Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Nebeltal » 29. Mai 2015, 21:49

Ganz fundamental betrachtet hat keiner Anspruch auf irgendetwas. Eine Gesellschaft entscheidet am Ende ob und was jemandem zugute kommt oder nicht. Wenn die Mehrheit argumentiert: "die faulen säcke sollen arbeiten wie wir alle" dann soll es so sein. Wir Leben eben immer in der Gesellschaft die wir verdienen.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 29. Mai 2015, 23:09

@ Ghostvoice
Die Würde verletzende Arbeit entsteht nur durch die Umstände derselbigen: den Kontakt mit anderen Menschen (Vorgesetzten, Kollegen, Kunden) und da kann der Staat nicht intervenieren.

Doch, mit einem BGE kann der Arbeitnehmer wahrscheinlich deutlich mehr mitbestimmen, weil er nicht durch die mögliche Bedrohung seiner Existenz erpresst werden kann.
Damit ist seine Würde deutlich mehr gegeben.

Würdelose Arbeit als solche sehe ich nicht. Ich sehe genug unangenehme Arbeit, schwere Arbeit, dreckige Arbeit... und Menschen, die diese machen, ohne daß ihre Würde dadurch berührt würde.

Ich sehe ganz klar würdelose Arbeit: Wenn ich wegen der Bedrohung meiner Existenz z. B. gezwungen bin, Arbeit zu verrichten, mit der ich nicht zufrieden bin, aus welchen Gründen auch immer.
Damit muss ich ein Großteil meiner Lebenzeit Unzufriedenheit, mögliche Depressionen usw. einbußen, obwohl mit einem BGE derartiges hätte verhindert werden können. Vielleicht nicht in jedem Fall, aber wie gesagt mehr Rechte resp. Mitbestimmung für den Arbeitnehmer in der Bilanz bedeutet mehr Würde in meinen Augen. Damit wird nämlich die Selbstbestimmung für alle größer, außer dem Arbeitgeber, der sicherlich nicht die Mehrheit ausmacht.

Denn Würde verleiht sich tatsächlich jeder selbst, durch das, wie er ist.

Die Subjektivität einzubeziehen, stellt sich durchaus als schwierig dar...

(Wenn ich ehrlich bin, will ich gerne mit dir disputieren, aber ich ahne schon, dass du aus Prinzip gegen jede meiner Aussagen argumentieren wirst...naja, mal schauen.)
:erklärbär2:

@ Nebeltal
Ganz fundamental betrachtet hat keiner Anspruch auf irgendetwas. Eine Gesellschaft entscheidet am Ende ob und was jemandem zugute kommt oder nicht. Wenn die Mehrheit argumentiert: "die faulen säcke sollen arbeiten wie wir alle" dann soll es so sein.

Hö? Deine erste Maxime widerlegst du mit deinem nächsten Satz.
Zudem würde ich dem zweiten Teil nicht zustimmen. Denn wir leben in einer indirekten Demokratie. So gut wie nie kann man als Bürger für eine Streitfrage abstimmen, man muss irgendwelche Parteien wählen, damit ihr Parteiprogramm und am Ende abwägen, welche Parteien ins Parlament kommen und welche davon der eigenen gesamten politischen Hatung am nächsten ist usw.
Ich denke, es ist definitiv nicht so einfach wie du es beschreibst.

Wir Leben eben immer in der Gesellschaft, die wir verdienen.

Was ist das denn für ein übeler Schwachsinn? :D
:erklärbär2:

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon cerebrum » 29. Mai 2015, 23:52

Wer klug ist hat in jeder Gesellschaftsform viele Schlupflöcher und Möglichkeiten. Jedes System lässt sich analysieren und es lassen sich gezielt deren Schwächen ausnutzen.
Es gibt soviele, die Erwerbsminderungsrente bekommen oder Frührente. Es gibt unzählige staatliche Transferleistungen, die ein kluger Mensch mit hinreichend Geschick bekommen kann.
Der hier verdient alleine damit sein Geld, dass er Leuten hilft die staatlichen Leistungen zu erlangen nie wieder arbeiten zu müssen: http://www.zickenrott.de/
Das ist letztlich nichts anderes als ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dies gibt es also schon, nur derzeit halt nur für die besonders klugen Menschen. :-D
Diese Dokumente und Schriftstücke, wie das BGB sind eine schöne intellektuelle Herausforderung, weil man wunderbar mit ihnen spielen kann und sich seine individuellen Vorteile daraus ziehen kann, wenn man sich nur klug anstellt.
Aber ich zumindest würde jetzt nicht den Fehler machen und dem ganzen tatsächliche Bedeutung bei zu messen.
Ich finde es immer wieder lächerlich, wenn ich lese wie man angeblich durch eigene Arbeitsleistung der Gesellschaft seinen Pflichtteil abdrückt. Wir sind nach dem Gesetz erstmal zu gar keiner Arbeitsleistung verpflichtet. Und wie das Gesetz im individuellen Fall ausgelegt wird hat viel mit Interpretation zu tun.
Im Moment haben wir ein monetäres System, das kurz vor dem Kollaps steht. Eine massiv steigende Produktivität mit gleichzeitig stark abnehmender Kaufkraft. Zunehmende Automatisierung.
Eigentlich ist das eine gute Sache, denn es bedeutet alle die Jobs, welche besonders würdelos sind werden von Maschinen und Robotern übernommen. Leider ist das nicht kompatibel mit unserem System, das auf der Ausbeutung der Masse beruht. Zunächst muss eine erhebliche Menge von Menschen existieren, die in äußerst prekären Verhältnissen leben. Dann eine Mitte, die eingeschüchtert von der prekären Lage der Minderheit unter indirekten Zwang gesetzt wird die nunmal notwendige, wenn auch würdelose Arbeit zu verrichten.
Zu dem Zweck, dass die andere Minderheit, die die meisten Ressourcen der Erde auf sich allein vereinigen weiter ihren überhöhten Lebensstandard halten können.
In welcher dieser drei Schichten man landet ist abhängig von mehreren Faktoren. Hauptfaktoren sind Zufall, die Familie in die man geboren wurde, sowie Bildungsstand (was wiederum massiv von erstem Faktor beeinflusst wird) und Berufschancen (was wiederum von ersten beiden Faktoren beeinflusst wird).
Das diese Ungerechtigkeit keine langfristige Perspektive hat ist doch wohl klar oder? Darum geht es doch letztlich auch in diesem Thread. Die Idee von einem Grundeinkommen ist für mich ein Versuch bzw. eine Notlösung für ein System, das keine Zukunft hat. Ich glaube es wird definitiv nicht dazu kommen.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Ghostvoice » 30. Mai 2015, 12:00

@Insuffizienz
Insuffizienz hat geschrieben:Doch, mit einem BGE kann der Arbeitnehmer wahrscheinlich deutlich mehr mitbestimmen, weil er nicht durch die mögliche Bedrohung seiner Existenz erpresst werden kann.

Also mein Vorgesetzter hat mir noch nie ne Pistole an den Kopf gehalten und mir gedroht meine Existenz zu beenden, wenn ich nicht verspreche am nächsten Tag wieder zu kommen. Wenn du da andere Erfahrungen gemacht hast, wäre ich gespannt davon zu hören! ;) :lachen:

Zu Erpressung gehören immer zwei Leute... einer der Druck ausübt und ein anderer, welcher dieses zulässt. Oder, um es mit den Worten von Michelle Pfeiffer zu sagen: ¨Es gibt in dieser Klasse keine Opfer!¨

Was die Mitbestimmung angeht: in jedem Arbeitsverhältnis gibt es Hierarchien.
Ist man mit den Entscheidungen seines Vorgesetzten nicht einverstanden, kann man dies anmerken.
Oder hinter seinem Rücken so richtig lästern und schreien, daß man jetzt sofort kündigt (was der seelischen Entspannung gut tut!).
Oder man kann sich sagen, daß man soetwas nicht nötig hat - anfangen, sich nach etwas anderem umzusehen und dann zu gehen!

Ich möchte hier keine Diskussion vom Zaun brechen, wie schwer es oft ist, eine andere Arbeit zu finden und dass man deshalb ja ¨gezwungen¨ ist zu bleiben... man entscheidet immer selbst, was man sich wie lange antun möchte und welchen Preis man dafür zu zahlen bereit ist. Diese Entscheidung trifft kein anderer außer man selbst.

Wie cerebrum schon so richtig sagte:
cerebrum hat geschrieben:Wir sind nach dem Gesetz erstmal zu gar keiner Arbeitsleistung verpflichtet.

Es gibt keinen Zwang zu Arbeiten!

Insuffizienz hat geschrieben: Ich sehe ganz klar würdelose Arbeit: Wenn ich wegen der Bedrohung meiner Existenz z. B. gezwungen bin, Arbeit zu verrichten, mit der ich nicht zufrieden bin, aus welchen Gründen auch immer.
Damit muss ich ein Großteil meiner Lebenzeit Unzufriedenheit, mögliche Depressionen usw. einbußen, obwohl mit einem BGE derartiges hätte verhindert werden können.


So gesehen, könnte man auch argumentieren, daß die Politik für die vielen Verkehrstoten verantwortlich ist, da sie immer noch kein Verbot von Autos durchgesetzt hat!

Ich kann mich der Sichtweise leider nicht anschliessen, daß der Staat (oder eine andere Autorität) die Verantwortung für mein seelisches Wohlbefinden trägt und mich vor Arbeit schützen muss.

Ich argumentiere aus einer beruflichen Position heraus, in welcher ich seit langer Zeit zu ¨unwürdiger¨ Arbeit verdammt bin (aufgrund meines Vorgesetzten).
Mein ¨inneres Kind¨ hat mehr als einmal laut losgebrüllt, daß ich mir das nicht länger gefallen lassen werde... aber glücklicherweise hat mein ¨äusserer Erwachsener¨ immer die Überhand gewonnen!

Was hat mir diese Arbeit, die mich so unzufrieden macht, außer ein bisschen Geld gebracht? Erfahrung.
Ich habe Konfliktsituationen kennengelernt, mit denen ich bisher so nicht konfrontiert worden bin und aus denen ich lernen konnte. Die meisten habe ich natürlich verloren - eine handvoll davon gewonnen. Ich habe mich weiterentwickelt. An den nächsten Job gehe ich schon mit mehr Rüstzeug heran.

Mit einem BGE hätte ich diese Arbeit schon lange hingeworfen. Genauso wie jede andere Arbeit, welche mir auch nur ein noch so kleines Hindernis in den Weg gestellt hätte! Welchen Grund hätte ich gehabt weiter zu machen? Schliesslich könnte ich mich jederzeit fallen lassen - in mein bequemes Sicherheitsnetz.

Ich möchte lieber selbst mein Geld verdienen und es nicht geschenkt bekommen, nur weil ich in einem Land geboren wurde, welches so eine Bevormundung nun für eine gute Idee hält. Dergleichen würde nur den Gedanken in mir aufkommen lassen, daß ich alles, was ich gerade will, selbstverständlich auch verdient habe...
gerade an übermäßig verwöhnten Kleinkindern kann man sehen, wohin soetwas führt.

[align=center]¨Freu dich an Blumen, Früchten, selbst an Blättern,
Die du von deinem eignen Beet gepflückt!
Wenn dann vielleicht bescheidner Sieg dir glückt,
dann muss du ihn nicht teilen mit den Vettern;
Dann darfst du König sein in deinem Reiche,
Statt zu schmarotzen, und dein Schicksal sei,
Wenn du der Buche nachstehst und der Eiche,
Nicht hoch zu wachsen, aber schlank und frei!¨
- Cyrano von Bergerac[/align]
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Ghostvoice » 30. Mai 2015, 12:07

@cerebrum

Ich kann mich deinen Ausführungen zum großen Teil anschliessen, doch möchte ich nur kurz auf einen von dir erwähnten Punkt eingehen:

cerebrum hat geschrieben:Eine massiv steigende Produktivität mit gleichzeitig stark abnehmender Kaufkraft. Zunehmende Automatisierung.
Eigentlich ist das eine gute Sache, denn es bedeutet alle die Jobs, welche besonders würdelos sind werden von Maschinen und Robotern übernommen.


Ich habe durch einen ehemaligen Arbeitskollegen gehört, wie es aussieht, wenn Arbeitsplätze durch Maschinen übernommen werden. Die Maschine macht - theoretisch - die Arbeit in weitaus kürzerer Zeit, als drei Arbeiter... wenn sie nicht ein paar Mal am Tag defekt wäre.

Wenn sie einwandfrei funktionieren, leisten Maschinen tatsächlich mehr als jeder Mensch, doch sie sind viel anfällig für Fehler und bedürfen ständiger Wartung... mitunter mehrmals täglich! Wir sind noch weit davon entfernt die physischen Arbeitsprozesse verlässlich auf Maschinen auslagern zu können. Derzeit können sie im besten Fall simple Fertigungsprozesse erledigen und das aber auch nur unter ständiger Aufsicht.
Gerade Firmen preisen ja gerne ihre Modernität durch maschinelle Fertigung an, doch von den Problemen an der Front haben sie meist keine Ahnung. :)

Gäbe es also von einem Tag auf den anderen tatsächlich ein BGE sehe ich eigentlich einer anderen, notwendigen Entwicklung entgegen:

Auf mein Kommentar, daß niemand mehr bereit wäre, schwere oder für ihn entwürdigende Arbeit anzunehmen, meinte ein Bekannter: ¨Doch! Zuwanderer!¨

Ich habe gerade mehrere Absätze gelöscht und komme gleich zum Punkt:

Irgendwann fressen die Morlocks die Eloi! ;)
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 30. Mai 2015, 18:58

@ Ghostvoice

Also mein Vorgesetzter hat mir noch nie ne Pistole an den Kopf gehalten und mir gedroht meine Existenz zu beenden, wenn ich nicht verspreche am nächsten Tag wieder zu kommen. Wenn du da andere Erfahrungen gemacht hast, wäre ich gespannt davon zu hören!

Natürlich ist mit Erpressung nicht dein beschriebener Kokoloris gemeint. Menschen sind im Prinzip gezwungen zu arbeiten, um "in Würde" zu leben.
Ich möchte hier keine Diskussion vom Zaun brechen, wie schwer es oft ist, eine andere Arbeit zu finden und dass man deshalb ja ¨gezwungen¨ ist zu bleiben... man entscheidet immer selbst, was man sich wie lange antun möchte und welchen Preis man dafür zu zahlen bereit ist. Diese Entscheidung trifft kein anderer außer man selbst.

Du nennst im ersten Satz das Problem und im letzten versuchst du es zu leugnen. Man ist gezwungen, eine Erwerbsarbeit auszuüben, um "in Würde" zu leben, ich wiederhole es gerne. Diese Problematik, dieser Zwang könnte mit einem BGE deutlich behoben werden...wahrscheinlich zum Vorteil aller.

Die Nachteile der wahrscheinlich stark fehlenden Mitbestimmung (untergeordneter) Arbeitnehmer sowie die starren Hierarchien in der Arbeitswelt, die in meinen Augen als Konzept schon menschenverachtend sind, brauche ich nicht zu erläutern.
So gesehen, könnte man auch argumentieren, daß die Politik für die vielen Verkehrstoten verantwortlich ist, da sie immer noch kein Verbot von Autos durchgesetzt hat!

Ist ja wohl kaum zu vergleichen.

Ich kann mich der Sichtweise leider nicht anschliessen, daß der Staat (oder eine andere Autorität) die Verantwortung für mein seelisches Wohlbefinden trägt und mich vor Arbeit schützen muss.

Ich bin der Meinung, dass der Staat die Verantwortung für die Wahl meines seelischen Wohlbefinden trägt und mir ein Leben in Würde ermöglicht, wenn er es kann, denn das GG besagt es.
Ich möchte lieber selbst mein Geld verdienen und es nicht geschenkt bekommen, nur weil ich in einem Land geboren wurde, welches so eine Bevormundung nun für eine gute Idee hält.

Es geht darum, dass der Staat jedem Bürger (weil er ein Mensch ist) das Überleben und Leben in Würde ermöglicht, denn dafür ist er laut GG verantwortlich. Warum sollte er Bürgern die Existenzberechtigung prinzipiell entziehen, wenn er sie ohne Probleme jedem Bürger, weil er ein Mensch ist, geben könnte?

Weil du irgendwelche privaten Erfahrungen gesammelt hast, sollen alle die gleiche Einstellung haben wie du?
Für dich hat ein Mensch (prinzipiell) anscheinend keine Existenzberechtigung, weil er einer ist. Sondern nur, wenn er für sein überleben arbeitet. Das nennt man Leistungsgerechtigkeit. Ich bin für Menschengerechtigkeit (ich nenne es mal so), jeder hat das Recht "in Würde" zu leben.
Und wenn jemand z. B. sich nicht in dem gegeben System unterordnen kann, weil er z. B. psychisch nicht die gegebene Arbeitsstelle auf Dauer ertragen kann, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um in Würde zu leben? Oder wenn jemand keinen Arbeitsplatz für seine (realistisch) empfundene Berufung erhält, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um zu überleben? Um danach wahrscheinlich depressiv und unglücklich zu werden.
Soll man jemandem das Leben in Würde entziehen, wenn er nicht in dem gegeben System arbeiten möchte, obwohl man ihm sie gewähren könnte?

Ich würde sagen, jemandem die Existenz zu gewähren, ist keine Bevormundung, Menschen zwingen zu arbeiten ist eine.

Dergleichen würde nur den Gedanken in mir aufkommen lassen, daß ich alles, was ich gerade will, selbstverständlich auch verdient habe...

Was ist das denn für ein übeler Schwachsinn? Es geht nicht um Luxus, es geht nur um die existenziellen Bedürfnisse und der grundlegenden kulturellen, gesellschaftlichen Teilhabe.

Und ja, eine Immigrationswelle muss bedacht werden.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 30. Mai 2015, 19:16

@ cerebrum

Die Idee von einem Grundeinkommen ist für mich ein Versuch bzw. eine Notlösung für ein System, das keine Zukunft hat. Ich glaube es wird definitiv nicht dazu kommen.

Stimmt. Das BGE ist erst einmal ein kurzfristig gedachtes, humanistisches Konzept. Vielleicht aber auch eines, dass auf neue Wirtschaftssysteme angewendet werden kann.

Ich glaube es wird definitiv nicht dazu kommen.

Einfach Behauptungen aufstellen kann ich auch: Ich glaube, es kann dazu kommen, denn es:
1. wird damit der 1. Artikel des GG am besten befolgt und sorgt für einen humanistischeren Staat.
2. wird sicherlich die Entfaltung der Persönlichkeit ohne Existenzangst dadurch gefördert, damit die Entfaltung der persönlichen Eigenschaften, die durchaus einer Berufsausübunge zugute kommen können.
3. kann ohne Probleme die moderne Technologie Einzug halten in die Arbeitswelt. Wenn sich jemand fragt, ob es tatsächlich jetzt noch nicht passiert ist, kann sich überlegen, ob es mit Hinblick auf Automaten noch sinnvoll ist, Kassierer/-innen in der Anzahl anzustellen. Da fallen einem sicherlich ohne Weiteres noch mehr Beispiele ein wie die Informatik, die vielleicht noch viel mehr Verwaltungsarbeiten übernehmen könnte (ist gerade spekulativ, da ich mich da nicht direkt auskenne.) usw.

Kurz gesagt: Mir fiele kein Grund ein, warum es "definitiv nicht dazu kommen" sollte; außer der, dass das Konzept nicht in der Öffentlichkeit stehen wird.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon cerebrum » 30. Mai 2015, 22:42

Ich habe das schon begründet. Zumindest indirekt.
Es wird nie kommen, da zum einen das monetäre System vorher zusammenbricht und zum anderen das System - solange es noch besteht - dies nicht zulässt. Denn solange das System besteht braucht es nunmal Menschen, welche die unangenehme Arbeit tun.
Wenn es bereits Roboter und Maschinen gibt, die praktisch fast alle Dreckarbeit erledigen können und geringe Wartung benötigen (es gibt bereits automatische Kassiermaschinen in Geschäften), dann kann das System nicht weiterexistieren, denn dann ist die Kaufkraft zu niedrig, da niemand mehr Arbeit und somit Geld hat. Womit die Produkte nicht mehr abgesetzt werden können.

Ich finde es witzig wie jemand vorher geschrieben hat er möchte sich "sein Geld verdienen", statt es geschenkt zu bekommen.
Ich finde es traurig, denn es zeigt, dass dieser Mensch der Illusion nachhängt "Geld" wäre ein reales Konzept bzw. hätte einen tatsächlichen Wert.
Dabei ist "Geld" ein reines Fantasiegebilde, was ähnlich wie alle anderen Fantasiegebilde nur vom Glauben aufrechterhalten wird.
Da fast alle Menschen an dieses Gebilde glauben funktioniert das monetäre System.
Sollte allerdings plötzlich - sagen wir der Bäcker - "aufwachen" und erkennen, dass man ihm doch tatsächlich Papierstücke und Kupfermünzen oder gar blose Zahlen auf einem Computerdisplay, die durch nichts substantielles (wie etwa Gold) auch nur im geringsten abgedeckt ist, eintauschen möchte gegen ein tatsächlich existierendes Gut, wie ein Brot, und die Ausgabe desselben Gutes dann zurecht verweigert, dann löst sich die Illusion schlagartig in Luft auf. So zumindest, wenn alle oder fast alle Menschen so handeln würden (schon bei einem relativ geringen Prozentsatz von "Geldverweigerern" würde zumindest die Inflation massiv ansteigen...).
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 30. Mai 2015, 23:31

Es wird nie kommen, da zum einen das monetäre System vorher zusammenbricht und zum anderen das System - solange es noch besteht - dies nicht zulässt. Denn solange das System besteht braucht es nunmal Menschen, welche die unangenehme Arbeit tun.
Wenn es bereits Roboter und Maschinen gibt, die praktisch fast alle Dreckarbeit erledigen können und geringe Wartung benötigen (es gibt bereits automatische Kassiermaschinen in Geschäften), dann kann das System nicht weiterexistieren, denn dann ist die Kaufkraft zu niedrig, da niemand mehr Arbeit und somit Geld hat. Womit die Produkte nicht mehr abgesetzt werden können.

Jetzt behauptest du, dass du hellseherische Kräfte hättest und weißt, dass es nie "kommen" wird.
Außerdem wird doch genau mit dem BGE das Problem der Arbeitskraftsubstitution durch Maschinen und andere Technologien gelöst. Dann werden wieder mehr Menschen mehr einkaufen können mit dem BGE.
Du argumentierst also im letzten Absatz für das mögliche "Kommen" des BGEs.



Ich finde es witzig wie jemand vorher geschrieben hat er möchte sich "sein Geld verdienen", statt es geschenkt zu bekommen.
Ich finde es traurig, denn es zeigt, dass dieser Mensch der Illusion nachhängt "Geld" wäre ein reales Konzept bzw. hätte einen tatsächlichen Wert.
Dabei ist "Geld" ein reines Fantasiegebilde, was ähnlich wie alle anderen Fantasiegebilde nur vom Glauben aufrechterhalten wird.
Da fast alle Menschen an dieses Gebilde glauben funktioniert das monetäre System.
Sollte allerdings plötzlich - sagen wir der Bäcker - "aufwachen" und erkennen, dass man ihm doch tatsächlich Papierstücke und Kupfermünzen oder gar blose Zahlen auf einem Computerdisplay, die durch nichts substantielles (wie etwa Gold) auch nur im geringsten abgedeckt ist, eintauschen möchte gegen ein tatsächlich existierendes Gut, wie ein Brot, und die Ausgabe desselben Gutes dann zurecht verweigert, dann löst sich die Illusion schlagartig in Luft auf. So zumindest, wenn alle oder fast alle Menschen so handeln würden (schon bei einem relativ geringen Prozentsatz von "Geldverweigerern" würde zumindest die Inflation massiv ansteigen...).

Die Beschreibung ist mir von Volker Pispers bekannt. Wäre interessant, ob sich auf diesem Wege ein neues System eingliedern könnte, wenn nur genügend Menschen mitziehen würden.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Ghostvoice » 31. Mai 2015, 15:10

Insuffizienz hat geschrieben:
Ghostvoice hat geschrieben:So gesehen, könnte man auch argumentieren, daß die Politik für die vielen Verkehrstoten verantwortlich ist, da sie immer noch kein Verbot von Autos durchgesetzt hat!

Ist ja wohl kaum zu vergleichen.


Wenn du dem Staat die Verantwortung für dein Leben aufbürdest, dann ist dieser Vergleich sehr wohl zulässig. Schliesslich argumentierst du aus der Sicht des unmündigen Bürgers, der verlangt, daß er vor jeglicher Unannehmlichkeit geschützt wird.
Bei heranwachsenden Kindern unterstütze ich diese Einstellung! Aber bei erwachsenen Menschen eher weniger...

Insuffizienz hat geschrieben:Ich bin der Meinung, dass der Staat die Verantwortung für die Wahl meines seelischen Wohlbefinden trägt und mir ein Leben in Würde ermöglicht, wenn er es kann, denn das GG besagt es.

Du triffst die Wahl über dein seelisches Wohlbefinden und der Staat trägt die Verantwortung dafür...? Dazu fällt mir nicht einmal etwas ein...


Insuffizienz hat geschrieben:Es geht darum, dass der Staat jedem Bürger (weil er ein Mensch ist) das Überleben und Leben in Würde ermöglicht, denn dafür ist er laut GG verantwortlich.

Okay... mit der Schaffung der Rahmenbedingungen für ein ¨Überleben und Leben in Würde¨ bin ich einverstanden...

Insuffizienz hat geschrieben: Warum sollte er Bürgern die Existenzberechtigung prinzipiell entziehen, wenn er sie ohne Probleme jedem Bürger, weil er ein Mensch ist, geben könnte?

Ich unterscheide immer zwischen Existenz und Leben. Soweit ich weiss, wird in Deutschland niemals die Existenzberechtigung entzogen, zumal keine Todesstrafe vollzogen wird. Aber vermutlich verurteilt der Staat die Menschen praktisch zum Tod, weil er ihnen ihre Existenz nicht finanzieren will... ?

Als Mensch geboren zu werden gibt einem mit Sicherheit ein von der Gesellschaft unterstützten Recht auf Existenz. Aber man kann das Recht auf Existenz nicht mit einem Anspruch auf Unterhalt gleichstellen.


Insuffizienz hat geschrieben:Und wenn jemand z. B. sich nicht in dem gegeben System unterordnen kann, weil er z. B. psychisch nicht die gegebene Arbeitsstelle auf Dauer ertragen kann, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um in Würde zu leben? Oder wenn jemand keinen Arbeitsplatz für seine (realistisch) empfundene Berufung erhält, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um zu überleben? Um danach wahrscheinlich depressiv und unglücklich zu werden.


Mal ganz ehrlich: das Leben ist kein Wunschkonzert!
Ich habe selbst mein Leben mit Arbeiten verbracht, die mich seelisch und körperlich stressten und mich viel kosteten. Und ich sah dergleichen auch an meinen Kollegen. Und doch steckten manche es besser weg als andere... hast du eine Ahnung warum?

Die Antwort welche ich darauf fand ist simpel: sie haben sich außerhalb der Arbeit einen Ausgleich geschaffen, der ihnen Erholung und Freude bringt. Eine Familie, ein für sie gutes soziales Umfeld, eine Beschäftigung (Hobby), die ihnen Gründe liefern, sich täglich dem auszusetzen, was sie manchmal/öfter/ständig ärgert: das Arbeitsleben.

Wenn einen die Arbeit also in Unglück und Depressionen stürzt, so wäre es vielleicht an der Zeit sich zu überlegen, was im eigenen Privatleben nicht stimmt, wenn das Arbeitsleben einen so großen Einfluss auf das Wohlbefinden hat... denn selbst der angenehmste Arbeitsplatz wird einem zuwider, wenn es privat nicht passt.

¨Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie!¨ - F.N.

Insuffizienz hat geschrieben:
Ghostvoice hat geschrieben:Dergleichen würde nur den Gedanken in mir aufkommen lassen, daß ich alles, was ich gerade will, selbstverständlich auch verdient habe...

Was ist das denn für ein übeler Schwachsinn? Es geht nicht um Luxus, es geht nur um die existenziellen Bedürfnisse und der grundlegenden kulturellen, gesellschaftlichen Teilhabe.

Was ich beschrieben habe wäre die logische Konsequenz eines BGE. Unverdiente Geschenke zu bekommen, führt zu einer Geringschätzung des Geschenkten. Und zu der Auffassung, daß man auch in Zukunft ein Anrecht auf dergleichen und noch andere Zuwendungen hat.

Ich weiss, du findest, ein BGE wäre kein Geschenk, sondern ein Grundrecht, darum ziehe ich nochmal das Beispiel des übermäßig verwöhnten Kleinkindes heran, welches in dem Bewußtsein heranwächst, daß das Leben ein Schlaraffenland ist. Es wird mit Zuwendungen bedacht, von denen andere Kinder nur träumen können und lernt, daß dies der natürliche Lauf der Dinge ist!
Wenn es das neueste, teuerste Spielzeug nicht bekommt, so wird es schreien, kreischen und protestieren... weil es sich um ¨sein Recht¨ betrogen fühlt.

Wenn du jemals einen Erfolg in deinem Leben erzielt hast - sei es privat oder beruflich - so wirst du mir zustimmen, daß es für dein seelisches Wohlbefinden und vor allem für dein Selbstwertgefühl weitaus wertvoller war, als hätte man dir alles einfach in den Schoß gelegt.

Ich denke, daß für dich das BGE ein Mittel wäre, Menschen den Weg zu ihrer persönlichen Berufung zu ermöglichen und nicht darauf abzielen sollte, einfach nur die Bequemlichkeit des Menschen zu fördern.

Und ich denke auch, daß nachwievor viele Menschen einer Arbeit nachgehen wollen würden. Aber ich weiss auch, daß sie schon bei kleinsten Unstimmigkeiten sich von dieser wieder zurückziehen würden. Oder wenn sie dort nicht die Position innehaben würden, für die sie sich berufen fühlen. Eben weil sie es nicht mehr nötig hätten weiterzumachen.

Würden Menschen einfach aus Liebe zu ihrer Berufung unentgeltlich arbeiten gehen?
Und wenn ja... für wieviel Tage am Stück, bevor sie es wieder gut sein lassen?
Hört man dann Sätze wie: ¨Meine Existenz ist eh gesichert! Mann, ich hab jetzt mal so richtig Lust 4 Monate lang in einer Kanalisation zu arbeiten!¨?

Und was wenn es keine bezahlten Stellen in seinem Wunscharbeitsfeld gibt?
Wendet man sich dann wieder an den Staat und beklagt sich, daß es in der nationalen Wirtschaft keine Position gibt, die den eigenen Interessen entspricht?

Das es anscheinend tatsächlich Menschen gibt, die ein BGE als ihr Grundrecht ansehen, macht leider nur deutlich, wie verwöhnt wir von den Lebensumständen sind.
Ich geb ja zu, daß es als Gedankenspiel auf den ersten Blick eine nette Idee ist... aber wenn man sich nur ein bisschen ernsthaft damit auseinandersetzt, so sollte man schon die Konsequenzen bedenken und versuchen darauf ernsthafte Antworten zu finden.
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