Armut und Tafeln

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knallschnute
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Armut und Tafeln

Beitragvon knallschnute » 18. Oktober 2014, 19:03

Ich habe mir das Buch "Schamland" von Stefan Selke neulich durchgelesen und ich bin beschämt.
Hier ein Film, der ein wenig darüber berichtet, was es heißt zur Tafel zu gehen und warum wir noch mehr Armut schaffen, anstatt sie zu bekämpfen.

[bbvideo=425,350]https://www.youtube.com/watch?v=RFTxKuPHprw[/bbvideo]

Lieben Gruß,
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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Nebeltal » 18. Oktober 2014, 20:08

Kann mir mal einer vorrechnen wieso man als Hartz 4 Empfänger gezwungen ist, die Tafel zu nutzen?
Der Regelsatz beträgt aktuell 391 Euro, die Wohnunng + Nebenkosten wird vom Staat gezahlt.
Jeden Monat hat man dann noch ein paar Zusatzkosten für telefon/internet... ja was eigentlich noch ? Essen.
Dann kann man sich noch alle paar Monate was zum anziehen kaufen, falls es denn nötig ist.
Ich kenne natürlich auch die Fälle ganzer Hartz4 Familien, da sieht es natürlich anders aus, aber als allein Lebender ?
Natürlich lebt man damit nicht auf großem Fuß, aber es müsste doch alle mal ausreichen um sich selbst zu versorgen.

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knallschnute
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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon knallschnute » 20. Oktober 2014, 10:51

Hallo Nebeltal,

es ehrt dich, wenn du mit wenig zufrieden bist und auch gut zurecht kommst. Allerdings ist der HartzIV-Betrag an diverse Verpflichtungen (Erziehungsmaßnahmen) gebunden. Es ist also schnell möglich, dass man aufgrund von Verweigerungen Kürzungen in Kauf nehmen muss, die so weit gehen können, dass letztlich nur mehr die Miete und Heizkosten übernommen werden + Essensmarken ausgestellt.

Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte! Arme, die so schon kaum etwas zum Leben haben und gerade so oder fast gar nicht mehr über die Runden kommen, werden schikaniert und ausgestoßen.
Menschen die so wenig haben, dass sie davon gerade mal das Nötigste kaufen können, haben nicht mehr die Möglichkeit vollwertig an dieser Gesellschaft teilzunehmen. Sie können sich das Essen im Restaurant nicht leisten, sie können sich kaum etwas kaufen, ihren Kindern wenig bis gar nichts bieten, an Freizeitunternehmungen, die mit Kosten verbunden sind, nicht mehr teilhaben und viele andere kulturelle Angebote nicht im vollen Umgang oder gar nicht mehr nutzen.
Das hat auf ihr soziales Verhalten und ihre sozialen Verbindungen negative Auswirkungen. Diese Menschen verstecken sich, sie schämen sich und sie leiden, weil sie ausgeschlossen werden und nicht mehr dazu gehören!
DAS ist ein Skandal - in einer Wohlstandsgesellschaft, in der die einen quasi im Geld schwimmen und immer mehr anhorden können und andere immer ärmer werden und sogar noch für ihr schlimmes Schicksal bestraft.
Oder wenn alte Menschen, die viele Jahre gearbeitet haben, so wenig Rente bekommen, dass sie Sozialleistungen benötigen, um ihren Lebensabend halbwegs überleben zu können.
Wenn jemand Medikamente braucht, dann kann er sie sich kaum leisten oder nimmt weniger, etc., weil er sie nicht bezahlt bekommt und/oder sich keine Krankenversicherung mehr leisten kann.

Wenn man das alles harmlos und okay findet, dann weiß ich auch nicht.
So sieht es nämlich aus. Und wer einmal HartzIV beantragt und weiß, welchen Berg an Blättern er ausfüllen und wie nackig er sich machen muss, der versteht, warum es auch Menschen gibt, die lieber im Müll nach Pfandflaschen suchen oder von noch weniger leben und auf die Schickane und die Tafeln dieses Landes gut und gerne verzichten.

Es muss etwas passieren! Die Agenta 2010 hat die Armut geradezu angekurbelt, anstatt etwas dagegen unternommen. Das ganze soziale Gefüge geht den Bach runter. Die Verantwortung wird immer mehr privaten Organisationen oder dem Volk selbst zugesprochen. Der Stadt spart Millionen, an Rente, an Sozialleistungen, etc., wenn es Leute gibt, die das so okay finden, verharmlosen oder sogar fordern, dann hoffe ich für diese, dass sie nie bedürftig sein werden und in diesem Schamland verarmen müssen.

Gruß,
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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Schneemann » 21. Oktober 2014, 02:53

Ich kenne genug die aus Hartz4 heraus fallen und es wird erwartet das Familien und Verwandte und nicht alle verstehen sich mit ihren Verwandten gut. Ich kriege genug Geld um den Bus zur Arbeit zu zahlen und ein Taschengeld von 50 Euro im Monat bei einer 40 Stunden Woche. Alles andere muss ich Freunden und Verwandten abpressen.

Das Amt ist erstaunt das ich kein Selbstbewusstsein habe und schickt mich zum Psychiater. Ich würde vorschlagen die nehmen das Geld was der Psychiater kriegt und geben es mir. Sie können das Geld auch behalten und selber zum Psychiater gehen. Wo haben sie ihre Seele verloren?

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon schi275 » 27. Oktober 2014, 10:51

18. Okt 2014, 19:08 » Nebeltal hat geschrieben:Kann mir mal einer vorrechnen wieso man als Hartz 4 Empfänger gezwungen ist, die Tafel zu nutzen?
Der Regelsatz beträgt aktuell 391 Euro, die Wohnunng + Nebenkosten wird vom Staat gezahlt.
Jeden Monat hat man dann noch ein paar Zusatzkosten für telefon/internet... ja was eigentlich noch ? Essen.
Dann kann man sich noch alle paar Monate was zum anziehen kaufen, falls es denn nötig ist.

Das sind sowieso nur Milchmädchenrechnungen. Es zeigt sich erst über viele Monate/Jahre, wie wenig Hartz 4 ist. Wenn alles an erspartem weg ist und viele Sachen verschlissen sind. Dann kommen noch kaputte Geräte dazu. Und wenn man alles realistisch abzieht, dann ist man sehr arm.... Da braucht in einem Monat nur z. B. eine Versicherung abgebucht werden und der Monat ist gelaufen.
Ich beziehe zur Zeit keine Leistungen und habe diesen Monat als Singel 240€ für Lebensmittel ausgegeben. Im Regelsatz sind ca 140€ dafür enthalten. Und nein die übrigen 150€ sind nicht zum verprassen sondern gehen für grundlegende Dinge drauf und selbst für diese würde es nicht reichen. (Strom / Telefon / Internet / TV / Fahr- und Monatskarten / Hausrat / Kleidung / Friseur / Nachzahlungen / und viele einmalige nicht vorhersehbare Ausgaben etc)

Trägt man aber wie das Klischee vom Hartz 4 Empfänger komplett abgenutzte Klamotten, hat ne kleine abgewohnte Drecksbude, die man vergammeln lässt und ernährt sich wie ein Penner und gibt den Rest für Zigaretten und Alkohol aus, dann reicht es für diesen Lebensstandard.

20. Okt 2014, 09:51 » knallschnute hat geschrieben:Es ist also schnell möglich, dass man aufgrund von Verweigerungen Kürzungen in Kauf nehmen muss, die so weit gehen können, dass letztlich nur mehr die Miete und Heizkosten übernommen werden + Essensmarken ausgestellt.


Bei der letzten Stufe gibt es auch keine Miete mehr nur noch Lebensmittelgutscheine im Wert von ca. 140€. Man soll ja nicht verhungern, wenn man zukünftig auf der Straße lebt. Seit Agenda 2010 sind vermehrt junge Menschen obdachlos geworden. Es werden pro Jahr ca 10000 Menschen in Deutschland komplett sanktioniert. Sprich: 3 Monate nur Lebensmittelgutscheine und keine Miete mehr, wenn sie denn überhaupt wissen, dass sie einen Anspruch auf Lebensmittelgutscheine (und damit einhergehend eine Krankenversicherung) haben.
Für Pflichtverstöße reicht schon aus, wenn die Mitarbeiter Post die man ihnen schickt einfach entsorgen und sie können Leistungen kürzen und stehen als gute Mitarbeiter da. Im Jobcenter/Bundesagentur für Arbeit verschwindet viel Post. Die Mitarbeiter haben Sanktions- und Vermittlungsquoten zu erfüllen, sonst wird ihr Vertrag nicht verlängert.
Und wohin wird vermittelt? Zeitarbeit und Prekärjobs, wo kein normaler Mensch zu solchen Konditionen freiwillig arbeiten würde...

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Nebeltal » 27. Oktober 2014, 15:54

Natürlich ist man "Arm" zumindest relativ, man darf aber auch nicht vergessen dass in anderen Teilen der Welt manche Menschen noch in Erdlöcher scheißen und sich jeden Tag ihr Essen erkämpfen müssen. Deshalb finde ich es immer etwas erstaunlich für wie selbstverständlich manche Leute ihren Lebensstandart halten und sich noch darüber beschweren über das was sie bekommen. Die Fetten Jahre sind vorbei, vor allem in Europa. Klar hat man als "Hartzer" nicht den besten Ruf in der Gesellschaft, aber mit ein wenig Bescheidenheit und Kreativität kann auch mit wenig ein gutes Leben geführt werden. Ohne Flachbildglotze und Feinkost aus der Kaufhof Kühltheke.

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon knallschnute » 27. Oktober 2014, 17:29

@schi275

Vielen Dank für die sehr gute Darstellung der Problematik von Hartz4, wenn es nicht nur für ein paar Monate zur Überbrückung nötig ist, sondern bei Langzeitarbeitslosen dazu führt, dass sie immer ärmer werden - bis hin zur Obdachlosigkeit!
Es geht zudem nicht nur um den finanziellen Aspekt, der bereits einen bitteren Beigeschmack erzeugt, sondern auch um die emotionale/psychische Schädigung, die Scham und ungewollte Isolation jener Menschen die am Existenzminimum leben. Auch sind sie gefährdet, durch Mangelernährung, etc. schneller krank zu werden.
Ihnen wird auf sehr erniedrigende Art und Weise gezeigt, dass sie für diese Gesellschaft keinen Nutzen mehr haben und lediglich Allmosen erwarten können, als soziale Gerechtigkeit.

@Nebeltal

Klar gibt es auch in anderen Ländern noch viel schlimmere Zustände und Armut, die man sich gar nicht ausmalen möchte. Doch wir leben nicht in diesen Ländern. Es nützt dem Hartz4-Empfänger nichts, wenn er sich denkt, dass ein Mensch in Indien im Dreck leben müsste und er im Vergleich zum Rest der Leute seines Landes, quasi auch irgendwie "im Dreck" lebt.

Grüße,

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Loveless » 27. Oktober 2014, 22:56

Lange habe ich überlegt auch mal etwas zu diesem Thema zu schreiben. Aber vielleicht schadet es ja nicht, sondern reicht, um mehr Einblick in solch eine Lage zu schaffen.

Also *Trommelwirbel..* ..Vorweg: Bitte versteht es nicht als Jammern, so ist es absolut nicht gemeint.
Ich gebe mein "Feedback" mal aus eigener Erfahrung ab.
Ich gehe zwar zur Schule, bin daher Schülerin, habe aber keinen Anspruch auf Bafög (Fragt mich nicht!). Daher muss ich Geld vom Amt beziehen - Hartz4. Wie in einem Kommentar erwähnt wurde (Ich habe vergessen von wem genau, sry) fangen die richtigen Probleme erst dann an, wenn man sich seit längerer Zeit in dieser Situation befindet, wobei ich sagen muss: So lange dauert das gar nicht, bis man die Grenzen der Grenze erreicht hat, das geht recht fix.
Es ist schön und gut ein Dach über den Kopf zu haben und nicht vollkommen Mittellos da zu stehen, doch das Geld welches einem zur Verfügung steht, um zu (über)leben, geht mehr für Kosten drauf, die durch Versicherungen und andere "Notwendigkeiten" aufkommen. (Schule, Internet, mein Haustier,das stets an erster Stelle steht und sich an BARF sattfuttern darf.)
Ich schaue keinen Tv, ich gehe nicht Auswärts essen, ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol oder gönne mir andere "Luxusgüter"die für Andere als Selbstverständlichkeit zählen. Nein, ich sehe auch nicht verlottert aus [;)]
Ich besitze nicht einmal einen Kühlschrank. Der Letzte hat seinen Geist vor über einem Jahr aufgegeben und eine Neuanschaffung ist schier nicht möglich, wenn kein Cent überbleibt. Das Amt übernimmt solche Kosten nicht.
Not macht 'natürlich' erfinderisch.
Doch da kommen wir auch schon zum nächsten Punkt: Ausgewogene, gesunde Ernährung ist mehr ein Traum. (Nicht wegen des fehlenden Kühlschrankes, sondern wegen des fehlenden Geldes!) Um es direkt zu sagen: 2 Brötchen am Tag und der Rest der Nahrung besteht aus Luft.
Ich will nicht sagen, das ich es schlimm finde. Ich kenne härtere Zeiten und Zustände, weiß wie es ist über längere Zeit mit Nichts dazustehen, ohne Wohnung, ohne die Option mal eben an Nahrung zu gelangen, dennoch ist es nicht einfach. Es zerrt an den Nerven und an der Gesundheit. Ein weiterer Punkt, weshalb ich es aushalten kann: Ich möchte nicht am gesellschaftlichen Leben großartig teilnehmen.
Doch worauf ich dabei hinaus möchte: Wie ist es für einen Menschen,der die "Normalität" gewohnt ist? Zuvor geregelte Mahlzeiten hatte, gerne am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchte und es plötzlich nicht mehr kann?
Ich weiß, das meine Lage irgendwann ein Ende haben und besser werden wird. Diese Hoffnung hat aber leider nicht jeder, der Geld vom Amt beziehen muss, ganz im Gegenteil.
Es ist auch nicht so, das sich jeder der Hartz4 bezieht, sich dieses Leben gezielt ausgesucht hat. Gerade durch die Isolation und Ausschluss aus dem gewöhnlichen,gesellschaftlichen Leben, fällt es diesen Menschen mit der Zeit immer schwerer überhaupt wieder Fuß zu fassen. Wenn man durch diese Dinge seelisch ausgelaugt ist, wie soll man dann noch die Kraft aufbringen alles umzureißen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?

Puh.. jetzt habe ich hier einen halben Roman hingelegt. Ich hör' jetzt auf :zu halten:

Grüße!

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Nebeltal » 28. Oktober 2014, 15:25

Selbst wenn ich Loveless Beschreibung lese, es ist kein schlechtes Leben was einem Menschen da noch geboten wird. Sie kann sogar kostenlos zu Schule gehen, das ist auch so eine Leistung die von jedem als selbstverständlich angesehen wird. Man muss sich wirklich klar machen in was für einer luxuriösen Zeit wir Leben. Schon alleine einfach mal in den Supermarkt zu gehen und sich mit Nahrung einzudecken, die Heizung aufzudrehen, die toilette, Licht in jedem Zimmer, Bildung für jeden, Internet usw... das hört gar nicht auf. Und all das, steht selbst den armen Leuten zur verfügung. Man muss noch gar nicht so lange zurückdenken, da sah es selbst in Deutschland noch ganz anders aus. Meine Oma musste noch jeden Tag holz hacken um wenigstens 1 Zimmer zu heizen. Gebadet wurde nur am Wochenende und Fleisch gab es vielleicht 1 mal im Monat.
Die Ungerechtigkeiten der Vermögensverteilung ist mir auch bewusst, aber die Realität ist wohl dass sich daran erstmal nichts ändern wird.
Was viel schlimmer wiegt als die "Armut" an sich ist die soziale kälte die in der Gesellschaft Einzug gehalten hat. In dieser Konsumorientierten Welt wiegt anscheinend das Iphone mehr als der Mensch eine Straße weiter, der sich keinen Kühlschrank leisten kann. Kapitalismus schafft nun mal Gewinner, aber auch ein Menge Verlierer, sonst würde er wahrscheinlich gar nicht funktionieren, zumindest nicht wenn dass einzige Ziel die Profitmaximierung ist. Man kann jetzt auch ganze Romane über Alternativen und bedingungslose Grundeinkommen schreiben, aber am Ende des Tages bleibt einem nur, selbst etwas zu tun. Und das heißt in diesem Fall, sich einfach mal bewusst zu machen, dass NICHTS selbstverständlich ist. So richtig am A.. ist man eigentlich erst mit der Obdachlosigkeit. Weil dann ist deine Existenz wirklich bedroht und sowas sollte eigentlich in keinem Land der Erde zugelassen werden.

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Re: Armut und Tafeln

Beitragvon Ceytlin » 28. Oktober 2014, 22:00

Zumindest so lange man den vollen Hartz IV-Satz bekommt würde ich ebenfalls sagen, dass man davon leben kann - ich habe in meiner vorübergehenden Selbständigkeit teils von weniger leben müssen und konnte als ich zwischenzeitlich zwei Finger fast drei Monate kaum noch bewegen konnte nicht zum Arzt, weil ich mich leider habe bequatschen lassen und in einer Privatversicherung hing mit einem Selbstbehalt von 1.000 Euro - und Geld um die Arztrechnung zu bezahlen hätte ich keins gehabt. Da waren nach Abzug der Kosten teils weniger als 100 Euro für den ganzen Monat übrig, ich hatte auch Monate mit 50. Das war allerdings eine sehr belastende Situation. Ich habe auch viele Schulden gemacht, teils in der gescheiterten Selbständigkeit, teils bei - inzwischen überwundenen - Kaufräuschen ohne Sinn und Verstand, sodass die hohen Ratenzahlungen trotz Vollzeitarbeit lange dafür gesorgt haben, dass trotzdem nur 100 Euro im Monat blieben, nun habe ich endlich einen ordentlichen Umschuldungskredit bekommen und dadurch etwas mehr Luft, kann auch mal ausgehen, ins Kino, Ins Theater und muss im Supermarkt nicht immer auf das Geld schauen. Und es ist eine enorme Entlastung, schon allein weil ich die Möglichkeit habe, mir etwas Gutes zu tun, wenn es mir mies geht.

Wenn aber gekürzt wird, dann schaut es finanziell eben doch wieder ganz anders aus.

Man sollte nicht unerschätzen wie psychisch belastend es ist, ständig aufs Geld schauen zu müssen. Bei mir ging es psychisch deutlich aufwärts, nachdem sich das Schuldenproblem zwar nicht gelöst, aber doch zumindest anders geregelt hat, sodass ich nun von meinem Geld wirklich etwas übrig habe für mich. Wenn man sich nie etwas leisten kann, nicht mal kleine Dinge, ist das ohne Frage eine Belastung. Und ich denke auch da hilft es nichts dran zu denken, dass es einem noch schlechter gehen könnte, dadurch wird die eigene Situation nämlich auch kein bisschen besser. Ich bin ja auch nicht weniger depressiv, nur weil ich weiß dass es andere Menschen gibt, die viel mehr Schlimmes erlebt haben.


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