Zitate (Sammlung)

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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon sdsdsdsv » 28. Juni 2023, 19:35

»Unsere Macht ist im Vergleich zu der ihren nur scheinbar klein«, meinte die Hexe. »Aber sie reicht tief. Sie besteht nur aus Wurzeln. Sie ist wie altes Brombeerdickicht. Die Macht eines Zauberers ist vielleicht wie eine Fichte, groß, hoch und prächtig, aber ein Sturm wirft sie um. Nichts kann ein Brombeerdickicht töten.« Sie kicherte gackernd, weil ihr der Vergleich gefiel.

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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon eremit » 13. August 2023, 00:25

"Vielleicht geht es nicht anders; vielleicht muss man wählen: nichts zu sein oder das, was man ist, zu spielen. Das wäre schrecklich. Man wäre von Natur aus verfälscht."
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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon sehnsuchtsort » 4. März 2024, 07:16

orinoco hat geschrieben:
25. Sep 2015, 19:11 » Sandra hat geschrieben:„Es ist besser, gelegentlich betrogen zu werden, als niemandem mehr zu vertrauen.“ - Astrid Lindgren


Leicht gesagt. Wenn einem das Ur-Vertrauen fehlt ... ihrem Sohn konnte sie damit auch nicht helfen, wenn ich mir das Ergebnis ansehe.

Ist zwar länger her, aber ich würde gerne ergänzen: Leicht gesagt heißt nicht zwingend falsch.

Soweit ich das richtig verstanden habe, kann das Urvertrauen sich zwar fehl- oder unterentwickeln, aber nicht komplett fehlen. Entzieht man einem Säugling jeglichen liebevollen (Haut-)Kontakt zur Mutter, wie auch jedem anderen Menschen, und dabei vor allem die Zuneigung, kann es dadurch so gut wie kein Urvertrauen aufbauen - es verkümmert endweder geistig und ist damit kaum lebensfähig, oder es stirbt sogar.

Solange das Kind aber noch genug Urvertrauen entwickelt, um seine kognitiven Fähigkeiten auszubauen, wird es einigermaßen normal zum Kleinkind heranwachsen, auch wenn es bei zu wenig Zuwendung (schwer) traumatisiert bleibt und ein instabiles Ego entwickelt. Aber ein Ego lässt sich rückwirkend stärker, wenn auch nicht zur Gänze reparieren, und solange noch ein Fundament an Vertrauen vorhanden ist, lässt sich etwas darauf bauen. Und das sogar noch einmal, wenn darauf etwas einstürzt - vorausgesetzt, man findet die Kraft dafür. (Und: selbst, wenn man keine mehr hat, kann es sein, dass man irgendwo eine gute Seele findet, die einem welche leiht.)

Ich selbst spreche leider nicht komplett aus Erfahrung, da ich noch wegräume, was die Trümmer meines eigenen letzten Versuches sind, und an Retraumatisierung leide. Aber mit dem Wissen darum, dass meine Gefühle einmal gut, wahr und richtig waren, halte es doch für zu fatalistisch, die Möglichkeit "eines Tages" auszuschließen.

Vielleicht nicht ganz unpassend dazu:

"Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben."

- Walter Benjamin. In: Goethes Wahlverwantschaften (1924/1925)
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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon orinoco » 4. März 2024, 12:42

sehnsuchtsort hat geschrieben:...
Solange das Kind aber noch genug Urvertrauen entwickelt, um seine kognitiven Fähigkeiten auszubauen, wird es einigermaßen normal zum Kleinkind heranwachsen, auch wenn es bei zu wenig Zuwendung (schwer) traumatisiert bleibt und ein instabiles Ego entwickelt. Aber ein Ego lässt sich rückwirkend stärker, wenn auch nicht zur Gänze reparieren, und solange noch ein Fundament an Vertrauen vorhanden ist, lässt sich etwas darauf bauen. Und das sogar noch einmal, wenn darauf etwas einstürzt - vorausgesetzt, man findet die Kraft dafür. (Und: selbst, wenn man keine mehr hat, kann es sein, dass man irgendwo eine gute Seele findet, die einem welche leiht.)
...


Ich sach mal so: was die Ausprägung der emotionalen Autoregulation betrifft kann man Glück haben, aber auch so richtig Pech, oder Glück im Unglück. Es ist ein Lern-Kontinuum wo es diejenigen gibt, die mit dem richtigen Lehrer und wo sonst alles stimmt richtig gut werden und Supercentenarians werden, diejenigen wo alles falsch läuft und diejenigen, die zwar mit der primären Bezugsperson auch Pech hatten, aber das Glück einen "warmen Ofen" ihrer Kindheit zu finden, der das Schlimmste verhindert hat. Was die Möglichkeiten zur "Reparatur" betrifft, geht nach dem Schließen des Zeitfensters im Alter von ca. 3 Jahren so gut wie nichts mehr. Ich vergleiche das mit einer Querschnittslähmung: mit sowas wird man nie querfeldein und durch den Wald springen, sondern immer auf ein verständnis- und rücksichtsvolles soziales Umfeld angewiesen sein. Das bedeutet nicht, dass man keinen Spaß mehr am Leben haben kann. Man kann mit der Behinderung leben lernen, vorausgesetzt man hat das Problem verstanden, was im Fall einer psychischen Behinderung weit weniger offensichtlich ist als bei einer Querschnittslähmung, aber es geht.

A propos: mein Buch zum Thema ist so gut wie fertig. Fall jemand Interesse an einem sneak preview hat und vielleicht auch bereit für ein konstruktiv-kritisches Feedback ist (oder auch Beziehungen zu einem guten Verlag hat) einfach eine PM schicken. Sind nur so ca. 100 Seiten.
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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon sehnsuchtsort » 4. März 2024, 13:44

orinoco hat geschrieben:Ich sach mal so: was die Ausprägung der emotionalen Autoregulation betrifft kann man Glück haben, aber auch so richtig Pech, oder Glück im Unglück. Es ist ein Lern-Kontinuum wo es diejenigen gibt, die mit dem richtigen Lehrer und wo sonst alles stimmt richtig gut werden und Supercentenarians werden, diejenigen wo alles falsch läuft und diejenigen, die zwar mit der primären Bezugsperson auch Pech hatten, aber das Glück einen "warmen Ofen" ihrer Kindheit zu finden, der das Schlimmste verhindert hat.

Soweit würde ich definitiv mitgehen, das hört sich für mich plausibel und mit dem, was ich dachte, vereinbar an.

Was die Möglichkeiten zur "Reparatur" betrifft, geht nach dem Schließen des Zeitfensters im Alter von ca. 3 Jahren so gut wie nichts mehr.

Okay, das klingt interessant, hast du ggf. Quellen zum Nachlesen o.ä.? Mich würde das sehr interessieren, da meine Herleitung bisher eine primär psychoanalytische war, und ich von der These (aus der Psychologie?) noch nichts wusste. Bis zum Alter von drei Jahren ist ja auch ein Zeitfenster, in dem sich ein Mensch kaum bis gar nicht an Ereignisse erinnern kann, richtig?
Vielleicht haben wir verschiedene Definitionen von Reparatur, aber wenn ich mich bspw. an meine frühe bis späte Kindheit erinnere, und diese mit meinem Jetzt-Zustand vergleiche, dann würde ich sehr eindeutig sagen, dass einiges an Arbeit und Aufarbeitung an mir selbst zu einem stärkeren Ich-Begriff und Ego geführt hat, das sehr viel weniger fragil ist als das kindliche Ich. Und das nicht nur aufgrund von Abspaltung und Dissoziation von schmerzhaften Gefühlen, sondern aufgrund eines graduell aufgebauten, stärkeren Vertrauens in sich selbst, wie auch in die intime Beziehungen um mich herum.
Ich vergleiche das mit einer Querschnittslähmung: mit sowas wird man nie querfeldein und durch den Wald springen, sondern immer auf ein verständnis- und rücksichtsvolles soziales Umfeld angewiesen sein. Das bedeutet nicht, dass man keinen Spaß mehr am Leben haben kann. Man kann mit der Behinderung leben lernen, vorausgesetzt man hat das Problem verstanden, was im Fall einer psychischen Behinderung weit weniger offensichtlich ist als bei einer Querschnittslähmung, aber es geht.

Die Analogie macht mir das gut greifbar, allerdings - ich bitte um Entschuldigung, dass ich jetzt primär meinen Fall thematisiere - hätte ich mich zu einem Zeitpunkt von vor ungefähr 15-16 Jahren wahrscheinlich selber in einer ähnlichen Position gesehen: Also in der Position, seit jeher unheilbar aus einem Fehlverständnis der Außenwelt nicht herausrückbar zu sein. Ich dachte damals, dass mich meine Andersartigkeit, wie nicht anders gekannt, überall als andersartig definieren wird, gerade weil ich nichts anderes kannte als die von jeder Seite fehlenden Anerkennung, v.a. seitens meiner Familie.
Doch wenige Jahre danach, im späteren Teenage-Alter, sind Menschen in mein Leben getreten, die ich nach gewisser Zeit näher an mich heran lassen konnte, als alle anderen davor, weil sie - natürlich, als Borderliner - auch einen gewissen Schaden hatten, und weil sie mir zum ersten Mal starke Zuneigung entgegenbrachten.

Wäre dann, in Bezug auf das frühkindliche Trauma, quasi meine Erfahrung von damals als eine "Glück im Unglück" zu bezeichnende, sodass ich 13 Jahre nach dem frühkindlichen Trauma die ersten schönen Verbindungen aufbauen konnte? Hälst du das (emotionale) Lern-Kontinuum nach 3 Jahren für komplett abgeschlossen - und steckt damit eine Person, die primär Unglück und schlechte Erfahrungen in Bezug auf ihre Fürsorgepersonen gemacht hat, für immer in dieser "emotionalen Querschnittslähmung" fest - ohne jede Möglichkeit der Besserung?
Die kognitiven Fähigkeiten müssten sich ja, wenn überhaupt noch ein Austausch zwischen dem dann erwachsenen Menschen und anderen realisierbar sein soll, trotzdessen weiterentwickeln, keine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist. Ist die emotionale Entwicklung dann unaufhaltbar im Frühkindlichen abgeschlossen?

Vielen Dank auf jeden Fall für deine Antwort und die Zeit!
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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon orinoco » 4. März 2024, 14:27

sehnsuchtsort hat geschrieben:
Was die Möglichkeiten zur "Reparatur" betrifft, geht nach dem Schließen des Zeitfensters im Alter von ca. 3 Jahren so gut wie nichts mehr.

Okay, das klingt interessant, hast du ggf. Quellen zum Nachlesen o.ä.? Mich würde das sehr interessieren, da meine Herleitung bisher eine primär psychoanalytische war, und ich von der These (aus der Psychologie?) noch nichts wusste. Bis zum Alter von drei Jahren ist ja auch ein Zeitfenster, in dem sich ein Mensch kaum bis gar nicht an Ereignisse erinnern kann, richtig?

Exakt! Und genau das ist auch Teil des Problems. Niemand hat eine Erinnerung daran wie gut oder wie schlecht er damals die emotionale Autoregulation erlernt hat. Und das führt zu vielen Irrtümern. Es gibt nur indirekte Hinweise aus denen man Rückschlüsse auf diese Zeit ziehen kann. Quellen hab ich diverse, denn diese Erkenntnis ist im Wesentlichen nicht auf meinem Mist gewachsen u.a. Bruce D. Perry, Brian Post, Manfred Spitzer, Shelley Uram, Arno Gruen. Ich hab das Puzzle nur zusammengefügt. In meinem Blog zum Thema (Link unten) hab ich diverse Arbeiten und Vorträge von diesen verlinkt und besprochen, allerdings didaktisch wenig aufbereitet. Das ist in meinem Buch besser. Eine Kurzzusammenfassung findet sich in meinem Artikel in der Berliner Zeitung //Japanische Erkenntnis: Die Seele eines Dreijährigen bleibt ihm 100 Jahre//
sehnsuchtsort hat geschrieben:Vielleicht haben wir verschiedene Definitionen von Reparatur, aber wenn ich mich bspw. an meine frühe bis späte Kindheit erinnere, und diese mit meinem Jetzt-Zustand vergleiche, dann würde ich sehr eindeutig sagen, dass einiges an Arbeit und Aufarbeitung an mir selbst zu einem stärkeren Ich-Begriff und Ego geführt hat, das sehr viel weniger fragil ist als das kindliche Ich. Und das nicht nur aufgrund von Abspaltung und Dissoziation von schmerzhaften Gefühlen, sondern aufgrund eines graduell aufgebauten, stärkeren Vertrauens in sich selbst, wie auch in die intime Beziehungen um mich herum.

Was später passiert ordne ich in den Bereich Kompensation ein. Irgendwie muss man ja weiterleben. Da passiert auch noch viel unterbewußt, aber es ändert nichts an dem Bereich im limbischen System was mit drei Jahren "ausgelernt" hat. Man versucht sich an das neurotypische Umfeld irgendwie anzupassen, aber selbst und das soziale Umfeld wundert sich eben manchmal, dass man in bestimmten Situationen sich nicht "normal" verhält. Es kommt eben immer wieder durch und ganz besonders wenn im späteren Lebensalter Beruf und Familie - so vorhanden - nicht mehr zum Verdrängen zwingen. Dann brechen auf einmal die Traumata mit Depressionen und Krankheiten wieder durch.
sehnsuchtsort hat geschrieben:
Ich vergleiche das mit einer Querschnittslähmung: mit sowas wird man nie querfeldein und durch den Wald springen, sondern immer auf ein verständnis- und rücksichtsvolles soziales Umfeld angewiesen sein. Das bedeutet nicht, dass man keinen Spaß mehr am Leben haben kann. Man kann mit der Behinderung leben lernen, vorausgesetzt man hat das Problem verstanden, was im Fall einer psychischen Behinderung weit weniger offensichtlich ist als bei einer Querschnittslähmung, aber es geht.

Die Analogie macht mir das gut greifbar, allerdings - ich bitte um Entschuldigung, dass ich jetzt primär meinen Fall thematisiere - hätte ich mich zu einem Zeitpunkt von vor ungefähr 15-16 Jahren wahrscheinlich selber in einer ähnlichen Position gesehen: Also in der Position, seit jeher unheilbar aus einem Fehlverständnis der Außenwelt nicht herausrückbar zu sein. Ich dachte damals, dass mich meine Andersartigkeit, wie nicht anders gekannt, überall als andersartig definieren wird, gerade weil ich nichts anderes kannte als die von jeder Seite fehlenden Anerkennung, v.a. seitens meiner Familie.
Doch wenige Jahre danach, im späteren Teenage-Alter, sind Menschen in mein Leben getreten, die ich nach gewisser Zeit näher an mich heran lassen konnte, als alle anderen davor, weil sie - natürlich, als Borderliner - auch einen gewissen Schaden hatten, und weil sie mir zum ersten Mal starke Zuneigung entgegenbrachten.

Ja, das kommt mir auch sehr bekannt vor. Menschen die ebenfalls frühkindlich traumatisiert sind können sich gegenseitig eben besser verstehen als Neurotypische und Traumatisierte. Das Problem: man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sich auch gegenseitig kolossal auf die Nerven gehen.
Angst ist hochgradig ansteckend und wenn beide da eine regulatorisches Problem haben ...
sehnsuchtsort hat geschrieben:Wäre dann, in Bezug auf das frühkindliche Trauma, quasi meine Erfahrung von damals als eine "Glück im Unglück" zu bezeichnende, sodass ich 13 Jahre nach dem frühkindlichen Trauma die ersten schönen Verbindungen aufbauen konnte?

Das muss eigentlich schon sehr viel früher passieren. Mit einem "warmen Ofen" der Kindheit meine ich eher erwachsene Personen aus dem familiären oder schulischen Umfeld, die einem mit Verständnis, Nach- und Rücksicht begegnen wie Oma, Opa, Tante, Onkel, Erzieher, Lehrer oder auch die Nachbarin bei der man mehr rumhängt als zu Hause etc. Ein einziger Mensch zu dem man in der Kindheit Vertrauen aufbauen kann, macht einen enormen Unterschied ob man später zumindest anderen die Chance gibt ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
sehnsuchtsort hat geschrieben:Hälst du das (emotionale) Lern-Kontinuum nach 3 Jahren für komplett abgeschlossen - und steckt damit eine Person, die primär Unglück und schlechte Erfahrungen in Bezug auf ihre Fürsorgepersonen gemacht hat, für immer in dieser "emotionalen Querschnittslähmung" fest - ohne jede Möglichkeit der Besserung?
Die kognitiven Fähigkeiten müssten sich ja, wenn überhaupt noch ein Austausch zwischen dem dann erwachsenen Menschen und anderen realisierbar sein soll, trotzdessen weiterentwickeln, keine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist. Ist die emotionale Entwicklung dann unaufhaltbar im Frühkindlichen abgeschlossen?

Was das limbische System im Gehirn betrifft: ja! Und das muss auch so sein, weil unser Gehirn ein historisches, lernoptimiertes Organ ist.
Selbst was Sehen und Sprache betrifft ist es genauso nur mit anderen Altersgrenzen: wer bis zum Alter von ca. 5 Jahren mit einem schwachen Auge nicht Sehen gelernt hat, dann hat das Gehirn das Auge "blind" gemacht und es bleibt blind für den Rest des Lebens. Und wer bis zum Alter von ca. 13 Jahren nicht sprechen gelernt hat (wie bei Wolfskindern manchmal) der lernt nicht mehr sprechen. Mit einem sehenden Auge kommt man noch relativ gut durch's Leben. Ohne Sprache ist man schwerst behindert und das ist für jeden auch klar. Aber emotional traumatisiert sind die Folgen ebenfalls gravierend (psychisch, gesundheitlich, sozial), aber man erkennt es eben nicht leicht bzw. unterliegt leicht Irrtümern.
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Re: Zitate (Sammlung)

Beitragvon sehnsuchtsort » 6. März 2024, 03:32

orinoco hat geschrieben:Exakt! Und genau das ist auch Teil des Problems. Niemand hat eine Erinnerung daran wie gut oder wie schlecht er damals die emotionale Autoregulation erlernt hat. Und das führt zu vielen Irrtümern. Es gibt nur indirekte Hinweise aus denen man Rückschlüsse auf diese Zeit ziehen kann. Quellen hab ich diverse, denn diese Erkenntnis ist im Wesentlichen nicht auf meinem Mist gewachsen u.a. Bruce D. Perry, Brian Post, Manfred Spitzer, Shelley Uram, Arno Gruen. Ich hab das Puzzle nur zusammengefügt. In meinem Blog zum Thema (Link unten) hab ich diverse Arbeiten und Vorträge von diesen verlinkt und besprochen, allerdings didaktisch wenig aufbereitet. Das ist in meinem Buch besser. Eine Kurzzusammenfassung findet sich in meinem Artikel in der Berliner Zeitung //Japanische Erkenntnis: Die Seele eines Dreijährigen bleibt ihm 100 Jahre// [...]

Sehr interessant, danke dir für den ausführlichen Input und die Verweise! Ich werde mich damit mal auseinandersetzen und eventuell darauf zurückkommen. Bin zwar Laiin, allerdings hat mich gerade an Psychologie als Studienfach - hinsichtlich einer ganzheitlichen, die Gesellschaft miteinbeziehende Betrachtung der Psyche und ihrer Entwicklung - der stark vorherrschende Empirismus und Positivismus ziemlich abgeschreckt. Die Definition von Psychologie als eine Natur-, und nicht als Gesellschafts- oder Sozialwissenschaft, unterschlägt mMn., wie komplex die gesellschaftliche Prägung der Psyche ist, und führt an manchen Stellen zu Urteilen, in die Gesellschaftsanalyse und -kritik nicht wirklich einbezogen wird. Deswegen bin ich (kritische) Freundin psychoanalytischer Theorie, wenn man sie ergänzend, aktualisiert und damit eben kritisch liest. Die Komplexizität sozialer Dynamiken und ihrer Auswirkungen, welche man in der Psychologie oft auf einfache Schemata runterbricht, kann mit einer Einbindung von Kultur- und Gesellschaftstheorie mMn. besser erfasst werden. Aber das ist eine Grundsatzdiskussion, die nunmehr 60 Jahre auf dem Buckel hat, und an der Stelle auch gar nicht so groß Thema sein soll.

Und hier ein - zum verlinkten Positivismusstreit passendes, aber durchaus nicht unkontroverses und definitiv provokatives - Zitat:
"Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen."

- Theodor W. Adorno. "Minima Moralia - Reflexionen aus einem beschädigten Leben" (1951)
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