Natürlich, die Naturwissenschaft bringt umgehend Resultate, wobei es aber auch in der Physik Theorien gibt, die eben nur Theorien sind, doch nach Ergebnissen wird noch gesucht.
Und genau diese Theorien sind das mystische und der Teil an der Wissenschaft, die zum Staunen anregt wie es du es ausdrückst... Denn es gibt auch hier Raum für Spekulation. Nur ist es eben eine Form von informierter Spekulation mithilfe der Mathematik, über Fragen, die wohldefiniert sind und nicht vage und unscharf.
Doch bevor der Mensch überhaupt auf den Mond gelangte, war die Philosophie da, die sich fragte, was der Mond ist, ob je ein Mensch auf den Mond gelangen würde, was es für ethisch und moralische Auswirkungen haben könnte, wenn man dabei auf außerirdisches Leben getroffen wäre usw.
Das ist die Stärke der Philosophie, dass sie der Anfang der Wissenschaft ist. Naturwissenschaft nannte man früher ja auch "natural philosophy", also Naturphilosophie. Es ist ein direkter Auswuchs aus dem Hinterfragen nach dem Wie und Warum.
Also das Staunen, Wundern, Theorien aufzustellen "was wäre wenn" und somit wichtige ehtische Fragen zu stellen und zu beantworten, das war alles vorher da und da hätte die Naturwissenschaft nichts zu sagen können. Wahrscheinlich könnte die Naturwissenschaft nicht einmal den Anstoß dazu geben, da ihr das phantastische, das kindliche der Philosophie einfach fehlt.
Ein "Gedankenexperiment" ist genau das.. "was wäre wenn" durchzuspielen. Über die Ethik kann man naturwissenschaftlich wenig aussagen. Zumindest, wenn man das mit dem "naturalistischen Fehlschluss" glaubt. Wobei ich es etwas einschränkend finde die Naturwissenschaft als Bündel von Fakten (relativ wahre Aussagen) über die Welt zu sehen.. Das ist eine unzulässige Vereinfachung, die oft vorgenommen wird. Ein Bündel von Fakten kann natürlich keine Schlussfolgerungen auf ethisch richtiges Verhalten liefern.
Ganz unrecht haben Philosophen usw. aber nicht, wenn sie sagen, dass die Wisschanschaft ihre Grenzen hat. Denn die Naturwissenschaften können nur beschreiben wie etwas ist, aber nicht warum etwas ist wie es ist, aber darum geht es eben in der Philosophie auch.
Immer dann, wenn die "warum"-Frage eine sinnvolle Frage ist, kann auch die Naturwissenschaft viel zur Antwort beitragen. Häufig, vielleicht sogar meistens, ist die "warum"-Frage aber einfach nur eine sinnlose Frage.
Eine weitere Stärke der Philosophie ist, dem Menschen zu helfen sinnvolle Fragen zu stellen und von sinnlosen Fragen abzugrenzen.
Nur weil man Formeln zusammenschußtern kann, die dann umgehen ein Ergebnis liefern, heißt das noch lange nicht, dass man ein besserer Wissenschaftler ist, als ein anderer, nur weil man schnell ein Ergebnis vorweisen kann, wofür der andere vielleicht mehrere Jahrhunderte oder noch länger benötigt.
Er ist ein effektiverer Wissenschaftler, weil er mächtigere Werkzeuge zur Verfügung hat. Und sein Horizont ist viel weiter, weil er tiefer blicken kann. Das ist was die Mathematik erlaubt, einen tieferen Blick. Es sind nicht nur die Zusammensetzung von Gleichungen, es ist die Interpretation der Gleichung und der Theoreme. Wofür sie stehen. was sie aussagen. Das ist vielschichtig und facettenreich. Ich kann von mir selbst sagen, dass ich nach langem Studium der Mathematik einen völlig anderen Blick auf die Welt hatte. Kennst du diese Szene aus Limitless, wo er zum ersten mal diese Pille NZT einnimmt und plötzlich soviel mehr versteht als vorher? Genauso fühlt es sich an.
Und mal im Ernst: Wie oft am Tag benötige ich eine Gausssche Formel oder wundere mich eher über Gegebenheiten des Alltags? Gauss brauch ich nicht wirklich, das Hinterfragen jedoch gehört direkt zu meinem Leben und Alltag.
Ok, erstmal rein _praktisch_ gesprochen. Man kann nicht so leicht verarscht werden. Gerade die Wahrscheinlichkeitstheorie ist das Gebiet, wo die menschliche Intuition total versagt. Darauf ist unser Gehirn nicht ausgerichtet. Wie auch das Nachdenken über gigantische Zeiträume oder in höheren Dimensionen. Ohne Mathematik schafft das unser Hirn nicht. Das Ziegenproblem ist ein gutes Beispiel, wo die Intuition einfach total versagt. Wenn man mathematisch an das Problem rangeht, dann kann man es aber auf viele Arten beweisen oder heuristisch verstehen. Das ist auch etwas: In der Mathematik muss man nicht immer den exakten Beweis haben oder die exakte Formel. Es gibt gute Heuristiken, Abkürzungen.
Aber abgesehen vom praktischen Aspekt, und das verstehen wohl nur die wenigsten, gibt es einen ästhetischen Aspekt. Die Mathematik hat eine beeindruckende Schönheit. Sie hat auch viel mystisches, viele offene Geheimnisse, ungeklärte, aber faszinierende Zusammenhänge. Es ist eine Welt voller Wunder und überraschender Wendungen. Das ist schwer verständlich für die meisten, da sie Mathematik nur aus der Schule kennen. Das ist aber keine richtige Mathematik. Der Lehrer kann nichtmal das einfachste Gebilde korrekt definieren. Was ist die korrekt definition vom Kreis? Es ist der Quotientenraum der ganzzahligen Translationen, \mathbb{R} / \mathbb{Z}. In der Schule hat man aber nicht einmal eine präzise Definition der reellen Zahlen, also wie soll der Lehrer den Kreis definieren? Er tut es nicht. Und er würde es ohnehin nicht verstehen. Das ist noch das geringste Problem. Es ist tragisch, dass alle so vorgeschädigt sind, weil sie in der Schule von Dilettanten ein falsches Bild der Mathematik vermittelt bekamen.