Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon Imagohominis » 17. Februar 2016, 12:38

12. Feb 2016, 23:15 » Grübelmonster hat geschrieben:Hallo!

Hab mir über dieses Thema seit Längerem Gedanken gemacht, hab mich schon immer gefragt, welchen Bezug die Wissenschaft, gerade Physik und Mathematik, zur Realität haben, dass das doch eigentlich nur Konzepte und Werkzeuge sind, die in sich zwar sinnig und logisch sind, aber keine Aussage über die Welt haben oder Wahrheiten enthalten, wir dies zumindest nicht wissen können...

Hab da mal nen Artikel zu gefunden, der zu dem Thema so einige Blickwinkel beleuchtet:
http://www.spektrum.de/news/auch-physik ... en/1353710

Hat sich da mal jemand Gedanken zu gemacht?

Liebe Grüße


Eine Wissenschaftstheorie wie sie Friedrich Wilhelm Hegel vertreten hat, die allein auf spekulativer Erkenntnis fußte und eine Identität zwischen Subjekt und Objekt in letzter Konsequenz propagierte, wird einer modernen Philosophie nicht mehr gerecht. Hegel erachtete die Naturwissenschaften als belanglos, weil sie seiner Meinung nach nicht das Ganze erforschten, sondern sich im Besonderen - in dem für sich allein nach Hegel belanglosen - verloren. Hegels eigentliche Feindlichkeit gegenüber den Naturwissenschaften wurde seiner Philosophie zum Verhängnis. Solche Ansätze sind m.E. obsolet und einer seriösen Philosophie nicht würdig, die Naturwissenschaften im speziellen und Wissenschaften im allgemeinen nicht ersetzen kann. Hingegen ist die Philosophie durchaus berechtigt, sich in einer Kritik an den Wissenschaften zu bewegen, d.h. sind speziell die kantianischen Fragen über die Metaphysik "Was kann ich wissen?" für die Philosophie durchaus noch relevant. Es ist schließlich ihr immenser Einfluss auf die Wissenschaftstheorie (welche übrigens ein Teilgebiet der Philosophie ist), d.h. die Einbeziehung der Philosophie hinsichtlich der Methodologie der Wissenschaften und Erkenntniskritik. Es ist Aufgabe der Philosophie im Spannungsverhältnis mit den Wissenschaften, sich systematisch mit deren Begriffsbestimmungen auseinander zu setzen und diese insbesondere über eine partikuläre Wissenschaft hinaus mit philosophischen Grundbegriffen in Beziehung zu setzen.
Da alle Theorien sich innerhalb von menschlicher Sprachen, sowohl natürlicher als auch abstrakter, bewegen, hat die analytische Sprachphilosophie eine immense Bedeutung für die Naturwissenschaften erlangt, denn jede wissenschaftliche Theorie muss sich der Kritik der Modell -und Wahrheitstheoretiker stellen. Hier trifft also in einem starken interdisziplinären Rahmen die Philosophie auf die Naturwissenschaften.

,dass das doch eigentlich nur Konzepte und Werkzeuge sind, die in sich zwar sinnig und logisch sind, aber keine Aussage über die Welt haben oder Wahrheiten enthalten, wir dies zumindest nicht wissen können..


Dies behauptet jedenfalls eine wissenschaftstheoretische Position namens kritischer Rationalismus, nach dessen Postulaten sich Theorien allenfalls falsfizierbar (als nicht konsistent, widersprüchlich) erweisen können. Wie jede Theorie, müssen sich auch derartige Wissenschaftstheorien ihren eigenen Kritikansprüchen stellen und demnach wird der Anspruch der objektiven Welterkenntnis beim krit. Rationalismus negiert, obwohl sie die Konzession der Annäherung an die "Regelstrukturen" der objektiven Realität macht. In dieser Hinsicht widerspricht sie sich nicht, sondern geht von einem pragmatischen Standpunkt aus: Auch sich besonders bewährende Theorien wie z.B. die Quantentheorie und Relativitätstheorie können mit keinem Wahrheitsprädikat außerhalb ihrer Theorisprache gekennzeichnet werden, sodass eine Identität zwischen Theorie und einer vermeintlichen "inneren Struktur der Welt" nie behauptet werden kann. Das schadet jedoch keiner Theorie, die - solange sie sich bewährt - gerne genommen werden kann, als ob sie tatsächlich wahr ist. Ein Argument ist dafür das Zusammenspiel von Naturwissenschaften und Technologie, d.h. das Übersetzen von theoretischen Erkenntnissen in praktische Anwendungen, deren Tatsächlichkeit unser alltägliches Leben bereichert.

Philosophie und Naturwissenschaften sollten - und das tun sie ja - sich wechselseitig ergänzen.
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon cerebrum » 17. Februar 2016, 18:57

Das Problem ist doch, dass die scharfe Logik in Form der Prädikatenlogik oder anderer formaler Sprachen zu idealisiert ist um auf wissenschaftliche Fragestellungen anwendbar zu sein. Und jeder Wahrheitsbegriff, der in solch einer Sprache formuliert wird, ist nicht anwendbar auf Probleme des alltäglichen Lebens. Man löst es durch Modellbildung, macht so die Resultate der Mathematik anwendbar, weil sie in ein Modell passen, was die realen Begebenheiten _approximiert_. Damit ist der Wahrheitsbegriff in der Naturwissenschaft deutlich nuancierter. Mit diesen Nuancen kommen viele nicht zurecht, wie z. B. Foerster.
Leider ist die Philosophie aber aufgebaut auf Argumentation, meistens deduktiver Art. Das Problem besteht nun darin, dass die Philosophie, im Gegensatz zur Mathematik, nicht innerhalb eines streng definierten Rahmens logische Schlüsse vollzieht. In aller Regel passiert es somit sehr schnell, dass nicht mehr klar ist worüber man eigentlich spricht oder man sich in rein semantischen Wortspielen verirrt. Da wir bereits festgestellt haben, dass die Wahrheitsbegriffe der Logik bei naturwissenschaftlichen Fragestellungen unzureichend sind, stellt sich die Frage welche Rolle die Philosophie noch spielen soll? Sie ist per Definition ein schwächeres System. Sie hat keine wohldefinierte Methode Erkenntnis zu generieren. Im Gegensatz zur Mathematik, die innerhalb ihrer Axiomatik ewige Wahrheiten herleitet und zur Naturwissenschaft, die mittels Modellen die Resulate der Mathematik nutzbar macht. Ich denke das hohe Selbstbewusstsein der Philosophen rührt von ihrer Illusion von Freiheit, die aus dem Mangel eines streng definierten Rahmens herrührt. Gibt es echte philosophische Probleme, die mit den Methoden der Philosophie wirklich gelöst werden können?
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon Grübelmonster » 17. Februar 2016, 22:13

So erstmal vielen Dank für eure interessanten, umfangreichen Antworten^^
Ist mir gerade alles zu viel um da konkret Stellung zu zunehmen...
Ich hab halt selbst kaum Einsicht in die Mathematik und Physik, daher kann ich das alles eigentlich selbst schwer beurteilen... Irgendwie hat mich das bisher auch nie so gereizt und mir mangelt es an Interesse daran, außerdem bin ich in der Hinsicht auch nicht sonderlich begabt denke ich^^
Ich kann da auch nicht so gut für argumentieren, nur wenn ich mir das einfach nur vorstelle, wie diese Systeme und Wissenschaften funktionieren, sind das halt Theorien, die auf etwas Bezug nehmen, dass wir halt innerhalb unserer Welt wahrnehmen, wie zB die Erdanziehungskraft, chemische Prozesse usw...
Für mich wirkt das schon fast ein wenig so, als nehme man halt ein Phänomen, observiert dieses aufs Genauste und abstrahiert diese Observationen dann in eine komplexe Formel aus Bezeichnungen und Berechnungen...

Irgendwie wirft sich natürlich erstmal die Frage auf, ob man nun an eine objektive Realität glaubt und ob man dies überhaupt annehmen kann...
Aus der Tatsache heraus, dass ja auf alle Fälle scheinbar irgendwas existiert, denke ich, dass es so etwas wie eine objektive Realität zwar gibt, doch wir diese nie mit unserer Wahrnehmung erfassen können...
Bin halt auch etwas idealistisch eingestellt und denke, dass nur das, was in uns an Vorstellungen, Ideen und Gedanken da ist, der Realität entspricht und etwas über die Welt/Realität aussagen kann...
Im Endeffekt können wir halt nichts wissen, nur über alles Mögliche theorisieren, ob nun in der Philosophie oder in den Wissenschaften...
Denke aber auch, dass die Philosophie den Menschen eher weiterhilft in Bezug auf ein glückliches Leben und humanistische Lebensziele, als die Wissenschaften
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon cerebrum » 18. Februar 2016, 14:46

Irgendwie wirft sich natürlich erstmal die Frage auf, ob man nun an eine objektive Realität glaubt und ob man dies überhaupt annehmen kann...


Ich finde die Frage nicht sinnvoll bzw. wohldefiniert. Deine Frage im Ausgangspost macht für mich Sinn, nämlich inwiefern die Naturwissenschaft "wahre" Erkenntnisse über das Universum gewinnt. Und hier kann ich nur nochmals Victor Stengers Buch empfehlen, The comprehensible Cosmos. Die mathematischen Anforderungen sind minimal (die Mathematik befindet sich im Anhang, den man beim Lesen auch weglassen darf).

Die andere Frage nach "objektiver Realität" müsste man erstmal klären. Was ist damit genau gemeint?
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon Grübelmonster » 18. Februar 2016, 17:10

Ich finde die Frage nicht sinnvoll bzw. wohldefiniert. Deine Frage im Ausgangspost macht für mich Sinn, nämlich inwiefern die Naturwissenschaft "wahre" Erkenntnisse über das Universum gewinnt. Und hier kann ich nur nochmals Victor Stengers Buch empfehlen, The comprehensible Cosmos. Die mathematischen Anforderungen sind minimal (die Mathematik befindet sich im Anhang, den man beim Lesen auch weglassen darf).

Die andere Frage nach "objektiver Realität" müsste man erstmal klären. Was ist damit genau gemeint?


Danke für die Empfehlung- Ja kann ich verstehen- ich meine halt man kann sich verschiedene Fragen stellen, in wie weit das, was wir wahrnehmen können, einer objektiven Realität zu Grunde liegt, bzw ob es diese überhaupt geben kann, wir sind zum Beispiel die einzig uns bekannte Lebensform, die die Welt wahrnimmt und sich existenzielle Gedanken über sie macht-
aber was hat das was wir sehen und denken überhaupt für eine Bedeutung, beispielsweise sind wir ja auf ne bestimmte Art konzipiert und unsere Wahrnehmung ist natürlich sehr begrenzt, im Sinne von, dass wir beispielsweise halt Materie nur in groben Strukturen und nur bis zu einer bestimmten Größe wahrnehmen, bestimmte Farben entstehen, bzw wir halt generell eine sehr beschränkte und einseitige Sicht auf die Dinge haben, eben alles nur aus der Perspektive Mensch betrachten können- das wirft für mich auch die Frage auf, ob unsere Wahrnehmung als ein Ultimatum zu betrachten ist, welches einen einzigen Zugang zur Welt öffnet, ob nicht alles was wir wahrnehmen nur in unserem Bewusstsein existiert, das ist halt die Frage nach Realismus oder Idealismus, beides kann man nicht wirklich argumentativ ausschließen soweit ich denken kann...
Ich persönlich glaube, dass es außerhalb unserer Wahrnehmung halt eine materielle Welt gibt, wir diese aber halt nur begrenzt wahrnehmen können...
man kann sich fragen, ob es vllt irgendwo Lebensformen gibt oder Anderes, welche eine viel umfangreichere und differenziertere Sicht auf die Dinge haben-
Man könnte sich zum Beispiel Gott so vorstellen, wie einen Geist, der halt alle Informationen der Welt enthält oder sowas...
Das ist alles halt reines Theorisieren, kann gerade nicht so gut denken, deshalb ist das vllt ein bißchen wirr alles^^
Für mich ist die ganze Welt und dessen Existenz halt einfach ein großes Phänomen...
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon cerebrum » 18. Februar 2016, 20:55

Ich denke nicht, dass wir das wissen können. Wir könnten alle kollektiv in einer Simulation leben und die "objektive Realität" ist etwas außerhalb dieser Simulation. Eine Möglichkeit von vielen. Vieles ist möglich. Aber es ist nicht unbedingt produktiv von sowas auszugehen.

Übrigens habe ich nochmal ein Kapitel aus Stenger's Buch gelesen: http://www.colorado.edu/philosophy/vste ... 08Void.pdf

Ich wollte deswegen jetzt keinen neuen Thread aufmachen, obwohl es hier nicht so ganz reinpasst.

Nach nochmaligem Lesen frage ich mich: Wenn der Big Bang ausging von einem "Void", was definiert ist als diese "Struktur", die man kaum noch mit konventionellen Begriffen von Raum und Zeit beschreiben kann, die aber charakterisiert ist durch Symmetrieeigenschaften, welche noch teilweise in unserem Universum vorherrschen in Form verallgemeinerter Eichinvarianz, wie sie in verschiedenen physikalischen Theorien vorkommt (ich bin _kein_ Physiker, sofern ist folgendes mit Vorsicht zu genießen...).
Auch finde ich es plausibel, dass dieser Void als hochsymmetrische Struktur instabil ist und durch zufällige Quantenfluktuationen die Big Bang Singularität praktisch zwangsläufig passiert, wo diese diversen Symmetrien teilweise gebrochen werden. Irgendwie ist der Void fast sowas wie der Dualraum zum beobachtbaren Universum. Weil für die hochsymmetrische Struktur das Gegenteil des zweiten Hauptsatzes gilt. Aber gleichzeitig, die Eigenschaft, dass symmetrische Strukturen instabil sind keine Verletzung zum zweiten Hauptsatz darstellt.
Nun beantwortet das die Frage "warum ist da etwas, anstelle von nichts?". Weil "nichts", also der void, als maximal symmetrische Struktur instabil ist und immer zu "etwas" übergehen muss. Auch macht es jeden Begriff eines Schöpfers überflüssig, was mir auch sehr zusagt als Atheist.
Doch es verschiebt letztlich die Frage nach dem "warum" nur. Natürlich ist die Frage "warum" mit Vorsicht zu genießen. Unterstellt sie etwa Intention, so ist sie bedeutungslos. Doch es macht vielleicht Sinn nach dem Ursprung des Voids zu fragen oder nach dem Ursprung dieser Dualität. Vielleicht ist das auch eine sinnose Frage, unterstellt sie doch Kausalität, was im void als zeitloser Struktur keine Rolle spielt (wie auch der Raum).
Noch wichtiger ist die Frage: Ob wir jemals mehr über diese Struktur in Erfahrung bringen können durch weitere Forschung, theoretisch und experimentell oder es ewig unklar sein wird, wieso diese Dualität besteht?
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon Geextah » 20. Februar 2016, 08:05

14. Feb 2016, 08:51 » cerebrum hat geschrieben:
Ok, erstmal rein _praktisch_ gesprochen. Man kann nicht so leicht verarscht werden. Gerade die Wahrscheinlichkeitstheorie ist das Gebiet, wo die menschliche Intuition total versagt. Darauf ist unser Gehirn nicht ausgerichtet. Wie auch das Nachdenken über gigantische Zeiträume oder in höheren Dimensionen. Ohne Mathematik schafft das unser Hirn nicht. Das Ziegenproblem ist ein gutes Beispiel, wo die Intuition einfach total versagt. Wenn man mathematisch an das Problem rangeht, dann kann man es aber auf viele Arten beweisen oder heuristisch verstehen. Das ist auch etwas: In der Mathematik muss man nicht immer den exakten Beweis haben oder die exakte Formel. Es gibt gute Heuristiken, Abkürzungen.

Aber abgesehen vom praktischen Aspekt, und das verstehen wohl nur die wenigsten, gibt es einen ästhetischen Aspekt. Die Mathematik hat eine beeindruckende Schönheit. Sie hat auch viel mystisches, viele offene Geheimnisse, ungeklärte, aber faszinierende Zusammenhänge. Es ist eine Welt voller Wunder und überraschender Wendungen. Das ist schwer verständlich für die meisten, da sie Mathematik nur aus der Schule kennen. Das ist aber keine richtige Mathematik. Der Lehrer kann nichtmal das einfachste Gebilde korrekt definieren. Was ist die korrekt definition vom Kreis? Es ist der Quotientenraum der ganzzahligen Translationen, \mathbb{R} / \mathbb{Z}. In der Schule hat man aber nicht einmal eine präzise Definition der reellen Zahlen, also wie soll der Lehrer den Kreis definieren? Er tut es nicht. Und er würde es ohnehin nicht verstehen. Das ist noch das geringste Problem. Es ist tragisch, dass alle so vorgeschädigt sind, weil sie in der Schule von Dilettanten ein falsches Bild der Mathematik vermittelt bekamen.


Sicher, vielleicht hat man mit Mathematik wirklich mehr Möglichkeiten, besonders im Alltag, weil man bestimmte Dinge ganz anders sehen kann.

Nachvollziehen kann ich es nicht, da mir mathematische Formeln vorkommen wie als würde ich versuchen wollen Arabisch zu lesen und zu sprechen. Für mich ist es logischer, dass A gleich A ist und auch immer nur A sein kann und keine andere Funktion erfüllt.

Aber es wäre gut möglich, dass den Otto-Normal-Bürger gerade die Schulmathematik dermaßen verdorben hat, dass dieser sich so viel wie möglich von mathe fern hält und ebenso keine hohe Meinung davon hat.

Ähnliches Prinzip ist bei vielen, mit denen ich gesprochen habe, beim Schulsport geschehen...
"Erfindungen bedürfen der ungestörten Ruhe, des stillen, beständigen Nachdenkens und eifrigen Erprobens, und all dies gibt nur die Einsamkeit, nicht die Gesellschaft der Menschen."
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon vanBloom » 20. Februar 2016, 13:38

Für mich erhält die Philosophie auf jeden Fall Berechtigung. Und zwar da, wo die mathematischen Wissenschaften (noch) nicht hinreichen oder (noch) nicht zur genüge aufklären können. Und das betrifft zur Zeit noch den größten Teil des Universums (definiert als alles, was hypotetisch existieren könnte).

Ich meine... wie weit können wir ins Universum blicken? ~14 Milliarden Lichtjahre im Radius wenn ich mich nicht irre. Unter Zunahme der Expansion und der Relativität ergibt sich daraus ein Radius von ~40 Milliarden LJ (Die Angaben sind genau genug für den Zweck den sie in dieser Debatte erfüllen sollen).
Das alleine ist schon enorm und es ist nur unsere hypotetische "Wahrnehmungsblase". Wir wissen schlicht nicht wie groß das Universum ist.
Was wir aber wissen ist, dass wir nur ~4% dessen was existiert theoretisch Wahrnehmen könnten. Dunkle Energie ~23%, dunkle Matiere ~73% sind (noch) unerforschbar. Wir wissen nicht was es ist, nicht wo es ist, nicht wie es ist, nicht warum es ist. Wir wissen gar nichts darüber, außer dass da irgentetwas sein müsste, neben unserer 0815-Materie und dass es den größten Teil des Existenten ausmacht. Unser mathematisches/physisches Wissen tendiert vermutlich gegen 0%.

Hier erscheinen mir die Naturwissenschaften ehrlicherweise auch extrem anmaßend und überheblich. Denn das oben Benannte, blenden sie einfach aus und maßen sich an Philosophie und Theologie ins Abseits zu stellen.

Außerdem gibt es da noch die menschliche Psyche die ebenfalls nur bedingt experimentell zu erschließen ist. Auch da erhält die Philosophie ihre Berechtigung. Selbst wenn einiges theoretisch durch Experimente nachgeweisen (oder wiederlegt) werden könnte, sind dem doch ethische Grenzen zugrunde gelegt.

Und die Ethik - die absolute Grundlage für alles Handeln (auch für Mathematiker, Physiker, Biologen und andere (Natur)wissenschaftler) - ist Hoheitsgebeit der Philosophie. Und so sollte es auch bleiben! Wo kämen wir denn hin, wenn Ärzte, Mathematiker, Biologen und Physiker ihre eigene Ethik ausklamüsern. Um Gottes Willen! (Ja ich halte den Ethikrat der Ärztekammer für bedenklich, geradezu unethisch).

Der Fehler der Philosophen liegt darin, dass sie die falschen Fragen stellen. Sie duckmäusern vor den "richtigen" Wissenschaften. Sie haben (zurecht!) Angst, wenn sie sich dort zu sehr einmischen würden sie bekämpft. Deshalb fokussieren sie sich in der Hauptsache auf den Gesellschafts(politischen) Teil, wo die Naturwissenschaften eben wenig zu melden haben. Da sind die Fragen leider begrenzter Natur.
Dabei sollten sie gerade in die Naturwissenschaften intervenieren, um ihre Legitimität aufrecht zu erhalten.

Achtung Themenwechsel (subjektive Wahrnehmung):

Subjektive Realität definiere ich hier als die Realität, welche unsere ist. Welche sich also ihr eigenes (subjektives) Bezugsfeld gebildet hat und sich gegenseitig beeinflusst. Die Objektive Realität ist diejenige, die unabhängig davon (also objektiv) und nicht in Bezug zueinander oder unserer Realität steht.

Soweit ich begriffen habe, hat die Physik/Mathematik selbst schon bewiesen, dass es eine subjektive und eine objektive Realität gibt (Stichwort Doppelspalteffekt). Daraus folgt, dass Photonen (jedoch auch Teilchen mit Masse in einem Vakuum) sich anders Verhalten jeh nach dem ob sie nun gemessen (in Bezug genommen) werden oder eben nicht. Stehen die kleinsten Teilchen nicht in einem Bezug verhalten sie sich tatsächlich völlig zufällig (bzw. nach Gesetzen, welche wir noch nicht definieren können.). Stellt man sie in einen Bezug - indem man das Vakuum beseitigt oder eben ihr Verhalten misst - unterwefen sie sich Gesetzen, wie wir sie erwarten würden.

Hier steht man also zumindest an einer Schwelle zweier verschiedener Realitäten mit sich unterscheidenden und gegenseitig ausschließenden Gesetzmäßigkeiten. Entweder existiert die eine Realität innerhalb der anderen - wie eine Blase. Oder sie existieren parralel zueinander und haben gewisse Schnittmengen wo sie sich berühren.

Einstein hat das ja versucht ad absurdum zu führen indem er (sinngemäß) Fragte "Verschwindet etwa der Mond, wenn niemand hinschaut?". Aber er wusste auch nocht nichts davon, dass sich Materie wie erwartet verhält, wenn sie in einem Bezugssysthem zu anderer Materie steht. Und das tut der Mond natürlich.
"Wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Kacke liegt."
- Rudi Assauer, Focus Nr. 39 (2005)

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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon cerebrum » 20. Februar 2016, 19:17

Die Frage ist nur wo das philosophieren genau hinführen soll. Wenn es keinen effektiven Prozess gibt zu verlässlichen Erkenntnissen zu gelangen, die sich überprüfen lassen und den hat die Philosophie nicht, dann ist es eine recht sinnlose Beschäftigung festzustellen was die Naturwissenschaft erfasst. Wo die Naturwissenschaft nicht erfasst wird die Philosophie erst recht nichts beisteuern.
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Re: Erkenntnistheorie, Bezug der Physik zur Realität

Beitragvon vanBloom » 21. Februar 2016, 10:59

Philosophen sind die Pioniere der Naturwissenschaftler. Sie bauen die Brücken, bereiten den Boden. Sie finden überhaupt erst die Fragen heraus, die es zu stellen gilt. Stellen die Theorien auf, die es dann zu beweisen oder zu wiederlegen gilt.
Sie setzen auch fest welche Bedingungen für die Naturwissenschaften überhaupt gelten. Die Grundsätzlichkeiten die für alle Naturwissenschaften gelten, die festlegen was ein Beweis ist und was nicht. Was als Prognose gilt und was nicht. Wann etwas wiederlegt wurde und wann nicht. Die einheitliche Definition von Worten, die zwingend Notwendig ist um im Kontext miteinander arbeiten zu können. All das ist philosophischer Natur.

Gerade ohne Philosophie wäre die Naturwissenschaft ineffektiv, ziellos, nicht anwendbar. Unbrauchbar.
Stichworte: Occams Rasiermesser, Russels Teekanne, Agnostik - alles essentielle philosophische Werkzeuge. Und es gibt ja noch mehr. Ohne ist Wissenschaft nicht besser als Glaube.
Du merkst das sofort, wenn du mit einem Atheisten sprichst, der diese Werkezuge nicht anwendet, also keine Ahnung von wissenschaftlichem Vorgehen hat, aber meint seinen Atheismus mit Wissenschaft begründen zu müssen. Zum totlachen :D Gönn dir das Vergnügen mal. Da erscheint dir jeder Priester bedeutend reflektierter und undogmatischer.

Was wissen wir schon... vielleicht erdenkt irgendwann ein begnadeter Philosoph ein Konzept, welches noch viel besser anwendbar ist als die Mathematik und diese ersetzt. Oder die Mathematik kommt irgendwann an einen Punkt wo sie nicht mehr anwendbar sein wird. Dann bleibt uns ja nichts anders übrig als reine Philosophie. Dort wo die Mathematik noch nicht greift - weil die Formeln dazu fehlen bspw. - _ist_ reine Philosophie das effektivste Konzept welches wir haben. Nenn mir ein Beispiel wo die richtige Anregung zum finden einer mathematischen Formel - der Aha!-Effekt - nicht aus der Philosophie gekommen wäre. :rätseln: :kein Plan:

Ich gehe eigentlich noch einen Schritt weiter und behaupte die Mathematik an sich ist Philosophie. Sie ist kein reales Objekt welches wirklich existiert, sondern ein fiktives Konzept ohne Substanz, von Menschen erdacht um die Realität erklären zu können. Reine Philosophie. Denkarbeit. Nur eben sehr detailliert anwendbar. Ein Spezialgebiet der Philosophie. Die Natur selbst wendet keine Mathematik an. Braucht auch keine Mathematik um zu sein, wie sie eben ist.

ps.: Du merkst vllt das ich Naturwissenschaft und Philosophie nicht unbedingt trenne. Ich spreche Naturwissenschaftlern natürlich nicht die Fähigkeit ab gleichzeitig auch Philosoph sein zu können - andersherum auch nicht. Das ist wohl die effektivste Mischung.

Reine Naturwissenschaft -> Unbrauchbar
Reine Philosophie -> Unbrauchbar

Entweder beides in einer Person. Oder kollektive Zusammenarbeit.
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- Rudi Assauer, Focus Nr. 39 (2005)


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