durch Armut), uvm..., aber daran sind auch bestimmte Umstände "schuld", aber bei Verbrechen dieser Art, da frage ich mich, ob es nicht besser ist, sich vorzeitig von diesem Leben zu verabschieden... Weil es im Grunde keine Freude macht zu Leben, wo es solche Schandtaten gibt.
Wie kann man lachen, wie kann man sich freuen - auch wenn es einem gut geht!, wo es anderswo Elend und Leid gibt und Menschen sich gegenseitig zerstören!

Ich musste das mal los werden... Weiß ja nicht, wie ihr das so seht. Aber vielleicht ist das hier jetzt der Ort, um sich mal über Unmenschlichkeiten auszukotzen!

Grüße
Knallschnute
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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon krebsi » 26. Februar 2016, 11:51

knallschnute hat geschrieben:Dieser Mann ist kein Mensch - oder doch? Warum tun Menschen sowas? Wieso können sie sich nicht in dieser Situation in ihre Opfer hinein fühlen, sich selbst reflektieren und diese Gräueltaten nicht einfach lassen oder dann wenigstens beenden? Liegt in solchen Fällen tatsächlich eine psychische Störung vor, wenn diese doch aber so geschickt vorgehen und über so lange Zeit - wie im Fall Fritzl und Priklopil - ihr ekelhaftes Geheimnis hegen und "pflegen".


Viele wollen es wahrscheinlich nich wahr haben oder können es sich verständlicher Weise nicht vorstellen, aber es gibt nun mal Menschen die wirklich Spass daran haben, anderen auf grausamster Weise Leid oder Schmerzen zuzufügen. Der Mensch ist nun mal Biologisch gesehen ein gefährliches Raubtier und in jedem von uns stecken solche Instinkte noch mehr oder weniger drin.

Die meisten solcher Täter können sich entgegen vieler Meinungen perfekt in andere einfühlen. Nur stellen sie ihre persönlichen Bedürfnisse, Triebe und Ziele über ihr moralisches Denken und können demzufolge ihr Mitgefühl zum Zeitpunkt der Tat ausblenden wie ein Schalter.
Ob diese Täter dann hinterher Reue oder Schuldgefühle haben, ist eine andere Frage. Es gibt da solche und solche. Viele von ihnen sind aber eher Stolz auf ihre Taten und brüsten sich damit auch gerne.

Ohne soziale Intelligenz und die Fähigkeit sich in andere einzufühlen, wäre es solchen Tätern auch nicht möglich solche Verbrechen so organisiert zu planen und auch jahrelang mit solchen Verbrechen unendeckt zu bleiben.

Ja in solchen Fällen liegt in der Regel eine psychische Störung in Form einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (antisoziale PS, amoralische PS, sadistische PS, Psychopathie, Soziopathie) vor.

Aber psychische Störungen sind in psychiatrischen Fachkreisen und Juristen nicht gleichzusetzen mit psychischen Krankheiten. Entgegen psychischer Krankheiten (Psychosen, Schizophrenien), gelten Täter mit psychischen Störungen (Persönlichkeitsstörungen, PTBS, ADHS, etc.) als voll oder nur vermindert Schuldfähig (Ausnahmen sind schwerste Ausprägungen oder gleichzeitige Intelligenzminderung).
Das heißt, die Steuerungsfähigkeit, Normbewusstsein und Intelligenz ist bei diesen Tätern in der Regel normal ausgeprägt oder nur geringfügig gestört und können deshalb auch normal für ihre Taten rechtskräftig verurteilt werden.
Im Strafgesetzbuch gibt es dafür die Fachbegriffe "seelische Abartigkeiten" für psychische Krankheiten wie Psychosen, Schizophrenien, Manien, Bipolare Psychosen, Schwachsinn usw. und "andere seelische Abartigkeiten" für psychische Störungen wie Persönlichkeitsstörungen, sexuelle Triebstörungen, Impulskontrollstörungen Alkoholismus usw..

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon cerebrum » 26. Februar 2016, 16:02

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Trinity » 26. Februar 2016, 16:28

Hallo Knallschnute.

Ich kann das was du schreibst gut nachvollziehen, nur dass es mir bei Tieren wesentlich mehr ans Herz geht ihr Leiden zu sehen, als bei Menschen.
Seit klein auf hatte ich auch eine zu dünne Haut was solche Sachen angeht. Einfach zu viel Mitgefühl im Vergleich zu den abgestumpften Menschen auf dieser Welt. Ich habe mit 10 oft in der Nacht im Bett geweint, weil ich an Geschichten von Tierquälere denken musste. Von meinen Mitmenschen wurde ich ausgelacht, weil ich bei solchen Geschichten zu leicht zum Weinen zu bringen war. Es hat ihnen Spaß gemacht mich damit zu quälen. Auch meine Mutter hat immer gesagt dass sie nicht versteht, warum ich Tiere wie Menschen behandle. Leider tendiert der Mensch dazu sich über alles zu stellen, ein göttliches Wesen das alles tun und lassen darf was es will. Und natürlich werden allen anderen Geschöpfen dieser Erde die magischen Fähigkeiten wie Schmerzen zu empfinden und eine Persönlichkeit zu haben abgesprochen. Das steht exklusiv nur den Menschen zu.

Ich bin immer noch leicht zu erschüttern was diese Dinge angeht, aber ich habe gelernt damit besser umzugehen.
Genauso wie du kann ich einfach nicht nachvollziehen wie man soetwas machen kann... Geschöpfe die sich nicht wehren können so furchtbar zu quälen... Das führt bei mir zu Gewaltfantasien gegenüber den Tätern.

Ich hoffe dass du damit lernst umzugehen, denn ich kann dich sehr gut verstehen wenn du am liebsten aus dieser Welt der Grausamkeit flüchten willst. So dachte ich damals und manchmal heute noch auch.

Liebe Grüße!
"As long as you live, keep learning how to live." - Seneca

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon knallschnute » 26. Februar 2016, 20:38

26. Feb 2016, 11:51 » krebsi hat geschrieben:Viele wollen es wahrscheinlich nich wahr haben oder können es sich verständlicher Weise nicht vorstellen, aber es gibt nun mal Menschen die wirklich Spass daran haben, anderen auf grausamster Weise Leid oder Schmerzen zuzufügen. Der Mensch ist nun mal Biologisch gesehen ein gefährliches Raubtier und in jedem von uns stecken solche Instinkte noch mehr oder weniger drin.
Spaß am Leid anderer? Hm, das kann ich mir in dieser Form nicht vorstellen. Ich denke nicht, dass sie Freude dabei empfinden, aber vielleicht Befriedigung, weil sie ihren Trieb und ihre Perversion ausleben wollen/müssen/können (wie auch immer). Ich bin ja kein Triebtäter oder Mörder und habe keine Ahnung wie so jemand denkt oder empfindet, aber ich stelle mir das vor, wie wenn man von etwas süchtig oder besessen ist und nicht los kommt, bis sich die Gier verstärkt, der passende Moment entsteht und es dann plötzlich kein Zurück mehr gibt, weil man mitten im Geschehen seiner Gräueltaten ist.
Damit würde ich den Tätern nicht die Schuld absprechen wollen, weil sie wie z.B. ein Süchtiger einfach nicht anders können, sondern suche für mich nach einer Erklärung für derartiges.

Die meisten solcher Täter können sich entgegen vieler Meinungen perfekt in andere einfühlen.

Das bezweifle ich. Einfühlen können sie sich mit Sicherheit nicht, denn dann wüssten sie, wie sich ihr Opfer fühlt. Wenn, dann sind sie gut darin jemanden zu manipulieren. Instinktive Täter können ihr Opfer wahrscheinlich wittern, wie die Katze die Maus.

Nur stellen sie ihre persönlichen Bedürfnisse, Triebe und Ziele über ihr moralisches Denken und können demzufolge ihr Mitgefühl zum Zeitpunkt der Tat ausblenden wie ein Schalter.

Woher willst du das wissen?

Ob diese Täter dann hinterher Reue oder Schuldgefühle haben, ist eine andere Frage. Es gibt da solche und solche. Viele von ihnen sind aber eher Stolz auf ihre Taten und brüsten sich damit auch gerne.
Das sollten sie mal in einem Gefängnis machen, wo Kinderschänder und Triebtäter, etc. von anderen Insassen so richtig zur Schnecke gemacht werden. Ich glaube, die bekommen da kein Wort über ihre Taten raus.
Was ich mir vorstellen kann ist, dass sie an einem enormen Minderwertigkeitsgefühl leiden, weil sie sich an Schwächeren (Kindern oder Frauen) vergehen und dabei Macht ausleben können.

Ohne soziale Intelligenz und die Fähigkeit sich in andere einzufühlen, wäre es solchen Tätern auch nicht möglich solche Verbrechen so organisiert zu planen und auch jahrelang mit solchen Verbrechen unendeckt zu bleiben.
Die Intelligenz andere gut zu manipulieren und ohne Gewissen zu lügen und vorzutäuschen ist durchaus vorhanden, aber ob man das gleich "soziale" Intelligenz bezeichnen kann? Hm, für mich ist das eigentlich alles andere als intelligent, weil es ja schädlich ist, was die da tun und auch selbstzerstörerisch (auf Dauer betrachtet), denn irgendwann kommen die Schandtaten ans Licht.

Auch wenn ich nicht allem beipflichten kann, danke ich dir für deinen Beitrag, Krebsi!

@cerebum

Vielen Dank für den Link, das klingt sehr interessant und irgendwie auch beruhigend, wenn es so etwas wie ein Training gibt, dass evtl. helfen könnte diese Täter wieder "gesunden" zu lassen. Was ich gut nachvollziehen kann ist, dass ein Täter nicht geboren wird, sondern durch eine krankmachende Umgebung entsteht! Das glaube ich nämlich auch. Vielleicht haben manche Menschen ein höheres Gewaltpotenzial, aber das macht sie noch nicht zu Gewalttätern. Wenn diese Leute jedoch in ihrer Kindheit bereits unter Gewalt, etc. leiden, könnten sie sich diese später selbst zu eigen machen. Dann könnte man sagen, dass im Grunde auch die Gesellschaft für ihre Straftäter mitverantwortlich ist und nicht nur der Täter bestraft werden sollte, sondern auch die Gesellschaft sich ändern muss, damit es weniger Leid und damit verbunden weniger oder keine (=Wunschvorstellung) Verbrechen gibt!

@Trinity

auch dir Dankeschön für deine Antwort!
Wegen Tierleiden kann es mir genauso schlecht gehen! ich mag es auch nicht Filme über Massentierhaltung oder Tierversuche anzuschauen. Das ist genauso übel für mich. Klar, man sollte sowas nicht zu stark an sich heran lassen, aber das klappt halt nich immer. Im Grunde ist es schlimm zu sehen, wie die Menschen mit der gesamten Erde umgehen und ihren eigenen Lebensraum quasi ausbeuten und allmählich zerstören...
In jedem Fall vielen Dank für dein Verständnis und Mitgefühl für die Wesen dieser Erde! :rose:

Liebe Grüße
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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Doppelgesicht » 26. Februar 2016, 22:07

26. Feb 2016, 20:38 » knallschnute hat geschrieben: (...) Das bezweifle ich. Einfühlen können sie sich mit Sicherheit nicht, denn dann wüssten sie, wie sich ihr Opfer fühlt. (...)


Natürlich! Das klingt jetzt hart und ich möchte Dich nicht entsetzen aber würden solche Menschen nicht ihr Opfer genauestens beobachen und mitfühlen (ihnen passierts ja nicht, sie ergötzen sich nur daran) dann hätten sie gar kein Interesse daran. Es ist dieses "jaa, schrei lauter!" ... mir ist das nicht fremd, die Moral steht bei mir nur darüber. Der eine mit dieser Eigenschaft wird zum psychopathischen Killer ohne Grenzen, ohne Mitleid, ohne Reuhe ... der andere zum Beschützer und Bewahrer.Profilieren oder gar urteilen kann man nur wenn man auch versteht ... Du solltest Dich damit nicht weiter beschäftigen, es zu verstehen, denn das sind häßliche Bilder, die Dir grausam weh tun würden. Halte Dich davon - dieser Thematik - fern. Vergleiche es mit der Patologie - da gibts auch Menschen, die können dabei noch essen (mir würd alles hochkommen) so würde es Dir bei Deinem Hinterfragen des "warum" in dieser Thematik gehen, laß das bitte ... mein´s nur gut!

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Milka » 27. Februar 2016, 07:11

Ich möchte hier als Betroffene auch mal meinen Senf dazu geben, ich habe hier schon geschrieben, dass ich von meinem Vater sexuell missbraucht wurde. Vielleicht hab ich damit sogar diesen Thread ausgelöst - sorry, wenn ich dich damit schockiert habe.

In der Öffentlichkeit werden Fälle von Kindesmissbrauch häufig mit solchen Fällen mit Josef Fritzl in Verbindung gebracht. Der sieht schon fies aus und man ordnet ihn dem "Asozialenmilieu" (sorry für dieses Wort) zu, keine Bildung, irgendwie primitiv...

--
Ich persönlich komme aus einer Akademikerfamilie. Wir wohnten in einem Haus mit Seerosenteich und einer großen Bibliothek (Kunstgeschichte, Literatur, Psychologie, Philosophie etc.). Meine Eltern waren- auch unter den Akademikern - überdurchschnittlich gebildet. Wenn ich hier schreiben würde, was mein Vater von Beruf war, wärst du schockiert und ich möchte das hier nicht preis geben, aber es war ein Helferberuf. Die perfekte Fassade nach außen.

Als mein Vater starb, kamen die Erinnerungen. Was ich vorher schon gewusst habe, war, dass mein Vater gewaltttätig war, daran erinnerte ich mich und er hat es nie geleugnet, uns geschlagen zu haben. Ich wusste auch, dass er sadistische Züge hat und war immer vor ihm auf der Hut. Und als ich mich dann an den MIssbrauch erinnerte, glaubte ich mir nicht. Mein Vater soll mich als Fünfjährige...? Ich dachte, ich bin doch verrückt. Ich hatte auch immer das Bild von so "asozialen" Typen wie Ronny Rieken und Co. im Kopf, wenn ich an Kindesmissbrauch dachte.
Aber dann fiel mir ein, dass mein Vater sich mal bei mir entschuldigt hatte wegen der Schläge (es tat ihm gar nicht leid, er tat nur so) und mich dabei gefragt hatte, ob ich mich noch an was anderes erinnere oder ob ich ihm noch was Anderes vorwerfe. Ich dachte: "Was meint der?" Immer wieder fragte er mich auf diese Weise... Ich hatte für mehrere Jahre den Kontakt abgebrochen und er befürchtete wohl, dass ich mich erinnert haben könnte...

Und ich erinnerte mich daran, dass er uns als Kinder "zwangsbeschmust" hatte. Wir wollten nicht, aber er hielt uns fest. Als wir anfingen zu weinen, kitzelte er uns, damit wir lachen mussten. Sonst gefiel es ihm nicht, er wollte, dass wir lachen. Aber gleichzeitig weinten wir. Für solche und ähnliche Begebenheiten gab es Zeugen. Trotzdem war es nicht einfach, die Verbindung zu dem schweren Missbrauch im Kindesalter auszuhalten (er hat mich u.a. anal mit Gegenständen traktiert)

Als mir dieser Erinnerungen kamen, dachte ich einerseits, ich spinne, andererseits: "Wenn das wahr ist, bin ich nicht mehr gesellschaftsfähig". Ich schämte mich so sehr, dass ich mich von meinem Freundeskreis zurückzog und immer einzelgängerischer wurde (schon vorher war ich introvertiert). Das ging viele Jahre so.
Ich meldete mich in einer Selbsthilfegruppe zum "sexuellen Missbrauch in der Kindheit" in meiner Kleinstadt an. Und Überraschung: Alle bis auf ein Mitglied dieser Gruppe hatte einen Universitätsabschluss, eine hatte eine Malerlehre gemacht. Die wirkten alle völlig normal nach außen. Das machte mir Mut und ich konnte mehr zu dem stehen, was mir passiert war. Die Täter sind u.a. Lehrer, evang. Pfarrer, Pädagogen, Psychotherapeuten...).

Laut dem Bundeskriminalamt gibt es in jeder Kindergartengruppe, in jeder Schulklasse missbrauchte Kinder. Das ist schon erschreckend, aber wenn man sich überlegt, dass ebenso viele Täter durch die Gegend laufen...
In meinem jetzigen Leben weiß das (abgesehen vom Internet) nur mein Therapeut und ein Arbeitskollege, der mit einer Frau aus meiner Selbsthilfegruppe befreundet war. Der hatte selbst Depressionen und geht da ganz locker mit um.
Leider werden die meisten Täter nicht verurteilt. Ich habe schon Fälle erlebt, bei denen es mehrere Zeugenaussagen gab und die Täter wurden freigesprochen. Meist sind die Taten auch schon verjährt, wenn das Opfer endlich stark genug ist, den Missbrauch aufzuarbeiten. Manchmal denke ich, man muss die erst in flagranti ertappen.

Was die Täter angeht:
Du findest sie überall. Die sind so raffiniert. Viele sind auf sozialen Status bedacht und erpicht darauf, die Karriereleiter zu erklimmen. Die Leute sind oft von ihnen so verblendet, dass sie die Wahrheit nicht sehen wollen... Menschen mit hohen Status kriecht man ja häufig in den ... Viele sind sehr charmant und manipulativ.

Es gibt zwar auch Täter, die geistig zurückgeblieben sind, aber das ist nicht die Regel.
Warum die das tun?

Ich denke, viele sind einfach Sadisten. Du weißt nicht, wieviele Stunden ich damit zugebracht habe, darüber nachzudenken. Es gibt wirklich Menschen, die gerade Lust empfinden, wenn das Opfer leidet. D.h. sie nehmen nicht nur in Kauf, dass ihr Opfer leidet, sondern gerade das erregt sie.
Es gibt Menschen ohne Gewissen (Soziopathen). Wenn diese dann noch sadistisch veranlagt sind, wird es gefährlich.
Sie haben oft nur eine begrenzte Fähigkeit, selbst Gefühle zu spüren und langweilen sich permanent, immer auf der Suche nach dem Kick.

Wenn du es wirklich wissen willst, guck dir mal die Filme über Psychopathen auf Youtube an (Warnung: Das wird dir nicht guttun, die Welt ist nicht mehr dieselbe, wenn du dich mit diesem Thema auseinander gesetzt hast).
Leider hatte mein Vater auch so eine sadistische Ader. Ich hatte nie eine innere Beziehung zu ihm...
Andere sind so bedürftig, dass sie glauben, das Kind finde es toll und es sei wahre Liebe, die nehmen sich das, was sie von erwachsenen Frauen (oder Männern) nicht bekommen, von den Kindern.

Wenn ich an Kindesmissbrauch denke, denke ich nicht an Joseph Fritzl. Wenn schon prominente Fälle, wieso dann nicht Klaus Kinski, Karlheinz Böhm, Michael Jackson, Woody Allen (es war nicht nur die Adoptivtochter).
Der Tochter von Karlheinz Böhm wird ja Geldgeilheit unterstellt, wenn sie mit dem Thema an die Öffentlichkeit geht, denn der heilige Karlheinz Böhm hat mit so einem Thema ja nichts zu tun...

Wenn du dir Natascha Kampusch anguckst und nicht wüsstest, dass Priklopil sie eingesperrt und missbraucht hat, würdest du es auch nicht denken. Die Opfer erkennt man auch nicht. Sie hat mal sinngemäß gesagt: "Ich wusste, wenn mich als Oper präsentiere, lassen mich die Leute nie wieder hoch".

Was mich ärgert ist, dass die Opfer oft in eine Reihe mit den Tätern gestellt werden. Die Leute wollen mit dem Thema halt nichts zu tun haben und schieben es dann auf ein bestimmtes "Milieu". Wenn kein Täter zum verurteilen da ist, kriegen es halt die Opfer ab, indem man sie meidet und isoliert. Deshalb kriegen die auch ihren Mund nicht auf. Die wissen das.

Viele haben auch Angst, dass ehemalige Opfer zu Tätern werden. Da ich eine Frau bin, stehe ich zum Glück nicht im Verdacht (denn das ist eher die Ausnahme, Frauen wenden ihre Aggressionen meist gegen sich selbst). Bei Frauen ist es eher so, dass sie an Männer geraten, die dem Missbraucher ähneln. Und dann blenden sie aus ihrer Wahrnehmung aus, was dem eigenen Kind angetan wird, weil sie es nicht ertragen können. So ist es möglich, dass sich sowas über Generationen fortsetzt. Ich persönlich habe keine Beziehungen zu Männern. Ich bin mein tief sitzendes Misstrauen nie los geworden und war immer auf größtmögliche Unabhängigkeit bedacht.

Was die missbrauchten Männer angeht: Diejenigen Männer, die das Erlebte aufarbeiten und annehmen können, dass sie Opfer gewesen sind, sind oft sehr nette, einfühlsame Männer. Diejenigen, die es verdrängen oder bagatellisieren oder die Tätersolidarischen, die sadistische Züge ihrer Missbraucher übernehmen, sind eher gefährlich. Wichtig ist die Aufarbeitung.

Ich würde mir sehr wünschen, dass mit dem Thema in unserer Gesellschaft offener umgegangen wird und dass die Opfer sich nicht mehr so verstecken brauchen. Wenn ich überlege, was Natascha Kampusch aushalten muss, wird mir ganz schlecht. Die wird so angefeindet und angegriffen, als sei sie selbst eine Täterin. Aber sie kann nichts dafür.
Mach dir nie Gedanken darüber, was andere Menschen über dich denken. Diejenige, die Probleme mit dir haben, haben diese nur, weil sie Probleme mit sich selbst haben.

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Indigocat » 27. Februar 2016, 08:40

27. Feb 2016, 07:11 » Milka hat geschrieben:Wenn ich hier schreiben würde, was mein Vater von Beruf war, wärst du schockiert und ich möchte das hier nicht preis geben, aber es war ein Helferberuf.


Das ist gar nicht so selten, dass sich Menschen mit sadistischen Persönlichkeitszügen Berufe auswählen, wo sie Macht über andere Menschen haben und andere Menschen quälen können. Besonders Ärzte (hier Chirurgen, Zahnärzte), Erzieher, Lehrer (hier besonders Kindergärtner, Sondesrschulpädagogen), aber auch Rechtsanwälte und Richter (vielleicht war schon mal jemand in der unangenehmen Situation, selbst als Zeuge vom Richter runtergeputzt worden zu sein). Will nicht alle verunglimpfen, auch da gibt es nette, normale, aber die haben meist nichts zu lachen und kommen in diesen Berufen auch nicht so gut zurecht.

27. Feb 2016, 07:11 » Milka hat geschrieben:Aber dann fiel mir ein, dass mein Vater sich mal bei mir entschuldigt hatte wegen der Schläge (es tat ihm gar nicht leid, er tat nur so) und mich dabei gefragt hatte, ob ich mich noch an was anderes erinnere oder ob ich ihm noch was Anderes vorwerfe. Ich dachte: "Was meint der?" Immer wieder fragte er mich auf diese Weise... Ich hatte für mehrere Jahre den Kontakt abgebrochen und er befürchtete wohl, dass ich mich erinnert haben könnte.


Ich sehe das so, dass sich da doch noch so was wie ein Gewissen geregt hat, auch Psychopathen haben ja manchmal lichte Momente, sind ja letztendlich auch nur Menschen.

27. Feb 2016, 07:11 » Milka hat geschrieben:Und ich erinnerte mich daran, dass er uns als Kinder "zwangsbeschmust" hatte. Wir wollten nicht, aber er hielt uns fest. Als wir anfingen zu weinen, kitzelte er uns, damit wir lachen mussten. .


Das hat meine Mutter mit mir auch gemacht. Ich war natürlich agiler und habe mich gewehrt. Aber sie hat immer wieder zugegrapscht. "Was denn, du bist doch mein Kind, ich darf doch mit dir kuscheln"! :übel:

War nicht sexuell, aber hatte zur Folge, dass ich Berührungen nur sehr schlecht ertragen kann.

27. Feb 2016, 07:11 » Milka hat geschrieben:Ich würde mir sehr wünschen, dass mit dem Thema in unserer Gesellschaft offener umgegangen wird und dass die Opfer sich nicht mehr so verstecken brauchen. Wenn ich überlege, was Natascha Kampusch aushalten muss, wird mir ganz schlecht. Die wird so angefeindet und angegriffen, als sei sie selbst eine Täterin. Aber sie kann nichts dafür.


Das wird schwierig, denn die Täter sitzen wie oben genannt an allen Schaltstellen, mit deren Hilfe etwas geändert werden könnte.
Geniale Menschen sind selten ordentlich, Ordentliche selten genial. A. Einstein

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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Milka » 27. Februar 2016, 09:21

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Du irrst dich, da hat sich nichts an Gewissen geregt. Er wollte nur herausfinden, ob ich mich neben den Schlägen auch an den Missbrauch erinnere und er tat daher schuldbewusst.

Während des Gesprächs weinte ich und zitterte wie verrückt (ich dachte damals auch, er will sich entschuldigen). Mein Vater meinte nur: Ich sehe zwar, dass du weinst, ich kann aber jetzt überhaupt nichts empfinden.
Und er sagte mir auch so nette Dinge, wie dass er schon als Baby nichts für mich empfinden konnte, während bei allen meinen Geschwistern sofort Liebe dagewesen sei (damit es also meine Schuld ist, weil ich so ätzend war, schon als Baby). Scheinbar ist es auch leichter, ein Kind zu missbrauchen, wenn es einem gleichgültig ist.
Auf Fotos seh ich übrigens, dass ich ein ganz normales, süßes Baby war, also ich hatte mit Sicherheit keine abschreckenden körperlichen Merkmale an mir.
Er war übrigens kein Psychopath, sondern eine Borderline-Persönlichkeit, konnte seine Triebe und Impulse anscheinend nur unzureichend steuern und das Gewissen war nur unzureichend ausgebildet.
Er empfand eher ein schlechtes Gewissen, wenn er faul war, das war für ihn anscheinend die schlimmere Sünde.
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Re: Abgründe der Unmenschlichkeiten

Beitragvon Indigocat » 27. Februar 2016, 09:32

27. Feb 2016, 09:21 » Milka hat geschrieben:Indigocat
Du irrst dich, da hat sich nichts an Gewissen geregt. Er wollte nur herausfinden, ob ich mich neben den Schlägen auch an den Missbrauch erinnere und er tat daher schuldbewusst.
Während des Gesprächs weinte ich und zitterte wie verrückt (ich dachte damals auch, er will sich entschuldigen). Mein Vater meinte nur: Ich sehe zwar, dass du weinst, ich kann aber jetzt überhaupt nichts empfinden.


Ok, das kannst du natürlich am besten einschätzen. Ich bin davon ausgegangen, dass manchmal so etwas wie eine halbe Entschuldigung rauskommt (bei meiner Mutter: "Ich bin ja manchmal etwas manipulativ....")

27. Feb 2016, 09:21 » Milka hat geschrieben:Und er sagte mir auch so nette Dinge, wie dass er schon als Baby nichts für mich empfinden konnte, während bei allen meinen Geschwistern sofort Liebe dagewesen sei (damit es also meine Schuld ist, weil ich so ätzend war, schon als Baby). Scheinbar ist es auch leichter, ein Kind zu missbrauchen, wenn es einem gleichgültig ist.
Auf Fotos seh ich übrigens, dass ich ein ganz normales, süßes Baby war, also ich hatte mit Sicherheit keine abschreckenden körperlichen Merkmale an mir..


Er hat mit Sicherheit für die anderen Geschwister ähnlich wenig empfunden wie für dich. Wie ist es denn denen ergangen?

27. Feb 2016, 09:21 » Milka hat geschrieben:Er empfand eher ein schlechtes Gewissen, wenn er faul war, das war für ihn anscheinend die schlimmere Sünde.


Dazu gibt es ein sehr gutes Buch von Arno Gruen "Der Verlust des Mitgefühls", vielleicht hast du es schon gelesen.
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