Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 31. Mai 2015, 18:37

Insuffizienz hat geschrieben:Ich bin der Meinung, dass der Staat die Verantwortung für die Wahl meines seelischen Wohlbefinden trägt und mir ein Leben in Würde ermöglicht, wenn er es kann, denn das GG besagt es.

Du triffst die Wahl über dein seelisches Wohlbefinden und der Staat trägt die Verantwortung dafür...? Dazu fällt mir nicht einmal etwas ein...

Ich versuche es nochmal verständlicher zu formulieren, was eigentlich ersichtlich sein sollte: Der Staat trägt die Verantwortung dafür, mir mein seelisches Wohlbefinden möglich zu machen. Damit habe ich die Wahl. Da sind wir uns einig.
Momentan ist das nicht der, deshalb das BGE.

Insuffizienz hat geschrieben:Es geht darum, dass der Staat jedem Bürger (weil er ein Mensch ist) das Überleben und Leben in Würde ermöglicht, denn dafür ist er laut GG verantwortlich.

Okay... mit der Schaffung der Rahmenbedingungen für ein ¨Überleben und Leben in Würde¨ bin ich einverstanden...

Insuffizienz hat geschrieben: Warum sollte er Bürgern die Existenzberechtigung prinzipiell entziehen, wenn er sie ohne Probleme jedem Bürger, weil er ein Mensch ist, geben könnte?

Ich unterscheide immer zwischen Existenz und Leben. Soweit ich weiss, wird in Deutschland niemals die Existenzberechtigung entzogen, zumal keine Todesstrafe vollzogen wird. Aber vermutlich verurteilt der Staat die Menschen praktisch zum Tod, weil er ihnen ihre Existenz nicht finanzieren will... ?

Als Mensch geboren zu werden gibt einem mit Sicherheit ein von der Gesellschaft unterstützten Recht auf Existenz. Aber man kann das Recht auf Existenz nicht mit einem Anspruch auf Unterhalt gleichstellen.

Ich finde, man kann das Recht auf Existenz mit einem Anspruch auf Unterhalt gleichstellen.

Insuffizienz hat geschrieben:Und wenn jemand z. B. sich nicht in dem gegeben System unterordnen kann, weil er z. B. psychisch nicht die gegebene Arbeitsstelle auf Dauer ertragen kann, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um in Würde zu leben? Oder wenn jemand keinen Arbeitsplatz für seine (realistisch) empfundene Berufung erhält, soll er dann trotzdem dort arbeiten müssen, nur um zu überleben? Um danach wahrscheinlich depressiv und unglücklich zu werden.


Mal ganz ehrlich: das Leben ist kein Wunschkonzert!
Ich habe selbst mein Leben mit Arbeiten verbracht, die mich seelisch und körperlich stressten und mich viel kosteten. Und ich sah dergleichen auch an meinen Kollegen. Und doch steckten manche es besser weg als andere... hast du eine Ahnung warum?

Die Antwort welche ich darauf fand ist simpel: sie haben sich außerhalb der Arbeit einen Ausgleich geschaffen, der ihnen Erholung und Freude bringt. Eine Familie, ein für sie gutes soziales Umfeld, eine Beschäftigung (Hobby), die ihnen Gründe liefern, sich täglich dem auszusetzen, was sie manchmal/öfter/ständig ärgert: das Arbeitsleben.

Wenn einen die Arbeit also in Unglück und Depressionen stürzt, so wäre es vielleicht an der Zeit sich zu überlegen, was im eigenen Privatleben nicht stimmt, wenn das Arbeitsleben einen so großen Einfluss auf das Wohlbefinden hat... denn selbst der angenehmste Arbeitsplatz wird einem zuwider, wenn es privat nicht passt.

Ich denke, dein BGE-Bashing rührt auch daher, dass du den Menschen und dir in der Zukunft ein BGE nicht gönnen kannst, weil du selbst unter dem Arbeitszwang und dem damit einhergehenden Belastungen gelitten hast, die durch das BGE behoben werden könnten.
Und ja, das Arbeitsleben, das bei vielen nahezu die halbe wache Lebenszeit ausmacht, kann durchaus ohne andere Probleme allein zu Unzufriedenheit und Depression führen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Unverdiente Geschenke zu bekommen, führt zu einer Geringschätzung des Geschenkten.

Die Behauptung ist ersteinmal ziemlich wagemutig. Habe sowas noch nie gehört, wenn ich suche, werde ich wahrscheinlich keine Quelle finden, die das prinzipiell belegt.

Wenn du jemals einen Erfolg in deinem Leben erzielt hast - sei es privat oder beruflich - so wirst du mir zustimmen, daß es für dein seelisches Wohlbefinden und vor allem für dein Selbstwertgefühl weitaus wertvoller war, als hätte man dir alles einfach in den Schoß gelegt.

Jo, mit einem BGE wird das weiterhin geschehen. Sozialer, beruflicher, künstlerischer oder was auch immer wird weiterhin nicht durch ein BGE gegeben sein und muss man selbst erarbeiten. Sehe da kein Problem.

Ich denke, daß für dich das BGE ein Mittel wäre, Menschen den Weg zu ihrer persönlichen Berufung zu ermöglichen und nicht darauf abzielen sollte, einfach nur die Bequemlichkeit des Menschen zu fördern.

Und ich denke auch, daß nachwievor viele Menschen einer Arbeit nachgehen wollen würden. Aber ich weiss auch, daß sie schon bei kleinsten Unstimmigkeiten sich von dieser wieder zurückziehen würden. Oder wenn sie dort nicht die Position innehaben würden, für die sie sich berufen fühlen. Eben weil sie es nicht mehr nötig hätten weiterzumachen.

Wäre wahrscheinlich kein Problem. Dann gibt es eben viele, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind und sehr gute Ergebnisse leisten. Andere suchen sich etwas anderes. Ich denke, man kann vieles so arrangieren, dass z. B. viele nur noch halbtags arbeiten etc. Ich denke, das wird sich sicherlich einpendeln. Menschen sind eigentlich Entdecker, Forscher und wollen lernen. Leider sind diese Eigenschaften heute oft extrem rudimentär entwickelt.
Eine Änderung der Lebensumstände mit einem BGE würde da sicherlich Abhilfe schaffen.
Zudem würde ich hoffen, dass das kranke Schulsystem reformiert wird, am besten keine Schulpflicht mehr herrschen würde und man (ja, auch Kinder sind eigenständige Menschen) die Wahl hätte. Anderes Thema!

Würden Menschen einfach aus Liebe zu ihrer Berufung unentgeltlich arbeiten gehen?
Und wenn ja... für wieviel Tage am Stück, bevor sie es wieder gut sein lassen?
Hört man dann Sätze wie: ¨Meine Existenz ist eh gesichert! Mann, ich hab jetzt mal so richtig Lust 4 Monate lang in einer Kanalisation zu arbeiten!¨?

Wahrscheinlich können da schon viele Maschinen die Arbeit übernehmen, nebenbei gesagt.

Und was wenn es keine bezahlten Stellen in seinem Wunscharbeitsfeld gibt?
Wendet man sich dann wieder an den Staat und beklagt sich, daß es in der nationalen Wirtschaft keine Position gibt, die den eigenen Interessen entspricht?

Wenn es keine bezahlten Stellen in seinem Wunscharbeitsfeld gibt, dann gibt es sie nicht. Wieso sollte man da klagen, das wäre doch lächerlich.

Das es anscheinend tatsächlich Menschen gibt, die ein BGE als ihr Grundrecht ansehen, macht leider nur deutlich, wie verwöhnt wir von den Lebensumständen sind.

Ich finde, mit dem BGE wird einfach nur der Reichtum gerecht umverteilt. Und jeden Drecksjob annehmen zu müssen, um zu leben, aber Leere und Depressionen etc. zu spüren, würde ich nicht als erstrebenswert sehen. Der Begriff "verwöhnt" ist ja mal völlig fehlplatziert. Mit einem BGE wird einem nur ein (potenziell) würdeloses, armes Leben erspart, einfach, weil es möglich ist. Es hat nur mit der Umverteilung von Geld zu tun.

Ich geb ja zu, daß es als Gedankenspiel auf den ersten Blick eine nette Idee ist... aber wenn man sich nur ein bisschen ernsthaft damit auseinandersetzt, so sollte man schon die Konsequenzen bedenken und versuchen darauf ernsthafte Antworten zu finden.

Ich denke, ich bin sehr wohl auf die Konsequenzen eingegangen und habe ernsthafte Antworten geliefert. Ich denke, du suchst oft zwanghaft irgendwelche Argumente dagegen.
Ich verstehe nicht warum.
Die einzigen zwei ernsthaft zu diskutierenden Streitpunkten sind m. E. die Frage, ob noch genügend gearbeitet wird (ob es Maschinen, Technologien wie Programme etc. sind, spielt dann gar keine Rolle mehr) und die wahrscheinliche Immigrationswelle.
Ich denke, es gibt eine Menge schlauer Menschen, die sich der Thematik annehmen können. Ich sehe dem BGE positiv ins Auge und hoffe auf ein baldiges Ende des m. E. verfassungswidrigen Hartz4-Konzepts.

(Ich entschuldige mich, falls ich beleidigend war oder gewirkt habe. Es steckt viel Emotionalität von meiner Seite aus in diesem Thema.)

:erklärbär2:

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Nachtgängerin » 1. Juni 2015, 00:09

31. Mai 2015, 18:37 » Insuffizienz hat geschrieben:Ich denke, dein BGE-Bashing rührt auch daher, dass du den Menschen und dir in der Zukunft ein BGE nicht gönnen kannst, weil du selbst unter dem Arbeitszwang und dem damit einhergehenden Belastungen gelitten hast, die durch das BGE behoben werden könnten.


Ich denke, ich bin sehr wohl auf die Konsequenzen eingegangen und habe ernsthafte Antworten geliefert. Ich denke, du suchst oft zwanghaft irgendwelche Argumente dagegen.


Ohne mich in euren Dialog einmischen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass es absolut legitim ist, schlicht eine andere Meinung zu einer Sache zu haben. Der Diskussions"gegner" muss dazu weder "bashen" noch "zwanghaft" agieren.



Grüße

Nachtgängerin.
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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 1. Juni 2015, 14:51

@ Nachtgängerin

Ohne mich in euren Dialog einmischen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass es absolut legitim ist, schlicht eine andere Meinung zu einer Sache zu haben. Der Diskussions"gegner" muss dazu weder "bashen" noch "zwanghaft" agieren.



Grüße

Nachtgängerin.


Ich bin aber der Meinung, dass es der Fall ist.

:erklärbär2:

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Nachtgängerin » 1. Juni 2015, 19:10

1. Jun 2015, 14:51 » Insuffizienz hat geschrieben:@ Nachtgängerin

Ohne mich in euren Dialog einmischen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass es absolut legitim ist, schlicht eine andere Meinung zu einer Sache zu haben. Der Diskussions"gegner" muss dazu weder "bashen" noch "zwanghaft" agieren.



Grüße

Nachtgängerin.


Ich bin aber der Meinung, dass es der Fall ist.

:erklärbär2:




Was legitim, aber nicht allgemeingültig ist. [;)]


Genug des Off Topics.



Grüße

Nachtgängerin
Und dann wird die Dunkelheit zur Pforte.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Ghostvoice » 2. Juni 2015, 01:00

Insuffizienz hat geschrieben:Ich versuche es nochmal verständlicher zu formulieren, was eigentlich ersichtlich sein sollte: Der Staat trägt die Verantwortung dafür, mir mein seelisches Wohlbefinden möglich zu machen. Damit habe ich die Wahl. Da sind wir uns einig.


Diese Formulierung verstehe ich schon besser. Doch würde ich keiner Authorität so eine Aufgabe aufbürden wollen. Einfach nur, weil es unmöglich wäre dergleichen für eine so große Gruppe von Menschen zu gewährleisten. Bei 80 Millionen Menschen in einem Land herrscht sehr viel Diversität vor. Zu viele individuelle Meinungen darüber, was einem selbst gut tut und was nicht. Verbessert man eine Sache für einen Personenkreis, so verschlechtert man damit gleichzeitig die Situation für einen anderen.

Ich würde die Aufgabe der Regierung (laut Grundgesetz) eher so verstehen, daß die Lebensumstände für Menschen kontiunierlich verbessert werden. Damit meine ich die alltägliche Notwendigkeiten wie Abfall-/Abwasserentsorgung, Wasserversorgung, Reduzierung von Schadstoffen in der Luft, Bereitstellung von menschenwürdigen, leistbaren Behausungen, Festsetzung von realistischen Mindestlöhnen.
Zumindest wären das meiner Ansicht nach Prioritäten erster Klasse. Voraussetzungen für unserer Zeit und unserem Zivilisationsstand angemessene Lebensbedingungen zu schaffen.

Das Fehlen oder auch nur der Mangel dieser Punkte schränkt das körperlich-seelische Wohlbefinden ein - oder schädigt es direkt. Dies zu verhindern verstehe ich unter dem ersten Paragraphen des Grundgesetzes. Aber weitergehende Verantwortung für das seelische Wohlbefinden einer so großen Menschengruppe sehe ich schwierig...


Insuffizienz hat geschrieben:Ich denke, dein BGE-Bashing rührt auch daher, dass du den Menschen und dir in der Zukunft ein BGE nicht gönnen kannst, weil du selbst unter dem Arbeitszwang und dem damit einhergehenden Belastungen gelitten hast, die durch das BGE behoben werden könnten.

Meine Abneigung gegen das BGE entspringt einfach nur - wie ich es bereits beschrieben habe - der (meiner Ansicht nach) unnatürlichen und schädlichen Natur dieses Konzeptes. Aber vielleicht bin ich auch nur ein Feigling, der Angst davor hat von einem Morlock gefressen zu werden... :lachen:


Insuffizienz hat geschrieben:Und ja, das Arbeitsleben, das bei vielen nahezu die halbe wache Lebenszeit ausmacht, kann durchaus ohne andere Probleme allein zu Unzufriedenheit und Depression führen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Daß wir zu viele Stunden am Tag mit Arbeit verbringen sehe ich ebenfalls mit Besorgnis. Für Arbeitnehmer mit festen Dienstzeiten bedeuten 8 Arbeitsstunden eine halbe Stunde bis Stunde Mittagspause, gut eine Stunde vor und eine nach der Arbeit für die Wege zur und von der Arbeit... also rund 11 Stunden des Tages sind der Arbeit gewidmet. Und auch wenn sich das im Vergleich zu Zeiten der Industrialisierung ohnehin schon stark relativiert hat, so denke ich, eine Reduzierung des Arbeitstages um gut 2 Stunden würde auch bei unangenehmen Arbeitsverhältnissen ihre schädlichen Wirkung absenken.

Daß die Arbeit zu Depressionen und Unzufriedenheit führen kann, stelle ich nicht in Abrede - man sieht es nur all zu oft!
Dennoch beharre ich darauf, daß die privaten Lebensumstände bestimmen, wie sehr ein Mensch von diesen negativen Auswirkungen beeinflusst wird. An dem Einem perlen die ganzen Widrigkeiten ab, am Andern bleiben sie auch außerhalb der Arbeit haften. Letzterer müsste etwas finden, welches ihm einen Sinn gibt.

Hat man eine nicht erfüllende Arbeit, aber einen guten Grund sie dennoch zu tun, so kann man sie als leidige Notwendigkeit betrachten um den Fortbestand seines erfüllten Privatlebens abzusichern und dennoch ein zufriedener Mensch sein.


Insuffizienz hat geschrieben:
Ghostvoice hat geschrieben:Unverdiente Geschenke zu bekommen, führt zu einer Geringschätzung des Geschenkten.

Die Behauptung ist ersteinmal ziemlich wagemutig. Habe sowas noch nie gehört, wenn ich suche, werde ich wahrscheinlich keine Quelle finden, die das prinzipiell belegt.

Ich bin sehr vorsichtig damit, was ich als Richtig oder Falsch ansehe... doch ein paar - ich nenne sie mal - "Grundprinzipien der menschlichen Existenz" habe ich im Laufe meines Lebens für mich als richtig erkannt. Dies ist eines davon!

Eigentlich wäre dafür ein eigener Thread von Nöten, deshalb spoiler ich das mal hier um den Textfluss nicht zu stören...

[spoil]Im Prinzip geht es darum, wie ein Mensch den Dingen in seinem Leben einen Wert zumisst.

Etwas, daß durch eigenen Aufwand erreicht wird, ist im eigenen Denken immer mit einem höheren Wert beziffert, als etwas für dessen Erhalt wenig oder gar kein Aufwand notwenig war.

Findest du beispielsweise ein komplett neues IPad auf der Strasse freust du dich auch darüber und schätzt seinen Wert, obwohl es dich persönlich nichts kostete. Fällt das Ding am nächsten Tag zu Boden und ist irreparabel kaputt, so denkst du dir: "Mist! Wie gewonnen, so zerronnen!" Und das wars!
Hast du dir aber das Geld dafür angespart und das Tablet ist jetzt kaputt, so hast du einen Verlust, welchen du mit einem eindeutigen Geldwert in Verbindung bringst! Geld, welches du dir durch deinen eigenen Zeit- und Arbeitsaufwand verdientest und das nun verloren ist.

Oder ein Beispiel aus der Beziehungsebene: man nehme 2 junge Männer, die im selben Lokal ein Auge auf eine Frau geworfen haben.
Probant A weiss, daß er auf Frauen anziehend wirkt und meist erfolgreich bei der Beziehungsanbahnung ist.
Probant B ist in dieser Hinsicht das Gegenteil - meist scheint er keine Anziehung auszustrahlen und versucht nur selten sein Glück aus Angst vor Ablehnung.
Probant A spricht seine Auserwählte an, wirbt mit Erfolg und geht am nächsten Morgen mit einer weiteren Stärkung seines Selbstbewußtseins nach Hause.
Probant B wagt heute ebenfalls diesen Schritt, flirtet unsicher, aber die Auserwählte scheint von ihm angetan, gibt ihm ihre Nummer und sie verabreden sich für den nächsten Tag.
Wer von den beiden Probanten weist seiner erfolgreichen Werbung den höheren Wert zu?
Probant A, der davon ausgehen konnte, daß er erfolgreich sein würde oder Probant B, der eher von einer weiteren Zurückweisung ausging und dann positiv überrascht wurde?
Probant B kostete die Annäherung etwas - Überwindung der Angst vor Zurückweisung! Was er erreichte hat einen höheren Wert für ihn, als die Eroberung von Probant A für diesen hatte.

Ich könnte noch mehr Beispiele bringen, aber ich denke, du wirst wissen, was ich damit meine.

Einer meiner Lieblingssätze ist "Etwas Geschenktes ist nichts wert!", obwohl er in so einer krassen Bedeutung natürlich nicht stimmt. Auch Geschenktes hat seinen Nutzen, kann echte Freude bereiten und hat sehr wohl einen Wert! Allerdings nur einen sehr wackeligen, flüchtigen Wert.

Welche Auswirkungen hat es auf das Weltbild eines Menschen und auch auf seine geistige Entwicklung, wenn seine Welt überwiegend aus flüchtigen Werten besteht? Wonach soll er streben, wenn ohnehin alles kaum einen Wert hat?

Man könnte einwenden, daß ein einziger echter Wert so einen Menschen motivieren würde, nach mehr als seinem eigenen physischen Wohlbefinden zu streben... aber wie würde ein solcher Mensch erkennen, WAS für ihn ein echter Wert ist? Könnte er sich dergleichen gedanklich vorstellen, geschweige denn, ihn erkennen, wenn er ihm begegnet?

Durch Verlust können wir echte Werte in unserem Leben entdecken. Wenn etwas nicht mehr da ist, von dem wir erst dann merken, wie wichtig es eigentlich für uns war. Der Tod eines wichtigen Menschen bietet sich hier als Beispiel an.
Auch durch Entbehrung ist dies gegeben, wenn man sieht, daß man ohne etwas leben muss, was das seelische oder physische Wohlbefinden hindert. Ad hoc fällt mir dabei ein, daß für mich Mitteleuropäer Wasser zwar überlebensnotwendig ist, in meinem Empfinden aber nicht wirklich einen Wert darstellt - es ist für mich jederzeit verfügbar. Ich denke, ein Mensch in Palästina würde das ganz anders als ich bewerten.

"Nothing worth having comes without some kind of fight." ist so ziemlich der einzige "literarische Beleg" den ich zur Unterstützung dieser These anführen kann und der stammt auch nur aus einem Barenaked Ladies Song. :lachen:

Aber dieses Grundprinzip muss man auch nicht irgendwo nachlesen... man kann es einfach kritisch in seinem eigenen Leben und Umfeld prüfen und dann entscheiden, ob etwas dran ist oder nicht.

Hast du schonmal von Leuten, die nach längerer Zeit der Arbeitslosigkeit gehört, wie gut es ihnen tut, jetzt wieder eine Arbeit zu haben? Sich mal einen Abend mit Freunden leisten zu können, ohne auf Einladungen angewiesen sein? Selbst mit dem Auto irgendwo hin zu fahren, anstatt ständig jemanden zu fragen, ob man mitgenommen wird? Oder auch nur endlich mal wieder ohne die Sorge lebt, wie man seine Rechnungen bezahlen soll?

Ein BGE würde solche Sorgen zum größten Teil eliminieren!

Genauso wenig wie das Gefühl, selbst sein Leben zu meistern, da der grundlegendste Teil unseres Wesens - nämlich unsere materielle Existenz - von jemand anderem übernommen wird.

So unangenehm und beängstigend solche existenzbedrohenden Zeiten auch sind, sie schaffen ein Bewußtsein für den Wert eines selbstbestimmten, selbstverantwortlichen Lebens!
Gerade von diesen beiden - Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - könnten wir deutlich mehr gebrauchen... sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft.[/spoil]

Insuffizienz hat geschrieben:Menschen sind eigentlich Entdecker, Forscher und wollen lernen. Leider sind diese Eigenschaften heute oft extrem rudimentär entwickelt.

Meine Eindrücke vermitteln mir leider kein so positives Bild von Menschen. :(
Ich glaube, daß in dem Menschen all das von dir Aufgezählte steckt, doch in den wenigsten Menschen haben sich diese Dinge ernsthaft manifestiert. Das sehe ich nicht als Symptom unseres Zeitalters, sondern als Gegebenheit der menschlichen Natur.
Als gegenwart-spezifisches Problem unserer Zeit sehe ich eher die vielfältigen, leicht verfügbaren Unterhaltungsmöglichkeiten, welche dem ernsten Lernen und dem Drang nach persönlicher Weiterentwicklung gegenüber stehen. Aber: Thema für einen anderen Thread.


Insuffizienz hat geschrieben:Wahrscheinlich können da schon viele Maschinen die Arbeit übernehmen, nebenbei gesagt.

Wie schon einmal gesagt, in absehbarer Zeit würde ich Maschinen als Arbeitskraftersatz nicht in Erwägung ziehen. Unsere technologische Entwicklung ist tatsächlich rasend schnell. Aber jenes Ziel ist noch Generationen entfernt. Damit meine ich Menschen-, nicht Maschinengenerationen. ;)


Insuffizienz hat geschrieben:Ich finde, mit dem BGE wird einfach nur der Reichtum gerecht umverteilt.

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mich bei diesem Satz in den Fingern kribbelt...
Aber wieder mal: das wäre ein Thema für einen eigenen Thread.


Insuffizienz hat geschrieben:Und jeden Drecksjob annehmen zu müssen, um zu leben, aber Leere und Depressionen etc. zu spüren, würde ich nicht als erstrebenswert sehen.

Man nimmt einen Job auch nicht an, um zu leben. Man nimmt ihn an, um zu existieren. Das mit dem "Leben" ist ein erstrebtes Ziel von Jobs, welches über die Sicherung der bloßen Existenz hinaus geht.
Wenn man seiner Tätigkeit einen Sinn verleihen möchte, versucht man einen Beruf auszuüben. Wie ich anderswo gelesen habe, studierst du gerade und ich denke nicht, daß dein Ziel ist, später irgendwelche "Jobs" zu machen. Diese Unterscheidungen von Existenz und Leben sowie Beruf und Job finde ich gerade bei diesem Thema sehr wichtig.

Ich würde noch gerne auf deine anderen Punkte eingehen, aber morgen steht mir leider ein sehr langer und garantiert erschöpfender Arbeitstag bevor.

Insuffizienz hat geschrieben:(Ich entschuldige mich, falls ich beleidigend war oder gewirkt habe. Es steckt viel Emotionalität von meiner Seite aus in diesem Thema.)

Kein Problem. Wenn du wüßtest, wieviele Absätze ich getippt und wieder gelöscht habe, weil sie überwiegend zynisch und nur wenig argumentativ waren. ;)
Diese Tür war immer nur für dich bestimmt.Und nun werde ich sie schliessen.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Insuffizienz » 3. Juni 2015, 23:05

@ Ghostvoice

Zu deinem Off-topic-Spoiler: :D

[spoil]Ich will nicht überheblich klingen, aber bei mir ist es anders. Vielleicht sollte ich mehr für normalere Menschen denken, aber ich bin keiner.
Ich bin ein ziemlich minimalistischer Mensch und habe damit einen guten Überblick über meinen Besitz. Ich wertschätze das meiste in meinem Leben sinnvoll. Ich weiß nicht wie ich es formulieren soll...Ich bin halt jeden Tag eigentlich froh, dass ich lebe, (einigermaßen) gesund bin und (nur relativ zur Weltbevölkerung gesehen) luxuriös resp. im Wohlstand lebe. Wenn ich ehrlich bin, anderes ist für mich in dem Sinne marginaler Bedeutung. Mich kümmert es n Scheiß, ob ich für etwas selbst gearbeitet habe oder nicht. Warum sollte mich das jucken? :D Ich habe keine Ahnung, woher diese Ideologie stammt...die Sinnigkeit erschließt sich mir nicht.
Ich denke, dass könnte mit einem posttraumatischen Wachstum und einer gehörigen Portion Reflektiertheit bzgl. Existenzangst u. Ä. zu tun haben...

Dein Prinzip verstehe ich, jedoch wie gesagt, was Erwerbsarbeit anbelangt, tangiert es mich leider gar nicht. Aber das sollte ich nochmal überdenken, denn ich kann nicht davon ausgehen, dass die Gesellschaft mir ähnelt. :D

Ein BGE würde solche Sorgen zum größten Teil eliminieren!

Genauso wenig wie das Gefühl, selbst sein Leben zu meistern, da der grundlegendste Teil unseres Wesens - nämlich unsere materielle Existenz - von jemand anderem übernommen wird.

Da haben wir's wieder. Als wäre das ein bewiesener Fakt...du kannst m. E. nicht einfach Behauptungen resp. Thesen schreiben, die nicht belegt sind. Da wäre eine andere Formulierung für deine Hypothese, allenfalls Theorie, deutlich angebrachter.

So unangenehm und beängstigend solche existenzbedrohenden Zeiten auch sind, sie schaffen ein Bewußtsein für den Wert eines selbstbestimmten, selbstverantwortlichen Lebens!

Stimmt, aber das muss ja nicht heißen, dass man es nicht auch ohne trotzdem schaffen könnte. Mir fallen da keine Methoden ein, jedoch gibt es sicherlich schlaue Menschen (Soziologen?), die da Konzepte erarbeiten könnten. :D[/spoil]
Als gegenwart-spezifisches Problem unserer Zeit sehe ich eher die vielfältigen, leicht verfügbaren Unterhaltungsmöglichkeiten, welche dem ernsten Lernen und dem Drang nach persönlicher Weiterentwicklung gegenüber stehen.

Den Aspekt habe ich noch nie fokussiert...sicherlich ziemlich relevant.

Unsere technologische Entwicklung ist tatsächlich rasend schnell. Aber jenes Ziel ist noch Generationen entfernt.

Aha, mal wieder hast du hellseherische Fähigkeiten inne...ich erwähne es nochmal: Ohne irgendeinen Beleg sollte man keine Thesen aufstellen, schon gar nicht Axiome, denn das wird deren Definition nicht gerecht.

Insuffizienz hat geschrieben:
Ich finde, mit dem BGE wird einfach nur der Reichtum gerecht umverteilt.


Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mich bei diesem Satz in den Fingern kribbelt...
Aber wieder mal: das wäre ein Thema für einen eigenen Thread.

Ich hätte das Wort gerecht durch mein erfundenes Wort menschengerecht oder humanistisch oder was auch immer ersetzen sollen...was ich meine, wirst du glaube ich mittlerweile erschließen können. ;)

Kein Problem. Wenn du wüßtest, wieviele Absätze ich getippt und wieder gelöscht habe, weil sie überwiegend zynisch und nur wenig argumentativ waren. ;)

Ich habe deinen Subtext oft lesen dürfen, ich kann es ahnen. :D

:erklärbär2:
Zuletzt geändert von Insuffizienz am 3. Juni 2015, 23:10, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon NowhereMan » 4. Juni 2015, 23:32

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre, in jedem Falle, sinnvoll, allein schon aufgrund der Tatsache, dass es nicht genug Erwerbsarbeit für alle gibt, auch wenn dieser Umstand, wohl aus einer Art Massenpsychose heraus, von der Mehrheit vollkommen ausgeblendet wird.

Ob ­es jemals so weit kommen wird, halte ich allerdings für mehr als fraglich, das wäre ungefähr so, als würde man einem Sklaven, ­der noch viele Jahrzehnte "treue" Dienste leisten soll, freiwillig, die Ketten abnehmen ...

Außerdem bin ich davon überzeugt, dass ­selbst nach Einführen eines ­BG, im Großen und Ganzen, alles so weiterliefe wie gehabt ...
Vielleicht würde, anfangs, ein geringer Prozentsatz von Leuten, die bis dahin berufstätig waren, die Gunst der Stunde nutzen, um einmal auszuprobieren, wie es ist, ohne Erwerbsarbeit durchs Leben zu kommen, dann aber, wahrscheinlich, sehr schnell feststellen, dass sie, das gar nicht ­aushalten (nicht wüssten wie sie ihre Zeit füllen sollen ...) bzw. doch lieber etwas mehr Geld zur Verfügung hätten und irgendwann bewegt sich das ­ganze wieder auf einem ähnlichen Niveau wie zuvor ... (­Prophezei ... ;) )

Möglicherweise gäbe es dann aber auch Volkshochschulkurse, die in der Kunst des Müßigganges anleiten ... :lachen:

Hier noch ein Buchtipp zum Thema: http://www.amazon.de/Einkommen-f%C3%BCr ... 3462037757

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Max Uthoff über sozialstaatliches Waterboarding HartzIV

Beitragvon sdsdsdsv » 1. Juli 2015, 21:47

[align=justify][bbvideo=560,315]https://www.youtube.com/watch?v=_9EEBhngahs[/bbvideo]
Max Uthoff über sozialstaatliches Waterboarding HartzIV
"Um die Brisanz der Drohkulisse, die von den Jobcentern gefahren wird, noch einmal vor Augen zu führen, zeige ich Ihnen die Auswirkungen von Sanktionen und Sanktionsandrohungen auf die physische Lage der Betroffenen in signifikanten und zahllosen Fallbeispielen nach."[/align]

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Re: Max Uthoff über sozialstaatliches Waterboarding HartzIV

Beitragvon orinoco » 2. Juli 2015, 10:50

1. Jul 2015, 21:47 » sdsdsdsv hat geschrieben:[align=justify]Max Uthoff über sozialstaatliches Waterboarding HartzIV
"Um die Brisanz der Drohkulisse, die von den Jobcentern gefahren wird, noch einmal vor Augen zu führen, zeige ich Ihnen die Auswirkungen von Sanktionen und Sanktionsandrohungen auf die physische Lage der Betroffenen in signifikanten und zahllosen Fallbeispielen nach."[/align]


Das ist das was ich als staatliche und gesellschaftliche Hospitalisierung bezeichne. Schon für einen "normalen" Menschen demütigend und entwürdigend. Für Traumatisierte, die sich dem nicht entziehen können, die Hölle auf Erden.
Verständnis ist für den Traumatisierten, was die niedrige Bordsteinkante für den Rollstuhlfahrer.
t+ - mein Traumablog (nichtkommerziell und werbefrei)
Disclaimer "Lesen auf eigene Gefahr!" - unbedingt lesen!

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Re: Bedingungsloses Grundeinkommen(BGE)

Beitragvon Nebeltal » 3. Juli 2015, 16:47

Er hat wohl recht mit dem was er da sagt, Uthoff schätze ich auch sehr als Satiriker. Aber es ist immer noch besser als auf der Straße zu sitzen wie in anderen Ländern, ich finde das sollte man auch im Auge behalten wenn man unsere Sozialleistungen kritisiert. Erzählst du einer Mutter in irgend einem indischen Armenviertel, der gerade ein Kind verhungert ist, dass es bei uns ne Krankenversicherungen, eine Wohnung und noch Geld obendrauf gibt, die wird es dir wahrscheinlich gar nicht glauben. Klar gibt es viel zu verbessern, aber in der Realität kann man froh sein mit dem was wir haben.


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